Topographia Braunschweig Lüneburg: Greene

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Topographia Germaniae
Greene
<<<Vorheriger
Göttingen
Nächster>>>
Grohnde
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 95–97.
[[| in Wikisource]]
Greene (Niedersachsen) in der Wikipedia
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du unter Hilfe
Link zur Indexseite


[T39]
[95]
Greene.

Das Schloß vnd Ampthauß Greene / ist ein vornehmes Fürstliches Braunschweigisches Wolfenbüttelisches Ampthauß / vnfern von dem Leinstrom / gegen Vffgang der Sonnen / vff einem lustigen Berge / vnd harten Felsen belegen / woselbst ein lustiger anmuhtiger Prospect / weit nach dem Hartze / auch über etzliche Ampts-Dörffer / vnd über den / von beyden seiten mit schönen Awen vnd Wiesen vmbgebenen Leinafluß.

Im Jahr 1553. ist von Grafen Volrad von Manßfeld / welcher diese Lande / wegen Marggraff Albrecht / feindlich überzogen / auch dieses Hauß erobert / abgebrant / vnd geschleiffet / von Hertzog Heinrich dem Jüngern zu Braunschweig vnd Lüneburg so fort hinwiederumb erbawet / mit schönen Fürstl. vnd andern Gemächern gezieret / vnd derogestalt angelegt worden / daß es dem vorigen alten Gebäw weit vorzuziehen gewesen. Es ist aber nachgehends / bey diesen dreissigjährigen Krieges-troublen / so wol von Keyserl. als Königl. Schwedischen [96] Völckern / zum offtern eingenommen / vnd sehr ruiniret worden / welches aber jetzo nach aller Mügligkeit hinwieder repariret / vnd zu vorigem Stande gebracht wird. Hat sonsten in seinem Bezirck 17. grosse vnd kleine Dörffer / welche eins theils an dem Leine-Strom / theils auch an der Eimbeck- vnd Alfeldischen Grentze belegen / vnd dem Ampte mit Huld vnd Schuld / auch Fron vnd Diensten verwandt seyn / vnd dahin zu Gerichte gehen müssen. Hat zimblichen fruchtbaren Acker / sonderlich der / so nahend dem Leine-Strom belegen / auch köstlich Wiesenwachs / welches schier alle Jahr von dem Leine-Strom überschwemmet / vnd derogestalt begeilet wird / daß an Graß vnd Hewwachs ein Vberfluß zu finden / Falls aber der Strom sich zur Vnzeit / im Sommer vnd Hewmonat (wie dann zun Zeiten beschiehet) ergeusst / vnd die Awen vnd Wiesen mit dem Schleck / welchen die Leine auß ihrem sumpfigen vnd morastigen Grunde außwirfft / bedecket / wird der Vberfluß zum offtern in Mangel verkehret.

Mit Holtzung ist diß Ampt überflüssig versehen / zumahln nicht allein die Nohtturfft nahend dabey verhanden / besondern auch der ansehnliche vnd berühmte Wald / der Hilß genant / in dessen Bezirck vnd Grentzen belegen / welcher zugleich auch daß Ackenhäuser Holtz in sich begreifft / hat ansehnlich Eichen vnd Büchen Mastholtz / also / daß zu Mastzeiten / etzlich viel hundert Schweine können gefeistet werden / worin dann auch allerhand Wildbrät / als Hirsch / Rehe / Säwe / auch von Raubthieren / Wölffe vnd Lüchse zu finden / gestaltsamb dann in anno 1652. drey Lüchse geschossen / vnd zu der Fürstlichen Residentz Wolffenbüttel gesandt worden / Sonsten aber vorher bey Menschen gedencken an diesem Ort nicht verspüret worden.

