Zum Inhalt springen

700 Jahre Dresden

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Georg Hermann Müller
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: 700 Jahre Dresden
Untertitel: 700 Jahre Dresden 1216–1916
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1917
Verlag: Verlag der Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha von Baensch Stiftung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: pdf bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[I]


700 Jahre Dresden
1216–1916.
Vortrag
im Verein für Geschichte Dresdens
am 15. November 1916
von
Dr. phil. Gg. Hrm. Müller,
Archivar und Bibliothekar.
Mit fünf in den Text gedruckten Abbildungen.
Dresden.
Verlag der Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung.
1917.
[II]


700 Jahre Dresden
1216–1916.
Vortrag
im Verein für Geschichte Dresdens
am 15. November 1916
von
Dr. phil. Gg. Hrm. Müller,
Archivar und Bibliothekar.
Mit fünf in den Text gedruckten Abbildungen.
Dresden.
Verlag der Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung.
1917.

[1]

Das Dresdner Schloß im Mittelalter, von Süden.


Unbemerkt ist in dieser Kriegszeit der 700. Jahrestag vorübergegangen, welcher uns daran erinnert, wann Dresden zuerst als „Stadt“ erwähnt wird. Es ist in einer markgräflichen Urkunde vom 21. Januar 1216 geschehen. Wir hätten also wohl in Friedenszeit ein großes Stadtjubiläum feiern können. 700 Jahre! 21 Menschenalter! Von einem kleinen Kreis von Straßen mit wenig hundert Ansiedlern zur Weltstadt mit über eine halbe Million Einwohner! Von einer Kolonialstadt im Wendenlande zur größten mitteldeutschen (nach Leipzig) und einer der wichtigsten Städte Mitteleuropas überhaupt!

Wenigstens nach einigen größeren Gesichtspunkten soll uns ein Rückblick diese 700 Jahre Dresdner Geschichte vorführen, soweit es in der kurzen Zeit einer Stunde möglich ist, und ohne allzuviel der noch vorhandenen Probleme geschichtlicher Forschung zu berühren.

[2] Genannt wird Dresden bekanntlich schon 10 Jahre früher, als am 31. März 1206 hier der Markgraf einen Besitzstreit zu Gunsten des Bischofs von Meißen gegen den Burggrafen von Dohna entschied 1). Eine markgräfliche Burg stand damals also schon zweifellos, auf dem Taschenberge, am Nordrande des jetzigen Komplexes, vom Turm bis zum Tore. An erhöhter Stelle über dem Überschwemmungsgebiet des Flusses und der Seen, welche sich wohl als Reste eines Nebenarmes der Elbe von Mügeln über Leuben, Gruna her, vielleicht auch über den Raum der Stadt selbst, sicher um deren Ost- und Südrand, bis in die Weißeritz­gegend zogen.

Um die alte Frauenkirche, welche ja älter als die Stadt war (aus dem 11. Jahrhundert), lag ein Wendendorf, wohl dieses wieder älter als die Kirche. Die eine Ansicht (O. Richter) nimmt an, daß das Dorf sich auch auf das Gebiet der ältesten Stadt erstreckt habe, die wendischen Bauern bei deren Anlage nach Poppitz (vgl. den jetzigen Platz neben dem Sternplatz) ver­pflanzt wurden und so dieses Dorf, dessen Name Pfarrgut oder Priesterleute (der Frauenkirche) bedeutet, angesiedelt sei. Die an­dere Ansicht (Trautmann) hält dagegen Poppitz schon für älter als die Stadt 2).

Jedenfalls war die Gegend südlich und südöstlich vom Taschen­berge um 1216 besiedlungsfähig, und zwar in breiterem Maße, östlich des Marktes sich etwas senkend und wohl sumpfiger (der alte Name „im Loche“ deutet darauf hin).

Vielleicht gehört ein deutsches Ansiedlungsdorf Ranvoltitz oder Ramtitz, etwa nach einem Kolonisten Ramfold genannt, auch in die älteste, vorstädtische Zeit. Man setzt es in die Gegend der Rampischen Gasse, also auch nahe der Frauenkirche – die Deut­schen von den Wenden getrennt 3).

Nach dem schon höher entwickelten Siedelungsstande und der schon zum größten Teil vollzogen gewesenen Flurverteilung im Elbtalkessel um Dresden und am Rande der Abhänge zu schließen 4), mußte das für die Stadt mögliche Flurgebiet nur klein sein können [3] und war es auch bis 1550. Dieses Gebiet erstreckte sich nur im Osten etwas weiter von der Stadtmauer auf einer im einzelnen nicht mehr genau zu bestimmenden Linie bis zur Elbe hinab 5).

Die organisierte Stadtgründung durch das Festlegen von Straßen und Abteilen von Wohnstätten wird erst kurz vor oder im Jahre 1216 anzunehmen sein. Noch 1215 wird Dresden ohne den Zusatz civitas (Stadt) als Ausstellungsort einer Urkunde genannt 6).

Die Straßenführung ist in dem ältesten Teile um den Markt und rechts und links der Hauptstraße vom Elbtore bis zum Seetore jetzt noch die gleiche. Einzig der Durchbruch der König Johann-Straße (1885), eigentlich nur eine Verbreiterung der Bader­gasse („im Loche“), brachte eine größere Veränderung. Langsam ringt man sich jetzt auch am Eingange der See- und der Wilsdruffer Straße zu größerer Breite durch, indem man zugleich die sonst für das alte Dresden nicht nachweisbaren Laubengänge hier­her verpflanzt.

Die Straßen waren, sicher in den Teilen, die zur Elbe und in die sumpfigeren Gegenden hinabführten, mit Knüppeldämmen befestigt. Man hat sie häufiger im 19. Jahrhundert bei den Schleusenbauten gefunden, ganze solche Strecken in Fahrdammbreite 1874 in der Bader- und Frohngasse und 1898 in der Schloß­straße zwischen dem Taschenberg und der großen Brüdergasse, hier 2½ m unter dem jetzigen Niveau 7). Soviel tiefer ging die Elbgasse zum Flusse hinab und soviel höher erhob sich der Taschen­berg mit der Burg. Steinpflasterung kommt schon im 14. und 15. Jahrhundert vor und scheint bis 1500 in der inneren Stadt allgemein geworden zu sein 8). Kurfürst August traf 1559 und 1564 verbessernde Anordnungen 9). Doch erst mit der Durchführung aller Kanalisationsarbeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ein genügender Zustand geschaffen.

Die Straßennamen, in denen allerhand Dresdner Geschichte zu erkennen ist, schwankten im Gebrauche sowohl des Volkes wie der Behörden bis ins 18. Jahrhundert 10), erst 1803 wurden Straßen­schilder [4] angebracht 11), von 1903 an sind die Namenserklärungen hin­zugefügt, nach dem Beispiel französischer und italienischer Städte, als infolge der Eingemeindungen zahlreiche Namensänderungen vorgenommen werden mußten 12).

Im Vergleich mit der Jetztzeit ein recht kleines Städtchen war Dresden bei der Gründung. Man kann den ältesten Teil beim Schloßtor beginnend durch Augustus-, Moritz-, Gewandhausstraße, um das neue Rathaus herum (unter dessen Turm etwa die Mauer nach Westen umbog), dann nördlich der Reformierten Kirche, an der Mauer, Wall-, Sophienstraße, um das Schloß, in 25 – 30 Minuten umwandern.

Man nimmt aus Analogiegründen an, nur Deutsche seien zunächst angesiedelt gewesen 13). Andrerseits sind zahlreiche wendische Namen im Mittelalter nachzuweisen 14), war doch das Elbtal ein verhältnismäßig dichtes slavisches Siedelungsgebiet gewesen 15), und erst 1424 wurde der Gebrauch der wendischen Sprache im Meißenschen vor Gericht untersagt 16). Früh müssen jedenfalls auch Wenden in der Stadt zugelassen gewesen sein. Das älteste Dresdner Einwohner­verzeichnis – im Geschoßregister von 1396 17) –, neben dem nur wenig ältere Namen noch festzustellen sind, gibt zwar nur den fast 200 Jahre nach der Gründung liegenden Zustand wieder, aber in einer eigentümlichen Mischung des deutschen und wendischen Namengebrauches und der Sprachformen, welche einmal als Beispiel genauer untersucht zu werden verdiente und den beiderseitigen An­teil zeigen würde, auch vielleicht Rückschlüsse auf die ältere Zeit zuließe.

Es war also zunächst nur ein kleines Städtchen, doch mit der Erwartung eines größeren Aufschwunges gegründet. Die Größe des Marktes z. B., die gleich bei der Gründung festgesetzt sein muß und die anderer Städte – auch Leipzigs – übertrifft, beweist es. An wichtiger Stelle lag die neue Gründung: an der verhältnismäßig weiten Strecke zwischen Meißen und Pirna etwa in der Mitte, Meißen, dem viel älteren bedeutenden Herrschersitz [5] der Fürsten, und Pirna, der vielleicht ebenfalls älteren wichtigen, umstrittenen Grenzstadt gegen das Gebirge und Böhmen hin. Zwischen diesen, dann den westlich gelegenen Vorgebirgsstädten Freiberg, Chemnitz usw. und dem noch von deutscher Kolonisation weiter zu erschließenden östlichen Gebiete, nach der Lausitz hin. Als Mittelpunkt deutscher Kultur, von Handel und Verkehr.

Es kam nicht zu der erhofften Blüte, in der Hauptsache wohl, weil die eigene wirtschaftliche Kraft fehlte.

Auch die wichtige Elbbrücke hob sie nicht. All die nicht mehr nachzuprüfenden Datierungen 18), daß die Brücke im Jahre 1070 zu bauen angefangen sei, anfangs von Holz, dann 1119 von Stein, daß 1173 der unvollendete Bau weitergeführt und 1222 vollendet sei, weisen auf die frühe Bedeutung hin. Die Annahme einer ersten hölzernen Brücke ist schwer glaubhaft. Bei Meißen, wo nachweisbar eine war, ist der Fluß tiefer, das Bett viel schmäler. Hier bei Dresden spricht die Breite des Elbstromes und die bei Hochfluten viel stärker gegen den Bau drückende Wassermasse dagegen. Sie hat ja auch an den steinernen Pfeilern oft mit Erfolg gerüttelt. Doch scheint die Annahme der Vollendung einer Steinbrücke im Jahre 1222 am ersten glaubwürdig. 1287 wird sie zuerst urkundlich erwähnt. Der angebliche Brückenzoll, den die Burggrafen von Dohna besessen haben sollen und der zu großen Konstruktionen über deren Anteil am Brückenbau geführt hat 19), ist nur ein Geleitszoll über die Straße nach Königsbrück gewesen 20), doch hat er wohl ebenfalls verkehrshindernd gewirkt.

