Von den vor kurzem auf und bey dem hiesigen Pulvermagazine errichteten beyden Blitzableitern

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Autor: Johann Matthäus Hassencamp
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Titel: Von den vor kurzem auf und bey dem hiesigen Pulvermagazine errichteten beyden Blitzableitern
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Erscheinungsdatum: 1788
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Erscheinungsort: Rinteln
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Quelle: Universitätsbibliothek Marburg, Signatur VIII B 1254 e, Nr. 27 im Sammelband „Academica Rinteln 1623-1809“; pdf bei Commons
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Einleitung[Bearbeiten]

In der vorliegenden Schrift, die der Rintelner Professor Johann Matthäus Hassencamp im Jahr 1788 veröffentlichte, berichtet er von der kürzlich erfolgten Errichtung von Blitzableitern auf und bei einem Pulvermagazin in Rinteln. Neben einer Erläuterung des technischen Aufbaus der Blitzableiter und zur Funktionsweise von Blitzableitern im Allgemeinen führt er verschiedene Erfahrungsberichte zum positiven Nutzen von Blitzableitern aus anderen Orten in Deutschland und anderen Ländern aus und nimmt Bezug auf die bisherige wissenschaftliche Diskussion des Themas.

Hassencamps Schrift gehört zu den frühen deutschsprachigen Veröffentlichungen zum Blitzableiter, der Anfang der 1750er Jahren erfunden wurde. Von Hassencamp selber erschien vier Jahre zuvor, im Jahr 1784, schon einmal ein Text zum Thema Blitzableiter mit dem Titel Von dem großen Nutzen der Strahlableiter, und ihrer vortheilhaftesten Einrichtung zur Beschützung ganzer Städte.

Text[Bearbeiten]

[1]
Zur Feyer

des Höchsterfreulichen

Geburtsfestes

unseres

Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn
HERRN
Wilhelm des Neunten
Regierenden Landgrafen von Hessen etc. etc.[1]
ladet hiermit
im Namen der Ernestinischen Universität
die
academischen Mitbürger sowohl, als alle Verehrer
Des besten Fürsten,
und Freunde der Wissenschaften
ehrerbietigst und gehorsamst ein
Johann Matthäus Hassencamp.

Von den vor kurzem auf und bey dem hiesigen Pulvermagazine errichteten beyden Blitzableitern.


Rinteln, 1788.

gedruckt bey A. H. Bösendahl, Hochfürtl. Hess. Universitätsbuchdrucker.

[3] Wir nähern uns wieder dem für unser liebes Vaterland so glücklchen und festlichen Tag, an welchem die gütige Vorsehung dasselbe zuerst mit einem der besten Fürsten beschenket hat. Dieser Tag muß Hessens Bürgern heilig seyn, und auch wir wollen deswegen an demselben eine unserer angenehmsten Pflichten erfüllen: dem höchsten Geber alles[2] Guten für die uns erzeigte große Gnade zuerst demüthigst danken, und ihn alsdann um die fernere Fortsetzung derselben inbrünstig anflehen.

Es wird dieses von mir im Nahmen unserer Ernestinischen Universität, Dienstags den 3ten d. M. Vormittags um 10 Uhr in dem academischen Hörsaale öffentlich geschehen.

Lob, Preiß und Dank für die von Gott schon erhaltene Wohlthaten, freudige und zuversichtsvolle Wünsche für das fernere höchste Wohlergehen Unseres Durchlauchtigsten Fürsten sowohl, als Des ganzen Hochfürstlich-Hessischen Hauses, werden der Haupt-Inhalt meiner alsdann in lateinischer Sprache zu haltenden Rede seyn.

Beyläufig will ich noch einige Gedanken, über die Nothwendigkeit eines schnellen und richtigen Gefühls des wahren und falschen bey Erklärung aller, besonders aber auch der heiligen Schriften kurz vortragen.

Alle Verehrer Des Durchlauchtigsten Fürsten, werden deswegen von mir gehorsamst eingeladen, diese anzustellende Feyerlichkeit, mit Ihrer schätzbaren Gegenwart noch mehr zu verherrlichen.

[4] Nach alter hergebrachter Sitte, will ich hier noch etwas weniges über einen gelehrten Gegenstand sagen, wozu sich die überaus schickliche Gelegenheit fast von selbst darbietet.

Es betrift nemlich eine Sache, die erst vor wenigen Wochen ist ausgeführet worden, welche sowohl von dem fühlbaren Herzen, als den Einsichten unseres gnädigsten Landesvaters einen neuen Beweis giebt, und wofür jeder Einwohner hiesiger Stadt, ja noch die späte Nachkommen HöchstDieselben segnen müssen.

