„Chinesische Begräbnisse“
[360] „Chinesische Begräbnisse,“ schreibt uns eine deutsche Frau aus Singapore gelegentlich einer Schilderung des dortigen Lebens, „gehören bei der großen hier seßhaften Anzahl von Zopfträgern nicht zu den Seltenheiten; nicht oft aber findet ein solches mit mehr Pracht und Aufwand wie das der Prinzessin Tan Tock Seng statt, welchem ich beigewohnt habe. Der Trauerzug machte durchaus nicht den Eindruck eines solchen, weit eher rief er mit seinen zahllosen Fahnen seinen seltsam gekleideten Begleitern, seinen Figuren, Pfeifen und schrillen eintönigen Gesängen in mir die Erinnerung an eine Prozession zurück, wie solche in unseren katholischen Städten und Dörfern vorkommen. Prinzessin Tan Tock Seng war im Alter von siebenzig Jahren vor einem Monate schon gestorben; die Leiche, welche kostbare Ringe durch Nase, Mund und Ohren, an Zehen, Händen und Füßen trug, hatte einbalsamirt in dem seit Jahren schon bereit gehaltenen Sarge im Hause gelegen, bis ein den Chinesen als besonders glücklich geltender Tag gekommen war; an einem solchen – es war unser Charfreitag – wurde sie nun endlich nach ihrer letzten Ruhestätte gebracht. Die kräftigen Schultern von vierzig sich langsam fortbewegenden Chinesen stützten den auf einem Divan ruhenden Sarg, dem voran eine abschreckend häßliche Gestalt, den bösen Geist darstellend, getragen wurde. Alle Verwandten der Verstorbenen, in Sackleinwand gekleidet, viele Priester und Gelehrte, eine unabsehbare Menge Chinesen, Männer und Frauen in Weiß, ihrer Trauerfarbe, folgten dem Zuge; auch Europäer nahmen daran Theil, deren jeder zwei Stücke weißen Calico als Trauerflor erhalten hatte. Eine große Anzahl Fahnen, mit chinesischen Inschriften gegen den bösen Geist bedeckt, wurde mitgetragen, und schauerlicher Gesang, untermischt mit grellem Pfeifen, ertönte fortwährend. Endlich hatte der Zug den entfernt gelegenen Hügel erreicht, welcher schon Jahre zuvor von Gelehrten als glückliche Stelle für das Begräbniß bestimmt worden war; einige Priester umschritten, den Compaß in der Hand, das Grab, um genau die Lage der Leiche festzustellen – die Füße müssen direct nach Norden gerichtet sein. Hierauf ward das mitgebrachte Hauptscheusal nebst einigen kleinen Ungethümen, sämmtlich böse Geister repräsentirend, sowie den Fahnen am Grabe verbrannt, aus welchem man durch drohendes Gemurmel und wüthendes Umherschlagen gleichfalls etwa vorhandenes böses Geisterwesen zu bannen suchte. Endlich ließ man den Sarg hinab; in ihm befanden sich außer den drei Gewändern, mit denen die Leiche bekleidet war, noch vier bis fünf kostbare Anzüge, damit es der Prinzessin nicht an Toilette fehle, im Falle der Geist erwachen sollte; ferner wurde Reis auf den Grabhügel gestreut – jener soll auch Nahrung vorfinden. Die Hinterbliebenen nahmen eine mit Grabeserde gefüllte Urne mit. Eine Wache bleibt mehrere Monate lang bei dem Grabe; man mag wohl, wie einst die Aegypter, fürchten, die Schätze der Todten könnten ein Raub habgieriger Hände werden. In einiger Entfernung waren geschmackvolle Zelte mit Erfrischungen für die vornehmen Theilhaber, sowie bescheidenere Buden, in denen zahllosen Armen Essen verabreicht wurde, aufgeschlagen; meiner Schätzung nach muß dieses Begräbniß der Prinzessin Tan Tock Seng den hinterlassenen Söhnen, die zu den reichsten Chinesen der Insel zählen, viele tausend Pfund Sterling gekostet haben.“