ADB:Balduin I. (Graf von Flandern)
Karls des Kahlen. Hier lebte des Königs Tochter Judith, welche in erster Ehe mit König Ethelwolf von England und dann mit ihrem Stiefsohn Ethelbald vermählt gewesen war, als Wittwe in aufgezwungener Abgeschiedenheit. B. entführte sie, im Einverständniß mit ihrem Bruder Ludwig und von ihrem Vetter König Lothar II. freundlich aufgenommen. Zwar erlangte Karl den Bannspruch wider die heimlich Vermählten; aber B. und Judith gingen nach Rom, erbaten dort vom Papst Nicolaus I. die Lösung und erhielten auch auf des Papstes Fürsprache die Verzeihung des Vaters. Nachdem ihre Ehe zu Auxerre feierlich bestätigt war, ward B. mit der Markgrafschaft über das Küstenland von dem Ausfluß der Aa bis an die Scheldemündungen, d. h. über das nachmals als das königl. Flandern bezeichnete Gebiet, belehnt. Er hat das Land mit kräftiger Hand gegen die Räubereien der Normannen geschützt. Seinen Wohnsitz hatte er gewöhnlich in der von ihm zu Brügge erbauten Burg. Vor seinem Tod nahm er das Mönchskleid und starb in der Abtei des h. Bertin.
Balduin I., Graf von Flandern, der Eiserne (Eisenarm) genannt, † 878 oder 79. Er entstammte einem edlen westfränkischen Geschlechte und kam in seiner Jugend an den HofDa Flandern untheilbar nach dem Rechte der Erstgeburt vererbte, folgte ihm hier sein ältester Sohn Balduin II., der Kahle († 919), vermählt mit einer [7] Tochter K. Alfreds d. Großen; in der Vertheidigung seines Landes gegen die Normannen seinem kräftigen Vater wenig gleich. K. Karl den Einfältigen unterstützte er im Kampf gegen Graf Eudo von Paris. Den übelsten Nachruf hat er sich durch die von ihm angestiftete Ermordung Erzbischofs Folker von Rheims gemacht. Diesem hatte K. Karl die Abtei des h. Bertin übertragen, welche B. nicht fahren lassen wollte. – Es folgte ihm sein Sohn Arnulf (919–964), welchem sein Sohn Balduin III., nachdem er ihm schon einige Zeit als Mitregent zur Seite gestanden hatte, 961 im Tode voranging.
Auf Balduins III. Sohn Arnulf II. († 989) folgte dann wieder sein Sohn Balduin IV., der Bärtige, † 1035. Seine Mutter Susanne, eine Tochter des entthronten Königs Berengar von Italien, führte während seiner Minderjährigkeit die Regentschaft. Er vermählte sich später mit Otgiva, einer Nichte der Königin Kunigunde, der Gemahlin Heinrich’s II. Unter den drohenden Unruhen gegen Heinrich II., welche sich 1005 im Westen des Reichs erhoben, nachdem Niederlothringen dem Herzog Gottfried verliehen war, glaubte B. dem alten Streben seines Hauses nach Gebietserweiterungen auf Kosten des Reiches genügen zu können. Er bemächtigte sich der zum Reiche gehörigen Stadt Valenciennes, aus der er den Grafen Arnulf vertrieb, und der kaiserlichen Pfalz in Gent. Die Gefahr für K. Heinrich war um so größer, als zu befürchten stand, daß es B. gelingen werde, K. Robert von Frankreich als seinen Lehnsherrn mit an sein Interesse zu binden. Durch Vermittelung Bischof Notker’s von Lüttich wußte aber Heinrich den König 1006 vielmehr auf seine Seite zu ziehen und die beiden Könige erschienen persönlich mit Herzog Richard von der Normandie im September 1006 im Feld vor Valenciennes. Der Markgraf nöthigte sie jedoch durch muthvolle Vertheidigung zum Abzug. 1007 griff König Heinrich mit verstärkter Macht an, besetzte Gent am 19. August und verheerte von dort Balduins Land, bis dieser sich beugen und Valenciennes herausgeben mußte. Der König gab es ihm aber, um vor seiner ferneren Theilnahme an den Niederlothringer Wirren sicher zu sein, als Reichslehen zurück, dem er auch Gent und 1012 noch die Insel Walchern hinzufügte, zusammen das Gebiet, durch welches Flandern von nun an Reichslehen ward, „Reichsflandern“ genannt. Noch einmal mußte Kaiser Heinrich 1020 gegen B. einen Kriegszug unternehmen, dem durch die Besetzung Gents am 5. Aug. rasch ein Ende gemacht wurde und als 1025 B. sich rüstete, um die große Fürstenverschwörung dieses Jahres gegen K. Konrad II. auch seinerseits in den Waffen zu unterstützen, wurden die Pläne der Verbündeten in Lothringen durch Herzog Gozelo’s Rücktritt zum König vereitelt, ehe der Kampf zum Ausbruch kam. – (Vgl. Giesebrecht, Kaisergesch. II. 3. Ausg. 49 ff. 168. 235 ff. Biogr. nat. Belg.)