Meine Leser werden schon leicht errathen: daß hier von den auf und bey dem Hiesigen Pulvermagazine vor kurzem errichteten Blitzableitern die Rede ist.

Anbey kann ich mich nun sowohl meiner Pflicht entledigen, und Dem Durchlauchtigsten Fürsten von der Ausführung des mir gnädigst ertheilten Auftrages unterthänigsten Bericht abstatten; als auch den hiesigen Einwohnern, wenigstens denen unter ihnen, welche über diese Materie einer Belehrung fähig sind, noch manches sagen, das vielleicht zu eines oder des andern seiner Beruhigung gereichen dürfte.

Vor dem hiesigen sogenannten alten Seethore, stehet in dem inwendigen oder Kessel der Bastion Wilhelm[3], ein kleines fast viereckigtes massivsteinernes Gebäude welches 38 Fuß lang, 30 Fuß breit, 44 Fuß hoch ist und zum Pulvermagazine gebrauchet wird. Es ist rundum mit einer Reihe von starken Pallisaden umgeben, hat eine beständige Schildwache, der Eingang ist mit doppelten Thüren wohl verwahret, und das Pulver in Fässern sorgfältig aufgehoben, so daß nicht das geringste davon kann verstreuet werden. Oben in der Höhe von 20 Fuß ist es Bombenfrey gewölbet, darüber befindet sich nun ein gewöhnliches Dach von Schildziegeln, die mit Kalk eingestrichen oder geplatteiset sind, welches jetzt nur noch zwey ebenfalls mit Laden wohlverwahrte Dachfenster hat.

Es ist also dieses Gebäude menschlichem Ansehen nach, ganz besondere Unglücksfälle freilich abgerechnet, für dem irrdischen Feuer ziemlich gesichert; und wenn auch in den zunächst gelegenen Häusern der Stadt, (welches Gott in Gnaden verhüten wolle, indem solches doch immer ein gar übler Umstand wäre) Brand entstehen sollte; so würde doch durch nasse vor die Thüre und Fenstern zu hängende Häute oder Tücher, das Feuer von diesem übrigens massivsteinernen Gebäude noch wohl können abgehalten werden.

Es ist also bey diesem Magazine außer dem Einschlagen des Blitzes, welchem bekanntlich die stärksten Gewölber und Mauern nicht wiederstehen, vom übrigen Feuer, so viel man absehen kann, wenig zu befürchten. Daß aber durch den [5] Blitz Pulver-Magazine aufgeflogen sind, davon hat man leider traurige Bespiele genug; und ein solcher schrecklicher Vorfall hat noch um so viel fürchterlichere Folgen, wenn der Thurm, wie hier, oben gewölbet ist.

Das Gebäude, wovon wir reden, ist zwar nicht sonderlich hoch, und folglich auch der Gefahr des Einschlagens schon weniger ausgesetzet; allein dagegen ist es doch von dieser Seite der äußerste und höchste Gegenstand nach dem freien und flachen Felde hin, welcher immer noch um 26 Fuß über das Parapet des Walles hervorraget, und lieget auch auf einem sehr feuchten, fast sumpfichten Boden.

Nun aber ist es eine bekannte Sache: daß die blitzschwangere und niedrigeinhergehende Wetter-Wolke, der Regel nach, wenn sonst keine besondere Ablockungen sich vorfinden, in den ersten höchsten Gegenstand, welchen sie auf ihrem Wege antrift, einschläget; und daß das Wasser oder ähnliche flüßige Materien, nach den Metallen die besten Leiter, folglich Gebäude auf feuchtem Grunde dem Blitze am meisten ausgesetzet sind.

Wir haben hier auch wirklich schon das Beispiel: daß es vor ohngefehr 30 Jahren in das damals noch stehende Proviant- oder Salzhaus eingeschlagen, welches sich nach einer ganz ähnlichen Lage in dem Kessel der Bastion Landgraf[3] befunden hat, aber freilich etwas höher gewesen ist.

Die Besorgnis also, daß ein so grosses Unglück sich auch einmal hier ereignen könnte, war demnach gar nicht unbegründet. Dieser unserer Furcht und Gefahr haben nun Snr Hochfürstl. Durchl. unser gnädigster Fürst und Herr, nach Höchst-Dero bekannten Landesväterlichen Huld und Gnade abgeholfen, wenigstens alles gethan; was menschliche Kunst und Klugheit in solchen Fällen nur immer thun kann, und dadurch einen abermaligen Beweis von der zärtlichen Liebe zu Ihren Unterthanen gegeben, die sich sogar bis auf die Abwendung eines blos möglichen Unglückes erstrecket. Höchst Dieselben haben nemlich befohlen: daß nicht nur auf dem Pulverthurme selbst, sondern auch zu mehrerer Vorsicht, auf dem sich davor befindenden Wallgange der Bastion Wilhelm, Blitzableiter nach meiner Vorschrift sollten errichtet werden.