Es sind auch in diesem Walde zweene ansehnliche Glasehütten verhanden / in deren jeden bey die 24. Personen continuirlich / so Tages als Nachtes / blasen vnd arbeiten / vnd wird eine jede Hütte in zwo Seiten abgetheilet / vff deren eine die Wein- vnnd Biergläser / auff der andern aber das Schorff- vnd Fensterglaß / auch schöne helle Fensterscheiben verfertiget werden / vnd hat es damit eine sothane Bewandnuß: Zu dem Wein- vnd anderm schönen hellen Glaß / wird gebrauchet Asche vnd Sand / die Asche muß von faulem Holtz / so Waldasche genant wird / gebrant / durch ein Siebe gesichtet / vnd alsdann nebst dem Sande in die / von sonderlichem Thon dazu verfertigte Häfen / in die Gluet gesetzet / auch mit etwas Saltz vermischet werden / es gibt aber das Saltz kein Glaß / besondern machet die Materialien / als Asch vnd Sand / nurt flüssig / damit es fein lauter / rein vnd klar werde / wie dann imgleichen auch ein wenig kalt Wasser / vmb das Glaß darin zu schrencken / auch das Fewr / wann es zu Zeiten überhand nehmen will / zu leschen / bey der Hand seyn muß / vnd kan also in obbemelten Häven / die Materia vff allerhand art / als / grün / gelb / blau / vnd braunlicht gefärbet / vnd das Glaß nach beliebenden Farben gemachet werden. Das Holtz wird in zweyen absonderlich dazu aptirten Oefen / derogestalt getrocknet / vnd so heiß gemachet / daß es von dem Schürer / mit sonderlich gestrickten dicken Lappen vnd Handschuen angegriffen / vnd zur Gluet vnter die Häven gestecket / damit es augenblicklich / wie ein Schwefelstock / angezündet werden könne.

Vorbemelte Personen haben in jeder Hütten ihre sonderbare Verrichtung / vnd befinden sich 6. in 7. Weingläsergesellen / deren jeder seinen besondern Hafen / worauß er bläset / vnd auch besondern Jungen / welcher das geblasene Glaß von ihnen / mit einer eisern Stangen wegnimbt / vnd in einen mit sonderer Gluet versehenen Kuhlofen / worin es alsdann die härte überkompt / setzen.

Zum Fensterglaß machen muß Soetasche / welche in den Saltzwangen vnd Kohten gebrant / nebst dem Sande gebraucht werden / vnd gehören dazu 6. Personen / als 1. & 2. zweene Schürer / welche das Glaß schmeltzen / vnd einer vmb den andern / so Tages als Nachtes / vmbwechseln / [97] damit das Fewr in voller Gluet bleibe. Der dritte / welcher das Glaß auß den Häfen herauß langet / so viel als zu einer Taffeln gehöret / wird genant der Kessel-Junge / Der vierdte / welchem der Kessel-Junge das Glaß praesentiret / ist der Vffbläser / vnd dieser muß das Glaß / oder vielmehr die Materie hoel blasen. Der fünffte ist der Wircker / welcher das Glaß mit einem Instrument zu seiner volkkommenen länge recket / vnd ihme seine rechte weite oder grösse gibet. Der sechste ist der Strecker / dieser spaltet das Glaß / so noch wie eine Röhre / welches vermittelst eines einigen Wassertröpfleins geschiehet / breitet es darauff von einander / machet es platt vnd breit / vnd setzet es in den Kühlofen / daß es erkalte / vnd alsdann seine endliche richtige maß überkomme. Das Glaß wird in grosser menge binnen Landes verkaufft / das meiste aber ausserhalb / nacher Bremen / Ambsterdam vnd Holland / auch von dannen in weit andere Länder verfahren.

Vnfern diesen Glasehütten / forne im Ackenhäuser Holtze / befindet sich eine verwüstete Capelle / zu S. Lorentz genant / wie imgleichen auch eine Clauß / im Schlechterbusch / nahend Delligsen / woselbsten sonderbare Walfahrten von den Alten verrichtet / vnd von gebrechlichen Leuten allerhand Opffer gebracht worden / Inmassen dann solches noch bey Menschen gedencken geschehen / vnd nach deme die Capelle vnd Clauß niedergerissen / vff der Stelle / an den Büschen vnd Bracken / zum offtern Flachs / Wolle / Wachs / vnd dergleichen Opffer gefunden worden / Wie dann auch dieser Walfahrt halben bey der Kirchen zu Deselitzen ein Ablaßbrieff / so in anno 1391. in die Beati Severi, von dem damahligen Bischoff zu Hildesheim Gerhardo gegeben / verhanden.

Am ende deß Hilßes / nahend am Duierwalde / befindet sich ein hoher vnd kahler Berg / wird genant vff den Blossen-Zellen / woruff dem Vorgeben vnd Einbilden nach / die Hexen in der Walpurgis-Nacht / gleich wie auff dem Brockenberge am Hartze / ihre Täntze halten sollen. Die Einwohner deß Ampts gebrauchen sich deß Ackerbawes / vnd suchen daher ihre Nahrung.