Die Brücke führte nach Alten-Dresden hinüber, das bis jetzt noch nicht erwähnt wurde. Es gehört mit dem Fischerdorf um die Frauenkirche zusammen, welches auch Alten-Dresden genannt wird 21). Letzteres scheint ursprünglich die größere Ansiedlung gewesen zu sein, da hier die Parochialkirche gebaut wurde, und jenes ist wohl erst infolge des Brückenbaues angewachsen, so daß ihm dann 1403 das Stadtrecht verliehen wurde 22). Hier in Alten-Dresden scheint das Weichbild einen weiteren Umfang um die Stadt gehabt [6] zu haben, offenbar weil die Bauern des Dorfes nach und nach bis zum Rande der Heide kultiviert hatten. Der kleine Ort wird durch Körnerstraße, Palaisstraße, Kaiser-Wilhelm-Platz, Ober- und Nieder-Graben, Beaumontplatz, Wiesentorstraße ungefähr umschlossen 23) und ist in 12 – 15 Minuten zu umwandern.

Vielleicht nahm Alten-Dresden auch deshalb eher zu, weil der Raum für Vorstadtstraßen um Neu-Dresden im Weichbilde außerordentlich gering war und diese Häuser in kriegerischen Zeiten zunächst in Flammen aufgingen. Doch waren auch hier im 14. und 15. Jahrhundert die Hauptstraßen zu den späteren Vorstadtgemein­den schon festgelegt. 24)

Über die Bevölkerungsgliederung läßt sich nur erst ganz allgemeines sagen, falls überhaupt mehr zu ermitteln sein wird. Verhältnismäßig wenig vornehmen herrschenden Geschlechtern, den Kaufleuten und den vom Fürsten begabten größeren Grundbesitzern, standen die Handwerker und Ackerbürger gegenüber. Vom 15. Jahr­hundert an wissen wir genaueres über den Handwerkerstand, ich komme auf ihn noch zurück 25). Ein größerer Kreis für den Handel bildete sich nicht. Der Kleinhandel lag ebenfalls beim Handwerk. Der Ackerbau neben dem Handwerk scheint trotz der gegebenen Grenzen recht wichtig gewesen zu sein. Es überwogen im 15. Jahr­hundert durchaus die mittleren und geringeren Vermögen über die großen und die ganz kleinen 26).

Wenigstens für die nähere Umgebung war so Dresden im Mittelalter der wirtschaftliche und kulturelle Mittelpunkt, mit zeitweise vielleicht größerem Tuchmachergewerbe und Tuchhandel.

Langsam und in großen Schwankungen hob sich die Ein­wohnerzahl. Namentlich die Dohnaische Fehde, welche 1401 mit einem Streit auf dem Rathause begann, dann die Hussitenzeit, besonders im Dezember 1429, als die Vorstädte und Alten-Dres­den verwüstet wurden, dann aber der große Brand, welcher am 15. und 16. Juli 1491 die ganze südliche Hälfte der Stadt nieder­legte, mit der Kreuzkirche und der östlichen Vorstadt, brachten [7] Dresden immer wieder zurück. So hatte es vor der Reformation (1501) nur etwa 4500 Einwohner mit Alten-Dresden und den Vor­städten.

Überblicken wir diese ganze erste Zeit bis etwa zum Ende des 15. Jahrhunderts 27), so hat Dresden kaum etwas aufzuweisen, was ihm im deutschen Städtewesen des Mittelalters eine besondere Stellung zuwiese.

Es hatte wie die anderen Städte der Mark Meißen und der wettinischen Lande seine wechselnden Schicksale im Kriege der Fürsten. So erstürmten die Brandenburger 1316 die Stadt, – das einzige Mal, daß sie so erobert wurde.

Sie hatte ferner ihre inneren Wirren im 14. und 15. Jahr­hundert, indem sich der Handwerkerstand Anerkennung und seinen Anteil, seine Mitverantwortung am Stadtregiment errang. Doch geschah dies ohne Umsturz und Gewaltsamkeit, dank dem sofortigen, vermittelnden Eingreifen des Kurfürsten. Der innungsmäßige Zu­sammenschluß der Handwerker erfolgte erst in dieser Zeit, also ziemlich spät, entscheidend war dafür der Ausbau und die Ordnung der Marktverhältnisse.

Dresden hatte seine Judenverfolgungen und -Austreibung, so daß nach 1430 bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts nur ganz selten Juden hier erwähnt werden.

In wirtschaftlicher Beziehung hatte die Stadt in dem Salz­monopol seit 1361 etwas besonderes, einem Handelsmonopol, dessen Ausnutzung der Rat selbst aber erst 1505 übernahm, im 16. Jahr­hundert trat mit der Bevölkerungszunahme auch größerer Gewinn ein, bis der Rat 1609 das Privileg an den Kurfürsten gegen eine Jahresrente von 500 Gulden verkaufte, sie ist erst 1863 mit dem 25 fachen Betrage abgelöst 28).

Der Stadtbesitz an Grundrechten und Erbzinsen war im ganzen gering; in acht Dörfern, z. T. als Lehnsherr des Brückenamts und des Maternihospitals, hatte Dresden solche Besitzrechte 29). Doch waren sie im Vergleich mit anderen Städten klein, vor allem [8] an Grund und Boden innerhalb des Weichbildes selbst. Wie übrigens bis zur neuesten Zeit, wo erst die Eingemeindung von Kaditz, Übigau und Mickten ihn anwachsen ließ. Im Mittelalter brachte eine größere Erweiterung nur der Erwerb von Räcknitz und dem von dort nach Plauen hin gelegenen Vorwerk Auswick im Jaher 1465 30).

Über das geistige und religiöse Leben im Mittelalter ist bereits das abschließende Urteil gegeben: ein Mittelpunkt, von wo sich weithin hätte Bildung verbreiten können, war Dresden nicht 31).

Von dem wenigen, was überliefert ist, erscheint vielleicht die größere Beeinflussung durch das Hussitentum bemerkenswert. 1418 und 1426 sind Todesurteile an Ketzern vorgekommen und die Be­wegung ist vielleicht deshalb hier nicht gering gewesen, weil einer ihrer Führer, Peter von Dresden, von 1412 ab einige Zeit Lehrer an der Kreuzschule war 32), also an dem Mittelpunkt der Dresdner Bildung, wie man Kreuzkirche und -Schule wird bezeichnen können. Gering war der Einfluß der Geistlichkeit über das rein religiöse und kirchliche Leben hinaus 33), auch die beiden Klöster waren klein und schwach besetzt. Eine gewisse geistlich­-gelehrte Bildung wird es gegeben haben: die Kreuzkirche besaß 1505 eine Handschriften- und Büchersammlung von 44 Bänden außer den Kirchenbüchern 34), vielleicht nur einen Rest, der aus dem Brande 1491 gerettet war.

Eine Art Rechtsbildung muß ferner der Rat gehabt haben. Er besaß Rechtshandschriften, z. B. einen Sachsenspiegel 35). Rechts­kenntnis nicht nur als Gewohnheitsrecht für das Marktgericht, sondern auch für die niedere Gerichtsbarkeit, die er sich ersessen hatte und 1412 bestätigen ließ, und für die höhere Gerichtsbarkeit, die ihm 1484 gegen jährliche Zahlung von 40 Schock Groschen überlassen wurde 36). Es gab übrigens auch Freischöffen des Fehmgerichts im 15. Jahrhundert hier, und zwar unter den Ratsmitgliedern 37).

Was schließlich die elementare Bildung im Volke betrifft, so kann sie nur im geringen Umfange von der Lateinschule beim [9] heiligen Kreuz gefördert sein, und in Alten-Dresden im 15. Jahr­hundert von der Pfarrschule an der Dreikönigskirche. Klosterschulen gab es nicht.

Im allgemeinen wird also das geistige Leben in dieser ersten Periode nicht über das Niveau einer Landstadt hinausgegangen sein, die wie in der Bevölkerungszahl hierin weit hinter Leipzig zurückstand, vielleicht auch hinter Meißen, Zwickau, Freiberg und Bautzen 38).


[10] [11]

Das Rathaus auf dem Altmarkt, von Süden.


Eine zweite Periode muß man in Dresdens Geschichte da­mit beginnen lassen, daß die Herzöge bzw. Kurfürsten ihren Hof­halt dauernd hierher verlegten.

Heinrich der Erlauchte hatte ihn wohl von 1274 an längere Zeit hier gehabt, auch seine Nachfolger gelegentlich. Doch erst etwa von 1485 an, nach der Landesteilung, rückt Dresden als Hauptstadt dauernd in den Mittelpunkt des Albertinischen Sachsens. Meißen, welches Herzog Albrecht durch seine Bauten am Schlosse noch einmal verschönt hatte, wurde verlassen, und von jetzt ab waren die Ereignisse am sächsischen Fürstenhofe und im sächsischen Staate für Dresdens Geschick sehr bestimmend.

Die Hauptstadt lag zunächst ganz am östlichen Rande des Landes, noch mehr, als nach der Niederlage und Zertrümmerung des Ernestinischen Sachsens dessen Norden und Westen zur alten Mark Meißen hinzukam. Dann rückte Dresden durch die Erwer­bung der beiden Lausitz im 30 jährigen Kriege mehr in die Mitte, [12] noch mehr dadurch, daß unter August dem Starken der Expansions­kreis der Politik noch weiter nach Osten ausgedehnt wurde.

So verstärkte nach und nach die politische Lage die günstige geographische, welche die Stadt als Durchgangsplatz von Norden nach Süden, von Westen nach Osten besaß, zumal diese räumlichen Beziehungen aus rein territorialen zu mehr europäischen wurden.

Leipzig hatte ja unbedingt den Vorrang als deutsches, zu Zeiten Welt-Handelszentrum, Dresden gewann ihn für den Welt­verkehr der feinen Bildung und Kunst, dank deren Förderung seitens der Herrscher, welche schon unter Kurfürst August im 16. Jahrhundert in größerem Maße begann und durch den Reichtum des Landes, des reichsten in Mittel- und Ostdeutschland, ermöglicht wurde.

Diese zweite Periode, die wir bis etwa 1750 rechnen können, brachte Dresden einen großen Aufschwung.

Der Wohnsitz des Landesherrn rückte ganz besonders in den Mittelpunkt ihrer Fürsorge und Förderung. Der Brand von 1491 war dazu ein erster stärkerer Anlaß.

Das Bauwesen der Stadt wurde zu regeln gesucht, eine Art von Baupolizei angefangen 39). Der schon früher, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geförderte Steinbau der Häuser, wenigstens innerhalb der Mauern, wurde zum Teil Vorschrift für die Eckhäuser und mindestens ein Geschoß der Vorderhäuser. Der Grund, weshalb noch lange der Holzbau überwog, lag wohl ein­fach in der billigeren Herstellung. Erst der große Brand von Alten Dresden im Jahre 1685 scheint durchgreifende Folgen gehabt zu haben. Die Aufsicht ging nach 1700 auf das kurfürstliche Gouvernement, also die Militärbehörde der Residenz und Festung über, und allmählich verschwanden im 18. Jahrhundert die Holzbauten, in den Vorstädten blieben sie noch länger. Die Fortschritte gingen jedenfalls von der Regierung aus, welche die Baupolizei erst 1825 an die Stadt zurückgab.


