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Walther Kabel: Von der Schärfe des Sehvermögens der Raubvögel (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5)

den gefiederten Räubern nicht über das Normale ausgebildet sind, besitzen ihre Augen eine Sehstärke, die nach den Beobachtungen des Pariser Zoologen Vaular die eines mit vorzüglichen Augen ausgestatteten Menschen etwa um das Zwanzigfache übertrifft.

Der genannte Forscher hat in seiner Schrift „Der Raubvogel und sein Schutzorgan“ ein reiches Material von Erlebnissen aus aller Herren Ländern gesammelt. „Die peruanischen Bauern,“ heißt es an einer Stelle, „pflegen Adler, Geier und kleinere Raubvögel, die ihrem Viehstande schädlich werden können, auf folgende Art zu jagen. An einem besonders klaren Tage werden auf einem freien Felde ungefähr fünfzig Meter von einer durch Gesträuch verdeckten, niedrigen Hütte die Eingeweide von Rindern, Schafen usw., kurz alles, was man gerade an größeren Fleischabfällen zur Hand hat, vergraben und zwar so, daß nachher die Erde über der Grube wieder glatt eingeebnet wird. Läßt man nämlich das Gescheide offen auf dem Boden liegen, so kann man vergeblich stundenlang auf einen der sehr argwöhnischen Vögel warten. Die Arbeit des Eingrabens müssen mindestens sechs Personen besorgen. Während sich dann fünf nachher entfernen, verbirgt sich der sechste, der eigentliche Jäger, in der Jagdhütte. Würde man diese Vorbereitungen mit Hilfe von nur zwei oder drei Personen treffen, so bliebe der Erfolg ebenso aus, als wenn man die Fleischabfälle nur auf den Boden wirft.

Hierfür gibt es meines Erachtens nur eine Erklärung: Die Raubvögel, die in unendlichen Höhen im Äther schweben und alle Vorgange auf der Erde genau verfolgen, haben sehr bald gesehen, daß an der bewußten Stelle reichliche, unschwer zu erlangende Nahrung verscharrt wird, und beobachten daher das Tun und Treiben der sich dort hin und her bewegenden Menschen besonders genau. Handelt es sich hierbei vielleicht nur um drei Personen, von denen schließlich nur zwei den Platz wieder verlassen, dann merken die Vögel das Fehlen der einen Person sehr wohl, wodurch ihr Argwohn sofort rege wird, so daß sie sich hüten, auf den lockenden Köder herabzustoßen. Ich möchte daher nach meinen Erfahrungen geradezu

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Walther Kabel: Von der Schärfe des Sehvermögens der Raubvögel (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sch%C3%A4rfe_des_Sehverm%C3%B6gens_der_Raubv%C3%B6gel.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)