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Über Flußschifffahrt, insbesondere die Kettenschifffahrt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: M.B.
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Titel: Über Flußschifffahrt, insbesondere die Kettenschifffahrt
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aus: Allgemeine Bauzeitung
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1865
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Erscheinungsort: Wien
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[193]
Ueber Flußschifffahrt, insbesondere die Kettenschifffahrt.
Aus Armengaud Ainé, Publication Industrielle.
(Mit Zeichnungen auf Blatt 745.)
1. Einleitung.

Das einfachste Mittel, die Schiffe in einem Flusse aufwärts zu bewegen, besteht bekanntlich darin, daß man sie durch Menschen oder Pferde,[1] welche auf einem Leinpfad gehen, ziehen läßt.

Dieser Zug ist nun um so unvortheilhafter, je weiter der Leinpfad von dem Wasserweg entfernt liegt, und da diese Entfernung wechselt, einmal klein und dann wieder sehr groß wird, so muß die Zugkraft nach der größten Entfernung bemessen werden; es geht daher in doppelter Beziehung an Kraft verloren.

Die Unvollkommenheit dieser Einrichtung führte schon längst auf die Anwendung der Schleppdampfschiffe, an welche die Schleppkähne mit ihren Lasten angehängt werden. Allein diese Dampfschiffe können nur auf größeren Flüssen oder Strömen mit Vortheil arbeiten, wo sie geringe Strömung und größere Wassertiefen finden; in kleineren Flüssen, welche starke Strömung und nur eine Wassertiefe von 50 bis 60 Centim. haben, lassen sie sich gar nicht anwenden.

In solchen Flüssen bedient man sich meist noch der unvollkommenen Einrichtung durch directen Zug und es wäre eine Aufgabe für den Hydrotekten,[WS 1] ein einfaches Mittel zu finden, wie diese Einrichtung vortheilhaft ersetzt werden könnte.

Für Flüsse, bei welchen der Thalweg nicht häufig wechselt, und welche bei ziemlich gleichförmiger Tiefe keine zu starke Krümmungen machen, ist bereits das Mittel durch die Kettenschifffahrt gefunden, eine Einrichtung, welche darin besteht, daß in den Thalweg des Flusses eine Kette gelegt und mit beiden Enden gegen die Sohle befestigt wird, und daß diese Kette über eine oder zwei auf einem Schiffe angebrachte Cylinder oder Trommeln geht, welche durch die bewegende Kraft in Umdrehung gesetzt werden.

Es ist leicht begreiflich, wie dieses Schiff an der Kette sich hinaufwindet, wie die Kette dabei nur vorn in die Höhe steigt, dagegen hinten sich wieder in den Fluß hineinlegt und somit nur auf eine verhältnißmäßig kurze Strecke sichtbar ist, wie ferner die bewegende Kraft, da sie das Schiff sammt den angehängten Lastkähnen gegen einen festen Punkt anzieht und fortbewegt, weit vortheilhafter wirkt, wie bei dem Schleppdampfschiff, das sich in dem Strom ohne festen Stützpunkt hinaufarbeiten muß, wodurch viel Kraft verloren geht, wie endlich der Zug weit günstiger sein muß, wie von einem Leinpfade ausgehend, da er in der gleichen Richtung mit der Kette und folglich auch mit der Strömung thätig ist.

Schon vor langer Zeit beschäftigte man sich mit ähnlichen Einrichtungen wie die heutige Kettenschifffahrt, allein man benutzte nicht die Kraft des Dampfes, sondern die der Pferde, indem man Pferdegöpel auf die Zugschiffe stellte und sich an einem Seile gegen einen festen Punkt hinzog.

Der erste Versuch wurde wahrscheinlich im Jahre 1732, sodann in etwas größerem Maßstabe im Jahre 1820 zu Lyon auf der Saône durch Tourasse und Courteaut angestellt.

Hier hatte man aber keine durchlaufende Kette, sondern es war ein Seil von ziemlicher Länge mit einem Ende an dem Ufer befestigt, während das andere Ende seine Befestigung an der auf dem Schiffe angebrachten Welle oder Trommel fand; sobald nun das Seil ganz aufgewunden war, mußte es wieder abgerollt und weiter oben befestigt werden.