[13] Neben dem bürgerlichen Bauwesen, dessen Umfang durch die gleich noch zu erwähnende große Bevölkerungszunahme bewiesen wird, das öffentliche, besonders für den Hof und die Verstärkung der Befestigungen.

Nur sehr wenig ist uns ja überhaupt an älteren Baulichkeiten, etwa bis zur Zeit Augusts des Starken einschließlich erhalten 40). Darüber einen kleinen Überblick des Wesentlichsten.

Abgesehen von zwei Stücken der mittelalterlichen Stadt­mauer – im Stallhofe, an der Rückseite des ehemaligen Kanzleihauses, der jetzigen Hofapotheke, und in der Straße An der Mauer – und abgesehen von den beiden Resten der späteren Festungs­bastionen – der Brühl'schen Terrasse und dem Zwingerwall –, sind es chronologisch geordnet folgende Teile und Bauten.

1. Aus dem Mittelalter: am Schlosse der Unterbau der Nordseite und der untere Teil des Turmes, von der Franziskaner-, jetzigen Sophien-Kirche wenigstens der Hallenbau selbst und die Bußmann-Kapelle. Vom gotischen Wohnhause sind bis vor kurzem Reste nur in der Marien-Apotheke am Altmarkte erkennbar gewesen. Außer einigen Gewölben, Fensterprofilen ist nur noch der schöne Erker an der Wilsdruffer- und Schloßstraßen-Ecke besonders bemerkenswert, aber auch er in moderner Übermalung.

2. Von Herzog Georg bis etwa zum 30 jährigen Kriege, also aus der eigentlichen Renaissance-Zeit: außer dem großen Er­weiterungsbau des Schlosses unter Herzog Georg, das aber in den Einzelheiten noch viel geändert ist bis zum letzten Umbau (1889 bis 1901), so daß sich nur im Grundriß, in den Höfen, an den Toren, im Bau der Nordseite noch ältere Teile finden, sind es der Stallhof und die Gewehr-Galerie, das jetzige Historische Museum, aus der Zeit Kurfürst Augusts, aber auch beide später in Einzel­heiten geändert. Dann Strecken der Sporergasse und des Kanzleigäßchens. Dann der Unterbau des alten Zeughauses, des jetzigen Albertinums.


[14] Weiter von Wohnhäusern das zum Teil noch in die Zeit um 1500 gehörige, mehrfach veränderte Eckhaus Webergasse und Altmarkt (unten Arnoldische Buchhandlung), das Erkerhaus Frauenstraßen-Ecke und Neumarkt, noch aus der Reformationszeit. Aus der Folgezeit, wenn man von Einzelheiten der Giebelformen, Fenster und Wendeltreppen absieht, im ganzen Häusern: Schreibergasse 1, die eine Rennersche Ecke, Schloßstraße 11, Stadt Gotha. (Das Hotel de France auf der Wilsdruffer Gasse wurde kürzlich durch einen völligen Neubau ersetzt, wie ja so vieles an erhaltenswerten Bauten unbesehen verschwunden ist und noch verschwindet, ohne daß früh genug eingegriffen werden könnte!) Dann sind noch auf der großen Brüdergasse einige unscheinbarere, aber gut erhaltene Häuser dieser Zeit. Die damals typische Giebelform, parallel der Straße, zeigt gut das Haus Eberstein, Ecke Altmarkt und Große Frohngasse, nur die Ecke selbst ist alt, der zweite Giebel ist modern nachgebildet.

Vor allem aber ist in Alten-Dresden der westliche Flügel des Jägerhofes (1568 ff.), das jetzige Museum für sächsische Volks­kunst, sehr gut erhalten, wenn auch renoviert.

3. Das 17. Jahrhundert bis zu August dem Starken. An öffentlichen Gebäuden ist in der Stadt, wenn man vom Schlosse absieht, nichts erhalten. Dagegen gehört das Palais im Großen Garten, welches bald noch dessen Einrichtung in den Jahren 1679 bis 1693 gebaut wurde, in diese Zeit und zeigt noch in Verschiedenem den Übergang von der Renaissance zum Barock, doch überwiegt dieses schon. Dann haben wir den Eliasfriedhof seit 1680, noch den ältesten in Dresden, der aber nun auch bald ver­ändert wird.

Dagegen ist gerade aus dieser Zeit mehr vom Wohnhaus erhalten. Die Reste des alten Holzhauses an Hintergebäuden in Höfen der Schreibergasse (Nr. 9, 10, 21) und sonst. Vor allem aber die große Menge der Häuser mit älteren Erkerbauten, die gerade in diese Zeit gehören, und sich in vielen Straßen der inneren [15] Stadt finden, oft in jetzt unscheinbarer Gegend, wie in den Brüder­gassen, der Rampischen Gasse. Schöne Erker sind vor allem auf der Schloß-, auch noch auf der Wilsdruffer Straße.

Im allgemeinen verschwinden aber auch diese Häuser immer mehr vor den modernen Bauten der Großstadt.

4. Dasselbe muß man sogar von dem Stadtbild der Augu­steischen Zeit sagen, dessen großartiger Gesamteindruck ja bis etwa in den Anfang der 90 er Jahre des letzten Jahrhunderts für Dresden besonders charakteristisch war. Das ist ein großes Kapitel für sich und kann hier nur angedeutet werden. Zwinger, Frauen­kirche, später die Katholische Hofkirche, das Palais am Taschenberge in seiner Hauptgestalt wenigstens, die Dreikönigskirche, wenn auch noch ohne Turm.

Und die verhältnismäßig wenig erhaltenen größeren Paläste dieser Zeit: das Kurländer Haus (ursprünglich v. Wackerbarthisch), das Hotel de Saxe und Britisch Hotel (jetzt Löwenbräu, wohl zuerst v. Hoymisch), das Regimentshaus am Jüdenhof (jetzt Hauboldts Gasthof, wohl ein Flemmingscher Bau), das Marcolinipalais (jetzt Friedrichstädter Krankenhaus, umgestaltet), drüben in der Neustadt das Japanische Palais (in seiner ersten Gestalt und dem Umbau Augusts des Starken) und die Ritterakademie am jetzigen Beaumontplatz. Dann noch das Blockhaus am Neustädter Brückenkopf, durch den Aufbau nicht gerade verschönt. Aus der anschließenden Zeit bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch das Landhaus, das jetzt renoviert wird, das Cosel-Palais hinter der Frauenkirche, das Minister-Palais an der Seestraße und das sich noch mit am besten in der Erneuerung repräsentierende, aus Privathäusern umgebaute Rathaus am Altmarkt.

Das bürgerliche Wohnhaus dieser Barockzeit ist zumeist an dem reichen, oft überhängenden Fensterschmuck, den Giebelausschmückungen, den zierlicheren Toreinfassungen zu erkennen. Doch sind ganze Straßenteile schon in damaliger Mietskasernenart gehalten, wie z. B. an der Frauenkirche nach der Münzgasse hinab und in der Neustadt [16] um den Markt. Würdige Vorläufer der Kasernen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche erst durch die Bauordnung von 1906 41), wenn nicht ganz unmöglich gemacht, doch stark beschränkt sind, – wenigstens für die Neuanlage.

Im ganzen wird man also sagen müssen, daß Dresdens jetziges Stadtbild keinen einheitlichen Charakter, auch nicht mehr einen in bestimmter Richtung vorherrschenden hat, etwa den der Auguste­ischen Zeit.

Von größter Bedeutung war für Dresden der schon berührte Ausbau zur Festung 42). Er brachte die erste Stadterweiterung, 1546/51 wurde die damals sobenannte „Neustadt“ um die alte Frauen­kirche bis zur Elbe hinab, also der Bezirk des alten Dorfes Dresden, ebenfalls zur Festung gezogen, nachdem sie schon unter Herzog Georg eine Umwallung erhalten hatte und seitdem wohl als „Neustadt“ bezeichnet war.

An den Befestigungen ist unter Herzog Georg begonnen, unter Moritz und August nach niederländischem System bedeutend ver­stärkt, und seitdem ist es im allgemeinen so geblieben. Im 30 jäh­rigen Kriege (1632) wurde unter Johann Georg I. auch Alten-Dres­den nach unvollendeten Werken unter Moritz verstärkt, doch erst von 1684 an und besonders unter August dem Starken sind hier die Außenwerke weiter vervollkommnet. Um die Vorstädte wurde im 30 jährigen Kriege ein retranchement, eine Feldbefestigung, gezogen 43), auch wieder im 7 jährigen Kriege 44), wenigstens zum größ­ten Teile. Doch blieben sie jedenfalls ohne großen Nutzen.

Die Festungswerke bildeten eine starke Abgrenzung nach den Vorstädten hin, wie diese ja auch sonst, in der Bauweise, in der Bevölkerungszusammensetzung, vor allem in der abgesonderten Ver­waltung ihrer Angelegenheiten durch Richter und Schöffen zum Teil für sich standen. Doch ist gerade dies Gebiet noch nicht genauer untersucht 45), leider ist ja außerordentlich wenig von Akten über die Vorstadtgemeinden erhalten.


[17] Ungefähr gleichzeitig mit der ersten, und also bis ins 19. Jahr­hundert einzigen Stadterweiterung, erfolgte 1550 die Vereinigung von Alten-Dresden mit der Festung 46). Moritz setzte sie erst mit Zwang durch. Die Alten-Dresdner wollten nicht, sie hatten sich in manchem Gegensatz zu Neu-Dresden ihre Sonderprivilegien im Marktwesen, Salzhandel, Brau- und Schankrecht erstritten und gewahrt und im Handwerks- und Innungswesen ihre eigene Ent­wicklung genommen. Entscheidend war wohl für Moritz die beab­sichtigte Bildung einer einheitlichen Festung und die Erwartung, mit der Vereinigung auch in Alten-Dresden einen größeren Auf­schwung zu bewirken. (So hob er letzte Reste dörflicher Dienst­pflicht, wie die Jagdfrohne, auf.)

Doch hat die weitere Geschichte dem im ganzen nicht recht gegeben. Bis in die Augusteische Zeit blieb Alten-Dresden in dem früheren Zustand, war mehr ländlich, ärmlich und der Boden man­cher Schwierigkeit. Der große Brand vom 6. August 1685 ver­nichtete es fast ganz 47). Und erst durch Augusts des Starken Bau­begnadigungen von 1714 und 1724 mit Steuererlaß und seine eigene Bautätigkeit kam es wieder auf. 1732 am 10. Februar wurde ihm dann der Name „Neustadt“ bei Dresden gegeben 48), das war es auch geworden. Noch jetzt aber besteht nicht gering, hie und da auch meines Erachtens mit Recht, ein Gefühl des Zurückgesetztwerdens gegenüber der Altstadt.

