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Zwei Bauernburgen in Dithmarschen

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Textdaten
Autor: Gottfried Heinrich Handelmann
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Titel: Zwei Bauernburgen in Dithmarschen.
Untertitel:
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für die Geschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Vierter Band, Seite 3–16
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Commissions-Verlag der Universitätsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Kiel
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[3]
Zwei Bauernburgen in Dithmarschen.


Die ersten bekannten Darstellungen der Bökelnburg (Kirchspiel Burg, Süderdithmarschen) und der Stellerburg (Kirchspiel Weddingstedt, Norderdithmarschen) finden sich auf der in perspectivischer Manier und ohne Maaßstab abgefaßten Karte des Landes Dithmarschen, welche Peter Böckel unmittelbar nach der Eroberung in Antwerpen 1559 herausgegeben und den drei schleswig-holsteinischen Landesherrn - dem König Friedrich II und den Herzogen Johann und Adolf zugeeignet hat. Dieselbe ist abermals nach dem Original veröffentlicht in Anton Viethens „Beschreibung und Geschichte des Landes Dithmarschen“ (Hamburg 1733[1]).

Ebendaselbst hinter Seite 478 ist ein Situationsplan der Stelleburg beigefügt, auf dem dieselbe jedoch allzu modern und regelmäßig aussieht.

Außerdem gibt Bolten in seiner „Dithmarschen Geschichte“ (Flensburg und Leipzig 1781 uff.) auf Tafel VII, zu Seite 304 des II. Bandes, einen „Prospect von dem ehemaligen Schlosse Bokeldeburg“, wo leider, nach einer Pergament-Zeichnung des Peter Sax, ein geschmackloses Schloß in den Burgplatz hineingezeichnet ist. Auf Tafel VIII, zu Seite 312 des II. Bandes, folgt ein Prospect von den [4] „gegenwärtigen Ueberbleibseln der Stellerburg“, der nach der Natur aufgenommen zu sein scheint und von dem Situationsplan bei Vieth in manchen Stücken abweicht. Ganz werthlos und anscheinend nur der Böckel’schen Darstellung nachgeahmt ist die Zeichnung der „Hochbuchen- oder Hohböken-Burg“ (Bökelnburg) auf Tafel V, zu Seite 370 des I. Bandes. Alle drei Tafeln sind von Pingeling gestochen.

Auch (Marston’s) „Holsteinischer Tourist, oder Wegweiser für Fußreisende in der Umgebung von Hamburg, von peregrinus pedestris“ (Hamburg 1836, mit 28 Steindrucktafeln) gibt auf Tafel 22, zu Seite 286, eine Ansicht von der Bökelnburg.




Als der junge Wendenfürst Gottschalk um das Jahr 1032 das ganze nordelbische Land mit Feuer und Schwert verheerte, da entging seinen Händen nichts „preter notissima illa presidia Echeho[2] et Bokeldeburg (außer den weitberühmten Burgen Itzehoe und Bökelnburg). Illo se quidam armati contulerant cum mulieribus et parvulis et substantiis quae direptioni superfuerant. (Dahin hatten sich einige Bewaffnete begeben mit Weibern und Kindern und Habseligkeiten, welche von der Plünderung übrig geblieben waren“[3])

[5] Mit diesen Worten führt Helmold die Bökelnburg, oder wie man jetzt sagt: die Hohe Burg, welche auf dem Höhenzuge oberhalb des Kirchdorfes Burg belegen ist, in die Geschichte ein. Dieselbe wird damit von vorn herein als eine „Bauernburg“ charakterisiert, wo in Kriegszeiten unter dem Schutze waffenfähiger Mannschaft die wehrlosen Familien, das Vieh und die fahrende Habe geborgen wurden. Auch die ganze Anlage erinnert an die Bauernburgen auf den nordfriesischen Inseln.[4] Der hohe kreisförmige Ringwall, der oben auf dem Kamm einen Umkreis von circa 547 Schritt hat, umschließt einen inneren Raum von circa 330 Fuß Durchmesser. Eine Einfahrt durch den Wallkörper war bis in das gegenwärtige Jahrhundert nicht vorhanden, sondern man mußte an der westlichen Seite auf einem zugerichteten Fahrwege hinauffahren, bis man den Kamm des Walles an der Südseite erreichte, von wo es dann wieder abwärts in den inneren Raum hinunter ging. Die Nutznießung des Burgplatzes stand seit undenklichen Zeiten dem Burger Pastorate zu, und ein Prediger soll einmal vierzehn Tonnen Buchwaizen darauf gebauet haben[5]. Am 25. Februar 1818 wurde der innere Raum zum Begräbnißplatze eingeweiht, in Folge dessen später auch die Auffahrt verbessert und ein Eingangsthor durchgestochen. Gegenwärtig ist der ganze Burgwall mit Bäumen bestanden.