Wie nun diesem gnädigsten Befehle ein Genüge geschehen ist, wie und auf was für Art die Blitzableiter sind errichtet worden, will ich hier kürzlich erzehlen.

Daß die Metalle für die electrische Materie im kleinen, und so für den Blitz im großen, die besten Conductors oder Leiter sind, daß beyde wenn sie jene einmahl ergriffen haben und solche nur nirgends unterbrochen sind, an denselben ruhig und ohne Schaden zu thun, bis in die Erde hinablaufen, kann und will ich hier nicht [6] weitläuftiger ausführen. Theils habe ich davon schon bey einer anderen ähnlichen Gelegenheit geredet, theils ist solches durch Theorie und unzähliche Erfahrungen so augenscheinlich bewiesen, so überzeugend dargethan, so hinlänglich bekannt: daß alles weitere Schreiben darüber sehr unnöthig und überflüßig seyn würde.

Man kann zehen Beyspiele für eines anführen: daß durch bloßes Schellendrath, ja durch unendlich dünne Verguldungen die gefährlichsten Blitze glücklich und ohne Schaden sind abgeleitet worden.

Dieses als ausgemachet und bekannt zum voraus gesetzet, gehe ich nun gleich zur näheren Beschreibung der aufgerichteten Strahlableiter über, und rede zuerst von dem freystehenden Baume auf dem Wallgange der schon oft genannten Bastion Wilhelm. Es ist dieser ein schöner, gerader und 73 Fuß langer eichen Heister, welchen uns der hiesige Herr Ober-Forstmeister von Harstall mit vieler Mühe und nach langem Suchen endlich noch geschaffet haben; da bekanntlich dergleichen lange und gerade eichene Bäume sehr selten sind. Derselbe ist durch hohe Streben sehr gut befestiget, und wird eben weil er von Eichen ist, nicht so leicht, wie bey verschiedenen aufgerichteten tannenen Bäumen geschehen ist, durch Sturmwinde können abgebrochen werden. Er stehet nur ohngefehr 70 Schritte vom Pulverthurme ab, nach der freien Seite gegen das Feld hin, wo die gefährlichsten Wetterwolken herkommen. Der Baum selbst ist, wie gesagt, schon 73 Fuß hoch, stehet noch auf dem Wallgange, welcher ebenfalls 12 Fuß über der Horizontalfläche lieget, und hat eine eiserne Spitze von einigen Fußen; so daß man seine ganze Höhe beynahe auf 90 Fuß rechnen kann, welche die höchsten Gebäude der Stadt, nur die Kirchthürme ausgenommen, weit übertrift.

Die eiserne Stange ist rund, hat unten gegen 2 Zoll im Durchmesser, laufet oben aber dreyeckigt zu, und endiget sich in eine sehr scharfe dreyschneidende kupferne Spitze, ohngefehr in der Form einer Schilfklinge. Man hat ehedem, besonders in Engeland noch darüber gestritten: ob stumpfe oder spitzige Ableiter die besten wären; Theorie und Erfahrung aber haben zum Vortheile der lezteren entschieden. Sie ziehen die Blitzmaterie stärker und in größerer Entfernung an, leiten unmerklicher ab, und lassen keine plötzliche zu heftige Explosionen befürchten, welche die nachher schwächere Leitung nicht auf einmal fassen und abführen könnte.

Unmittelbar an dem Baume herunter, gehet oben von der metallenen Spitze ein damit wohl verbundener 3 Zoll breiter, übrigens dünner Streif Kupfer, bis auf 12 Fuß tief in die Erde, wo gewöhnlich schon Wasser ist, in welches man ihn mit einer daran befestigten eisernen Kugel versenket hat.

[7] Ehe ich weiter gehe, muß ich hier noch einige kleine Bemerkungen machen:

Die kupferne Ableitung läufet, wie gesagt, unmittelbar an dem Baume herunter, und ist mit kleinen Nägeln befestiget. Dieses darf man nicht als gefährlich ansehen, und etwan befürchten, der Baum würde beym Einschlagen dadurch entzündet, oder zerschmettert werden. Der Blitz verlässet die metallene Leitung, wenn er sie einmal gefasset hat, gar im geringsten nicht, er fähret daran ruhig in die Erde, ohne weder zu zünden noch zu zerschmettern. Man kann auf die Art durch sehr brennbare Materien selbst durch Pulver den Blitz ohne Schaden hinführen. Wollte man aber auch gegen alle Erfahrung doch das ärgste annehmen; so würde es in diesem Falle kein so gar grosses Unglück seyn, wenn dieser freystehende Baum auch in etwas beschädiget würde. Hätte man die Leitung weit davon entfernet bis in den Wallgraben führen wollen; so würde solches theils die Kosten um ein beträchtliches vermehret haben, theils hätte es auch noch andere Schwierigkeiten gehabt, und wäre zuletzt doch unnöthig gewesen.