In rascher Steigerung hob sich die Bevölkerungszahl, seit der Erhebung zur Landeshauptstadt, seit der Erweiterung der Stadt­mauer, wodurch, wie schon erwähnt, eine intensivere Bautätigkeit ermöglicht wurde, und in langer Friedenszeit 49). Es wird noch eine lohnende historisch-statistische Aufgabe sein, das genauer zu unter­suchen (auf den Ursprung der Zuwanderer, die Berufe usw.).

1501 waren es noch erst ca. 4500 Einwohner. Von 1546 bis 1588 tritt beinahe Verdoppelung ein, von 6 500 auf 11 500. Eine starke Zunahme erleben die Vorstädte bis 1603 (übrigens der ersten genauen Zählung), und weiter bis zum Ende des 17. Jahrhunderts.


[18] Die Zahl vom Schlusse des 30 jährigen Krieges geht auf eine über­zeugende Schätzung zurück 50), wonach trotz der großen Pestzeiten durch den natürlichen Zuwachs und die Einwanderung aus Böhmen, Sach­sen usw. die Zahl mit 17 000 wenigstens wieder auf die gleiche Höhe wie zu Anfang anstieg.

Eine enorme Zunahme hatte die Häuserzahl innerhalb des Walles von 1546–1589, wo sie schon fast die Höchstzahl erreicht (von 489 auf 861). In der eingemeindeten „Neustadt“ stieg die Zahl der Hauswirte von 58 auf 246 51).

Auch für die wirtschaftsgeschichtlich wichtige Gliederung der Bevölkerung in dieser Zeit (von Moritz bis August dem Starken) fehlen noch die größeren Untersuchungen.

Sicher erlebte in ihr das Handwerks- und Innungswesen 52) seine Höhezeit. Ganz entsprechend den übrigen deutschen kleineren und mittleren Städten, im Unterschied zu den großen Handels-, Reichs- und Hansastädten, welche die Blüte in dieser Richtung schon im mittleren und späteren Mittelalter hatten.

Nach dem Tuchmachergewerbe hatte im 16. Jahrhundert die Leineweberei, dann im 17. Jahrhundert – trotz des Krieges, vielleicht gerade wegen des Zustromes der flüchtigen Reichen – die Goldschmiedekunst die Führung. Die für die spätere Zeit verhäng­nisvolle allzu große Vermehrung der Handwerker für den Tages­bedarf, vor allem der Schneider und Schuhmacher, beginnt jetzt schon. Dagegen waren die Fleischer als zahlenmäßig geschlossene Innung, und die Bäcker, ebenfalls durch die Zahl der Brotbänke noch festgelegt, in gesicherter Lage.

Im Laufe des 16. bis ins 17. Jahrhundert setzte sich der innungsmäßige Zusammenschluß überall durch und die Handwerker behielten auch den freien Kleinhandel in beliebigen Dingen, bis mit der Gründung einer Kramer-Innung im 30 jährigen Kriege ein neuer Handelsstand aufkam, welcher das Verbot der offenen Handlung und Krämerei der Handwerke durchsetzte, mit geringen Konzessionen an sie. So erhob sich nach und nach die unabhängigere und sich [19] finanziell immer mehr verstärkende Kaufmannschaft über das Ge­werbe. Es wurde nicht nur der direkte Handel gefördert, sondern auch der Zwischenhandel erst ausgebildet.

Neben dem städtischen Gewerbe stand das der Hofbediensteten, welches seit Kurfürst August zunahm und im Bauwesen sowie den feineren „Künsten“ viele Ausländer, vertriebene Nieder­länder, Italiener hierherzog. Aber auch die Militärhandwerker standen für sich und ihre Zahl wurde nach Einführung des stehen­den Heeres groß, so daß Konflikte nicht ausblieben, zunächst zu Ungunsten der Innungen.

Den nur vorübergehenden größeren Versuchen Kurfürst Augusts in merkantilistischer Richtung kam die Entdeckung von Kohlen im Plauenschen Grunde 53) und die Erweiterung des Post- und Ver­kehrswesen 54) zustatten. Doch deutete das zunächst nur auf spätere Entwicklungsmöglichkeiten hin, die unter August dem Starken weiter entfaltet wurden.

Das Handwerk bildete jedenfalls das Rückrat der bodenstän­digen Bevölkerung. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde geringer, vor allem wohl, seitdem vom 30 jährigen Kriege an die Garten- und Lusthäuser-Bauten sich immer mehr in das erweiterte, unter Moritz erweiterte Weichbild hinauszogen.

Nicht nur Alten-Dresden, sondern auf dem linken Ufer Fischersdorf, Poppitz und der ganze Umkreis bis an die Blasewitzer Grenze wurde damals (1550) in das Weichbild einbezogen, wie es bis zu den Eingemeindungen des 19. und 20. Jahrhunderts geblieben ist und für die Ausbreitung der Vorstädte und neuen Stadtteile zu­nächst genügend Raum bot. Woher, aus welchen Teilen früherer Besitzer und Fluren sich dieses große Gebiet zusammensetzte, bedarf noch der näheren Erforschung. Die Tatsache selbst ist aber einer der wichtigsten Beweise, wie bestimmend die Maßnahmen des Kurfürsten in die städtische Entwicklung eingegriffen haben, bis zur Jetztzeit bestimmend.


[20] Denn das war eine, wenn man vom Standpunkt der städti­schen Selbstverwaltung sagen will: nicht nur fördernde, zugleich eine verhängnisvolle Wirkung der Erhebung zur Landeshauptstadt, daß diese von Willen und Äußerung des Hofes ohne Änderung der Privilegien immer abhängiger wurde.

Diese Privilegien, deren Zahl nur gering war 55), sind nur Einzelheiten gewesen, welche das eine große Privileg des Stadt­rechts selbst nur ergänzten. In diesem lag die Autonomität der eigenen Verwaltung und Vermögensverwendung, die Geltung des Satzes „Stadtluft macht frei“, also Freizügigkeit der Bewohner und Sicherung ihrer freien Vermögensverhältnisse, das Marktrecht und die selbstgestalteten Erwerbsverhältnisse, ferner das schon erwähnte eigene Gerichtswesen, welches – als letztes altes Sonder­recht – erst 1851 an den Staat zurückfiel.

Trotz der immer wiederholten schriftlichen Privilegsbestätigung, deren letzte, die Augusts des Starken, vom 10. August 1694 datiert ist 56), lag aber von Beginn der absolutistischen Regierungsart an – seit Ende des 15. Jahrhunderts – ein stärkerer, korrigierender Druck aus den fürstlichen Spezialmandaten an den Rat und aus der Landesgesetzgebung auf der Stadtfreiheit und Selbstverwaltung. (So z. B. in den Ratswahlen, in der Frage der Rechnungslegung.) In Dresden offenbar mehr als in Leipzig. Die einzelnen Phasen dieser Dresdner Entwicklung sind noch zu untersuchen.

Zweifellos wirkte eine aufgeklärt absolutistische Beeinflussung zum Teil sehr fördernd, wie schon im Bauwesen betont.

So geht ferner z. B. auf Moritz die Anlage der Rohrwasser­leitung von Plauen herab zurück, die bis ins 19. Jahrhundert (Saloppe!) die Stadt versorgte 57).

So versuchte August wenigstens einmal im großen in die Preis- und Taxverhältnisse der Gewerbe einzugreifen, wenn auch offenbar ohne greifbares Ergebnis, doch als Drohung gegen Preistreiberei nicht unangebracht 58).


[21] So kamen nach und nach in die statuta, die Ortsgesetze, Verbesserungen aus den landesgesetzlichen Anordnungen 59).

Aber doch scheint diese ungewisse Abhängigkeit eher hem­mend als anspornend auf die Stadtverwaltung selbst gewirkt zu haben. Das Hin und Her symbolisiert sich etwas in dem Kampfe um den Abbruch des alten Rathauses auf dem Altmarkt, dessen Verschwinden im Jahre 1707/08 wir auf jeden Fall bedauern müssen. (Es würde auch jetzt kein wesentliches Verkehrshindernis von der König Johann- zur Wilsdrufferstraße gebildet haben. Ebensowenig wie die nach dem siebenjährigen Kriege verschwundene Hauptwache auf dem Neu­markt, hinter welcher sich die Frauenkirche ganz anders erhob 60) als jetzt über dem freien Raum und überhaupt eine ganz andere Wir­kung der Straßen und Gebäude durch diesen einen Bau hervor­gerufen sein muß.)

Ein „Mittelpunkt künstlerischer Kultur“ 61) geworden zu sein, verdankt Dresden, wie immer wieder betont werden muß, zu­nächst und vor allem dem Fürstenhause. Ein Mittelpunkt politischer Macht ist es nie geworden, da Moritz so früh starb. Auch nicht, als Kursachsen im Dreißigjährigen Kriege das Haupt der kaiserfreundlichen Mittelpartei wurde.

Wohl begann in dieser Zeit der Hofhalt nach dem Wiener Vorbild sich umzugestalten, in einer außerordentlich prächtigen Weise, welche August der Starke nur noch auf die letzte Höhe nach Ludwigs XIV. Art zu steigern brauchte. Die großen Hoffestlichkeiten 62), so bei den zahlreichen Taufen im Fürstenhause, den Hochzeiten, den kaiserlichen 63) und fürstlichen Besuchen, waren große Ereignisse auch für die Stadt.

Die Niederlassung von reichen In- und Ausländern, nicht nur flüchtigen Böhmen, fängt an, z. B. von englischen Kaufleuten. Die italienischen Künstler in der kurfürstlichen Kapelle, in der Oper, im Bau- und sonstigen Kunstwesen werden ständige Gäste in Dresden.


[22] Es vermehrte sich überhaupt der zum Hof gehörige Kreis, die Beamtenstadt Dresden nimmt ihren Anfang. Mit dem Zu­zug der Reichen werden die reinen Besitzer zahlreicher, zum Teil in diese Hände kommt der Hausbesitz um den Markt und in den inneren Hauptstraßen.

Die Kehrseite der höfischen Pracht und des der Stadt zum Teil zugute kommenden Reichtums waren die nicht zu verweigernden großen Darlehen, welche aus der Stadtkasse an den Kurfürsten abgeführt werden mußten, auch so schon unter Johann Georg I. Die Einzelheiten gehören in eine noch nicht geschriebene Geschichte des Dresdner Finanzwesens. Allein im Jahre 1700 betrugen die Zinseinnahmen aus Darlehen etwa 5800 Gulden. Daneben war der „sonstige“ Aufwand der Stadt bei festlichen Angelegen­heiten, Aufwartungen, Geschenken nicht gering, z. B. 1714 für eine Privilegbestätigung nur 50 000 Gulden 64). So war die Stadt eng mit dem Leben und Willen des Hofes verbunden, und nicht nur zu ihrem Besten.