Der Bökelnburger Höhenzug bildet den äußersten südöstlichen Ausläufer der Geest von Süderdithmarschen. Ein Blick auf die physisch-topographische Karte zeigt, daß die [6] ganze Niederung, welche einerseits von dem hohen Geestabhang (Kleve, Kliff) bei Burg und andererseits von der holsteinischen Geest begränzt wird, ursprünglich eine Bucht der Elbe und darauf eine Lagune[6] gewesen ist. So lange der Ring der Elbdeiche nicht geschlossen war, erhielt sich ohne Zweifel ein Abfluß, der von Burg aus direkt in den Elbstrom führte. Daß man auf eine solche Wasserverbindung bei Anlage der Bauernburgen Werth legte, habe ich insbesondere schon an den Beispielen der Tinnum- und der Borgsum-Burg nachgewiesen.

Dem entspricht die Situation der Stellerburg, nur daß sie nicht auf der Höhe, sondern in der Ebene erbaut ist; unweit vom Rande der Marsch, in der Niederung zwischen Wiesen und Moor. Bei derselben floß ein Arm der Eider vorüber, der bei Ketelsbüttel in die Elbe mündete[7]; aber die allmählichen Eindeichungen haben diese Wasserstraße längst versperrt. Jetzt hat der sogenannte kleine Steller See, an dessen Ufern die Stellerburg liegt, seinen Abfluß in die Broklandsau, die sich in die Eider ergießt. Abgesehen von einer durchgestochenen Einfahrt, ist der Burgwall wohl erhalten, und die Norderdithmarscher Landvogtei hat das Abfahren desselben untersagt[8].

Ganz besonders muß hervorgehoben werden, daß die Stellerburg rücksichtlich der Form sich von der Bökelnburg und den nordfriesischen Ringwällen unterscheidet. Dieselbe bildet nämlich ein längliches Viereck mit abgerundeten Ecken, gewissermaßen ein Mittelding zwischen Rechteck und Oval[9].

[7] Die Prospecte bei Bolten zeigen innerhalb beider Burgen runde Vertiefungen (Wasserstellen). Der Tümpel in der Stellerburg wird, nach mündlicher Ueberlieferung, Dortjen-Sood oder -Kuhle genannt[10].

Interessanter und richtiger erscheint eine andere Uebereinstimmung. Die Stellerburg liegt auf der Feldmark des gegenwärtigen Dorfes Borgholt, welches, nach dem Namen zu schließen, auf dem Platz eines ausgerodeten „Burgholzes“ erbaut sein dürfte. Ebenfalls ist etwas nordöstlich von der Bökelnburg eine Waldung Borchholt[11], welche ursprünglich zu den landesherrlichen (erzbischöflich bremischen) Nutzungsrechten gehörte, nachmals dem Geschlecht der Bodedingmannen zuständig war, und aus der niemand Holz hauen durfte ohne allgemeine Beliebung. Daß zwischen den beiden Burgen und den beiden Burghölzungen ein altherkömmlicher Zusammenhang bestand, wird niemand bezweifeln; aber welcher Art mag derselbe gewesen sein? Vielleicht wurden diese Waldbestände als öffentliches Eigenthum vorbehalten und geschont, damit man aus denselben für den Kriegsfall das nöthige Material entnehmen konnte, um die Burgen durch Palissadenzäune, Flechtwerk usw. noch vertheidigungsfähiger zu machen.

Es muß endlich noch bemerkt werden, daß weder innerhalb der Bökelnburg noch innerhalb der Stellerburg Fundamente von steinernen Gebäuden nachgewiesen sind[12]. Damit [8] ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß man diese vorgeschichtlichen Erdwälle – wie es in anderen deutschen Gegenden wirklich vorgekommen ist – während des Mittelalters als äußere Umwallung von hölzernen Burgen oder Blockhäusern benutzt haben könnte. Jedoch es fehlt für solche Annahme jeder historische Anhalt.




