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noch in einer öffentlichen Gesellschaft, wo man über wichtige Religionssätze sehr hitzig stritt. Einige sagten sogar, wenn man ihnen bei uns Protestanten bessere Versorgung gäbe, als sie in ihrem katholischen Lande hätten, so würden sie kein Bedenken tragen, zu unsrer Religion überzugehen. Ob der Satz schon seine Richtigkeit hat, und von dem aufgeklärtern Theile der Katholiken auch angenommen ist, daß man in jeder Religion selig werden könne, so war mir diese Unterhaltung doch sehr zuwider, denn es bleibt allzeit ein abscheulicher Gedanke, sein Religionssystem nach dem größern oder geringern Haufen Goldes formen zu wollen. Mein erster Grundsatz ist: „in jeder Religion wird man selig, wenn man nach Tugend strebt, und wer von seinem Glauben zu einem andern übergehet, ist in meinen Augen ein Nichtswürdiger.“ Denn ich glaube nicht, daß man mir in neuern Zeiten ein Beispiel wird aufweisen können, wodurch es bewiesen würde, daß Einer aus wahrer Ueberzeugung seine Religion verändert habe; man wird allzeit andre Ursachen zum Grund liegen sehen.

Empfohlene Zitierweise:
Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/76&oldid=- (Version vom 22.11.2023)