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ging längst Niemand mehr, denn man hatte sich vollständig davon überzeugt, daß der heilige Rochus nicht zu bewegen war, der Pest Einhalt zu thun.

Die Mönche beteten wohl wie ihre Vorschrift ist, in ihren Kirchen und Kapellen, aber es half auch nicht viel, denn die armen Klostergeistlichen starben unaufhaltsam hin, so daß manches Monasterium nicht so viel Hände mehr hergeben konnte, um den Todten die letzte Liebe zu erweisen. Die frommen Väter schrieben nach Lothringen und nach Frankreich, um sich neue Brüder zu erbitten; aber diese blieben aus, obgleich viele Segenswünsche ankamen.

Damals lag dicht an der Straße, unweit eines Städtchens zwischen Lüttich, Namur und Huy ein uraltes Kloster, das nach einander das Besitzthum verschiedener Orden gewesen war. Die Mönche hatten sich hier aber nie sehr gefallen, denn zuerst hatten sie keine Einkünfte, sondern mußten arbeiten, pflügen und graben und auf die Früchte ihres Gartens Acht haben, wenn sie leben wollten, weil sie von den, durch den beständigen Krieg ganz verarmten Bewohnern der Gegend sehr wenig Unterstützung erbitten konnten und dann war das Klostergebäude selbst in sehr erbärmlichem Zustande, verfallen vor Alter und dazu von Kanonenkugeln allenthalben sehr übel zugerichtet.

Endlich kamen Capuziner zu vier oder fünf und hatten sich’s im Kloster bequem gemacht, wobei ihnen die Bauern getreulich Beistand geleistet. Sie hatten ihre Brüder in Frankreich nach ihrem Kloster eingeladen und es kamen noch mehre Väter des Ordens, die sich ziemlich wohl befanden, denn sie arbeiteten fleißig und der Prior, welcher sonst ein sehr finsterer und strenger Oberherr für die Mönche war, verstand die Kunst, die Leute aus weit entfernten, gesegneten Gegenden zu bewegen, daß sie dem armen Kloster Geld schickten, wofür die zerschossene kleine Kirche wieder aufgebaut werden sollte. Die Kirche ist zwar nie wieder erbaut, der Bau selbst nicht einmal begonnen. Das schadete indeß nichts, die Mönche konnten ganz gut in ihren Zellen und auf dem weiten Flur mit den großen Kreuzgewölben beten, obgleich sie an letzterem Platze nicht vor Regen sicher waren – und das thaten sie auch und dankten Gott besonders dafür, daß er ihnen die Mittel bescheerte, in dem guten Refectoriums-Saal vorzüglich zu speisen, anstatt verurtheilt zu sein, nach langem Fasten sich ein anderes Asyl zu suchen.

Diese Mönche hatten den Pestkranken des Städtchens und der Umgegend nach allen Kräften beigestanden, bis zuletzt auch sie bis auf drei herabgeschmolzen waren. Diese drei Patres-Capuziner waren schon ziemlich alt; der jüngste war der Prior des Klosters selbst, welcher sechzig Jahr zählte. Sie hatten einmüthig beschlossen, sich weiter um keinen Menschen zu bekümmern, sondern im Kloster zu bleiben bis die Pest vorbei sein würde und das war auch gut möglich, denn die drei Menschen hatten auf lange Zeit Mundvorrath in ihren Kellern. Sie schlossen also das Kloster zu und ergaben sich stillen Betrachtungen; öffneten auch die Thüren nicht, die Leute mochten läuten oder pochen, wie sie wollten.

In dieser Zeit war’s, daß eines Abends – es war im Frühlinge – inmitten des strömenden Regens ein Capuziner durch die leeren Straßen des Städtchens schlich, neben welchem das alte Kloster lag. Er klopfte an mehre Thüren und fand endlich Einlaß. Die arme Frau, welche ihm öffnete, hatte augenscheinlich nicht viel im Fall ihres Todes auf der Welt zu verlieren, darum freute sie sich über den geistlichen Besuch und beichtete mit wahrer Herzensandacht, während der Capuziner ihr gegenüber am Tische sich setzte, seinen Schnappsack öffnete und nicht im

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 868. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/885&oldid=- (Version vom 1.8.2018)