Daß man den Kupferstreif so tief in die Erde bis in das Wasser geführet hat, davon ist der Grund: weil das Wasser, und alle ähnlichen flüßige Materien, nach den Metallen die besten Leiter sind. Wenn also die Leitung bis in feuchte Erde, oder noch besser bis in das Wasser gehet, so ziehen die Spitzen oben schärfer an und leiten besser ab. Deswegen fähret auch der Blitz, wenn er in ein Schiff schläget, gewöhnlich da wieder heraus, wo es das Wasser berühret, ohne in die Pulverkammer zu kommen, wenn solche nur unter dem Wasser lieget. Auch weiß man aus der Erfahrung: daß Gebäude, welche auf einem nassen sumpfigten Boden liegen, öfterer vom Wetterstrahl getroffen werden, wie solche die auf einem trockenen Terrain erbauet sind. Zur Leitung ist Kupfer gewählet worden, weil solches dem Roste am wenigsten ausgesetzet ist, dieselbe auch hier nicht sonderlich stark zu seyn brauchte, und folglich auch nicht sehr kostspillig war. Der Streif ist zwar hinlänglich breit, aber dünn genommen worden; weil es bey einer Ableitung mehr auf die Breite und geräumige Oberfläche, wie auf eine besondere Dicke ankommt. Der ganze Baum ist längerer Dauer wegen auch mit Oehlfarbe angestrichen worden. Endlich hat man unten, ohngefehr bis auf 20 Fuß Höhe, den Kupferstreif mit hohlen eichenen Leisten übernagelt, um dadurch allem besorglichem Frevel daran so viel möglich vorzubeugen.

Dieses wäre alles, was ich von dem freistehenden Strahlableiter hier zu sagen hätte.

Ich komme nun auf denjenigen welcher unmittelbar auf dem hiesigen Pulverthurme ist errichtet worden. Diesen hat man mit aller nur möglichen Sorgfalt [8] und fast übetriebener Vorsicht aufgesetzet. Die besondere wohl selten so zusammen treffende Local-Umstände; da das Gebäude weder groß noch hoch ist, keine hervorragende Ecken hat, die Ableitung auf der einen Seite in einen Teich, und auf der anderen gar in einen Fluß konnte geführet werden, haben die Anstalt so sehr begünstiget: daß man wohl dreist behaupten darf, es seyen wenige oder keine Pulver-Magazine in Europa mit einem in allem Betrachte eben so vortreflichen Leiter, wie das unserige versehen.

Das Gebäude ist, wie gesagt nicht groß oder weitläufig, nur 38 Fuß lang und 30 Fuß breit; folglich ist eine daraufgesetzte Spitze schon vollkommen hinlänglich. Es hat keine hervorragende Ecken, sondern ein ganz gewöhnliches Dach, worinnen sich unten nur, in einer Höhe von 20 Fuß, auf jeder Seite ein Dachfenster befindet. Weiter oben in einer Höhe von 34 Fuß waren vorher noch zwey ähnliche Fenster, die mit ihren Forsten hervorragten; diese sind aber, da man sie entbehren konnte, weggenommen worden.

Mitten auf diesem Gebäude hat man nun eine runde eiserne Helmstange aufgerichtet, welche 9 Fuß hoch, und unten 2 Zoll im Durchmesser mißet, oben läufet sie bis auf einen Zoll zu, und darauf ist eine dreieckige sehr scharfe und spitzige metallene Schilfklinge aufgeschroben, und mit der Hauptstange zum Ueberfluße noch durch eine dazwischen gelegte runde stark zusammengetriebene Bleyplatte auf das genaueste verbunden worden. Diese Höhe von 10 Fuß war nöthig, ist aber auch vollkommen hinlänglich, um zu verhindern: daß der Blitz nicht etwan an einem andern Ende des Forstes auffalle. Die aufgeschrobene Spitze ist noch überdas ächt im Feuer verguldet: theils um sie für dem Roste desto mehr zu verwahren, theils weil auch das Gold unter allen Metallen der beste Leiter ist. Unten an der Stange auf dem Forste des Daches sind rechts und links zwei eiserne Leitungen aufgeschroben, wozwischen, um eine desto sichere Verbindung zu bewürken, ebenfalls noch kleine runde fest zusammengetriebene Bleyplatten liegen. Die Leitung selbst ist von Eisen 3 Zolle breit und ¼ Zoll dick, es beträgt solches gerade einen gewöhnlichen Stab-Eisen, welcher aber noch einmal so breit und halb so dick ist geschmiedet worden. Gegen den Rost ist solche mit rother Oehlfarbe angestrichen. Diese doppelte Leitung nun läufet ununterbrochen zusammengeschmiedet, oder bey den Hauptbeugungen mit Schrauben, und dazwischen gelegten Bleyscheiben versehen, auf beyden Seiten über den Dachrücken an der Mauer des Thurms, aber noch über einen Fuß davon entfernet, herunter in die Erde, und wird von derselben bedecket, wenige Schritte davon, rechts in einen Teich, und links in den kleinen Fluß die Exter geführet.