Die Resultate waren schon mit diesen unvollkommenen Pferdegöpeln so befriedigend, daß man die Idee faßte, ähnliche Schiffe auf dem Rhône gehen zu lassen, aber dabei nicht die Pferde-, sondern die Dampfkraft anzuwenden. Es wurden in Folge dessen im März 1822 zwei Versuchsreisen zwischen Givors und Lyon angestellt. Der Effect war, während 18 Stunden Bergfahrt, 170 Tonnenmeters für jede Reise. Die Geschwindigkeit betrug 1 Kilom. in der Stunde und das Seil hatte eine Länge von 2000 Metern und eine Stärke von 56 Millimetern. Dabei war aber die Einrichtung die, daß man das Seil in zwei Theile theilte, und während die ersten 1000 Met. mit dem Schiffe durchlaufen [194] wurden, brachte man die anderen 1000 Meter weiter aufwärts, so daß der Aufenthalt sich wesentlich schon gegen die frühere Einrichtung verringerte.

In demselben Jahre 1822 machte Vinchon von Quémont einen Versuch auf der Seine. Der Mechanismus war nach den Angaben von Montgolfier und Dayme und bewegte eine verticale Trommel von 1,25 Met. Durchmesser und 0,55 Met. Breite, welche sich rechts und links drehen konnte, je nach dem Eingriff der Winkelräder. Die Dampfmaschine war nach dem System von Watt und hatte 6 Pferdekräfte, welche den gleichen Effect lieferten wie 10 Zugpferde. Auch hier hatte man noch kein durchlaufendes Seil, was ungenügend war.

Erst im Jahre 1825 bildete Eduard von Rigny eine Gesellschaft für die Schleppschifffahrt auf der Seine, zwischen Rouen und Paris, nachdem er sich überzeugt hatte, daß die unvollkommenen Resultate nur von der mangelhaften Einrichtung des Mechanismus herrühren. Er benutzte dabei die Erfahrungsresultate, welche Courteaut und Tourasse im Jahre 1821 auf der Saône machten, setzte an die Stelle der Pferdekraft die Dampfkraft, an die Stelle der Taue Ketten, und machte letztere so lang als den zu durchlaufenden Weg.

Die Gesellschaft führte den Namen „Entreprise des remorqueurs sur la Seine.“

Der Mechanismus des Schleppers „la Dauphine“, welchen die Gesellschaft ausführen ließ, war auf einem Schiffe mit ebenem Boden von 21 Meter Länge und 12,85 M. Breite. Er hatte eine Rotationsdampfmaschine von 30 Pferdekräften, welche eine gewöhnliche Trommel von 0,37 M. Durchmesser und 0,65 M. Länge in Bewegung setzte, mittels eines Rades von 1,3 M. Durchmesser auf der Achse der Maschine. In dieses Rad griff ein anderes von 0,75 M. Durchmesser; auf der Achse des letztern war ein Schaufelrad von 2,92 M. Durchmesser, welches beim Stromabwärtsfahren in Dienst trat, und auf der Achse des Schaufelrades war eine Rolle von 0,59 M. Durchmesser, deren Kehle dem Eingriff einer Kette entsprach, welche die Bewegung auf eine ähnliche Rolle fortpflanzte, die auf dem Vordertheil des Schiffes placirt war und endlich die Bewegung einer dritten Rolle von 0,54 M. Durchmesser auf derselben Achse mittheilte, über welche die Zugkette lief.

Die Transmission war der Art, daß wenn die Bewegungsmaschine 10 Umdrehungen machte, das Schiff mit einer Geschwindigkeit von 1015 M. in der Stunde ging.

Noch andere Versuche sind von M. F. Bourdon auf der Saône mit gleichzeitiger Benützung zweier Schiffe in den Jahren 1826 und 1827 gemacht worden, wobei man ebenfalls Dampfmaschinen von 30 Pferdekräften anwendete, welche ein Flügelrad und eine horizontale Trommel von 1,13 Meter in Bewegung setzten, über welche ein 600 Meter langes Tau lief.

