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ADB:Ahlfeld, Friedrich

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Artikel „Ahlfeld, Friedrich“ von Ernst Christian Achelis in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 711–714, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ahlfeld,_Friedrich&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 17:40 Uhr UTC)
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Ahlfeld: Friedrich A., geboren am 1. November 1810, † am 4. März 1884, einer der angesehensten und fruchtbarsten Prediger der lutherischen Kirche [712] des Königreichs Sachsen, entstammte dem Hause eines in ärmlichen Verhältnissen lebenden Zimmermanns und Tagelöhners im Dorfe Mehringen am Harz. Der ihm verwandte Cantor des Ortes und der Pastor Bobbe, die von dem aufgeweckten Knaben Tüchtiges erwarteten, errangen nur mit großer Mühe von dem Vater die Einwilligung zur wissenschaftlichen Ausbildung seines Sohnes. Dieser besuchte die Gymnasien zu Aschersleben und Dessau; wie in seinem Dorf so war er bald auch hier der frohsinnige Führer seiner Genossen, bekannt und bewundert durch sein hervorragendes Erzählertalent. In Halle studirte er Theologie; der schon damals einflußreiche Tholuck blieb ihm fern, während die Historiker Ullmann und H. Leo ihn zu eifrigen Studien anregten. Nachdem er 1833 in Dessau das theologische Candidatenexamen bestanden hatte, wirkte er von 1834–1837 als Gymnasiallehrer in Zerbst. Wegen seiner burschenschaftlichen Vergangenheit in Halle mußte er seine Stellung verlassen, um in Wörlitz als Rector der Knabenschule und im Nebenamt als Hilfsprediger eine neue Thätigkeit zu finden. Selbständiger Pastor wurde er 1838 in Alsleben in der Provinz Sachsen; neun Jahre diente er unter theilweise schweren Kämpfen dieser in Roheit und Unkirchlichkeit arg zerrütteten Gemeinde, bis sich seiner allmählich bekannt gewordenen Predigtgabe 1847 die Laurentiuskirche in Halle öffnete. Aber schon 1850 siedelte er nach Leipzig über als Pastor an St. Nicolai; nach 31jähriger Wirksamkeit wurde er 1881 durch ein ihn mit völliger Erblindung bedrohendes Leiden – ein Auge hatte er im Knabenalter durch Unvorsichtigkeit verloren –, sowie durch apoplektische Zufälle genöthigt, sich in den Ruhestand zurückzuziehen, aus dem er nach kaum drei Jahren durch den Tod abgerufen wurde.

Die zahlreichen von A. herausgegebenen Predigtsammlungen, die fast alle in zahlreichen Auflagen erschienen sind und noch immer erscheinen, weisen auf eigenthümliche Vorzüge hin, denen weite kirchliche Kreise mit großer Empfänglichkeit begegnen. Wir suchen diese Eigenthümlichkeit zu charakterisiren. Die günstige Naturgabe lebhafter und scharfer Auffassungskraft, klaren Verstandes, ausgesprochen historischen Sinnes, hatte einst seine Erzieher auf ihn aufmerksam gemacht, sie blieb das Gepräge seines geistigen Lebens. Unter dem Druck ärmlicher Verhältnisse ist er in einem ehrenfesten, schlichten, frommen, arbeitsamen Elternhause aufgewachsen; den Kampf ums Dasein hat er von frühe an gekämpft, und zu sehr selbständigem Charakter, der an sich und Andere stets mit großen Anforderungen herantrat und durch Beharrlichkeit und eisernen Willen seine Ziele zu erreichen wußte, ist er durch seine Lebensführung herangebildet; in der religiösen und sittlichen Entschiedenheit, der auch ein gesetzlich strenger Zug nicht fehlt, tritt sein Charakter in seinen Predigten hervor. Durch seine Abstammung und die stets gepflegte nahe Fühlung mit dem „Volk“ im weitesten Sinne des Wortes ist ihm dessen Vorliebe für Erzählungsbilder vertraut, sein Interesse selbst an tiefen Problemen des religiösen Lebens, wenn sie in concretem Gewande ihm nahe gebracht werden. A. hat sein Erzählertalent auf der Kanzel in reicher, doch nicht übertriebener Weise verwerthet. Doch nicht nur seiner Erzählung, vielmehr seiner Kanzelsprache überhaupt ist jener volksthümliche Klang eigen, der den schlichten Arbeiter wie den Gelehrten, die Hofdame wie die Waschfrau zu fesseln vermag; alle Derbheit, zu der seine Sprache allerdings mitunter neigt, wird überwunden; der religiöse Adel wird nie verletzt; der natürliche Volkston ist durch Sprachstudien und eingehende Beschäftigung mit der classischen deutschen Prosa geklärt; A. F. C. Vilmar bekennt, in den Predigten Ahlfeld’s ungemein lebhaft an Goethe’s Prosa erinnert zu werden. Als Erbtheil seines elterlichen Hauses ist auch seine Vorliebe für Sinnsprüche, gereimte Lebensregeln anzusehen; sie thut sich in der Neigung kund, das Thema seiner Predigt [713] und die Theile in gereimten Versen darzubieten; nicht kraft innerer Nöthigung der poetischen Natur, sie ist vorbedachter didaktischer Art, durch die ästhetische Durchbildung des Predigers aber vor jener Ausartung bewahrt, die den Gedanken vergewaltigt und zur Manier wird.