[9] Dieselbe ist weder auf dem abhängigen Rücken des Daches, noch an den Seiten-Mauern herunter mit Klammern versehen; sondern sie hält sich von selbst durch ihre eigene Steife, welche bey einem Stabe Eisen schon ziemlich beträchtlich und vollkommen hinreichend ist. Dieses hat man mit guten Vorbedachte gethan, um auf alle Weise auch den blossen Schein eines möglichen Abspringens des Blitzes zu vermeiden, obwohl im Grunde nichts dabey wäre zu befürchten gewesen.

Nur oben auf dem Forste haben die Helm-Stange sowohl, als die Leitung mit einigen eisernen Lappen und Klammern an die Sparren nothwendig müssen befestiget werden. Nun ist zwar nicht zu besorgen: daß der Blitz den Hauptleiter verlassen und durch die, mit jenem verglichen, ganz unbeträchtliche nicht fortgesetzte Klammern in die Sparren einfahren werde, da diese besonders noch aus dürrem Holze bestehen, welches nicht weniger wie ein Leiter ist, und deswegen auch bey den Electrisirmaschinen sogar zum Isolieren gebrauchet wird. Allein demohngeachtet hat man auch hier die fast übertriebene Vorsicht gebrauchet, und da, wo die eiserne Lappen und Klammern an den Sparren sich endigen, Handebreite Bleystreifen aufgenagelt, solche zum Dache hinausgeführet, und auf beyden Seiten wieder genau mit der Hauptleitung verbunden.

Sogar auf die Rücken der beyden kleinen ziemlich niedrig liegenden Dachfenster, sind Bleystreifen geleget, und solche bis zu den eisernen Stangen fortgeführet worden.

Auf die Art hat man allem Metalle den Zugang in den Thurm völlig abgeschnitten, und solches hingegen von der obersten Spitze an ununterbrochen auf beiden Seiten bis in den Teich und die Exter fortgeleitet. Unten an der Helmstange, wo die Leiter angeschroben sind, ist noch eine runde kupferne Scheibe angebracht, welche alle Zerstreuung der Blitzmaterie gänzlich verhindert, und solche lediglich der Leitung, auf welcher sie unmittelbar lieget, zuführet. Kurz das ganze ist nach den besten Regeln und Vorschriften so äußerst sorgfältig eingerichtet und verfestiget: daß es nur durch ein Wunder geschehen könnte, welches alle bisherige Theorie und Erfahrung über den Haufen werfen würden, (so aber nicht leicht zu befürchten stehet, denn es pfleget jetzt alles so ziemlich nach dem gewöhnlichen und natürlichen Laufe der Dinge zu gehen,) wenn der Blitz diesem Thurme nun noch Schaden zufügen sollte.

[10] Die Leitung hätte auch von Kupfer verfertiget werden können; allein theils wäre sie höher zu stehen gekommen, theils würde sie nicht so solid und standfest gewesen seyn, hätte auch, welches man doch, so viel möglich ist, gern zu vermeiden suchet, wegen ihrer Schwäche mit vielen Klammern auf dem Dache sowohl, als an den Seiten-Mauern müssen befestiget werden. Ueber das thut auch das Eisen die nemlichen Dienste, und ist gegen den Rost durch den Ueberstrich von Oehlfarbe hinlänglich verwahret.

Die ganze Verrichtung kommt ohngefehr auf 100 Rthl. zu stehen; dadurch wird vielleicht das Leben und Eigenthum von 100 Familien erhalten und gesichert.

Segen Gottes ströhme herab auf den hohen und menschenfreundlichen Stifter dieser wohlthätigen Anstalt.

Auch muß ich hier noch öffentlich rühmen: daß sowohl Snr Excellenz der Herr General-Lieutenant und Gouverneur von Loßberg[4], als auch der Herr Obrist-Lieutenant Kreß, dabey die größte Bereitwilligkeit gezeiget und allen nur möglichen Vorschub geleistet haben.