Bei der Bergfahrt befestigte man jedes Schiff mit seinem Taue an den vordersten Schleppkahn, welcher hinaufgezogen werden sollte. Nun fuhr das eine Schiff stromaufwärts und wickelte sein Tau ab bis auf 600 Meter Länge. An dem Ende dieses Weges angekommen, wurde es verankert, das Schaufelrad ausgelöst und die Maschine in Gang gesetzt, so daß sie die Schleppkähne an sich heranzog, wobei das andere Schiff mit Hülfe der Flügelräder die Bewegung mitmachte. Waren die beiden Maschinendampfschiffe wieder beisammen, so setzte sich das zweite in Bewegung und wickelte sein Tau auf 600 Meter ab, setzte sich fest und zog, ähnlich wie das erste die Schleppkähne an sich, bis die beiden Dampfschiffe wieder beisammen waren; so fuhr man fort, bis der ganze Weg zurückgelegt war.

Dieses Verfahren hatte den Vortheil, daß man nur zwei Taue von 600 Meter Länge brauchte, allein es hatte auch den Nachtheil, daß viel Zeit verloren ging und die Taue sich sehr rasch abnützten.

Die Herren Tourasse und Mellet gaben in ihrer Beschreibung über Dampfschiffe folgende Erklärung eines Schleppschiffes mit 24 Pferdekräften, welches sie im Jahre 1829 für den Dienst auf der Seine von Rouen nach Paris vorschlugen.

Das Fahrzeug des Schleppers hatte wie die meisten Dampfschiffe einen ebenen Boden und war für das Abwärtsfahren mit Schaufelrädern versehen. Um nun durch Schleusen und enge Stellen des Flusses fahren zu können, war die Einrichtung getroffen, daß man diese Schaufelräder um ihre Breite zurückschieben konnte. Der Mechanismus zum Aufwärtsziehen bestand aus zwei Trommeln, über welche ein Tau sich aufrollte, das einem festen Punkte angehängt war. Die Kette oder das Drahtseil war ein wenig länger als der zu durchlaufende Weg und seine Stärke war verschieden, je nach der Stärke der Strömung. War man alsdann an einer starken Strömung angelangt, so wurde das Seil an einen festen Punkt am Ufer angehängt und erst, wenn diese Strömung überwunden war, wieder losgelöst.

Dies waren die verschiedenen Einrichtungen, welche man bis zum Jahre 1829 kannte, und welche die Herren [195] Tourasse und Mellet in ihrem Werke vom Jahre 1828 beschrieben haben.

Sie gaben für die Folge die Lehre:

1. daß man die Cylinder oder Trommeln, über welche die Kette sich aufrollt, in der Art anzuordnen habe, daß etwaige Stöße nicht nachtheilig sind;

2. daß die Trommeln in ihrer gegenseitigen Stellung unveränderlich sein sollen;

3. daß jede unnöthige Reibung der Kette vermieden werden solle;

4. daß die Geschwindigkeit der Trommeln nach der Strömung soll regulirt werden können;

5. daß man keine konischen Räder anwenden soll;

6. daß man keine Hanfseile, sondern entweder Drahtseile oder Ketten anwenden soll, welche eine Länge haben gleich derjenigen des zu durchlaufenden Weges.

Wie alle diese Punkte berücksichtigt werden können, ersehen wir aus der folgenden Beschreibung eines von Ch. Dietz in Bordeaux construirten Kettenschiffes, welches den Namen „die Stadt Sens“ führt. Dasselbe hat die Einrichtung wie sie nun seit langer Zeit auf der oberen Seine besteht und wie sie auch seit einigen Jahren auf der unteren Seine von Paris bis Conflans angenommen wurde und bis in das Meer fortgesetzt werden soll; sie zeigt eine solche Einfachheit, Regelmäßigkeit und Leichtigkeit im Dienste, daß es zu verwundern ist, daß sie bis jetzt nicht mehr Verbreitung gefunden hat.

Erst in neuerer Zeit sind Concessionen um Errichtung der Kettenschifffahrt auf dem Rheine nachgesucht worden, insbesondere für die untere Rheinstrecke zwischen Ruhrort und Koblenz, und es verpflichteten sich die Unternehmer, dem Aerar Frachtgut um 30 Procent billiger zu transportiren wie die Schiffer, welche ihre Schiffe mit Pferden ziehen lassen.

2. Beschreibung des Schleppdampfschiffes „die Stadt Sens“ vom Ing. Ch. Dietz in Bordeaux.
(Blatt 745.)

Fig. 1 ist ein Längendurchschnitt des Schiffes.

Fig. 2 der Grundriß.

Fig. 3 der Querschnitt nach der Linie 1–2. Fig. 1.

