6. Oktober 1805

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Textdaten
Autor: Hermann Bauer
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Titel: 6. Oktober 1805
Untertitel:
aus: Der Spion von Aalen. Blätter für Heimat und Heimatpflege. Beilage zur Kocher-Zeitung und zum Härtsfelder Boten, Juli 1924
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: um 1850
Erscheinungsdatum: 1924
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Erscheinungsort: Aalen
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Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung: Gedicht über Napoleons Besuch in Aalen
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6. Oktober 1805.

Was rennt das Volk, was wälzt sich dort
Durchs Kochertor so brausend fort?
Stürzt Aalen unter Feuersflammen?
Es rottet sich die Stadt zusammen,

5
Und viele Reiter hoch zu Roß

Gewahrt man aus dem Menschentroß,[1]
Und hinter ihren Bärenmützen
Hell blinken Bajonettenspitzen!
Das ist wahrhaftig der Franzos,

10
Das sind des Kaisers tapfre Garden

Und alles stehet, klein und groß,
Um auf den Kaiser selbst zu warten.
Jetzt werden tausend Stimmen laut:
„Der ist’s im Wagen, aufgeschaut!“

15
„Seht ihn, der alle Welt bezwungen,

Und sich zum Herrscher aufgeschwungen!“
Beinah verliert man das Gehör
Vom donnernden »Vive l’empereur«![2]
Das mit der Grenadiere Reih’n

20
Die „Kaspar, „Balthas“, „Melcher“ schrein.[3]

Und vor der „Krone“ hält der Zug,
Napoleon steigt aus dem Wagen,
Weil auch auf seinem Siegesflug
Ihn Halt zu machen zwingt der Wagen;

25
Drum hatte auch vor wen’gen Stunden

Mit Sack und Pack sich eingefunden
Des Kaisers »Maitre de cuisine«[4],
Der waltet in der Küche drin,
Um seinen Herrn heut zu versorgen

30
Und rüstet alles auch für morgen.

„He ab“, so ruft er, „kein Mann hier,
Mit dem ich français kann parlier?“
Posthalter spricht: „Da kann ich dienen,
Es war ja in Bensançon drein

35
Mein Vetter, der parliert mit Ihnen,

Sie werden nur verwundert sein,“
Und vor den Küchenmeister tritt
Herr Balthas nun mit sich’rem Schritt,
Empfängt die Weisung einzukaufen

40
Und harte Taler einen Haufen;

Drum hat sich schnell nach Wunsch gefunden,
Was nur dem Kaiser täte munden,
Geflügel, Mouton, Pomme de terre,
Die Taler fliegen kreuz und quer.

45
Die Garden aber auf der Gasse

Erhalten auch was für den Schlund
Und sehen manchem vollen Fasse
Mit langen Schlücken auf den Grund.
Der „kleine Korporal“ inzwischen

50
Ist aufgestanden von den Tischen,

Im obern Erker speiste er.
Nun bringet Karten man daher;
Mit seinen höchsten Offizieren
Will er den nächsten Weg studieren,

55
In Donauwörth recht schnell zu sein

Soll alles laufen feldquerein
Drum ward vom Kaiser gleich befohlen
Herr Rapp der deutsche General,
Soll einen sichern Führer holen

60
Vom Härtsfeld bis ins Donautal.

Den sichern Mann herbeizubringen
Muß wieder Vetter Balthas springen;
Denn seine junge Frau läßt ihn
Nicht selber mit den Franken ziehn.

65
Herr Rapp und er im Kellnerkleide

Sie treten vor den Kaiser beide,
Der freundlich frägt, als er ihn sieht;
»Cet homme honnêt est il le guide?«[5]
Nun wißt ihr, Widerspruch zu tragen,

70
Das konnt Napoleon nur schwer,

Drum sprach Herr Balthas ohne Zagen:
»Oui, hört ihr oui, mon empereur«[6]
Doch kaum hat er das Wort gesprochen,
Hat ihn ein Jubel unterbrochen,

75
Der jauchzend von der Gasse schallt,

Die narbigen Krieger alle lachen,
Daß ihnen fast die Rippen krachen,
Sie schauen alle in die Höhe,
Daß ihnen tut der Nacken wehe!

80
’s ist deutlich, daß am Rathausgiebel,

Dem Türmlein vornen mit der Uhr
Ihr Lachen gilt, das ohne Zwiebel
Selbst Tränen weckt, was gibt es nur?
Ich will’s Euch sagen, liebe Leute,

85
Es zieret ewig jung und schön

Das Uhrwerk, der Spion von Aalen,
Ein eigner Spaß, nicht zu bezahlen!
Es dreht mit jedem Pendelschwunge
Ein Menschenkopf sein Antlitz um,

90
Zwar nur aus Holz und ohne Zunge

Raucht er bald rechts, bald links herum;
Da bleiben alle Kinder stehen
Und können satt sich nimmer sehen,
Und stießen einst beim Schlag zwei Böcke,

95
Da lachten selbst langweil’ge Stöcke.

Die Handwerksbursch’ in allen Reichen
Berühmen laut das Aalener Zeichen,
Weshalb vom Neide ist davor
Die Fabel ausgesponnen worden

100
Vom Kriegsspion am Feindestor.[7]

Kurz, was auch dick französisch war,
Verstand den alten Spaß aufs Haar,
Nun wißt Ihr schon, wie es gekommen,
Daß diesen Jubel man vernommen:

105
Die Garde des Napoleon

Erblickt auf einmal den Spion
Und alle werden hingerissen;
Der Held jedoch, wie konnt er wissen,
Was seine Tapfern so erregt,

110
Es lauscht sein Ohr, sein Auge frägt,

Und schnell zum Fenster hingesprungen
Streckt plötzlich er hinaus den Kopf,
Da ist ein Weheruf erklungen
Er fährt zurück mit blut’gem Schopf!

115
Die Fenster waren ja geschlossen,

Was Wunder, daß ihm jetzt das Blut
An Kopf und Stirne rieseln tut;
Der Marschall Berthier[8] selbst muß laufen
Ein Pflaster auf die Wund’ zu kaufen.

120
Dies Fenster gibt noch heute Zeugnis

Von jenem tragischen Ereignis,
Und Aalen hat den Ruhm den großen
Der Siegesheld Napoleon,
Er hat den Kopf zuerst verstoßen

125
An unserem Aalener Spion!

Anmerkungen (Wikisource)

Die Fußnoten aus dem Original wurden nicht übernommen.

  1. Bis hierher lehnt sich Bauer an Der Kampf mit dem Drachen von Schiller an.
  2. „Hoch lebe der Kaiser!“
  3. Zur damaligen Zeit in Aalen sehr häufige Vornamen, zugleich die Namen der Heiligen Drei Könige.
  4. Küchenchef
  5. „Dieser ehrenwerte Mann ist der Führer?“
  6. „Ja, mein Kaiser“
  7. Vgl. Der Spion von Aalen
  8. Louis-Alexandre Berthier (1753–1815)