Uebrigens will ich hier noch zur Nachricht und Beruhigung für Unerfahrne nur bemerken: daß die Beschützung der Pulvermagazine durch Blitzableiter, nichts so gar neues, oder unerhörtes ist, wovon wir hier etwan die Probe zuerst machen wollten. Schon seit vielen Jahren her, sind in den sämtlichen Kayserlichen, Preußischen und Dänischen Staaten, in dem Groß-Herzogthum Toscana, in Bayern, der Pfalz etc. alle Pulvermagazine mit Strahlableitern versehen worden. Eben dieses ist auch schon häufig in Engeland, Holland, Frankreich und der Schweiz geschehen; und man hat seit der Zeit noch kein Beyspiel, daß ein so beschütztes Magazin durch den Blitz aufgeflogen sey, welches doch bey vielen anderen geschehen ist. In Amerika, wo die Gewitter bekanntlich weit heftiger wie bey uns sind, haben sie mit dem besten Erfolge und ohne große Umstände zu machen, fast auf alle Häuser Ableiter gesetzet.

Burnaby, ein Englischer Prediger, sagt in seinen Reisen, die er schon in den Jahren 1759 und 1760 durch das nördliche Amerika gemacht hat, auf der 28 Seite folgendes.[5]

[11] Es giebt kein Land, welches die Wirkung und den Nutzen der Blitzableiter auf eine mehr entscheidende Art, wie Amerika, bewiesen hat. Ehe man diese Maschinen kannte und annahm, verursachten die Gewitter die größten Beschädigungen; nun redet man kaum davon. Es ist merkwürdig, daß keines von allen den Gebäuden, die mit Blitzableitern versehen sind, den geringsten Schaden erlitten hat, ob wohl die Blitzableiter sehr oft geschmolzen, und das Holz verbrandt ist, an welchem sie heruntergingen; dieses beweiset, daß sie von Blitze sind getroffen worden, und die Blitzmaterie zu häufig war, um ganz von dem Ableiter verschlungen zu werden, (weil nemlich die Leitung, wie dort anfangs gewöhnlich gewesen ist, nur aus dünnem Drath bestand.) Demungeachtet ist auch in diesen Fällen kein Schaden geschehen, indem der Blitz von dem Ableiter eine Richtung erhalten, die jedem unglücklichen Erfolge vorgebeuget hat. Und bald darauf setzt er hinzu: daß das Clima in Virginien sehr veränderlich sey, und daß es sehr häufige Gewitter mit Blitzen begleitet im Sommer gebe; allein weil dieses Land sehr wenig bewohnt sey, und der meiste Theil von den Grundbesitzern ihre Häuser mit Blitzableitern versehen haben, so ereigne es sich selten, daß die Gewitter einen Schaden verursachten. Das Nämliche, was Burnaby hier saget, bestätigen auch andere Reisende. Ein gewisser Demonis soll in Philadelphia vom Blitze seyn getödtet worden, weil er in dem Hause eines Mannes gewohnt, der niemals dem Beyspiele seiner Mitbürger folgen, und dasselbe mit einem Ableiter wollte bewaffnen lassen.

Hauptmann Cook, der Weltumsegler, dieser in allem Betrachte so grosse Mann, erzählet unter andern in seiner Reisebeschreibung auch einen hieher gehörtgen merkwürdigen Vorfall. Er sagt nemlich: Im Jahre 1770 den 10ten October Abends um 9 Uhr hatten wir zu Batavia ein schreckliches Donnerwetter mit Regen, dabey der grosse Mast eines holländischen ostindischen Schiffes bis aufs Verdeck zerspaltet, und die beiden Maststangen ganz zersplittert wurden. Es befand sich oben auf der obern Maststange eine eiserne Spindel (Flügelstange) dadurch vermuthlich der Wetterstrahl angelocket wurde. Dieses Schiff lag nicht mehr als zwey Kabeltauen lang von dem unsrigen ab, und vermuthlich würde uns der Schlag mit getroffen haben, wenn wir nicht eben unsere Ableitungskette aufgezogen gehabt hätten, dadurch der Blitz über die Seite des Schiffes hingeleitet ward. Denn ob uns gleich der Blitz nicht beschädigte, so erschütterte und der Schlag doch als ein Erdbeben, so daß einer Schildwache das Gewehr, welches sie eben laden wollte aus der Hand geworfen und der Ladestock zerbrochen ward. Die Ableitungskette schien indessen als [12] ein Strich von Feuer. Ich kann demnach nicht umhin, dergleichen Ableitung allen Schiffen ernstlich anzurathen, und hingegen vor den eisernen Spindeln oben auf der Spitze des Mastes, wie das holländische Schiff hatte, zu warnen.