Diese drei Figuren sind im Maßstabe 1/120.

Die Fig. 4 und 5 zeigen in dem Maßstabe 1/50 die Bewegungsmaschine von vorn und von der Seite.

Fig. 6 zeigt ein Detail über die Art der Zusammensetzung der Rollen, über welche die Kette geht.

Fig. 7 zeigt die Ansicht und den Grundriß eines der beiden beweglichen Arme, welche die Kette leiten und die Reibung auf dem Schiffsrande verhindern.

Fig. 8, 9 und 10 sind Details der Kette.

Allgemeine Anlage des Schiffes.

Das Schiff ist ganz von Eisen; sein Boden ist eben wie Fig. 3 deutlich zeigt, damit die Einsenkung eine möglichst geringe wird; besonderen Ballast trägt das Schiff aus diesem Grunde auch nicht, seine Belastung besteht lediglich aus der Maschine in der Mitte des Schiffes und den beiden Kesseln mit ihren Kohlenräumen an den Enden desselben. Auf diese Weise gelang es dem Constructeur die Einsenkung des Schiffes auf nur 40 Centimeter zu reduciren, was sehr wesentlich war für den Dienst auf der Seine, indem dieselbe an vielen Stellen Untiefen hat.

Die Rippen, an welche das Eisenblech, das die äußere Schale des Schiffs bildet, befestiget sind, bestehen aus Winkeleisen.

Vorn und hinten im Schiffe befinden sich zwei Zimmer A, welche von dem übrigen Raume durch eine Wand a in der Art getrennt sind, daß, wenn in Folge eines Lecks diese beiden Zimmer A Wasser fassen, die Sicherheit des Schiffes doch nicht gefährdet ist.

Um dem Schiffe eine beliebige Richtung geben zu können, sind zwei Steuerruder, an jedem Ende eines, angebracht. Der Mechanismus zur Bewegung derselben ist sehr einfach folgender:

An der Achse des Steuerruders sitzt eine Rolle b, über diese und die Rolle b’ geht eine Kette c;; die Rolle b’ sitzt fest in der verticalen Achse d und oben an der letzteren sitzt ein Spillenrad[WS 2] v, woran der Steuermann dreht.

Die Bewegungsmaschinen sind nahe in der Mitte des Schiffes aufgestellt; das Gestelle, welches die Rollen und Räder trägt, ragt über die Decke des Schiffes hinaus und ist deßhalb mit einer besonderen Blechhaube B überdeckt.

Die beiden Dampfkessel haben Siederöhren wie die Kessel der Locomotiven und innere Feuerung.

Die Kohlenvorräthe sind in den Magazinen C, C Fig. 2 und 3, welche rechts und links von den Kesseln liegen. Luft und Licht gelangen in das Innere des Schiffes durch die Oeffnungen c’ c’ an der Schiffsdecke und die runden Glasscheiben e, e in den Seitenwänden Fig. 1.

[196] Die Bewegungsmaschinen haben liegende Cylinder mit veränderlicher Steuerung und Condensation.

Die Cylinder C’ Fig. 4, deren Durchmesser 350 Millim. haben, sind an den Wänden des gußeisernen Gestelles befestigt. Die Kolbenstangen laufen in Coulissen und geben den Kurbelstangen F, somit auch den Kurbeln G ihre Bewegung, wodurch die horizontale Achse E Fig. 5 in Umdrehung gesetzt wird.

Zwischen den beiden Cylindern unter der Welle E sitzt die Luftpumpe J.

Eine zweite Welle E’ bildet die Verlängerung der Welle E und trägt die Stirnräder H und h, welche durch ihren Eingriff in die Stirnräder H’ und h’ die Bewegung auf die Keltentrommeln T, T fortpflanzen.

Die beiden niederen Wände des Gestells B², B² sind mit den hohen Wänden B³, B³ und unter sich durch starke Bolzen b’ verbunden. Das ganze Gestelle ruht auf einer Schwellenunterlage und ist mit dieser und somit mit dem Schiffe fest verbunden. Außerdem sind zwei T förmige Eisen an den hervorragenden Armen des Gestells angebracht und bilden gleichzeitig die Querverbindungen mit dem Schiffe.

Die Stirnräder H und h sind nicht von gleichem Durchmesser, damit den Trommeln verschiedene Geschwindigkeiten gegeben werden können, ohne den Gang der Maschine zu verändern.