Wie sich das geistige und religiöse Leben gliederte und gestaltete, läßt sich auch nur erst in allgemeinen Zügen andeuten. Für die Volksmenge stand zweifellos die religiöse Frage noch im Mittelpunkte 65).

Wie sich schon vor Einführung der Reformation in der Opposition gegen Herzog Georg gezeigt hatte, dann nachher in den philippistischen Streitigkeiten, und der Haltung des Volkes, als die kalvinistischen Sympathien gewaltsam unterdrückt wurden, so kam da­nach in der langen Zeit der orthodoxen Kirchenherrschaft ein starker religiöser Wille der Kirchenzucht und -ordnung entgegen und so erklärt sich auch die starke, wahrhaft volkstümliche Opposition gegen die Wieder-Katholisierung des Herrscherhauses.

Die Führer in der Kirche und entsprechend der Schule, mit ebenfalls geistlicher Grundbildung, waren ausschlaggebend für die allgemeine Bildung, in einer Zeit, wo das Urteil durch eigenes Lesen sich noch auf einen kleinen Kreis beschränkte. Die regelmäßige [23] Möglichkeit sich weiterzubilden, lag in dem regelmäßigen Kirchenbesuch, dessen Andrang sich auch mit daher, nicht nur dem religiösen Interesse, erklären wird. Hier wurde auch zuerst das, was an Kunst und Musik in das Volk dringen konnte, dargeboten.

So war das private Leben von dieser Seite her durchaus beherrscht, ebenso wie im öffentlichen die kirchlichen Feste und Jubiläen die größte Rolle spielten.

Doch machten sich bereits die Standesunterschiede deutlich bemerkbar, und es ist nicht zu leugnen, daß die Armenpflege und die allgemeine Sittlichkeit nicht hoch stand, sondern sich die unterkulturelle, vorreformatorische Auffassung und Lebensart immer wieder geltend machte.

Auflockernd wirkten in das Dresdner Leben die Kriegsjahre, die große Bevölkerungsveränderung, die schon erwähnt wurde, und die Anfänge der Entwicklung zur großen Weltstadt, wozu vor allem auch die politisch-militärische Tätigkeit der Johann George am Rhein gegen Ludwig XIV. und gegen die Türken in Ungarn, auf Morea, vor Wien beitrug, und so mit der Einführung des stehenden Heeres (1683) ein neuer Bevölkerungsteil hinzukam.


[24] [25]

Der Zwinger, Südost-Pavillon (Stadt-Tor).


Die große Weltstadt, ein „zweites Paris“, wenigstens für den Norden und Osten Europas 66), wurde Dresden nun unter August dem Starken, unter dem es seine erste Glanzzeit verlebte, ungefähr gleichzeitig mit Berlin, München, Stuttgart, Karlsruhe, Hannover, aber sie alle überragend eine in allen Richtungen präch­tige Residenz.

In vielem zehrt sie noch jetzt daran und trägt damalige An­regungen weiter.

Auf die große Bautätigkeit wies ich schon hin. Jetzt tritt bald Grundstückszusammenlegung ein, um für öffentliche Bauten und Adelspaläste Raum zu gewinnen. (Von 872 Häusern im Jahre 1700 sinkt die Zahl auf 818 im Jahre 1772).

Wie umfassend wurde aber die Kunstpflege überhaupt. Und durch die zum großen Teil öffentlichen festlichen Veranstaltungen wirkte sie auch in die große Menge des Volkes hinein.


[26] Neben dem Zwinger vor allem dann die Gemäldegalerie, welche Augusts, in diesem Punkte der Kunstliebe doch wenigstens eben­bürtiger Sohn, zu solcher Weltbedeutung ansammelte. Und die übrigen Abteilungen der jetzigen Königlichen Sammlungen, deren Anfänge ja zum Teil vor August dem Starken liegen, aber die zumeist durch ihn und seinen Sohn so erweitert wurden 67), daß sie jetzt noch weltbekannte Anziehung auf die Fremden ausüben.

Für den breiteren Zuzug der Fremden, sowohl der Aus­länder wie der Deutschen, ist in dieser Augusteischen Zeit der Grund gelegt. Wir müssen auch da verschiedene Perioden unterscheiden.

Zunächst überwog die ost- und südeuropäische Orientierung: Polen, aber auch Wien, die Wirkung der Politik und der katho­lischen Annäherung. Sie wurde durch die Heirat Friedrich Augusts II. mit einer österreichischen Erzherzogin bedeutend verstärkt. Nicht nur in den höheren Ständen. Trotz der landes- und ortsgesetzlichen Bestimmungen nahm Anfangs die katholische Bevölkerung unter dem Schutz des Hofes und seiner Umgebung stark zu.

Die große Menge der neuen Ansässigen und Einwanderer stammte aber aus dem Lande selbst und der nächsten Umgebung. Nur zwei Belege: die neuen Bürger der Jahre 1700 und 1725! 68) Von den 87 des Jahres 1700 sind noch über ein Drittel Bürger­söhne oder andere Dresdner, fast die Hälfte Sachsen und Thüringer, nur 13 Ausländer (vor allem Böhmen und Brandenburger, aber auch einer aus Dänemark und aus Moskau), 1725 sind fast noch einmal soviel neue Bürger 156, nur gut ein Viertel Bürgersöhne und andere Dresdner, weit über die Hälfte sonstige Sachsen und Thüringer, nur 25, etwa ein Sechstel, Ausländer (diesmal neben Brandenburgern auffallend mehr Westdeutsche, Hessen, Württemberger). Man wird also – sehr naheliegend – folgern können, daß gerade der Zuzug aus dem Lande selbst immer stärker wurde.

So nahm die wirklich bodenständige Bevölkerung zu, welche nach der wieder eintretenden Abnahme in Dresden verblieb.

[27] Große Kreise der Fremden verschwanden nach der Augusteischen und Brühlischen Zeit wieder, die bleibenden oder im weiteren Laufe des 18. Jahrhunderts hinzukommenden wurden, scheint's, nur durch Vorzüge Dresdens selbst festgehalten, durch die Kunststadt, durch die vermehrte Handwerkskunst, welche sich im weiteren Sinne um die Akademie der Künste (seit 1705) gruppierte.

Dann durch das Aufkommen des Handelsstandes, dessen innungsmäßig gebildete Korporation sich schon im 18. Jahrhundert über die älteren Innungen erhob und gerade durch seine der höheren Kultur und Lebenshaltung entsprechenden Angebote diese hielt und weiterförderte, damit zugleich auch diesen Vorzug Dresdens kon­solidierte, der dann im 19. Jahrhundert von neuem den internatio­nalen Fremdenstrom hierher lenkte und viele deutsche Pensionäre anlockte.

Die Vermehrung der höheren Bildungsmöglichkeiten lag aber nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch in der Musik, seit Joh. Walther, Heinrich Schütz, den Musik und Opern begeisterten Johann Georg II., und dem ständigen Theater mit Augusts des Starken und seines Sohnes Festlichkeiten.

Dann wirkte auch die in der Rationalistenzeit verstärkte Pflege literarisch-wissenschaftlichen Sinnes und Urteiles, wofür die Königliche Bibliothek mit der Einführung der Öffentlichkeit im Jahre 1788 besonders wichtig wurde.

All das kam zusammen, um Dresden auf dem Hintergrund seiner Prachtbauten den Beinamen des „deutschen Florenz“ zu geben. Herder gebraucht ihn zuerst in seinem Aufsatz über die Kunstsammlungen in Dresden (Adrastea Bd. 3) in bezug auf diese.

Blühe, deutsches Florenz, mit deinen Schätzen der Kunstwelt!
Stille gesichert sei Dresden Olympia uns.
Phidias - Winkelmann erwacht an deinen Gebilden,
Und an deinem Altar sproßete Raphael-Mengs.

Doch wir dürfen es nicht vergessen: diese höhere geistige Welt, über die man ja gerade vom Dresden des 18. und 19. Jahrhunderts [28] viel sagen könnte, sie lebte schließlich doch über der Masse der Bevölkerung. Nachdem mit Augusts des Starken Tode oder bald nachher die breitere Anregung in das Volk hinein entschwunden war und als vor allem in der siebenjährigen Kriegszeit die allerhärteste Wirklichkeit laut und lange sprach, fielen die Standes-, Berufs- und Bildungsschichten immer mehr auseinander, und es bahnte sich der Zustand an, dessen Überwindung jetzt so enorme Schwierigkeiten macht.


[29]

Die Kreuzkirche 1765.


In dieser dritten Periode, der eines überwiegenden Nieder­ganges oder wenigstens längeren Stillstandes, blieb Dresden bis in den Anfang, bis in die dreißiger und vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts.

Die Hauptgründe lagen ja in dem politischen Geschick Sachsens und deren Wirkung gerade auf die Hauptstadt und stärkste Landesfestung. Die Kehrseite der Lage Sachsens als Zwischenland mit nur z. T. günstigen militärischen Grenzen wurde verhängnisvoll, als sich die politischen Ansprüche nicht aufrecht erhalten ließen und der Militärstaat im Norden seinen Siegeslauf begann. So wurde gerade Dresden stark in die kriegerischen Er­eignisse hineingezogen.

Ein größerer Niedergang und nur langsamer Wiederaufstieg der Bevölkerung tritt ein. Erst 1831 ist mit 60 000 die Zahl von 1755 wieder erreicht, während inzwischen Berlin bei Friedrichs des Großen Tode die ersten 100 000 und 1830 schon fast 300 000, fast fünfmal soviel wie Dresden zählt!


[30] Hatten die Vorstädte mit Alten Dresden in den letzten Jahren Augusts des Starken schon die Festung übertroffen, ja 1755 fast einmal soviel Einwohner, so verschwand mit dem Siebenjährigen Krieg fast die Hälfte aus den Vorstädten, auch die Festung hielt sich nicht auf der bisherigen Höhe.

Anderseits ist gerade in diesem Jahrhundert die Be­völkerungsdichtigkeit sehr gestiegen, wie die Vergleichszahlen von 1699 und 1814 zeigen 69). Innerhalb der Mauer stieg die durchschnittliche Hausbewohnerzahl von 14 auf 21,8, also über die Hälfte, in den Vorstädten von 8,6 auf 16,7, also fast um sich selbst, in Alten-Dresden am wenigsten, von 10,7 auf 14,8, also nicht um die Hälfte. Die Zahl der Mieter ist in ständigem Steigen. Während 1608 durchschnittlich erst 2 Wohnungen (1,9) im Hause waren, sind es 1797 bereits über 4 (4,3), innerhalb der Festung berechnet. Auch das doch ein Zeichen des Niederganges, es wird weniger neugebaut, die zahlreicheren geringer Vermöglichen gehen zur Miete.

