Sonntagstanz der Wiener Wäschermädel

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Textdaten
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Autor: G.
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Titel: Sonntagstanz der Wiener Wäschermädel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 593, 596
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[593]

Sonntagstanz der Wäschermädchen in Wien.
Nach einer Originalzeichnung von J. M. Kupfer.

[596] Sonntagstanz der Wiener Wäschermädel. (Zu dem Bilde S. 593.) Was ein Wiener „Wäschermädel“ ist, das läßt sich dem Nichtwiener ebensowenig deutlich machen wie die gesellschaftliche Stellung des „Fiakers“ in der österreichischen Hauptstadt. Es wäre nichts einfacher als zu sagen: das „Wäschermädel“ reinigt eben Leib-, Bett- und Tischwäsche, aber mit solch einer Erklärung wäre noch nicht die Hälfte gesagt. Die Wäschermädel sind wie die „Fiaker“ letzte Ueberbleibsel überlieferten Altwienertums, sie sind Specialitäten – und „Specialität“ sein, gilt dem Wiener als das Höchste. Der „Fiaker“ will heute noch wie ehedem nicht nach der Taxe fahren, das Wäschermädel hat aus der Vergangenheit in die Gegenwart das Bewußtsein mit herübergenommen, den Typus der „feschen“ Wienerin rein und unverfälscht zu verkörpern. „Fiaker“ und „Wäschermädel“ haben noch je ihren Ball für sich, nicht mehr so rein und ohne fremde Beimengung wie vor Jahren, aber immerhin noch Tanzfeste von unverkennbarer Eigenart. Das Merkwürdigste an ihnen ist das gewohnte Erscheinen der „Gawliere“, der „Kavaliere“ – ein Sammelname, unter welchem man all das Männliche versteht, das adlig oder Sportsmann ist oder doch so thut, als ob es das wäre, das den „Fiaker“ per „Du“ anspricht, ihm weit mehr bezahlt, als er verlangt, und sich zu ihm in ein vertrautes Verhältnis setzt. Der Fiakerball und der Wäschermädelball danken ihre finanziellen Erträgnisse eben den „Gawlieren“, die für ihre Eintrittskarten großmütig die „Zehner“ – wie die Zehnguldennoten heißen – „springen“ lassen und nebstdem ihre Schützlinge mit Champagner traktieren. Die Berührung der Aristokratie mit dem Volke – sie wird da schier parodistisch dargestellt.

Aber wir wollen kein satirisches Kapitel schreiben, sondern nur einen Blick werfen auf die „Wäschermädel“ und auf ihre sonntäglichen Unterhaltungen. Mit den Wäschern und anderen guten Freunden tanzen sie da flott drauf los, und daß nur ein „Werkel“ – Leierkasten – ihnen dazu aufspielt, thut ihrer Fröhlichkeit keinen Eintrag. Wer gern tanzt, dem ist leicht gepfiffen! Die Arbeit ruht, nach einer Woche voll Plage thut die Rast, verbunden mit einem bißchen Vergnügen, dem Menschen wohl. In dem geräumigen Hofe, dessen Bestimmung durch die an Schnüren zum Trocknen ausgehängte Wäsche gekennzeichnet ist, haben die Paare auf unserem Bilde einander rasch gefunden – wenn es nicht anders geht, Mädchen und Mädchen oder auch zwei lustige Kinder, jüngstes Wiener Blut von der echten Rasse. Die Scene spielt im neunten Bezirke, in einem weitläufigen alten Hause, genannt die „Ritterburg“. J. M. Kupfer, der Wienerische Maler, kennt sich da gut aus, er hat das Leben und Treiben dort in seinen verschiedensten Aeußerungen belauscht, und auch die „Wäschermädel“ sieht er so, wie sie wirklich sind. Als maßgebender Zeuge muß er bestätigen, daß man unter ihnen geradezu tadellose Schönheiten findet. Und nicht nur die Gesichtszüge sind schön, auch die Haltung ist anmutig, der Gang elastisch, und selbst wenn die Wäscherin auf dem Rücken den Tragkorb – die „Butten“ – hat, über welche links und rechts die gesteiften, schlohweißen Frauenunterröcke hinauswallen, geht sie flink dahin wie ein Reh. In der „Ritterburg“ – die Selbstverspottung der Bewohner hat ihr wohl diesen Spitznamen angeheftet – sind ganze Geschlechter von Wäscherinnen gekommen und gegangen. Wo jetzt die jungen Mädchen tanzen, dort haben Großmutter und Großvater einander kennengelernt, und die Enkel der heutigen würden dort noch hausen, wenn nicht die Neugestaltung von Wien die „Ritterburg“ mit dem Abbruch bedrohte! G.