Will man die größere Geschwindigkeit hervorbringen, so läßt man das Rad h in die Räder h’ und h², Fig. 4 und 5, eingreifen; will man die kleinere, so setzt man das Rad H mit den Rädern H’ und in Eingriff.

Die Räder h’ und und H’ und sind auf die horizontalen Wellen J und J’ festgekeilt, deren Lager auf den gußeisernen Wänden des Gestells B³, B³ ruhen. Aus den Verlängerungen dieser Wellen sitzen die Trommeln T, T, über welche die Zugkette geht.

Es ist sehr wichtig, daß man die Geschwindigkeit des Schiffes nach Belieben ändern kann, je nachdem man flußauf- oder abwärts fährt; der Mechanismus zur Aus- und Einrückung der Räder ist aus Fig. 5 deutlich zu ersehen: v’, v’ sind zwei Schraubenspindeln mit entgegengesetzten Gewinden und tragen an einem Ende kleine Rädchen x, x; die Schrauben haben ihre Muttern in den Rädern H und h und aus der Welle E’ sitzt ein loses Stirnrädchen mit einem Spillenrad V. Wird nun letzteres von Hand aus gedreht, so drehen sich auch die Schraubenspindeln und verschieben die Stirnräder H und h aus ihrer Achse.

Die Trommeln T, T, Fig. 6, sind aus fünf gußeisernen Scheiben t, t von gleichem Durchmesser zusammengesetzt und haben Scheiben von Blech zwischen sich; sämmtliche Scheiben sind durch Bolzen t’ t’ miteinander verbunden. Um zu verhüten, daß sich die Gußscheiben an der Peripherie zu rasch abnutzen, sind sie mit Stahlreifen versehen, welche man für den Fall einer Reparatur leicht abnehmen kann. Es ist dies wichtig, weil eine ungleiche Abnutzung der Gußscheiben durch die Veränderung ihrer Durchmesser nachtheilig auf den Gang der Kette wirkt. Die Enden der beiden Achsen J und J’ sind durch einen starken Bolzen U verbunden.

Die beiden Kessel, welche die Dampfmaschine speisen, haben, wie erwähnt, Röhren und innere Feuerung. Sie bestehen Fig. 1 aus einem Cylinder L von 1,2 M. Durchmesser mit einem Dome I und den gewöhnlichen Sicherheitsvorrichtungen.

Im Innern der Cylinder L ist ein zweiter Cylinder L’ mit einem Roste zur Feuerung; der Cylinder l’ ist an seinem hinteren Boden mit 26 Siederöhren m verbunden, durch welche der Rauch und die Gase in den Raum M gelangen, um von da durch den Schornstein N in das Freie zu entweichen. Der Raum M hat einen thürartigen Verschluß, um die Siederöhren von Zeit zu Zeit reinigen zu können. Die Schornsteine sind unten viereckig und oben cylindrisch und lassen sich umlegen, damit das Schiff unter den Brücken passiren kann. Die beiden Hebel mit den Gewichten p halten dem beweglichen Theil des Schornsteins das Gleichgewicht. Die Zugkette der Schleppschiffe für die obere Seine hatte zuerst nur 19 Millim. Stärke; dieselbe erwies sich zu schwach und man nahm daher 23 Millim., was hauptsächlich wegen der Stöße nothwendig war.

Die Zugkette, welche die beiden Trommeln T, T mehrmals umschlingt, gleitet an dem oberen Ende des Schiffes über die vordere Rolle p, hinten über die Rollen r’ und r und gelangt zwischen zwei Rollen o, o durchgleitend zur hinteren Rolle p.

Die Rollen p sitzen an einem Arme O Fig. 7, welcher sich um einen festen Drehbolzen y bewegen kann. Bei der Bewegung des Armes läuft derselbe mit 2 Rädchen o’ o’ aus einer eisernen Laufschiene q, welche auf dem Rande des Schiffes befestigt ist. Es dient dieser Arm O als Führer für die Zugkette in den verschiedenen Richtungen, welche sie annimmt.