Die herkömmliche Tradition bezeichnet bekanntlich die Bökelnburg und die Stellerburg als Grafenburgen. Erstere wird dem Stader Grafenhause und insbesondere dem Grafen Rudolf II (erschlagen 1144), letztere dem Grafen Reinold von Dithmarschen (gefallen bei Demmin 1164) zugeschrieben.

Mich dünkt, dieser Ueberlieferung mangelt es von vorn herein an innerer Wahrscheinlichkeit. Unsere historische Nachrichten reichen nicht soweit zurück; aber es ist gar kein Grund daran zu zweifeln, daß wie im 13. Jahrhundert, ebenso schon in früherer Zeit Meldorf, der älteste Kirchort Dithmarschens, auch dessen staatlicher Mittelpunkt war. Wie nachmals um den Vogt, so werden früher die Ritter, die Rathsmänner und die Landesgemeinde hier sich um den Grafen versammelt haben. Das älteste Landessiegel weiset den Schutzpatron der Meldorfer Kirche auf, Johannes den Täufer Jesum im Jordan taufend[13]. Wie kann man nach alledem annehmen, daß die Grafen fern von diesem geistlichen und weltlichen Mittelpunkt ihres Gaus, in den abgelegensten Winkeln bei Burg oder Stelle gehauset haben sollten? Vielmehr wird [9] der alte Grafensitz in der Burg bei Meldorf zu suchen sein, von der Geschichte allerdings nichts zu melden weiß, deren Andenken aber in den Namen der „Burgstraße“ und des „Burgviertels“ noch fortlebt[14].

Andrerseits ist die obgedachte Tradition keineswegs sehr alt. So reichlich die Erschlagung des Grafen Rudolf durch gleichzeitige Urkunden und Chroniken belegt ist, so ist doch der Presbyter Bremensis (1448) der erste, welcher den Vorfall ausdrücklich nach der Bökelnburg verlegt[15]. Offenbar ist sein Bericht nicht sowohl den älteren Quellen als der lebendigen Volkssage nacherzählt. Diese hatte im Laufe der drei Jahrhunderte dem Grafen Rudolf eine Gräfin Walburg angedichtet, welche mit dem Gemahl zugleich umgekommen und nach der die bei Burg vorüberfließende Walburgsau (Wolbersau, jetzt Burger Au) benannt sei. In Wahrheit ist der Name Walburgsau, der urkundlich schon im Jahr 1139 vorkommt, heidnischen Ursprungs und von einer Walküre Walburg abzuleiten, wie das andere dithmarscher Gränzflüßchen Giselau nach einer zweiten Walküre Gisela den Namen hat[16]. Die Volkssage webte weiter; die Tyrannei und der Tod des Grafen, insbesondere aber die Ueberrumpelung der Burg wurden mit vielen kleine Zügen, die auch [10] an anderen Orten wiederkehren, ausgemalt. Bei Neocorus (1598) und Hans Detleff (1634) kommt die Sagenbildung endlich zum Abschluß[17]. Es ist ungefähr dieselbe Periode, während der die Sage von Lübek’s Selbstbefreiung sich entwickelt hat[18].

Zwei dithmarscher Burgsagen liegen vor, eine Frühlingssage die an dem Pfingsttag, eine Herbstsage die an den Vorabend des Martinstages geknüpft ist. Auch in der gegenwärtigen Form sind noch Spuren erkennbar, daß den Erzählungen Volkslieder zu Grunde liegen. Wahrscheinlich waren es Tanzlieder zum Trommeltanz (Trümmekentanz), welche nach altem Herkommen an jenen beiden hochgefeierten Festen gesungen wurden, bis sie, wie Neocorus[19] sagt, „durch Vielheit der neuen Lieder vergessen und aus dem Gedächtniß entfallen“.

