„Zweitausend Jahre deutschen Lebens“
[714] „Zweitausend Jahre deutschen Lebens.“ So lautet die culturgeschichtliche Aufgabe, welche unser Johannes Scherr sich für ein nationales Prachtwerk „Germania“ gestellt hat. Wie haben unsere Altvordern gelebt, daheim und draußen, in Haus und Familie, in Werkstatt und Feld, in Frieden und Krieg? Wie stand es um Kleidung und Nahrung, um Nothdurft und Luxus, um Vergnügen und Leidwesen vom ersten urkundlichen Deutschen bis zur Gegenwart? Welcher Wandel auf Herd und Tisch, auf Straße und Strom, auf Markt und Meer war nöthig – welche Reihe von Erfindungen vom ersten Glase, vom ersten Messer, vom ersten Hemde, um die Menschen bis zu den Verkehrs- und Verheerswundern unserer Tage vorwärts zubringen? Die Beantwortung dieser und vieler anderer Fragen soll in Wort und Bild belehrend und schmückend zugleich geschehen, und zwar so, daß die politische Geschichte Deutschlands und der deutschen Länder mit ihren Haupt- und Staatsactionen, Soldaten- und Diplomatenverrichtungen stets nur den Hintergrund zu den Bildern liefert, welche den gleichzeitigen Culturstandpunkt im Leben des Einzelnen, durch alle Stände von der Bauernhütte bis in das Kaiserschloß und von den Alpen bis zu den nordischen Meeren hinauf darzustellen haben. Der Schwerpunkt des Ganzen soll in der Schilderung des häuslichen Lebens beruhen, das zu allen Zeiten der beste Spiegel der Bildung eines Volkes war. – Daß Johannes Scherr vor dieser Aufgabe steht, sichert dem Werke seinen Werth. Wir freuen uns, aus den ersten uns vorliegenden Druckbogen zu erkennen, daß der alte Kämpfer in seiner Darstellung ungewöhnliche Ruhe mit Wärme und Klarheit vereint und so auch innerlich die Würde eines „nationalen Prachtwerkes“ wahrt. Was die Illustration desselben verspricht, dafür lassen wir die Abbildung zeugen, welche auf Seite 703 uns vor ein Patrizierhaus des 16. Jahrh. führt. Die Verlagshandlung (W. Spemann in Stuttgart) scheut sichtlich keine Opfer, um diese „Germania“ zu einem ebenso reichen, wie stattlichen Schatze der Belehrung über den interessantesten Theil unserer Vergangenheit zu machen. –