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meist in Heerden und in ruhiger Situation darstellt, giebt er ihnen stets etwas Akademisches, möchten wir’s nennen, in Lage oder Stellung, welches sehr oft so bedeutend hervortritt, daß der Beschauer sich unwillkürlich gesteht, wie diese Thierfiguren sehr gute Muster für die Ausführung durch einen Bildhauer abgeben, oder vielleicht nach antiken Vorbildern der Sculptur gezeichnet sein könnten. Die Landschaft stimmt zu diesem Typus der Viehstücke von Roos ganz vortrefflich mit ihrem Schmuck von starken Thürmen und alterthümlichem Gemäuer, das mehr an Rom und Griechenlands antike Baureste, als an die alte Architectur in dem Vaterlande des Malers zu erinnern pflegt. Diese landschaftlichen Partien in den Gemälden von Roos sind ebenso wahr und verständig ausgemalt, als die Thiere selbst. Schon vor dem Tode des Meisters (1685) behaupteten seine Oelbilder und geätzten Blätter bedeutende Preise, welche gegenwärtig rücksichtlich der Arbeit aus seiner Blüthenperiode sich ganz unverhältnißmäßig gesteigert haben, da kaum ein wichtiges Bild von Roos nicht in festen Händen ist.




Ein ländliches Volksfest.
Von David Teniers.

In dem weiten, mit den herrlichsten Blumen gezierten Garten des Edelhofes eines Dorfes, unweit der guten, alten Stadt Alkmaar in Holland, erging sich der jugendliche Herr der Besitzung mit seiner schönen Frau.

Beide waren sehr nachdenklich. Jacques van dem Bosch hatte unter der breiten Krämpe seines Sommerhutes die Stirn düster gefaltet; die reizende Schloßherrin sah betrübt darein und achtete kaum auf die kindlichen Spielereien und das Plappern des Erstgebornen, welchen sie, ungeachtet er bereits anfing, derbe Formen zu zeigen, auf dem Arme trug.

Ihre Aufmerksamkeit war auf ein fern unter einer Reihe von halbdurchsichtigen Fliederbüschen wandelndes Paar gerichtet. Es war ein schöner junger Mann und eine schlanke, üppig blühende Dame, welche Arm in Arm langsam an den Blumenbeeten dahin schlenderten und manchmal, während ihres, dem Anschein nach sehr lebhaften und interessanten Gesprächs einige Minuten stehen blieben. Wenn dieser Herr und diese Dame nicht in einander verliebt waren, so befanden sie sich auf dem Wege, es zu werden.

– Sieh nur, Jacques! flüsterte die junge Frau, verstohlen auf das ferne Paar deutend. Diese Jacobaea benimmt sich aber doch zu frei. Sie sollte doch bedenken, daß sie den Mynheer van Liljedorp erst seit drei Tagen kennt . . .

– Lange genug, um das leicht entzündliche Gemüth meines alten Freundes zu entflammen! sagte der Herr van Bosch achselzuckend.

– Und Anna kommt noch immer nicht! klagte die Dame. Was sie nur zurückhält, hier zu erscheinen, wo eine unverschämte Freundin sich bemüht, alle ihre Hoffnungen auf Erdenglück zu zerstören . . . O, Anna, Du meinst zu der Verlobung mit Deinem geliebten Cornelius zu eilen . . . Arme Schwester; Du wirst eben noch früh genug kommen, um Jacobaea Blander mit Deinem Bräutigam das Gelübde wechseln zu sehen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/821&oldid=- (Version vom 1.8.2018)