Handel und Gewerbe, besonders das letztere, war schwer getroffen. Nach der bisherigen starken Anregung, welcher sich die Gewerbe angepaßt hatten, – bei denen lag ja noch immer die hauptsächliche städtische Berufsarbeit –, erfuhren sie nun am meisten den Rückschlag.

Weil hier in Dresden nur ganz geringe Anfänge von Manufaktur- und Fabrikwesen aufkamen, fehlte die Ver­besserung des „Nahrungsstandes“ von dieser Seite im Volke selbst.

Die Wirkung dieser neuen Produktionsart und Betriebs­organisation kam nur in der Zunahme des Handels von aus­wärts und der Niederlagen auswärtiger Fabrikanten zur Geltung, also nur für einen kleinen Kreis. Und sonst nur als Konsumtions­anregung für die Einwohnerschaft.

So lag gerade auf dem Erwerbsstande ein starker Druck, der den Niedergang der Innungsorganisation verstärkt hat.

Den Restaurierungsbestrebungen nach dem Sieben­jährigen Kriege fehlte der richtige Boden im Volke. Von Schiller [31] und Seume sind harte Worte über den damaligen Dresdner und seinen Charakter gesprochen. Ein kleinlicher Rationalismus scheint sich in dieser Zeit der niederdrückenden Verhältnisse rasch festgesetzt zu haben. Der kurfürstliche Hof lebte in Pillnitz. Es war in Dresden eine stille, sich bescheiden müssende Zeit. Im allgemeinen bot sich wohl dem Fremden in den Vergnügungen des Lebens, in den Kaffeehäusern, den Theatern, auf dem Linckeschen Bade, im Wirtshausleben, in der ganzen sich be­gnügenden gemeinsamen Vergnüglichkeit, wie sie gerade unserem Volke eigen ist, ein trotz allem heiterer Anblick.

Der Gewinn bis zur Napoleonischen Zeit ging bald, schon vor der engen Verkettung Sachsens und damit Dresdens mit dessen Politik und Niederlage, wieder verloren. Noch einmal kam eine schwere Prüfungszeit über die Stadt und die Geduld ihrer Einwohner, und erst allmählich hob sie sich nach den Frei­heitskriegen zu einer neuen, zweiten Blüte, deren Wert in ganz anderer Richtung wie bei der ersten zu suchen ist, in einer großen Konsolidierung der wirtschaftlichen Kräfte, und zwar in einem sich wieder frei entfalten könnenden Gemeinwesen.


[32] [33]

Das neue Rathaus.

So zu der letzten, der vierten Periode, in der wir noch stehen. Verschiedenes blieb für Dresden zunächst gleichartig und wurde für den Habitus der Stadt immer wichtiger. Sie wurde mit dem Ausbau des staatlichen und städtischen Behördenwesens noch mehr Beamtenstadt. Die hierher gehörigen Teile der Bevölkerung erhielten eine herausgehobene, abgesonderte Stellung. Ebenso die militärischen Kreise.

Dresden wurde aber auch wieder mehr Fremdenstadt, und zwar Pensionopolis mit Zuzug aus aller Welt, wobei der englisch­-amerikanische Anteil früh groß war.

Die Gründe dieser neueren Fremdenzunahme lagen doch wohl weniger in den schon genannten historischen Beziehungen und Anziehungen, nicht nur in Kunst, Literatur und Wissenschaft, sondern mehr noch in der Tatsache einer Genuß- und Luxus­stadt  70), in welcher Fremde verhältnismäßig billig und bequem leben können.


[34] Hinzu kam die landschaftliche Neuentdeckung von Dresdens Umgebung und die konsequente Pflege Dresdens als Gartenstadt.

Trotz mancher Rückschläge, so in den 60 er und 70 er Jahren und in dem auch aus politischen Gründen erfolgenden Fremden­wechsel – so dem Wiederverschwinden der reicheren Russen und Polen gegen Ende des 19. Jahrhunderts  71) –, trotzdem wird der Charakter als Fremdenstadt wohl bleiben, auch nach der großen Säuberung in der jetzigen Kriegszeit.

Eine wichtigere Änderung kam in die Zusammensetzung des niederen Volkes der Großstadt erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Tschechen 72). Sie verstärkten vor allem den katholischen Anteil.

Sonst wird man den Zuzug, der sich seit den 30 er Jahren so enorm hob, nur aus Sachsen selbst und den angrenzenden deutschen Gebieten wieder wie in der Zeit Augusts des Starken erklären können. Genauere Statistik führt ja nicht bis in diese Zeit zurück. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kamen die Einwanderer besonders aus dem Osten und Nordosten Deutschlands. Noch jetzt gibt Schlesien einen besonders großen Anteil.

Genauer sehen wir dagegen sofort, in welche Richtung der Bevölkerungsberufe diese große Zunahme ging.

Die Einwohnerzahlen lassen für die nicht ganz 40 Jahre 1814–52 etwa eine Verdoppelung erkennen, in den nicht ganz 30 Jahren bis 1880 mehr als Verdoppelung und in den wieder 30 Jahren bis 1910 weit mehr als Verdoppelung! Dabei kommen die Eingemeindungen seit 1892, besonders 1902/03 erst in den letzten Zahlen zum Ausdruck. Entscheidend sind die Zahlen von 1830, 1852 und 1867. Hier setzt der erste Zuwachs an Arbeiterbevöl­kerung ein, welche ja die Masse der großstädtischen Bevölkerung jetzt ausmacht.

Der Raum für sie war da. Die Verschmelzung der Vor­städte mit der Festung wurde durch die Abtragung der schon seit dem Siebenjährigen Kriege absichtlich verfallen gelassenen [35] Festungswerke vorbereitet 73). 1809 begann man mit der Abtragung der Außenschanzen. Von 1811 an, mit Unterbrechung in der Napo­leonischen Zeit, bis in die 20 er Jahre dauerte die Niederlegung der Wälle und Mauern und die Umänderung der gewonnenen Räume in Anlagen, Plätze, Gärten, am Rande dieses „Ringes“ erhoben sich nach und nach neue Straßenzüge.

Als dann von 1835 an mit dem Aufheben der vorstädtischen Gemeindeeinteilung und mit der völligen Eingemeindung dieser Straßen sowie der beiden Amtsgemeinden Friedrichstadt, Anton­stadt und sonstiger Neustädter Teile ein einheitlicher Stadt­bezirk geschaffen war und eine einheitliche Stadtverwaltung sich breiter ausgestalten mußte, war die Möglichkeit für eine großzügige Entwicklung in den ganzen Raum des Weichbildes hinein gegeben 74).

Sie folgte der bisherigen Bevölkerungsverteilung. Im Westen, der Weißeritzmühlengegend und in der gerade in kommerzieller Ab­sicht gegründeten Friedrichstadt, dann auch im Westen der Neustadt, nahe den Bahnhöfen die beginnende Industrie und der hauptsäch­liche Arbeiterzuzug. Durch Ortsgesetz von 1878 sind dann diese Stadtteile als Fabrikbezirke festgelegt. Im Süden, der vornehmeren Villen- und Gartenstadt, wurde dieser Charakter nur verstärkt, die Fremdenviertel siedelten sich hier an. Im Osten, wo sich die Straßen­züge am ersten ins Land hinaus ausbreiteten, hatte sich zuerst eine gemischt städtische Bevölkerung gebildet, hier entstand dann in der Johannstadt ein bürgerliches Wohnviertel. Die innere, alte Stadt verfällt von etwa 1880 an der modernen City-Bildung, viele Wohnhäuser verschwinden (von 793 im Jahre 1880 auf 750 1900, ohne den Durchbruch der König Johannstraße).

Eine Entwicklungslinie Dresdens liegt nun aus den früheren Jahrhunderten her klar vor Augen und bestätigt sich im 19. Jahr­hundert nur weiter. Während Chemnitz Industriezentrum in Sachsen wird, Leipzig die Universitätsstadt und trotz der Verschiebungen im Handelsverkehr ein großes Handelszentrum bleibt, wird Dresden nunmehr das Konsumtionszentrum des Landes. Diese Eigen­schaft [36] überwiegt alle anderen. Und auch das, was wir aus den Berufs- und Gewerbezählungen des 19. Jahrhunderts wissen, be­stätigt es nur.

Die erste Zunahme also bis in die 50 er und 60 er Jahre be­trifft die Erwerbskreise, welche für die nächsten Lebensbedürf­nisse arbeiten (das Bauwesen, die Bekleidung, der Ortshandel) und welche für die persönlichen Dienste da sind 75). Es ist inter­essant festzustellen, daß gerade in diesen Jahrzehnten die Gesellen- und Lehrlingszahl in dem, wie man doch immer annimmt, ab­sterbenden Handwerk sich vermehrt, wenn auch nicht in allen Zweigen, doch in den eben genannten, ja für die Vergleichszahlen 1830–56 noch in den meisten Handwerken 76). Mit erhöhter Erwerbsmög­lichkeit in diesen Kreisen ergab sich häufigere Familiengründung, diese trug wieder zur Verstärkung jener Bedürfnisse erster Form bei. So wurden bisher unsichere Einnahmequellen dauernder und die neue Bevölkerung seßhaft.

Zuzweit die große Anregung, welche durch Verbesserung der Verkehrsmittel gerade für die Landeshauptstadt sich bemerkbar machen mußte, und welche gerade auf die Kaufmannschaft stark fördernd wirkte 77), den Außen- und Durchgangshandel belebte.

Doch trug das alles noch nicht zu einer Änderung des Gesamtcharakters der Stadt bei, der nach einer Äußerung im Jahre 1864 78) doch nur der eines „Hotel garni im Großen“ geblieben war. Von einem industriellen Aufschwung oder einer besonders ausgeprägten einheimischen Industrie ist noch lange nichts zu merken.

Noch 1875, bei der ersten modernen Gewerbezählung 79), er­gab sich folgende prozentuelle Berechnung der Berufsarten:

  1. Landwirtschaft und Gärtnerei etwa ½ %,
  2. Industrie und Gewerbe über 36 %; davon Metallverarbeitung erst 10, Baugewerbe über 10, Holzindustrie 10, Bekleidung usw. noch etwa 25 %, sonst noch fast die Hälfte übrige einzelne Gewerbe,

[37]

  1. Handel und Verkehr etwa 15 %,
  1. Häusliche Dienste und wechselnde Lohnarbeit noch über 15 %,
  1. Beamte, freie Berufe und Berufslose sogar noch über 24 %, und
  1. Militär etwa 8 %.

Bis zur Zählung von 1895  80) verschob sich in 20 Jahren das Verhältnis so:

  1. Industrie und Gewerbe nahmen zu auf 48 %!
  1. Handel und Verkehr nur auf 18 %,
  1. Beamte usw. blieben 24 – 25 %.

Geringer wurden:

  1. die häuslichen und wechselnden Lohnarbeiter, nur noch 2½ %, eine Folge der gewerkschaftlichen usw. Organisation.
  1. das Militär, nur noch 4½ %, in der angewachsenen Großstadt.

