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ADB:Balduin V.

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Artikel „Balduin V.“ von Ernst Steindorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 7–9, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Balduin_V.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:07 Uhr UTC)
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Balduin V., Graf, auch Markgraf von Flandern, † 1067 und zugenannt Insulanus, d. i. der von Lille, muthmaßlich, weil er Lille als Stadt bedeutend gehoben hat und dort begraben wurde. Er war ein Sohn Balduins IV., des Bärtigen oder Schönbarts, des ersten Erwerbers von Reichsflandern, und der Otgiva, welche in das luxemburgische Haus gehört, eine Tochter des Grafen Friedrich, eine Nichte der Kaiserin Kunigunde war. Vermählt wurde B. V. mit Adela, einer Tochter des französischen Königs Robert, einer Enkelin Hugo Capets und erzeugte mit ihr drei Kinder: Balduin VI., zubenannt der von Hennegau oder Mons, später selbst Herrscher von Flandern; Robert, zubenannt der Friese, und Mathilde, Gemahlin Wilhelms des Eroberers und durch ihn seit 1066 Königin von England. Balduins V. Regierung über Flandern begann im J. 1035, wo der Vater starb, und verlief über ein Jahrzehnt lang durchaus friedlich; namentlich mit seinem deutschen Lehnsherrn, mit König Heinrich III. lebte B. anfänglich in gutem Einvernehmen. Ostern 1045 erschien [8] einer seiner Söhne zu Goslar, am Hofe des Königs, leistete den Treueid und wurde dafür mit einem Gebiet belehnt, welches der bezüglichen Quelle zufolge an Flandern angrenzte und von dem damals noch rebellirenden Herzog Gotfried von Oberlothringen in Anspruch genommen wurde. Gemeint ist wahrscheinlich Stadt und Mark Antwerpen. Bald aber änderten sich diese friedlichen Beziehungen Balduins zu Heinrich III.. Als im Herbste des J. 1047 Gotfried sich zum zweiten Male gegen den Kaiser empörte, ergriff B., der seinerseits, wie es scheint, den Grafen Hermann von Mons oder Hennegau nach sich zog, offen die Partei Gotfrieds, rückte in Brabant ein, besetzte es bis zum Dender und unterstützte Gotfried bei den Hauptunternehmungen, durch welche dieser die kaiserliche Macht über Lothringen zu brechen versuchte, so bei der Zerstörung der Pfalz von Nimwegen und bei der Einäscherung Verduns. Der Kaiser führte seinen Gegenschlag im J. 1049 und zwar mit dem Aufgebot seiner gesammten Macht, mit Unterstützung auch des Papstes Leo IX., der B. sowol als Gotfried excommunicirte, und mit dem Beistande der nordischen Herrscher, des Dänenkönigs Svend und des Königs Edward von England, welche dem Kaiser ihre Flotten zur Verfügung stellten. So allseitig bedrängt, verloren die Rebellen den Muth zu weiterem Widerstande und suchten ihren Frieden zu machen, Gotfried zuerst, aber dann auch B., nachdem der Kaiser selbst über Cambray in Flandern eingerückt und das damals schon blühende Land verheerend bis über Arras hinaus vorgedrungen war. Da ließ B. sich auf Verhandlungen ein, leistete dem Kaiser einen Eid der Treue und der Friede war wiederhergestellt, indessen nur für sehr kurze Zeit, kaum für Jahresfrist. Denn schon im J. 1051 kam es zu weiteren Irrungen, da B., um die Macht seines Hauses auf dem rechten Scheldeufer, auf deutschem Reichsgebiet, auszubreiten, nicht nur gestattete, daß sein gleichnamiger Sohn, Balduin VI., sich mit der eben damals verwittweten Gräfin Richildis von Mons vermählte, sondern auch selbst eigenmächtig vorging und den Hennegau, beziehungsweise die Hauptburg Mons in seine Gewalt brachte. Verschärft wurde diese neue Entzweiung durch gleichzeitige Streitigkeiten um die Burgvogtei von Cambray. Im J. 1051, wo der Kaiser ohnehin schon mit König Andreas von Ungarn einen harten Kampf zu bestehen hatte, überließ er die Bekämpfung Balduins dem erst jüngst begnadigten und damals noch reichstreuen Gotfried. Aber im J. 1054, nachdem B. mittlerweile wieder allerlei Erfolge gehabt, u. a. die Lüttich'sche