Beim Austritt der Kette in das Wasser sind nocheinmal zwei verticale Frictionsrollen q’, q’ Fig 7 angebracht, [197] um die Kette immer in der Kehle der Rolle p zu erhalten. Durch diese Einrichtung ist die Möglichkeit gegeben, das Schiff jedwede Richtung nehmen zu lassen, ohne die Aufwickelung der Zugkette zu stören und ohne irgend eine Reibung an dem Schiffe selbst zu veranlassen. Um die Zugkette während der Fahrt zu unterstützen, sind zwei hölzerne Führungen p’ p’ mit ihren Frictionsrollen r und r’ angebracht.

Für den Fall, daß die Kette zerreißen sollte, hat man immer einige Kettenglieder in Reserve; sie haben die Form und Construction von Fig. 9 und 10.

3. Gang des Schiffes und Nutzeffect der Maschine.

Das Schiff, in der beschriebenen Weise construirt, bildet mit der Zugkette x x, welche etwas länger ist als der zu durchlaufende Weg, und welche mit ihren Enden auf der Sohle des Flusses solid befestiget oder verankert ist, die ganze Einrichtung.

Die Kette läuft über die beiden Trommeln T, T, welche sich in derselben Richtung drehen; sie wird in der Richtung der Bewegung stark angespannt und fällt in der entgegengesetzten Richtung, ihrer Schwere folgend, herab auf die Sohle des Flusses; sie befindet sich somit nur auf die Länge des Schiffes mehr dem angespannten Theile der Kette außerhalb dem Wasser. Die Kähne und Nachen,[WS 3] welche an das Schiff angehängt werden, erhalten ihre Befestigung mittels Taue an den Pfosten R, R Fig. 2.

Zwei Heizer und ein Mechaniker versehen den Dienst bei der Maschine. Der Dampf gelangt durch die Röhre s Fig. 4 in die Muffe S, in welcher ein Ventil sitzt, das durch den Hebel s’ regulirt werden kann.

Die Manoeuvres, um die Geschwindigkeit der Maschine zu verändern oder den Gang ganz einzustellen, oder die Bewegung nach entgegengesetzter Richtung hervorzubringen, werden mit einem Mechanismus u, Fig. 4, nach der Methode von Stephenson bewirkt, welcher mit Zwischenhebeln versehen ist, die auf die beiden Exenters und somit auf die Steuerungen einwirken. Ein Spillenrad U mit der Schraubenspindel u’ dient dem Mechaniker dazu, den erwähnten Regulator zu handhaben. Da der Regulator für die Dampfzuströmung ganz in der Nähe sich befindet, so kann der Mechaniker beiden Regulatoren leicht die richtige Stellung geben.

Die Maschinen sind so construirt, daß sie bei normalem Gange eine Kraft von 35 bis 40 Pferdekräften zu 75 Kilometers hervorbringen; sie geben dem Schiffe eine Geschwindigkeit im Maximum von 6000 Meter in der Stunde flußaufwärts und von 12000 Meter flußabwärts.

Im ersten Falle soll die Maschine mit einer Geschwindigkeit von 42 bis 43 Umdrehungen in der Minute arbeiten, im zweiten Falle mit 58 Umdrehungen. Nimmt man 43 an und das Rad H greift in die Räder H’ und H², um aufwärts zu fahren, so findet man, da der Durchmesser von H = 1,58 Meter und von H’ = H² von 2,3 Meter, die Geschwindigkeit der Trommeln

Umdrehungen.

Der Durchmesser der Trommeln ist 1,1 Meter, daher hat man  Meter Vorrückung in der Minute und  Meter in der Stunde.

Bringt man die Räder h und h’, h² in Eingriff für die Thalfahrt, so hat man, da h = 2 Meter

h’ = = 1,85 Meter;

die Anzahl der Umdrehungen

und die Geschwindigkeit in der Minute

 Meter,

folglich den Weg in der Stunde

 Meter.

Um dem Schiffe die Maximalgeschwindigkeit von 12000 Meter in der Stunde zu geben, muß man die Räder h, h’ und benutzen und der Maschine 58 Umdrehungen geben; dies gibt

 Meter

in der Stunde.

Die Dampfkessel sind auf fünf Atmosphären Druck geprüft und die Kohlenconsumtion ist im Mittel 1000 Kilog. in 10  Stunden.

Es ist ziemlich schwer, die Anzahl Tonnen zu bestimmen, welche mit dem Schiffe fortgezogen werden können, weil hier sehr verschiedene Elemente in die Rechnung kommen, welche dieselbe weitläufig machen und am Ende doch zu keinem richtigen Resultate führen.