Ein merkwürdiges Beyspiel von einem Pulvermagazine, welches durch Ableiter vor dem Einschlagen des Blitzes ist gesichert worden, will ich hier aus einem Bericht anführen, den der Herr Professor Achard Director der physischen Klasse der königl. Acad. der Wissenschaften zu Berlin u. s. w.[6] an den Ritter Landriani zu Mayland eingesendet hat.

Es schreibt derselbe darüber folgendes.

Großglogau[7] in Schlesien den 7ten May 1782.

Abends um 7 Uhr erhob sich ein Ungewitter von Westen her, und näherte sich dem Pulvermagazine Nr. 5 das auf einer Anhöhe liegt, die Galgenberg genannt wird. Man sah einen starken Blitz, auf welchen gleich der Schlag folgte. Die Wache, die bey dem Magazine stand, war ganz betäubt, aber nicht lange darnach kam sie wieder zu sich. Die Wache von Nr. 4 lief davon, um es zu sagen; denn sie musste sich von jenem Orte entfernen, weil alles im Feuer stand, als sie sich aber näherte, fand sie sich mit Vergnügen in ihrer Einbildung betrogen und merkte nicht anders, als daß der Blitz längst der eisernen Stange in den Brunnen müste gefahren seyn. Alles dieses macht uns glauben, daß der Blitz sehr stark gewesen ist. Dieser Brunnen ist beiläufig 25 Schuh tief, sein Durchmesser hat 4 Schuh, und hält 5 Schuh Wasser.

Nach einer sehr genauen Untersuchung, die vermöge eines besondern Befehles von zween Offiziern der Artillerie ist angestellet worden, hat man gefunden, daß weder die Stange noch die Zurüstung einigen Schaden erlitten habe. Daß die Aussage der Wache von Num. 4 richtig gewesen sey, und daß die ganze Zurüstung zu brennen geschienen habe, bezeugen einige Leute, die um die Festung herumgearbeitet hatten, und unter der Thüre des sogenannten Wirthshauses Galgenschenke standen, welches von dem Magazine N. 5. beiläufig 250 Schritte entfernt ist. Diese versicherten einhellig, daß sie das Feuer aus den Wolken fahren gesehen hätten, aber daß es seine Richtung über die hohe Spitze genommen, und daß es ihnen geschienen hätte, als wenn die ganze Zurüstung brennete, dergestalt, daß sie in dem ersten Schrecken [13] gleich Feuer geschrien hätten. Daß sie es genau haben beobachten können, beweiset die Lage des Wirthshauses Galgenschenke, welches dem Blitzableiter des Magazins Nr. 5 gegenüber liegt, wo sie von der Thüre aus, unter welcher sie standen, den obbemeldeten Ableiter vor sich sehen konnten. So weit Herr Achard.

In Baiern und der Pfalz sind die Ableiter sehr gemein. Der Hr. Geheime Secretär von Stengel schreibet davon unter andern folgendes. Es sind bereits 12 Jahre, daß S. K. D. von der Pfalz dem Hr. Abt Hemmer, sein Schloß zu Schwezingen mit Blitzableitern zu bewaffnen befohlen haben.[8] Diese sind die ersten Blitzableiter gewesen, die in der Pfalz errichtet worden. Das Beyspiel, welches der Landesherr gegegeben hatte, wurde bald zu Mannheim von mehreren Privatpersonen nachgeahmet. S. K. D. befahl in dem folgenden Jahre Blitzableiter über die Pulvermagazine zu Heidelberg zu errichten, und zwey Jahre darnach wurden auch die in den Festungswerken zu Mannheim damit bewaffnet.

Nach dieser Epoche vergingen mehrere Jahre, ohne daß andere Blitzableiter errichtet wurden, endlich befahl der verstorbene Kurfürst von Bayern das herrliche Schloß zu Nympfenburg und jenes zu München zu bewaffnen. Der verstorbene Hr. Osterwald Director des Consistoriums von Baiern, der sich durch seine Kenntnisse unter seiner Nation so sehr auszeichnete, hatte bereits diesem Lande davon ein Beyspiel gegeben, da er über sein Haus, welches er auf dem Lande in der Gegend von München hatte, einen Blitzableiter setzte, und den verstorbenen Kurfürsten zu einem Versuche brachte.

Kaum waren die von S. K. D. anbefohlne Blitzableiter hier und zu München von dem Abt Hemmer verfertiget, so wurden diese Maschinen in ganz Baiern angenommen, wo man sie sogar über den Hütten der Bauersleute antrift.