Zur besseren Unterscheidung hat die Frühlingssage sich auf einem anderen Schauplatz angesiedelt, auf der Stellerburg. Wohl bemerkt: Neocorus ist der erste Chronist, der diese Burg überhaupt nennt, und er reiht die Sage von deren Ueberrumpelung ohne Weiteres unmittelbar der Bökelnburger Sage an. Erst Hans Detleff erzählt, daß die Stellerburg von Herzog Heinrich dem Löwen erbaut, nach Graf Reinhold’s Tode aber zerstört sei; und darauf läßt er die etwas reicher ausgeschmückte Sage folgen. Es liegt auf [11] der Hand, daß diese angeblichen historischen Data, von denen während der verflossenen fünf Jahrhunderte keine einzige Quelle etwas wußte, erst von Hans Detleff erfunden sind, weil er es für nothwendig hielt, die Existenz einer zweiten Grafenburg zu erklären[20].

In der Sage von der Stellerburg erkennen wie den altherkömmlichen Festzug der Frühlingsfeier (Maigrafenfest[21]), welcher nach der verwandten lübekischen Sage auch die dänische Burg zu Lübek überrumpelt hat. Damit ist die weitverbreitete Wandersage von dem wandelnden Walde[22] verschmolzen, die aus Shakespeare’s Macbeth am bekanntesten ist. Seit Hans Detleff’s Zeiten sind noch zwei sagenhafte Züge aus der Bökelnburg hieher übertragen: der Verrath der Elster und der Tod der Gräfin, nach welcher der Wassertümpel in der Stellerburg den Namen Dortjen-Sood (Dorotheen-Brunnen[23]) erhalten hat.

Bei der Bökelnburger Herbstsage sind besonders zwei Züge hervorzuheben. Während doch die Geschichte verbürgt, daß Graf Rudolf am 15. März umkam, verlegt die Sage [12] das Ereigniß auf den St. Martin-Abend (10. November) und bringt dasselbe in Verbindung mit einer Pflichtkornlieferung. Andererseits erzählt der Presbyter Bremensis, offenbar auf Grund Gottorpischer Archivalien, Folgendes. Als Herzog Heinrich der Löwe (1149), um den Tod Rudolf’s zu rächen, mit Heeresmacht Dithmarschen überzog und bezwang, da habe er dem Lande einen jährlichen Zins an Waizen, Roggen, Schafen udgl. auferlegt. „Diesen Zins haben die von Süderhaststedt, Süderfeld (bei Averlaker-Donn, Kirchspiel Eddelack) und Nordhaststedt und hauptsächlich die Geestleute lange Zeit bezahlt an die Burg Hanerau über zweihundert Jahr lang, bis Herzog Gerhard (1404) in der Süderhamme erschlagen wurde“[24]. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß dieser Korn- und Viehzins nach der Ernte, also im Spätherbste erlegt werden mußte; und insbesondere war Martini ein landesüblicher Lieferungs- und Zahlungstermin. Auch der Lübeker Martensmann mit seinem jährlichen Prästandum mußte auf Schloß Gottorp und in Schwerin am St. Martins-Abend eintreffen[25]. Nach alle dem liegt die Vermuthung nahe, daß die Erinnerung an das Hanerauer Pflichtkorn zur weiteren Ausbildung der Grafensage mitgewirkt hat.

Vielleicht daß sogar die „Klawen[26]“ eines geschichtlichen Anknüpfungspunktes nicht ermangelt. Was die Sage als [13] einen von tyrannischer Willkür auferlegten Zwang deutet, erinnert an die symbolischen Prozessionen, welche als Ehrenstrafen aus dem Mittelalter bekannt sind. Missethäter mußten in demüthigendem Aufzuge, ein Zeichen der verwirkten Strafe auf ihrem Hals oder Rücken tragend, vor ihrem Herrn erscheinen und eine vorgeschriebene Strecke Weges wandern[27]. Kaiser Friedrich I der Rothbart setzte diese zum Theil schon veralteten Ehrenstrafen mit großer Strenge wieder in Kraft. Pfalzgraf Hermann und zehn Grafen, welche den Landfrieden gebrochen hatten, wurden am kaiserlichen Hoflager zu Worms, Weihnacht 1155, verurtheilt, jeder einen Hund eine deutsche Meile weit zu tragen. Als das rebellische Mailand 1158 bezwungen war, erschienen die Rathsherren, Edelleute usw. barfuß und ein blankes Schwert am Halse vor dem Richterstuhl des Kaisers; und nach der zweiten Kapitulation 1162 mußte die ganze Mailändische Bürgerschaft mit Stricken um den Hals ausziehen. Sollte nicht Friedrichs Vetter, Herzog Heinrich der Löwe 1149, als er „die Reichsfeinde die Dithmarscher“[28] bezwungen hatte, denselben eine ähnliche Demüthigung auferlegt haben? Die Weide, d. h. der aus frischen zähen Eichen- oder Weiden-Gerten gedrehte Strang, der früher anstatt des hänfenen Seils wie zur Fesselung und Hinrichtung, so auch bei der Ehrenstrafe gebraucht wurde[29], mochte später, als die alte Sitte in Vergessenheit gerieth, mit dem Klawen verwechselt werden.