Die Resultate werden abhängig sein, von der Stärke der Strömung bei den verschiedenen Wasserständen, von der Form und dem Querschnitt der Fahrzeuge, von dem Widerstande derselben im Strome, von der Reibung der Kette auf den Trommeln und den Rollen u. s. w.

[198] Die praktischen Resultate, welche man an der oberen Seine erhalten hat, geben für die Strecke innerhalb der Stadt Paris, wo die Strömung gering ist, bei einem Schiffe mit 35 Pferdekräften die Fortbewegung von 8 bis 10 Schleppnachen mit 250 Tonnen jeder, also 2500 Tonnen. Außerhalb der Stadt, wo die Strömung größer ist, kann man nur sechs Nachen anhängen, also 1500 Tonnen ziehen, und an Stellen, wo die Strömung ihr Maximum erreicht, wie z. B. an der Melunbrücke, nur vier mit 1000 Tonnen im Ganzen.

4. Vortheile der Kettenschifffahrt.

Die Frachtkosten berechnen sich bei der Kettenschifffahrt gegenüber der gewöhnlichen Schifffahrt mit Zugpferden um wenigstens 30 Procent billiger. Dieses Resultat ist erklärlich, wenn man in Betracht zieht:

1. daß der Zug größtentheils parallel mit der Strömung stattfindet, während er sich bei der gewöhnlichen Schifffahrt in horizontalem und verticalem Sinne zerlegt, weil die Zugpferde auf dem Leinpfade gehen und das Tau sowohl mit dem Ufer oder mit der Strömung, als auch mit der Horizontalen einen spitzen Winkel bildet;

2. daß die Schiffe, weil sie im Thalweg des Stromes gehen, nicht am Ufer streifen und sich weniger abnutzen, auch die Abnutzung der Schiffstaue oder Zugleinen geringer ist;

3. daß bei der gewöhnlichen Schifffahrt die Vorspannpferde häufig bei verschiedenen unvorhergesehenen Aufenthalten ruhen müssen und die Kosten dafür dem Schiffer zur Last fallen;

4. daß die Reise im Allgemeinen mit dem Schlepper weniger Zeit in Anspruch nimmt, wie durch den Zug mit Pferden; z. B. die Reise von Paris nach Montereau braucht mit Pferden 6–8 Tage, mit dem Kettenschiff 2–3 Tage.

Die Gesellschaft für die Kettenschifffahrt auf der oberen Seine hat ein Capital von 1500000 Francs, welches in 3000 Actien getheilt ist.

Seit 1859 ist die Schifffahrt auf der ganzen Linie von Paris nach Montereau auf 106 Kilometer im Gange. Im Jahre 1860 gingen 9001 leere und beladene Schiffe aufwärts mit einer Ladung von 117000 Tonnen. Im Jahre 1861 stieg die Anzahl der Schiffe auf 11336 mit einer Ladung von 148000 Tonnen.

Im Ganzen hat die Gesellschaft 7 Schiffe, welche alle von Ch. Dietz in Bordeaux construirt sind; 5 davon haben 35 Pferdekräfte und zwei nur 24 und 16.

5. Anschaffungs- und Betriebskosten.

Die Kosten eines Schiffes von 35 Pferdekräften lassen sich auf folgende Art berechnen:

Die Länge des Schiffes ist 40 Meter,
" Breite " " 07 "
" Eintauchung " " 00,4 "

daher das Volumen des verdrängten Wassers 100,8 Kubikmeter, also das ganze Gewicht des Schiffes sammt Inhalt 100800 Kilogramm.

Dieses Gewicht zerlegt sich:

Gewicht des Schiffskörpers 63300 Kilogr.
" der Maschine 17500 "
" der Kessel 10000 "
" der Kohlen 07500 "
" der Nebentheile 02500 "

Im Durchschnitt kostet ein Kilogramm 1 Francs, daher die 100800 - 7500 = 93300 Kilogramme 93300 Francs.

Die Kosten der Kette berechnen sich wie folgt:

Wenn der Durchmesser des Eisens für die Kettenglieder d Zolle, so ist das Gewicht eines laufenden Fußes 10 d²; hier ist d = 0,023 Meter oder nahe 0,8 Zoll, daher das Gewicht eines Fußes gleich 6,4 Pfund oder das Gewicht eines Meters 22 Pfund oder 11 Kilogramme. Das Pfund Kette kostet 0,2 Gulden, daher kostet der laufende Meter rund 8,5 Francs.