In diese zwei Jahrzehnte 1875–95 fällt also ein erster Auf­schwung der Industrie, nachdem die Gründungszeit nach 1870 zum größten Teil bald verpufft war 81).

Die letzte Berufszählung von 1907  82) bringt weitere in ihrer Verschiedenheit gerade für den jetzigen Zustand wichtige Er­höhungen in jenen Richtungen:

  1. nicht stark bei Industrie und Gewerbe, von 48 nur auf 50 %, – trotz der großen Eingemeindungen,
  1. dagegen außerordentlich stark im Handel und Verkehr, von 15 auf über 25 %, – auch
  1. Landwirtschaft und Gärtnerei hat mehr, etwa 1 %.

Geringer geworden sind weiter

  1. und 6. Beamte, Berufslose und Militär, zusammen aber noch 21½ %.
  1. Dienst- und Lohnarbeiter, noch 2 %.

[38] Die Folgerungen aus diesen Zahlen sind klar: jedenfalls ist Dresden keine eigentliche Industriestadt geworden. Es überwiegt die Feinindustrie, nur wenig bedeutende Großwerke in Spezialfächern sind entstanden.

Eher könnte man sagen: Handel und Verkehr scheinen den Charakter geben zu wollen. Die erste Erwartung bei der Stadt­gründung will sich also doch vielleicht verwirklichen, in großer, mitteleuropäisch geformter Erweiterung! Und man wird in Dresden weiter in dieser Richtung hoffen dürfen, wenn auch alte historische Antagonismen immer wieder aufleben wollen, zum Schaden nicht nur des zunächst betroffenen Schwächeren.

Stark geändert hat sich gegen das 17. und 18. Jahrhundert das Verhältnis zwischen dem Hofe (der Regierung) und der Stadt­verwaltung. Es hatte noch immer die Ratsordnung von 1517 mit Teilen der von 1470 gegolten, im 17. und 18. Jahrhundert kamen mehr Juristen in den Rat, er wurde nach und nach zum berufsmäßigen, sich aber weiter selbst ergänzenden Kollegium, 1819 wurde auf Antrag des Rates selbst von der Regierung genehmigt, daß nur rechtskundige Mitglieder in ihm sein sollten 83). In gleicher Zeit begannen die Erörterungen über Einsetzung von Kommunrepräsentanten (Stadtverordneten), nach den Unruhen im Jahre 1830 wurde diese Stadtvertretung dauernd, freiwillig verzichtete der Rat auf die freie Finanzverwaltung 84), mit der Städteordnung von 1832 kam auch die Wahl der Ratsmitglieder nach Vor­schlag des Rates in die Hand der Stadtverordneten 85).

Mit dieser Städteordnung wurde nun aber wieder das Prinzip der Selbstverwaltung unter gewissen Oberaufsichtsrechten des Staates durchgeführt. Und es begann ein neues starkes Eigen­leben der städtischen Behörden.

Ein moderner Ausbau der Verwaltungsorganisation war nötig. Nach völliger Abtrennung der Justiz von der Verwaltung und nach Scheidung der Sicherheitspolizei von der Wohlfahrts­pflege wurden 1853 neue Grundzüge einer Organisation des Rates [39] geschaffen, die Grundlage bis jetzt, welche in den 80 er Jahren, vor allem aber unter dem Oberbürgermeister Beutler vor und nach 1900 großzügig ausgebaut wurde.

Große Aufgaben hat die Stadtverwaltung in dem letzten dreiviertel Jahrhundert bewältigen müssen und bewältigt. Hier wurde nicht nur der Geschichte zu folgen, sie verwaltungsmäßig zu erfassen und zu leiten versucht, sondern es wurde auch Geschichte Dresdens gemacht. Es würde natürlich viel zu weit führen, hier noch näher darauf einzugehen 86). Die heutige Ämtergliederung in über 40 Geschäftsstellen mit 225 Registranden (ohne die in der jetzigen Kriegszeit hinzugekommenen) zeigt, was jetzt zu arbeiten ist und gearbeitet wird in der allgemeinen Verwaltung und dem Bil­dungswesen, im Steuer- und Finanzwesen, im Bauwesen und den städtischen Betrieben, im Gewerbeaufsichtswesen, der öffentlichen Wohlfahrt und Fürsorge.

Fäden der Abhängigkeit von der Regierung sind ge­blieben, aber feiner geworden, oft nicht nur in Fragen der zuständigen Entscheidung wirksam, sondern gerade in der Berück­sichtigung und Förderung oder Ablehnung neuer Ideen und An­regungen im Interesse des städtischen Gemeinwesens.

Mit dem Auftauchen der sozialen Frage (schon seit der 48 er Zeit), deren Bedeutung mit jeder Eingemeindung eines In­dustrievorortes verstärkt wurde, ist in das rein bürgerlich orientierte öffentliche Leben ein zugleich auflösendes, aber auch aufbauendes Element neu hineingekommen, so daß z. B. versucht wurde, einer neuen berufsständischen Gliederung Rechnung zu tragen, wie im Wahlrecht von 1905 zum Stadtverordnetenkollegium, auf Grund des § 57 der revidierten Städteordnung 87).

Eine große Erweiterung brachte das 19. Jahrhundert in der Vermehrung der Bildungsmöglichkeiten, im Schulwesen, im Ausbau des Hochschulwesens, das ja vom Jahre 1816 an seine eigene Geschichte hat, in der großen Vermehrung der wissenschaft­lichen Vereinigungen und Institute, als deren wesentlichste für die [40] Allgemeinheit mir die Gehestiftung erscheint, – wenn sie nur ihre Tore nicht den berechtigten Wünschen der Frauen so hermetisch verschließen wollte (trotz Gründungsstatut?).

Einen eigenen Gang nahm die kirchliche Entwicklung, welche nach dem Niedergang der Rationalistenzeit einen Neuaufbau des konfessionellen Luthertums heraufführte, wofür große Volksteile wiedergewonnen wurden. Durch die Zuwanderung aus der Lausitz und aus Böhmen wurde von den 70 er Jahren bis 1900 der katho­lische Anteil sehr verstärkt. Eine kleine regelmäßige Zunahme hat die reformierte Gemeinde aus den lutherischen Kreisen.

Trotz der gerade in Dresden dank Sulzes Wirksamkeit von den 70 er Jahren an doch stark verwirklichten Gemeindegliederung und Gemeinschaftsbildung in vielen kleineren Gemeinden, wodurch man dem riesigen Anwachsen der großstädtischen Bevölkerung (mit jetzt 26 evangelischen Kirchen) nachzukommen suchte, wird man doch kaum von einem überwiegend „kirchlichen Dresden“ reden können. Das Schwergewicht des geistigen Lebens wurzelt nicht mehr wie im 17. und 18. Jahrhundert hier, sondern in den Tiefen unserer Gesamtkultur.

Verhältnismäßig gleich geblieben ist die künstlerische Be­deutung Dresdens trotz der vielen aufblühenden Kunststätten Deutschlands. In bildender Kunst, wozu nun das Kunstgewerbe hinzutrat, in Theater und Musik. Und es ist doch bemerkenswert, daß sich diese Bedeutung neben der großstädtischen Entwicklung des Handels und der Industrie so erhielt, für den Fremdenverkehr weiter anziehend wirkte und auch in gewissem Grade in das Volk hineindrang.

Dessen geistiger Hebung widmet sich neben Staat und Stadt vor allem der Verein „Volkswohl“ seit 1888, der nicht unerwähnt bleiben darf, und in ihrer Weise die dahinzielenden Einrichtungen der Gewerkschaften.

Neu ist für Dresden seine Eigenschaft als Ausstellungs­- und Versammlungsort, nicht nur wie schon in der 1. Hälfte [41] des 19. Jahrhunderts für Sachsen, sondern dank seiner mittel­deutschen und mitteleuropäischen Lage für die weitesten Kreise und für alle Anlässe.

So wurden schon immer Gegenwartsbeziehungen gestreift, über deren größere Bedeutung ein objektives historisches Urteil aus der Dresdner Gesamtgeschichte nicht leicht ist, wenn man sich auch zum Ziel setzt, wie L. v. Ranke als Fähigkeit nachgesagt ist 88), die Gegenwart als Historiker zu betrachten.

Besonders schwer wird das für die Entwicklung des Dresdner politischen Lebens im 19. Jahrhundert sein 89). Eigentümlich ist doch wohl auf der einen Seite die Neigung zu überraschem Radi­kalismus gewesen, auf der anderen Seite zu sich bald bescheidender Selbstzufriedenheit.

Als nach den Jahren der Demütigung im kleineren Sachsen von 1815 sich zuerst bis 1848/49 politisches Urteil entwickelte, zeigten sich diese beiden Gegensätze sofort in allen Teilen der Be­völkerung. Dann im Gegensatz von national und partikularistisch in den 60 er und 70 er Jahren, im Gegensatz von national und sozialdemokratisch, in der Beurteilung der Antisemitenfrage, die ja gerade in Dresden und Sachsen mit die schärfsten Vertreter fand. In jeder dieser Bewegung zunächst Radikalismus, dann in den Parteien, je wie sie sich festgelegt, der Grundzug beharrlicher Selbst­bescheidung. So erscheinen die politischen Gegensätze besonders scharf und vermittelnde Richtungen und Bestrebungen im allge­meinen zurückzutreten.

Die jetzige Kriegszeit hat die Gegensätze im ganzen ruhen lassen. Sie hat der Stadtverwaltung ganz außerordentliche Aufgaben gestellt, sie hat die Einwohnerschaft sich in deutscher Einig­keit finden lassen. Und es sei mir erlaubt mit dem Wunsche zu schließen, daß das tiefere Gefühl für unseres Kaisers Wort: „noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war!“ – gerade in unserer Stadt Dresden stets wahrhaft lebendig bleibe!



[43]

Anmerkungen.

     01)     Vgl. Trautmann in Dresdn. Geschichtsbl. 1910, 85 f. Zur Urkunde von 1206 O. Richter ebd. 1906, 81 ff.

     02)     Mitt. d. Ver. f. Gesch. Dresd. 22, 86.

     03)     O. Richter, Atlas z. Gesch. Dresd., Beiheft S. 2.

     04)     Vgl. Trautmann in Mitt. d. Ver. f. Gesch. Dresd., H. 22.

     05)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 56 Anm. 6.

     06)     Ebd. S. 2.

     07)     O. Richter in Dresdn. Geschichtsbl. 1906, 84.

     08)     O. Richter, Verwaltungsgesch. 2, 23 ff.

     09)     Klemm, Chronik S. 224, 227.

     10)     Hantzsch, Namenbuch. Mitt. d. Ver. f. Gesch. Dresd. H. 17/18 S. VII.