[14]
Anhang.
Weitere Urbefestigungen in Dithmarschen.

Nach einer gefälligen Mittheilung des Herrn Professor Dr. Kolster, ist in der Nähe des Dorfes Fedderingen (Kirchspiel Hennstedt, Norderdithmarschen) eine Stelle, welche man noch als „de hoge Borg“ bezeichnet. Andererseits ist überliefert, daß ehemals südlich von Hennstedt eine Hölzung „Borgholt“ lag[30]. Vielleicht darf man auch hier (als drittes Beispiel; vgl. oben S. 7) einen Zusammenhang zwischen der Burg und dem Burgwalde vermuthen.

Das Dorf Wallen unweit von der Eider (Kirchspiel Tellingstedt, Norderdithmarschen) hieß früher „to deme Walle[31]. Ist dabei an einen Burgwall oder Wallberg zu denken?

Der Engelsberg bei Farnewinkel (Kirchspiel Meldorf, Süderdithmarschen), vormals Engelsborg genannt, von dem eine Räubersage erzählt wird[32], birgt wohl ein Hünengrab. Von einem Ringwall ist keine Spur.

Zwischen Odderade und Sarzbüttel (Kirchspiel Meldorf) soll auch eine Burg gelegen haben; doch sind davon weder Sagen noch geschichtliche oder topographische Nachrichten überliefert.[33]

Südwestlich vom Dorfe Schafstedt (Kirchspiel Albersdorf, Süderdithmarschen) am Mühlenbach liegen die Reste einer Burg. Die Spuren des Ringwalls sind deutlich erkennbar, und Schutt und Bausteine sollen dort noch bei Menschengedenken ausgegraben sein[34].

Die Wiesen „Burgkrug, Burghaken“ und die Koppeln [15] „Langenborstel, Kurzenborstel“ beim Dorfe Offenbüttel (Kirchspiel Albersdorf) scheinen auf eine ehemalige Burg hinzudeuten[35].

Beim Dorfe Süderrade (Kirchspiel Albersdorf) heißt eine Wiese Oldenburg, auf der ehemals eine Burg gestanden zu haben scheint[36].

Ueber den angeblichen Burgplatz in der Dackwiese bei Kuden (Kirchspiel Burg, Süderdithmarschen) habe ich mich schon früher ausgesprochen[37].

Auf die in geschichtlicher Zeit angelegten Burgen; den dänischen Frideberg, die holsteinischen Tielenburg, Halvesberg und Marienburg bei Delfbrücke, sowie auf die späteren dithmarscher Verschanzungen[38] brauche ich hier nicht einzugehen.

[16] Dagegen der an der Gränze zwischen dem dithmarscher Dorfe Wennbüttel (Kirchspiel Albersdorf) und dem holsteinischen Beldorf belegene Kukswall gehört ohne Zweifel zu den Urbefestigungen. Doch war seine ursprüngliche Bestimmung schon vergessen, als man in dem Hamburger Waffenstillstande vom 15. Mai 1500 übereinkam, daß künftige Streitigkeiten zwischen Dithmarschen und Holstein durch beiderseitige Schiedsrichter auf dem Kukswalle beigelegt werden sollten[39]. Nach der Topographie[40] „liegen die Ueberreste an einer Furth und einem Fußwege mit einem Steg über die Giselau. Die nördliche Umwallung auf der Wennbütteler Seite besteht aus einer ziemlich geraden vom Nordufer der Au auslaufenden Walllinie, deren nördliches Ende schanzenförmig sich umbiegt. Von der Mitte der Linie aus läuft ein Seitenwall bis über den Weg. Nahe davor südlich daran liegt auf der Beldorfer Feldmark eine Erhöhung, die mit einem etwa dreißig Fuß breiten, aber nicht sehr tiefen Graben umgeben ist, um dessen südliche Seite ein halbmondförmiger Wall läuft“.