Der Inhalt der Predigt Ahlfeld’s, ihre Schriftmäßigkeit, das Zeugniß persönlichen Glaubens an Christus, die Freudigkeit des Bekenntnisses zu der in Christus vollbrachten Erlösung, auch der feste Anschluß der Stimmung und des Lehrinhalts seiner Predigt an die Auffassung des confessionellen Lutherthums, – es war nicht ein ererbtes Gut aus dem Elternhause, auch nicht ein von seinen Bildnern übernommener Schatz, es war bei A. alles errungen in einer durch ernste Arbeit und gewissenhafte Prüfung gezeichneten Entwicklung. Die ehrenhafte und treufeste rationalistische Moralität seiner Familie und des Jugendunterrichtes begleitete ihn auch durch die Universitätsjahre; erst in Zerbst (1834 bis 1838) trat Gährung und Umgestaltung seines religiösen Besitzstandes ein. Durch Zusammenkünfte mit befreundeten Altersgenossen, durch die Anregungen eines mit ihnen gehaltenen Bibelkränzchens wurde er auf das Studium der heil. Schrift geführt; mit der ihm eigenen Energie folgte er den Lichtspuren, vom Rationalismus rang er sich zum confessionslosen Bibelchristenthum durch, um von diesem aus in der lutherischen Prägung der Anschauung und Lehre definitiv Befriedigung zu finden. Dem religiösen Leben Ahlfeld’s wurde infolge dieses Entwicklungsganges jene ursprüngliche Frische und Kraft zu Theil, jene furchtlose Ueberzeugungstreue, in der er vor seinen Bauern in Alsleben, wie in der Universitätsstadt Halle, wie in der vornehmen Großstadt Leipzig in gleicher Weise das Evangelium zu verkünden wußte. Anziehend, fesselnd und herzgewinnend wird seine ernste Predigt durch die seelsorgerliche Stimmung, die sie beherrscht. In seinem Predigtamte wußte er sich allerdings als Beauftragter Gottes seiner Gemeinde gegenüber; als Mitchrist und Mitbruder wußte er sich aber auch eins mit allen seinen Hörern; was er ihnen predigte, galt ihm selbst; er hatte es sich zuvor gepredigt. So gewann er trotz allem amtlichen Nimbus ein brüderliches, bald ein väterliches Verhältniß zu seiner Gemeinde, deren Lebensverhältnisse, Versuchungen und Gewissenskräfte er in hingebender Liebe verstand und mit dem Wort der Wahrheit beleuchtete. Je länger desto mehr wurde A. der allverehrte und Allen vertraute Patriarch seiner Gemeinde, der oft über Gebühr in Anspruch genommene Rathgeber und Seelsorger Aller, und bis zu seinem Abschied vermochten Sonntag für Sonntag die weiten Räume der Nicolaikirche die Menge kaum zu fassen, die sich um seine Kanzel scharte.

