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ADB:Karl der Kahle

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Artikel „Karl II., der Kahle, König der Westfranken“ von Ludwig Friedrich Karl von Kalckstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 152–157, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_der_Kahle&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 23:48 Uhr UTC)
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Karl II., der Kahle, König der Westfranken, römischer Kaiser, geb. am 13. Juni 823 in Frankfurt a/M., † am 6. October 877, Sohn Kaiser Ludwig des Frommen und der Welfin Judith. Judiths Streben, K. trotz der Verfügung ihres Gemahls über das Reich zu Gunsten der Söhne erster Ehe [153] Herrschaft über möglichst viel Land und Leute zu verschaffen, trug wesentlich zum Verfall des Frankenreichs bei. Verschleuderte Kron- und Kirchengüter sollten dem Knaben Freunde schaffen. Seinetwegen förderte Judith die steigende Macht des übermüthigen und herrschsüchtigen Bernhard von Septimanien, was ihr die schlimmste Nachrede zuzog. Gleichzeitig mit Bernhards Erhebung zum Kämmerer im August 829, erhielt K. die mütterliche Heimath, Alemannien mit Churwalchen und burgundischen Gebieten, wahrscheinlich in der romanischen Schweiz, als Herzogthum. Obwol Lothar, schon Mitregent des Vaters, die Verleihung im Voraus genehmigt hatte, wurde sie 830 ein Hauptgrund zur Empörung der drei älteren Söhne gegen Ludwig. Durch eine Reaction des germanischen Elements wieder hergestellt, verlieh der Kaiser im Oktober 832 seinem Lieblinge zu Jouac auf Pippins Kosten das Königreich Aquitanien, hoffte es wol noch durch Verständigung mit Lothar, die Judith immer wieder betrieb, zu erweitern. Aber nach Ludwigs und Karls Gefangennahme auf dem Lügenfelde am 30. Juni 833 fielen Karls Gebiete an seine Stiefbrüder. Von Soissons ins Kloster Prüm in strengen Gewahrsam gebracht, scheint K. dann zu St. Denis die Gefangenschaft des Vaters getheilt zu haben. Der durch Lothars Uebermuth herbeigeführte Umschwung befreite sie Anfang 834. Während in der nächsten Zeit Alemannien der Kern eines bis Rheims, Mâcon und ans Mittelmeer sich erstreckenden Reiches für K. bilden sollte, wurden ihm gegen Ende 837 auf dem Reichstag zu Aachen mit Zustimmung Pippins und Ludwigs des Deutschen, deren Interesse besser entsprechend, die Länder von Friesland über Mastricht, Toul, Auxerre, Sens, Melun, Chartres, Paris bis zum Kanal und zur Nordsee verliehen, nach dem Ausdruck eines Zeitgenossen der beste Theil des Reiches. Die Großen desselben huldigten dem Knaben. Mitte September zu Quierzy an der Oise wehrhaft gemacht, erhielt er das Herzogthum Maine und die Küstenlande zwischen Loire und Seine und nahm dort persönlich die Huldigung entgegen. Nach Pippins Tod am 13. December wurde K. auf dem Reichstage zu Worms im Juni 839 Aquitanien übertragen, aber erst 864 brachte er Pippins gleichnamigen Sohn für immer in seine Gewalt. Gemäß einer von Judith mit Lothar getroffenen Verständigung sollten Maas, Saone, Rhone bis zum Genfer See die Ostgrenze von Karls Reich bilden, nur Baiern Ludwig dem Deutschen bleiben, aber Lothar hoffte nach dem Tode Ludwigs des Frommen, mit Hülfe Pippins II. auch Gebiete Karls an sich reißen zu können. Nur durch den im Frühjahr 840 zu Attigny geschlossenen, 842 durch die berühmten Eide zu Straßburg bekräftigten Bund mit seinem Stiefbruder Ludwig und durch die Ergebenheit weniger Treuer, wie des Geschichtschreibers Nithard, errang K. den Sieg bei Fontenoy und im Vertrag von Verdun im ersten Drittel des August 843 den Besitz des Westfrankenreichs, d. h. den größten Theil