Außer Kukswall (vormals auch Kuckwall) finde ich in der Topographie folgende Ortsnamen von anscheinend gleicher Abstammung: Kukendahl, ein Landstück in der Beldorfer Feldmark; Kukeskope, jetzt Kuskoppermoor in der Wilstermarsch; Kuckshafen, jetzt Cuxhaven[41] im hamburgischen Amt Ritzebüttel; Kuxbüll im Kirchspiel Emmerleff bei Hoyer, Kreis Tondern.

Kiel, 23. März 1873.



  1. Geerz: „Geschichte der geographischen Vermessungen und Landkarten Nordalbingiens“ S. 23 (Note 10) und S. 185 (Note 276).
  2. Bekanntlich leitet Itzehoe seinen Ursprung her von der Burg, welche Mitte März 809 auf dem Esesfeld an der Stör erbaut wurde. Clement: „Schleswig das Land der Angeln und Friesen“ S. 131 und 170 macht darauf aufmerksam, daß unter den Ahnen des Königs Ida von Benicia (547–559) Esa sowie in einer angelsächsischen Urkunde von 673 Esendik vorkommt. Ese ist ein friesischer Mannesname. Von derselben Wurzel stammen wohl die Ortsnamen Esens in Ostfriesland; Esingen (Esen) im holsteinischen Kirchspiel Rellingen; Esenhuug ein Grabhügel auf Amrum. (Chr. Johansen in den Sch.-H.-Lbg. Jahrbüchern für die Landeskunde Bd. IV, S. 245 schreibt Eeshenhuugh.)
  3. Helmodi chronica Slavorum Buch I Kap. 19, S. 45; wiederholt beim Presbyter Bremensis Kap. 11, S. 23.
  4. Vgl. den betr. Aufsatz im III. Bande dieser Zeitschrift.
  5. Johann Adolf’s, genannt Necocorus, Chronik des Landes Dithmarschen; herausgegeben von Dahlmann Bd. I, S. 264. Bolten Bd. I, S. 370 uff. schreibt: „Die hohe Burg ist nicht rasirt, wie Vieth (S. 27) meint, sondern noch mit zween Wällen umgeben, auf deren innerem und höchstem, welcher 547 Schritte oben im Umfange hat, sich wieder verschiedene Erhöhungen zeigen, sowie der zwischen beiden Wällen rund umhergehende Weg 704 Schritte beträgt“. Vgl. auch Hanssen und Wolf: „Chronik des Landes Dithmarschen“ S. 54.
  6. Vgl. Falck’s Archiv für Geschichte Statistik etc. von Schleswig-Holstein und Lauenburg Bd. IV. S. 492; Kolster im Meldorfer Programm von 1852 S. 10–11 und 17; Bericht XXXI der Schl.-Holst. Lbg. Alterthums-Gesellschaft S. 6 (Bd. II S. 59 dieser Zeitschrift)
  7. Kolster im Meldorfer Programm von 1853 S. 12.
  8. Topographie von Holstein und Lauenburg Bd. II, S. 490.
  9. Auf dem Grundriß bei Vieth ist die Stellerburg beinahe wie ein Quardrat dargestellt. Peter Sax gibt davon folgende curiose Beschreibung: „Der Ort ist noch in die Vierung gesetzet; die Linie der Defence ist nicht zu lang, und können die Seiten auf Sägen-Art das eine das ander beschützen; das Parapet ist sehr verfallen. Doch könnte man alle Werke an Courtinen, Basteien und Contrascarpen bald wieder ausfuttern. Der Platz hat noch den Namen behalten, und ist über der Esplanade nicht viel erhöhet.“ (Bolten Bd. II, S. 311, Note 85.)
  10. Müllenhoff’s Sagen S. 13.
  11. Borgolte beim Presbyter Bremensis Kap. 15, S. 34; Neocorus Bd. I, S. 265.
