ADB:Autenrieth, Jakob Friedrich

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Artikel „Autenrieth, Jakob Friedrich“ von Georg Autenrieth in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 693–695, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Autenrieth,_Jakob_Friedrich&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 18:44 Uhr UTC)
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Autenrieth: Jakob Friedrich A., Cameralist und würtembergischer Staatsmann, geb. in Stuttgart 22. März 1740 als Sohn eines nicht unbemittelten Bürgers, † 28. März 1800. Des Vaters schon im 6. Lebensjahre beraubt, ward der lernbegierige und talentvolle Knabe von seinem Stiefvater, dem als Arzt ausgezeichneten Dr. Rincke[1] mit liebevoller Sorgfalt erzogen. Nach beendigtem Gymnasialunterricht arbeitete er vom 16. bis 21. Jahr damaliger Gewonheit gemäß in der „Schreibstube“ erst in Waiblingen beim Stadtschreiber Jäger, dann als Schreibereigehülfe beim Universitätspfleger Kleim in Feuerbach und beim Amtsschreiber Lindenmaier in Stuttgart. Darauf studirte er zu Tübingen während dreier Jahre Cameral- und Rechtswissenschaft; dabei hatte er das Glück, bei dem würdigen Oberamtmann Huber wohnen und denselben in seinen Amtsverrichtungen unterstützen zu dürfen. Die nächsten drei Jahre verbrachte er als Amtsstubstitut in Maulbronn, kehrte aber dann zu seiner Mutter zurück, um ihr, schon durch ihren ersten Gatten von der Pistorius’schen Familie erkauftes Kunkellehngut Waldenstein bei Schorndorf für sie und seine drei Schwestern zu verwalten.

Als er sich aber im Laufe der Zeit eine selbständige Thätigkeit zu eröffnen und den eigenen Familienheerd zu gründen wünschte, kaufte er (denn die unlöbliche Gewohnheit des Stellenkaufs ward erst später durch Landescompactat abgeschafft) um 2000 fl. vom Herzog die Stelle eines Secretärs und Registrators bei der Regierung, welche ihm 400 fl. jährliche Besoldung eintrug. Bald lenkten sein Fleiß, seine Pflichttreue und Geschäftsgewandheit die Aufmerksamkeit auf ihn, so daß er auch zu manchen außerhalb seines eigentlichen Berufes liegenden Geschäften zugezogen ward, nicht ohne daß seine unbestechliche Ehrlichkeit ihm allerlei geheime Feindschaft zuzog. Herzog Karl, damals ganz von seiner Lieblingsschöpfung, der Akademie, erfüllt ernannte ihn 1777 unter Beibehaltung seines bisherigen Amtes mit einer Zulage von 300 fl. zum Professor der Cameralwissenschaft an dieser Anstalt, ertheilte ihm auch im folgenden Jahr am Tage einer öffentlichen Disputation, bei welcher der Herzog selbst opponirt hatte, Titel und Rang eines Hofraths (Nachrichten z. Nutzen und Vergnügen von 1778, Stuttg. 11. Dec.). Die Fächer, die A. an der Akademie vortrug, waren Polizei-, Handlungs und Finanzwissenschaft (nach Sonnenfeld), Landwirthschaft mit besonderer Berücksichtigung der Forstwissenschaft und Technologie (nach Beckmann), sowie Rechnungs- und Kanzleiwesen nach eigenem Entwurf. Während dieser Lehrzeit veröffentlichte er seine gediegenen „Sätze aus der Polizei-Handlungs- und Cameralwissenschaft“ (Stuttg. 1778); „Die uneingeschränkte Zertrennung der Bauerngüter“ (1779); „Rede von dem wichtigsten Einfluß einer guten Finanzeinrichtung auf das Wohl eines Staates“ (1780). Erst nach seinem Tode wurde noch aus seinen Manuscripten vom Kanzleiadvocat Christlieb veröffentlicht: „Einleitung in die Amtspraxis eines Rechnungsbeamten“ (Ellwangen 1805) und „Einleitung in das Würtembergische Rechnungswesen“ (1805). Seine Vorlesungsmanuscripte circulirten noch lange nach seinem Tode unter dem würtembergischen Schreiberstande und sind noch heute mitunter im Antiquariatsbuchhandel zu treffen.

So schien bei allseitiger Zufriedenheit mit Autenrieth’s Leistungen, die 1780 [694] auch seine Beförderung zum Rentkammer-Expeditionsrath zur Folge hatte, ein heiterer Himmel über ihm zu lachen, als plötzlich eine schwere Prüfung hereinbrach. Hatte bisher seine rüstige Kraft ausgereicht, um der neben dem Tag noch manche Nachtstunde in Anspruch nehmenden übermäßigen Arbeit zu genügen, welche er sich vermöge der ihm zugefallenen doppelten Bürde in seinem angebornen Thätigkeitsdrang und Pflichtgefühl zumuthete, so fühlte er doch allmählich die Unmöglichkeit, daß es so fortgehe. Eines der Aemter mußte aufgegeben werden. Auch die Rücksicht auf die Pflichten des Familienvaters, der sich mit der vortrefflichen Gattin, einer Tochter des Prälaten Ramsler, der Erziehung von 5 Kindern mit treuer Liebe widmete, machte dies nöthig. Er entschied sich zu Gunsten der praktischen Thätigkeit und bat um Enthebung vom Lehramt; aber vergebens wiederholte er während 5 Jahren sein Gesuch, obwol er seine Stellung an der Akademie ausdrücklich nur als Nebenamt übernommen, sich auch niemals in das Album der Anstalt eingezeichnet hatte. Allein der Herzog, der gewohnt war, seine Unterthanen beiderlei Geschlechts nur als eine Art von Leibeigenen zu betrachten, wollte den brauchbaren Lehrer nicht loslassen. Als A. dennoch submissest seine Bitte wiederholte, erging an den Intendaten der Karlsschule Oberst Seeger der Befehl, von A. eine kategorische Erklärung zu fordern, ob er seine Lehrstunden fortzugeben Willens sei oder nicht (26. Febr. 1787). Als dies verneint ward, erhielt A. am 16. April in ungnädiger Form seine Entlassung, aber nicht nur als Lehrer, sondern auch von dem Amt, desse untere Stufe er käuflich erworben, dessen höheren Grad er durch besondere Beamtentreue erworben hatte. Sein Gehalt ward ihm, einer angeblich in Recht und Brauch begründeten vierteljählichen Kündigungsfrist entsprechend, nur auf ein Vierteljahr noch gewährt. Die Kanzleiordnung enthielt aber kein Wort von einer solchen Kündigung.

