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es für vornehm halten, anderen gegenüber einer eisigen Zurückhaltung sich zu befleißigen. Sie machen sich dadurch unbeliebt. Jeder Verständige durchschaut sie, zuckt über sie die Achseln. – Aber – sie sind in einer Beziehung geradezu gefährlich: im gesellschaftlichen Leben. Ein einziger dieser Art kann einen gemütlichen Abend total verderben. Die Kälte, die von ihm ausstrahlt, läßt keine zwanglose Heiterkeit aufkommen. Daher: fort mit einem solchen Menschen aus Eurem Verkehrskreis! Mag er merken, daß er ein Störenfried ist!

Hochmut ist nahe verwandt mit Stolz. Während der Hochmütige in den meisten Fällen aber zu den „Minderbegabten“ gehört, setzt der Stolz immer Erfolge voraus, auf die er sich gründet. Erfolg ist gewiß etwas Schönes. Wem diese Erfolge jedoch derart zu Kopfe steigen, daß er sich nun für etwas ganz Besonderes hält und dies bei jeder Gelegenheit auch zeigt, wer naserümpfend auf weniger Glückliche herabsieht, der ist stolz und für den geselligen Verkehr deshalb genau so einzuschätzen wie der Hochmütige, dem vielleicht lediglich das Wörtchen „von“ vor seinem Namen in seinen Augen Gottgleichheit verleiht.

Stolz! – Ja – er treibt die seltsamsten Blüten! Wie oft geschieht es, daß ein Sohn einfacher Leute durch viele stille Opfer seiner Eltern es etwa bis zum Oberlehrer, Arzt und so weiter bringt und dann – wie erbärmlich! – sich der biederen Eltern nachher schämt! Glaubt denn dieser Undankbare, daß er sich vor seinen Bekannten etwa bloßstellt, wenn er sie mit seinen Eltern zusammenführt?! Wird nicht der größte Teil dieser Bekannten ihn gerade deswegen besonders achten, weil er sich der Seinen nicht schämt!

Mit welch ängstlicher Scheu verheimlichen viele ihre Herkunft, lügen hierbei sogar, legen dem Vater eine Stellung bei, die dessen wahren Stand verheimlichen soll! – Wie kläglich und albern ist das! Wie wirkt derartiges auf vernünftige Menschen! – Und wie sehr beweist der einen gefestigten Charakter, der gelassen erwähnt, sein Vater sei einfacher Flickschuster z. B. gewesen.

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)