  12. Allerdings erzählt Bolten Bd. I, S. 371, Note 77, daß man auf dem inneren Raum der Bökelnburg „noch im Jahr 1742 einige Stufen in einen hier befindlichen Keller habe hinunter steigen können.“ Aber welcher Art war dieser Keller? Kein älterer Schriftsteller weiß von unterirdischen Gewölben, und man verliert vollends allen Glauben, wenn man bei Bolten a. a. O. weiter von dem im J. 1762 gefundenen Burgschlüssel liest.
  13. Urkunde von 1265 in Michelsen’s Urkundenbuch zur Geschichte des Landes Dithmarschen Nr. VII, S. 11; Neocorus Bd. I, S. 556 (Abbildung), 609 und 650.
  14. Auf die Carstens’sche Notiz, betr. das Fundament der Meldorfer Burg (bei Bolten Bd. I, S. 442, Note 33) darf man wohl kein Gewicht legen. Peter Böckel’s Karte zeigt eine Häusergruppe „Borch“ eben nordwestlich von Meldorf, an dem Wege nach Barsfleth und Ketelsbüttel. Auch das Meldorfer Stadtsiegel, eine Burg mit fünf Thürmen, vgl. Neocorus Bd. I, S. 665 und die Abbildung auf Bolten’s VI. Tafel, scheint auf die vormalige Burg hinzudeuten.
  15. Chronicon Holtzatiae Kap. 15, S. 31 nebst Lappenberg’s Anmerkungen. Vgl. die Kritik bei Bolten Bd. II, S. 137–46 und Bd. I, S. 371–72, Note 78.
  16. Nordalbingische Studien Bd. I, S. 210. Vgl. den Aufsatz: „Dithmarschenkämpfe im Heidenthum“ (mit einer Karte) von W. Mannhardt in dessen Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde Bd. III, S. 70–83.
  17. Neocorus Bd. I, S. 321–23, 581–82; Müllenhoff’s Sagen Nr. VII und IX, S. 10–14 und 591.
  18. Dahlmann: „Lübeks Selbstbefreiung am ersten Mai 1226“ (Hamburg 1828); Deecke: „Geschichte der Stadt Lübek“ Bd. I, S. 48–56 und 223–28. – Auch die schweizerische Sagengeschichte von Wilhelm Tell und der Befreiung der Waldstätte entwickelte sich auf ähnliche Weise im 15. und 16. Jahrhundert; und daß dieselbe dem Neocorus vorschwebte, geht aus seinen eigenen Worten (Bd. I, S. 326) hervor.
  19. Neocous Bd. I, S. 176; vgl. Müllenhoff’s Sagen Einleitung S. XXII und XXXV uff. „Die alten Lieder von der Vertreibung der Grafen“, sagt M., „wurden vergessen, als kein Adel mehr im Lande zu finden und zu fürchten war“.
  20. Bolten Bd. II S. 181–83 hat diese Sagengeschichte mit richtiger Kritik behandelt; nichtsdestoweniger fiel Dahlmann in den alten Irrthum zurück. Hans Detleff (bei Neocorus Bd. II S. 468) erzählt auch von einer im J. 1509 auf der Stellerburg abgehaltenen Landesversammlung; aber die Notiz verdient schwerlich Glauben.
  21. Vgl. Grimm: „Deutsche Mythologie“ Kap. 24 („Sommer und Winter“).
  22. „Quellen des Shakespeare“ von Echtermeyer, Henschel und Simrock Bd. III S. 41 und 274 uff. Weitere literarische Nachweisungen geben Lappenberg, Geschichte von England Bd. II S. 65 und Müllenhoff a. a. O. In Holstein wiederholt sich die Sage von dem wandelnden Walde auf der Iloh-Haide an der Bünzener Au, wo Graf Gerhard der Große 1317 die Dithmarscher überfiel; vgl. Presbyter Bremensis Kap. XVIII, S. 50 und Müllenhoff’s Sagen Nr. X, S. 14.
  23. Das erinnert an den Schluß jenes nordfriesischen Liedes (bei Müllenhoff, Einleitung S. XXXIII), der in deutscher Uebersetzung lautet:

    Das Trinchen ward geworfen in einen tiefen Sood,
    Das war sein Dunenbett nach dem Tod.