Die meisten Schriften Ahlfeld’s sind in dem Verlage von Richard Mühlmann in Halle erschienen. Es sind diese: „Predigt über Ezechiel 47, 1–10“ 1845; „Vierzig evangelische Confirmationsscheine. Mit Bibelsprüchen und Liederversen“. 1. Serie 1845 (9. Aufl. 1898). 2. Serie 1873 (4. Aufl. 1898); „Erzählungen fürs Volk“ 1847 (8. Aufl. 1899); „Predigten über die evangelischen Perikopen“, 1848 (12. Aufl. 1899); „Geh mit uns nicht ins Gericht. Predigt“ 1848; „Trost und Mahnung in den Tagen der Cholera. Drei Predigten“, 1849; „Der christliche Hausstand. Eine Hochzeitsgabe in Predigten“, 1850 (6. Aufl. 1898); „Der verlorene Sohn. Sieben Zeitpredigten über Luc. 15, 11–32“, 1850 (4. Aufl. 1894); „Sonntagsgnade und Sonntagssünde. Vier Predigten“, 1850 (4. Aufl. 1894); „Staat, Haus und Herz in und außer der Kirche Christi“. Vortrag, 1851; „Katechismuspredigten“. Drei Bände, 1852 (4. Aufl. 1900); „Das Leben im Lichte des Wortes Gottes. Ein Lebensbuch insbesondere für Confirmanden und Brautpaare“, 1858 (7. Aufl. 1886); „Herr Jesu, wecke unsre tote Jugend auf“, 1858; „Dein Alter sei wie deine Jugend. Predigt über 5. Mose 33, 25“, 1860; „Armuth und Gesellenstand. Fünf Reden [714] für Vereinsfeste“, 1861; „Unser Volk in seinen Freuden und Festen“. Vortrag, 1865; „Weckstimmen aus dem Jahre 1866“. Acht Predigten, 1867; „Das rothe Buch. Aus Kreuz und Freude einer Kaufmannsfamilie. Erzählung“, 1867; „Predigten über die epistolischen Perikopen“, 1867 (5. Aufl. 1899); „Das Alter des Christen. Ein Büchlein für die, so im Alter jung sein wollen“, 1868 (5. Aufl. 1899); „Bruder Berthold von Regensburg, der große deutsche Prediger des Mittelalters. Vortrag“, 1874; „Ein Kirchenjahr in Predigten“, 1875 (8. Aufl. 1892); „Morgenandachten. Aus den Predigten von D. Friedr. Ahlfeld“, 1882 (4. Aufl. 1897); „Abendandachten. Aus den Predigten von D. Friedr. Ahlfeld“, 1884 (3. Aufl. 1895). Im Verlage von Fr. Fleischer (Leipz.) sind erschienen: „Predigten an Sonn- und Festtagen“. I. „Die Ruhe der Kinder Gottes in dem Herrn“. Drei Bände, 1850–1861; II. „Bausteine zum Aufbau der Gemeinde“. Sechs Bände, 1852–1856 (1. Bd. 4. Aufl. 1862; 2. und 3. Bd. 3. Aufl. 1857 und 1859. Diese drei Bände enthalten die sechs Bände der ersten Auflage). III. „Zeugnisse aus dem inneren Leben“. Drei Bände, 1860 bis 1864. Eine Auswahl aus diesen drei Serien erschien unter dem Titel: „Predigten über freie Texte“ bei Richard Mühlmann in Halle. 4. Aufl. 1900. In dem Verlage von J. C. Hinrichs in Leipzig erschien: „Confirmationsreden aus den Jahren 1868–1879“, 1880; „Zehn Predigten nach der Feier seiner 25jährigen Amtsführung als Prediger zu St. Nicolai in Leipzig“, 1876.

Friedrich Ahlfeld, weiland Pastor zu St. Nicolai in Leipzig. Ein Lebensbild 1875. – Ahlfeld, Friedrich, in A. Hauck: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. 3. Aufl. Bd. I, 270 f. (von G. Lechler und Hauck).