Rechnet man, daß die Maschine 10 Stunden täglich arbeitet, so sind die Kosten des Betriebes:

5 Mann zur Bedienung à 3 Francs 15 Francs
Kohlenverbrauch 1000 Kil. 30 "
Allerlei Ausgaben und Oel etc. 05 "
Zusammen 50 Francs pro Tag.

Angenommen es handle sich um die Errichtung der Kettenschifffahrt auf dem Rhein zwischen Köln und Koblenz.

Die Länge ist 20 Stunden oder 88880 Meter, so
kostet die Kette allein 88880 · 8,5 = 754480 Francs.
Dazu zwei Schiffe, weil eines in Reserve gehalten werden muß, daher die Kosten dieser 2 · 93300 = 186600 "
Zusammen 941080 Francs
und mit sonstigen Nebenausgaben 1000000 Francs.

In einer Stunde werden bei mittlerer Strömung 6000 Meter zurückgelegt mit 6 Schleppnachen im Gesammtgewicht von 1500 Tonnen Ladung.

[199] Die Bergfahrt braucht daher

 Stunden.

Die Thalfahrt braucht 7 Stunden, folglich die ganze Reise 23 Stunden oder bei 10 Stunden auf den Tag 2,3  Tage.

Es sind daher die Kosten:

Für Capitalzins und Unterhaltung zu 10 Procent gerechnet 2,3 · 274 = 630 Francs
Für Betrieb 2,3 · 50 = 115 "
Zusammen 745 Francs,

daher die Tonne 0,5 Francs und der Centner 0,7 Kilogr.

Will man die gleiche Last mit Pferden ziehen, so sind mindestens 40 Pferde nöthig, welche pro Tag sammt Führer  Francs kosten.

Die Pferde legen in einer Stunde nur 3600 Meter zurück, brauchen also für die 20 Stunden Weges

 Stunden

und für die Rückfahrt, bezüglich wenn sie leer zurückgehen, 20 Stunden, daher im Ganzen 45 Stunden oder 4,5 Tage für die Reise.

Die Kosten für die Pferde sind daher  Francs oder pro Tonne 0,84 Francs oder pro Centner 1,17 Krzr., also 40 Procent mehr wie bei der Kettenschifffahrt.

Wenn daher die Gesellschaft die Fracht um 30 Procent billiger übernimmt, wie sie jetzt steht, so gewinnt sie immer noch 10 Procent.

6. Schluß.

Wie aus dem Gesagten hervorgeht, so ist die Kettenschifffahrt zur Zeit nur auf der Seine in vollem Gange und bewährt sich dort so vollständig, daß man damit umgeht, sie auch auf anderen Flüssen in Frankreich und in Deutschland zur Anwendung zu bringen.

Dem Gegenstande wurde bisher, wie es scheint, von Seiten der Ingenieure wenig Aufmerksamkeit gewidmet, allein es läßt sich annehmen, daß er für die Zukunft von großer Bedeutung werden wird.

Dies, so wie der weitere Umstand, daß die Construction eines Kettenschiffes seither in deutschen technischen Zeitschriften nicht angegeben wurde und deßhalb auch noch ziemlich unbekannt zu sein scheint, hat zunächst zur Bearbeitung dieses Aufsatzes unter Benützung des französischen Werkes: „Publication Industrielle des Maschines, Outils es Appareis etc., par Aremengaud ainé, Vol. XIV. 3 & 4 Liv. Pag. 147,“ Veranlassung gegeben.

Karlsruhe, im December 1864.

M. B.     
[Blatt 745]


  1. Pferde ziehen bei 1 Meter Geschwindigkeit mit 40 bis 80 Kil.; der Zug eines Mannes ist 1/8 davon.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Begriff Hydrotekt steht für Wasserbaumeister.
  2. Der Begriff Spillenrad bezeichnet eines an seiner Peripherie in regelmäßigen Abständen mit Handgriffen versehenes Rad.
  3. Der Nachen ist ein kleines, flaches Boot für die Binnenschifffahrt. Es wurde meist durch Rudern oder Staken fortbewegt.