  24. Presbyter Bremensis Kap. 15 S. 31–32 und Michelsen: „Urkundenbuch zur Geschichte Dithmarschens“ S. 82. Vgl. Bolten Bd. II S. 199 uff. und 162 uff.
  25. Grimm: „Deutsche Rechtsalterthümer“ S. 358 uff.; Christiani: „Geschichte von Schleswig-Holstein“ Bd. V S. 459 uff.; Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde Bd. XXIII S. 81, 173 uff. – Nach der Eroberung Dithmarschens im J. 1559 wurde als Zahlungstermin für den Ackerschatz der Marschbauern und das Pflichtkorn der Geestleute Nicolai (6. December) festgesetzt; vgl. Jahrbücher für die Landeskunde Bd. IV S. 301.
  26. „Klawen“ bedeutet das hölzerne Halsband für Hornvieh, woran dasselbe angebunden wird. Vgl. die Abbildung im Holst. Idiotikon Bd. II S. 269.
  27. Grimm: „Deutsche Reichsalterthümer“ S. 713 uff.
  28. „accepta victoria de hostibus regni Thiedmarskiensibus, qui Rotholfum marchionem principem et comitem suum jam pridem interfecerant“, heißt es in den Heikenbütteler Urkunde Heinrichs des Löwen vom 13. September 1149.
  29. „cum torquibus vimineis circa collum quasi ad suspensionem parati“ (Grimm a. a. O. S. 714; vgl. S. 683–84).
  30. Schröder und Biernatzki: „Topographie von Holstein und Lauenburg“ Bd. I S. 515.
  31. Topographie Bd. II S. 561.
  32. Neocorus Bd. I S. 255 und Müllenhoff’s Sagen Nr. 36, S. 38.
  33. Neocorus Bd. I S. 266; vgl. jedoch S. 253 und Topographie Bd. II S. 386.
  34. Topographie Bd. II S. 390; vgl. Neocorus Bd. I S. 266.
  35. Topographie Bd. II S. 239.
  36. Topographie Bd. II S. 507.
  37. Neocorus Bd. I S. 266; vgl. XXXI Bericht der Schl.-Holst.-Lbg. Alterthums-Gesellschaft S. 6 (Bd. II dieser Zeitschrift)
  38. Vieth a. a. O. hinter S. 478 gibt Grundrisse von den Schanzen bei der Aubrücke, Tielenbrücke und der Süderhamme.
         Ueber die Schanzen bei Pahlkrug zwischen Glüsing und Schalkholz auf dem Wege nach Linden s. Topographie Bd. I S. 415–16 und Bd. II S. 90; dieselben sind jetzt so gut wie ganz abgetragen. In unmittelbarer Nähe befindet sich eine Gruppe von Grabhügeln. Nach der gefälligen Mittheilung des Herrn Lehrers U. F. W. Thomsen in Schalkholz, ist bei der Abtragung in den Schanzen selbst nichts gefunden; neben denselben mancherlei. Außer Gegenständen von geringerer Bedeutung namentlich ein vermodertes menschliches Skelett, unter dessen Kopf ein Stein geschoben war und neben welchem eine Urne stand. „Pahlkrug (Pfahlkrug)“ ist ein moderner zufälliger Name. Ursprünglich heißt die Schanze „Grafenwall“. Der Besitzer erzählte, daß bei dem Dorfe Linden in alter Zeit ein Graf wohnte, der die Schanze aufgeworfen habe. Herr Th. hält es dagegen für ziemlich ausgemacht, daß der alte Name nur das bestätigt, was in der Umgegend fast allgemein angenommen wird: nämlich daß die Schanze ein Bestandtheil der Norderhamme oder diese überhaupt gewesen ist. Vgl. Kolster im Meldorfer Programm von 1853 S. 26 uff.
         Welche Bewandniß mag es mit den sog. „Laufgräben“ zwischen Frestedt und Quickborn (s. Topographie Bd. I S. 393) haben?
  39. Neocorus Bd. I S. 531; Bd. II S. 79.
  40. Topographie Bd. I S. 205; vgl. Bd. II. S. 580. Geerz a. a. O. S. 273 (Note 572).
  41. Der hamburgische Pastor Petrus Hesselius: „Herzfließende Betrachtungen von dem Elbe-Strom“ (Altona 1675) schreibt auf S. 115 Kuckshaven, im Register Kucks-Haven, und auf der beigefügten Karte von Winterstein steht Kuckshafen. Lappenberg’s „Hamburgische Chroniken in niedersächsischer Sprache“ erwähnen den Ort gar nicht.