Der Kurfürstliche Pallast, und die Pulvermagazine zu Düsseldorf wurden vor einigen Jahren bewaffnet, und bey dieser Gelegenheit hielt es der Hr. Abt Hemmer für seine Pflicht, eine kleine Schrift herauszugeben, die Ihnen bekannt ist.[9] Allein der Kurfürst begnügte sich nicht mit dem, daß er einleuchtende Beyspiele einem Lande gab, in welchem man sich sehr wenig auf die Physik legte. Er bestimmte eine Summe von 4000 Reichsthalern zur Errichtung eines Kabinets von der Experimentalphysik in der Stadt Düsseldorf. Von dem herrlichen Eifer ihres Landesherrn angetrieben, haben die Landstände beider Herzogthümer von Jülich und Berg, [14] die Gelegenheit ergriffen, allen Gemeinden des Landes zu befehlen: daß sie alle Kirchthürme von nun an mit Blitzableitern unter der Strafe bewafnen sollten, daß in dem Falle eines vom Blitz verursachten Schadens jene Gemeinden, die eine solche Beschützung unterlassen hätten, an der Erlaubniß in dem Lande zu sammeln nicht Theil nehmen dürften. So weit Herr von Stengel.

Ein sehr merkwürdige Erscheinung ist auch zu Nymphenburg beobachtet worden, nachdem jenes unermeßliche Schloß mit Blitzableitern ist bewafnet gewesen. Zu eben der Zeit als ein starkes Gewitter von der Gewalt der Winde über das Schloß getrieben wurde, und die Wolken Blitze von allen Seiten herabschleuderten, hörten sie auf zu blitzen, als sie über das Schloß kamen.

Die Wetterableiter finden auch in den übrigen Provinzen Deutschlandes immer mehr Beyfall, und breiten sich von Jahr zu Jahr weiter aus. Noch vor einigen Jahren wollte auch die Reichstadt Frankfurt, weil der Blitz kurz zuvor dort verschiedentlich eingeschlagen und gezündet hatte, dergleichen Leiter errichten lassen. Ich muste darüber ein Gutachten geben. Ob die Sache noch zu Stande gekommen ist, kann ich nicht sagen. So viel ich aber aus dem von einem Hochweisen Magistrate an mich abgelassenen sehr verbindlichen Danksagungs-Schreiben ersehen konnte, schien die Communication mit den dortigen Bürgerl. Collegiis noch eine Aufhaltung zu machen.

Wer mehrere Beyspiele von Wetter-Einschlägen, welche durch beschützende Leitungen von Metallen, sind unschädlich gemacht worden, lesen will; der findet solche in der Abhandlung des Herrn Doctor Reimarus vom Blitze[10], und in des Herrn Ritter und Professor Landriani seiner Schrift vom Nutzen der Blitzableiter.[11]

Rinteln den 1ten Jun. 1788.

Anmerkungen (Wikisource)[Bearbeiten]

  1. Wilhelm IX., Landgraf von Hessen-Kassel 1785-1821, ab 1803 Wilhelm I. genannt.
  2. im Original: Geberalles.
  3. a b Die im Verlauf des Textes erwähnten Bastionen Wilhelm und Landgraf sind Teil der sieben Bastionen der Stadtbefestigung Rintelns.
  4. Heinrich August von Loßberg (1717-1793), Generalleutnant der Hessen-kasselschen Armee, 1784-1789 Gouverneur der Festung von Rinteln, als Gouverneur Rintelns abgelöst von seinem Bruder Friedrich Wilhelm von Loßberg.
  5. Gemeint ist hier die der 1775 erschienene Reisebericht Travels through the middle settlements in North-America, in the years 1759 and 1760: with observations upon the state of the colonies von Andrew Burnaby (en). Internet Archive
  6. Franz Carl Achard (1753-1802) war ab 1782 Direktor der Physikalischen Klasse an der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
  7. heute: Głogów.
  8. Johann Jakob Hemmer, katholischer Geistlicher und Physiker, errichtete auf Anweisung des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor 1776 auf dem Schloss Schwetzingen einen der ersten Blitzableiter Deutschlands, auch als „Hemmer‘scher Fünfstern“ bezeichnet.
  9. Gemeint sein dürfte hier die 1782 erschienene Schrift Hemmers mit dem Titel Kurzer begriff und nuzen der Wetterleiter bei gelegenheit derjenigen, di auf dem schlosse, und den übrigen kurfürstlichen gebäüden zu Düsseldorf errichtet worden sind. Google
  10. Johann Albert Heinrich Reimarus: Die Ursache des Einschlagens vom Blitze, Langensalza 1769.
  11. Marsilio Landriani: Abhandlung vom Nutzen der Blitzableiter, aus dem Italienischen von Gottfried Müller, Wien 1786. SB Berlin