Festung Huy an der Maas zerstört hatte, wurde er vom Kaiser selbst angegriffen und Flandern von einem kaiserlichen Heere hart bedrängt. Indessen behauptete B. sich trotz alledem und obgleich der Kaiser nach Ueberschreitung der Schelde bis in die Nähe von Lille vorrückte, ja sogar fast unter den Mauern der Stadt dem Gegner eine empfindliche Niederlage beibrachte. Aber die Stadt selbst zu nehmen, gelang ihm nicht. B. blieb Herr derselben und rettete damit zugleich seine Herrschaft über das ganze Land; auch Tournay, welches der Kaiser nach dem vergeblichen Angriff auf Lille belagert und erobert hatte, ging ihm nicht dauernd verloren. Schon im J. 1055 war B. wieder der angreifende Theil und zwar im Bunde mit Gotfried von Lothringen, dem es der Kaiser nicht verzeihen konnte, daß er sich im J. 1053 ohne sein Vorwissen mit der verwittweten Herzogin Beatrix von Tuscien vermählt hatte. So aufs neue und tödtlich mit Heinrich III. verfeindet, wurde Gotfried wieder der natürliche Bundesgenosse Balduins: sie rückten zusammen vor Antwerpen, wo sich der niederlothringische Herzog Friedrich festgesetzt hatte. Die Belagerung mißlang aber weil die übrigen Lothringer ihrem Herzog zur Hülfe eilten. Solange Heinrich III. lebte wurde der Friede nicht wiederhergestellt. Dieses geschah erst einige Zeit nach dem Tode des Kaisers unter Vermittelung des Papstes Victor II., der sich angelegen sein ließ, die Regierung des unmündigen Heinrich IV. [9] allseitig friedlich einzurichten. Auf einem allgemeinen Reichs- und Fürstentage zu Köln, Anfangs December 1056, wurde der Streit zwischen der Krone und den lothringisch-flandrischen Rebellen, in Sonderheit mit B. beigelegt: er oder vielmehr sein Sohn behielt den Hennegau, wie denn auch die Vermählung mit Richilde fortan unangefochten blieb; ferner ist es sehr wahrscheinlich, daß B. V. für den Eid der Treue, den er dem König leistete, von diesem aufs neue Reichsflandern zu Lehn erhielt. Während der letzten zehn Jahre seines Lebens tritt B. in deutschen Angelegenheiten nicht mehr hervor: er richtete seine Thätigkeit vorzugsweise auf die innere Regierung seines Landes – vor Allem den Kirchen und Klöstern derselben erwies er sich als ein gnädiger Herr – und auf Frankreich. Denn als im J. 1060 sein Schwager König Heinrich I. starb, übernahm er für seinen jugendlichen Neffen, den König Philipp, die vormundschaftliche Regierung und führte sie in einer Weise, welche ihm das Lob eines klugen und ehrenhaften Regenten eingetragen hat. Am 1. September (nach Andern schon am 24. April) 1067 starb B. V.; in der St. Peterskirche zu Lille, seinereigenen Stiftung, wurde er begraben. Einen gleichzeitigen Biographen hat er nicht gefunden, wol aber sind ihm speciell in einer um 1170 geschriebenen, ziemlich eingehenden Genealogie der Grafen von Flandern, in der sogenannten “Flandria Generosa“, (Mon. Germ. SS. IX. 318 sq.) mehrere Capitel gewidmet, wie denn auch schon ältere flandrische Werke der Art, z. B. die „Genealogia Bertiniana“, ebendort S. 306, von ihm Notiz genommen haben. Dazu dann die Urkunden Balduins, deren es eine nicht unbeträchtliche Menge gibt: mehrere derselben findet man bei van Lokeren, “Chartes et documents de l’abbaye de Saint Pierre au Mont Blandin à Gand, T. I.“ Gand 1868. 4. Zu den wichtigeren Quellen gehören die zeitgenössische Bisthumsgeschichte von Cambray und die Chronik von S. Andreas zu Cateau-Cambresis: besonders mit ihrer Hülfe lassen sich die mehrfach ungenauen und unklaren Nachrichten der „Flandria Generosa“ leicht berichtigen. Nicht ohne Nutzen wird man auch die spätmittelalterliche und schon halb moderne Chronistik Flanderns, des Johannes von Ypern (Iperius) „Chron. Bertinianum“ und Jacobus Meyer „Compendium Chron. Flandriae“ zu Rathe ziehen.

Vgl. Kervyn de Lettenhove, Histoire de Flandre I. 234 sq. T. I. p. 79 sq. (unkritisch; besser); Le Glay, Histoire des comtes de Flandre I. 148–177 und L. A. Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte I. 117 ff.