Vergebens wandte sich der schwergetroffene Mann an den Geheimrath (23. April 1787) und an den ihm sehr gewogenen Thronfolger Herzog Louis mit der Bitte, um strengere Untersuchung, falls gegen seine Amtsführung Verdächtigungen vorlägen. Doch ward ihm von anderer Seite wirksame Hülfe. Das üble Aufsehen, welche der böse Vorgang im ganzen Lande hervorrief, veranlaßte den größeren Ausschuß der Landschafte, sich ins Mittel zu legen. In einer ausführlichen Eingabe beleuchtete er die Illegalität und Grausamkeit des Verfahrens und die Gefahren einer solchen Procedur für das öffentliche Wohl; sollten Klagen gegen Autenrieth’s Kanzleiführung vorliegen, so müsse ihm Gelegenheit zur Verantwortung gegeben werden. – Diesen letzten Punkt umgingen zwar der Herzog und seine Räthe wohlweislich, aber nach 21 Monaten schwerer Heimsuchung erhielt A. die Ernennung zum Keller (Cameralverwalter) von Schorndorf. Mit gewohnter Pflichttreue, aber ohne innere Befriedigung, versah er 3 Jahre dieses Amt. Seine Revision des Vorganges seiner Dienstentlassung begehrte er auch jetzt ohne Erfolg; aber der durch Alter und besseren Umgang, auch durch die von Frankreich her drohenden Gefahren milder gewordene Herzog suchte seine frühere Härte thatsächlich gut zu machen. 1791 ward A. wieder zum Hof- und Domänenrath ernannt; ein Schreiben des Herzogs vom 4. Oct. 1793 an den „lieben“ Hof- und Domänenrath drückt aus, wie lieb es dem Herzog gewesen sei, ihm diese Gnade zugehen, und ihm auch die Domänenrathsbesoldung, welche er bis zur Anstellung in Schorndorf nicht mehr bezogen habe, auszahlen zu lassen. Auf Autenrieth’s Begehren einer Revision seiner Entlassung einzugehen, lehnt aber ein halb officielles Schreiben vom 11. April 1794 aufs neue ab. – A. aber wollte sich durch gnädige Worte nicht abspeisen lassen. Er faßte den Entschluß, nach Amerika auszuwandern, auf den vielleicht auch die das Vaterland von Frankreich her bedrohenden Gräuel und die Aussicht auf ein [695] kraftloses Regiment im Lande von Einfluß gewesen ist. In Begleitung zweier Söhne, des mit landwirthschaftlichen Kenntnissen ausgerüsteten ältesten und des nächstältesten (nachmal. Kanzler v. Tübingen), der soeben seine medicinischen Studien beendigt hatte, trat er im Frühjahr 1794 die Reise nach Baltimore über Hamburg an. Aber die Eindrücke der neuen Welt auf den würtembergischen Kanzleibeamten waren so wenig befriedigend (der in Lancaster als Arzt practicirende Sohn erkrankte zudem heftig), daß er im folgenden Jahre nach Europa zurückkehrte. In Würtemberg waren inzwischen Herzog Karl und sein Nachfolger Louis gestorben, gestorben auch ein einflußreicher persönlicher Feind Autenrieth’s. Kaum hatte dieser den deutschen Boden betreten, als ihm schon unterwegs (1795) die Ernennung zum Vicedirektor der Rentkammer entgegenkam. 1796 ward er zum wirklichen Director und nach Herzog Eugens Tode von Herzog Friedrich 1799 zum Geheimrath ernannt. So war ihm noch eine reiche Thätigkeit vergönnt, der das Land u. A. die so wohlthätige Einführung der obligaten Brandversicherung dankt. Aber schon 1800 machte eine Herzkrankheit, als deren Folge wol die Aengstlichkeit zu betrachten ist, welche sich in der letzten Zeit des sonst so thatkräftigen Mannes bemächtigt hatte, seinem bewegten Leben ein Ende. Die Kammer mußte 8 Tage um ihren würdigen Chef trauern und der Herzog bezeugte seinen tiefen Antheil in eigenhändigem Schreiben an die mit einer reichen Pension bedachte Wittwe und an den Tochtermann Autenrieth’s, den damaligen Oberregierungsrath Mohl.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 693. Z. 12 v. o. l.: Dr. Riecke. [Bd. 2, S. 797]