     11)     Ebd. S. VII.

     12)     Wie O. Richter angibt ebd. S. III.

     13)     Ermisch in Wuttke, Sächs. Volkskunde S. 132 ff.

     14)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 208.

     15)     Vgl. die Karte von Alfr. Hennig, Ortsformen des Kgr. Sachsen, in Deutsche Erde 1912.

     16)     E. O. Schulze in Wuttke, Sächs. Volkskunde S. 110.

     17)     Ratsarchiv A. XV b. Nr. 1. Abgedruckt mit Auslassungen in O. Rich­ter, Verfassungsgesch. S. 372 ff.

     18)     Pirnaischer Mönch bei Mencken, Script. rer. Germ. II, 1543. Weck, Chronik S. 86 nach Albinus' Chronik, welcher aus Matthesius († 1565 in Joachimsthal) geschöpft habe.

     19)     Schramm, Histor. Schauplatz d. merkwürdigsten Brücken S. 5 f. Die Donins 1, 125 f.

     20)     H. Knothe in N. Archiv f. sächs. Gesch. 1, 425  ff. besonders 429 ff.

     21)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 4.

     22)     Cod. dipl. Saxon. V, 2. S. 110.

     23)     Vgl. die Skizze von O. Richter und C. Gurlitt in den „Bau- und Kunst­denkmälern“ 22, 315.

     24)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 30 ff.

     25)     Vgl. meine Zusammenfassung Dresdn. Anzeiger Sonntagsbeilage 1916 Nr. 38 – 40.

     26)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 208 ff. Verwaltungsgesch. 2, 64 ff.

     27)     Vgl. O. Richter, Gesch. d. Stadt Dresden Teil 1. 1900.

     28)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 124. Verwaltungsgesch. 2, 90 ff.

     29)     O. Richter, Verwaltungsgesch. 2, 32 f.

     30)     Ebd. S. 35 f. [44]

     31)     O. Richter, Gesch. d. Stadt Dresden 1, 254.

     32)     Über ihn O. Meltzer in Mitt. d. Ver. f. Gesch. Dresd. 7, 54 ff. und sonst. Herzog-Hauck. Real-Enzyklopädie 15, 21.

     33)     Vgl. O. Richter, Gesch. d. Stadt Dresden 1, 234 und sonst.

     34)     Raatsarchiv B. III. 103i Bl. 5.

     35)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 162.

     36)     O. Richter, Verwaltungsgesch. 1, 1 f.

     37)     Ebd. 1, 8 ff.

     38)     Vgl. die Angaben in Joh. Müller, Anfänge d. sächs. Schulwesens in N. Archiv f. sächs. Gesch. Bd. 8.

     39)     Vgl. O. Richter, Verwaltungsgesch. 1, 326 ff.

     40)     Vgl. R. Steche, Baugeschichte von Dresden, in: Die Bauten, techn. u. industr. Anlagen von Dr., Festschrift 1878 S. 27–127. Die Kunstdenkmäler Dresdens hrsg. v. C. Gurlitt 1900–03. Und anderes.

     41)     Sammlung der Ortsgesetze (1. Aufl.) 7. Teil S.390 ff., besonders S.423 ff.

     42)     Gurlitt, Kunstdenkmäler S. 314 ff. Rich. Korn, Kriegsbaumeister Graf Rochus von Lynar (Diss. Dr.-Ing., Dresden.)

     43)     Vgl. Sam. Nienborgs Karte von 1651 in O. Richters Atlas z. Gesch. Dresdens Bl. 7.

     44)     Vgl. die Karte von 1760 ebd. Bl. 24.!

     45)     Auch in O. Richters Verfass.- u. Verwaltungs-Gesch. nicht berührt.

     46)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 85 ff.

     47)     Über diesen vgl. Mitt. d. Ver. f. Gesch. Dresdens S. 4, 14 ff.

     48)     Lindau, Gesch. d. Haupt- u. Resid.-St. Dresden S. 528.

     49)     Vgl. den Anhang: Einwohnerzahl.

     50)     Sparmann in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. Dresdens S. 24, 15 ff.

     51)     Vgl. den Anhang: Häuserzahl. – Über die Hauswirte. O. Richter, Verfassungsgesch. S. 193.

     52)     Vgl. oben Anm. 25.

     53)     Leßke, Beiträge z. Gesch. u. Beschr. d. Plauenschen Grundes 1, 259 f. und sonst.

     54)     Joh. Falke, Kurf. August von Sachsen S. 261 ff.

     55)     Über diese vgl. O. Richter, Verfassungsgesch. S. 249 ff. und die Privilegienbücher im Ratsarchiv.

     56)     Ratsarchiv A. I. 18 h.

     57)     O. Richter, Verwaltungsgesch. 1, 212 ff.

     58)     Vgl. oben Anm. 25.

     59)     Auch die statuta seit 1559 sind trotz O. Richter noch nicht genauer untersucht.

     60)     Vgl. die Canaletto-Mappe hrsg. von O. Richter, Bl. 13 und 14.

     61)     So O. Richter in seinem Vortrage: Dresdens Bedeutung in der Geschichte. Dresdn. Geschichtsbl. 1907 S. 186. [45]

     62)     Vgl. Lindau S. 427 ff. und sonst.

     63)     Darüber Rachel in Dresd. Geschichtsbl. 1907 f.

     64)     O. Richter, Verwaltungsgesch. 2, 50, 137.

     65)     Vgl. meinen Vortrag Dresd. Geschichtsbl. 1916 Nr. 2, 3. Flade ebd. 1901 Nr. 2, 1902 Nr. 3.

     66)     O. Richter in Dresdn. Geschichtsbl. 1907, 187.

     67)     Zusammenfassung in Doenges' Dresden (Stätten der Kultur Bd. 14) S. 96 ff.

     68)     Nach dem Bürgerbuch im Ratsarchiv.

     69)     O. Richter, Verfassungsgesch. S. 204.

     70)     Th. Petermann, Dresdens Größe, Lage u. Hilfsquellen 1875, S. 20.

     71)     O. Richter, Gesch. d. Stadt Dresden 1871–1902 S. 221.

     72)     Ebd.

     73)     Vgl. Haug in Dresdner Geschichtsbl. 1898, 109 ff.

     74)     Über die Verteilung durch die Stadt vgl. meinen Aufsatz in Dresdn. Volkszeitung 6. u. 7. Okt. 1916.

     75)     Petermann a. a. O. S. 24 f.

     76)     Zeitschr. d. Statist. Bureaus d. Kgl. Sächs. Minist. d. Inn. Jg. 6 (1860) S. 109.

     77)     Rachel, Die Dresdn. Handels-Innung 1654–1904, S. 132 ff.

     78)     Petermann a. a. O. S. 24.

     79)     Mitt. d. Statist. Bureaus d. Stadt Dresden H. I V c (1878).

     80)     Mitt. d. Statist. Amtes d. Stadt Dresden H. 8 (1898), H. 10 (1901).

     81)     O. Richter, Gesch. d. Stadt Dresden 1871–1902 S. 26 ff. Hier über­haupt weitere Einzelheiten zu den oben berührten Fragen.

     82)     Statist. Jahrb. d. Stadt Dresden 1909.

     83)     O. Richter, Verfassungsgeschichte S. 82, 88 f.

     84)     Ebd. S. 102.

     85)     § 204 der Allgemeinen Städteordnung von 1832. (Hrsg. von Hirschberg 1863 S. 116.) In der revidierten Städteordnung von 1873 etwas geändert, § 91. (Hrsg. von v. Bosse 1873 S. 69.)

     86)     Einzelheiten in O. Richter, Gesch. d. Stadt Dresden 1881–1902.

     87)     Vgl. hierzu kurz: Verwaltungsbericht des Rates 1904–08. Bd.1, 20 ff.

     88)     Von Thiers, 1855. Vgl. L. v. Ranke, zur eigenen Lebensgeschichte S. 376.

     89)     Vgl. Anm. 86.



[46]

Zu den Abbildungen.

S. 01. Aus dem Holzmodell aus der Zeit Herzog Georgs, verkleinert nach Bruck, Holzmodelle alter Dresdner Schloßbauten (Mitteilungen a. d. Sächs. Kunstsammlungen Jg. VI S.5).
S. 11. Nach dem Stich von M. Bodenehr in J. C. Kn(auth), Das alte Rath-Hauß in Neu-Dreßden (1708).
S. 25. Nach Pöppelmann, Vorstellung und Beschreibung des Zwinger-Gartens 1729. Blatt: Élévation de la facade de la principale entrée.
S. 29. Nach Canaletto; vgl. Blatt XII der Canaletto-Mappe, hrsg. von O. Richter 1894.
S. 33. Nach der Photographie vor dem Titel in O. Richter, Dresden 1903 – 09.




Es ist nur die Literatur als direkter Beleg genannt. Viele der nur berührten Fragen sind schon näher behandelt. Vgl. die Abteilung Historia Dresdensis in der Stadtbibliothek. Zur Topographie vgl. die Karte 1:5000 und die Karte des Weichsbildes, beide hrsg. vom Städtischen Vermessungs­amt 1908 bezw. 1906.




Zum Anhang.

Die Einwohnerzahlen z. T. nach O. Richter, Verfassungsgeschichte S. 185 ff. Große Zusammenstellung im Statist. Jahrbuch der Stadt Dresden 1902 und 1914.

Die Häuserzahlen nach Hollsteins Vorarbeiten zu einem „Häuserbuch“ der Stadt Dresden, benutzt in Benkert, Entwicklung des Dresdner Wohn­hauses 1914.



[47]
Anhang.
Einwohnerzahl Häuser
innerhalb
des Walles
Neu-
Dresden
Vor-
städte
Alten-
Dresden
im ganzen
1501 0 2565 0 ca. 4500       467 im Jahre 1501
1546 0 ca. 5150 ca. 1350 ca. 6500       489 1546
1588 0 ca. 7000 0 ca. 4500 ca. 11.500       861 1589
1603 0 7829 0 4739 2225 14.793       870 1613
1648 0 ca. 17.000       871 1650
1699 0 11 270 0 8272 1756 21.298       872 1700
ohne Garnison 0
1727 0 20 692 0 020 9600 4820 46.472       849 1726
(mit Garnison) 0
1755 0 22 291 0 34 246 6672 63.209       834 1753
(mit Garnison) 0
1772 0 17 200 0 17 334 7226 41.760       818 1772
(und 2000 Garnison)
1800 0 54 794       815 1797
(ohne Garnison) 0
1814 0 18 622 0 23 213 8486 50.321       811 1813
1831 0 63 865       810 1832
1852 0 104 199       802 1852
1867 0 156 024       798 1865
1880 0 220 818       793 1880
1890 0 276 522       783 1890
1900 0 396 146       750 1900
1910 0 548 308      
1916 0 ca. 575 000