von Frankreich mit der spanischen Mark. Die als vielhundertjährige Grenze des deutschen Reiches (seit 879) zu berücksichtigende Ostgrenze lief von der unteren Schelde oberhalb Cambray den Kohlenwald entlang, dann östlich bis in die Nähe der Maas, die Argonnen entlang, erreichte dann die Saone und damit das spätere Reich Burgund. Bei Châlon gehörte noch ein kleines Gebiet auf dem rechten Saoneufer zum Westfrankenreich, dann wandte sich dessen Ostgrenze südlich Mâcon den Auvergne, Velay und Gévandan begrenzenden Gebirgen zu und zog nördlich von Nimes rhoneabwärts bis zur westlichen Mündung. Selbst durch eine besondere Krönung für Aquitanien (848) zu Limoges, dann dessen Verleihung an seine Söhne, zunächst 855 den jüngeren Sohn Karl, konnte der Vertreter der noch lange halbgermanischen Karolinger die ganz überwiegend romanischen Aquitanier nicht an sich fesseln, die größten Theils keltischen Bretonen waren thatsächlich unabhängig, zeitweise Herren der an die Bretagne grenzenden Gebiete, 863–74 sogar des Landes zwischen Mayenne [154] und Sarthe. Beide unterstützten häufig die Raubzüge der Normannen von den Flußmündungen aus, während Sarazenen die Länder am Mittelmeer heimsuchten, da sich der Heerbann trotz der namentlich 864 auf dem Reichstag zu Pistres unweit Pont de l’Arche gemachten Versuche nicht wieder beleben ließ. K., schon vom Zeitgenossen Hucbald von S. Amand in einem Gedicht zum Preise der Kahlen als calvus bezeichnet, war unter seinen wechselvollen Geschicken ein schwankender, launenhafter Charakter geworden. Von der Mutter hatte er reiche Gaben und geistige Interessen geerbt. Walafried Strabo war sein Lehrer, ein Scotus Erigena zierte seine Hofschule –, aber auch Hang und Geschick zur Intrigue. Gleich dem Vater gab er sich bald dem Einfluß der durch Hinkmar, Erzbischof von Rheims, thatkräftig geführten Geistlichkeit, bald dem von Frauen und Günstlingen hin. Lange kämpften die Verwandten Irmintruds, der Nichte des mächtigen Grafen Adalhard, mit der sich K. am 13. December 842 zu Quierzy vermählt hatte, mit den Brüdern seiner kurz darauf gestorbenen Mutter, Graf Konrad von Paris und Auxerre, und Rudolf, Laienabt von S. Riquier und Jumièges bei Rouen, Graf eines Gaues an der Küste, um den höchsten Einfluß auf die Geschicke des Reiches. Wie seinem Vater, fehlte es K. an Entschlossenheit in der Gefahr, er zeigte bald schmähliche Schwäche, bald willkürliche Härte. Der dringende Wunsch der meisten vielfach in mehreren karolingischen Reichen begüterten weltlichen und geistlichen Großen war ein durch gemeinsame Versammlungen der Fürsten und Großen, sogenannte Frankentage, befestigtes Bündniß gegen äußere und innere Feinde, aber es fehlte meist an dem nothwendigen Vertrauen zwischen den karolingischen Herrschern und blieb daher fast immer bei gemeinsamen Drohungen und Mahnungen. Hatte auf dem Frankentag zu Meersen bei Mastricht 847 Ludwig den Vermittler zwischen Kaiser Lothar und Karl gespielt, so glaubte er wenige Jahre später, daß K. die Bedingungen ihres Bündnisses nicht halte, und sandte 854 den Aquitaniern auf ihren Wunsch seinen gleichnamigen Sohn als König, der freilich nach geringen Erfolgen heimkehrte, gewann dann Ende 858 fast ohne Schwertstreich einen großen Theil des westfränkischen Reiches. Unter solchen Verhältnissen entwickelte sich im Westfrankenreich noch rascher als in den übrigen die Macht der Lehensträger, als welche sich auch bald alle Beamten der karolingischen Staatsordnung ansahen. K. war es, der auf jenem Frankentag aussprach, jeder Freie solle ihn oder einen seiner Getreuen zum Lehnsherrn wählen und sei, außer bei allgemeinem Aufgebot gegen einen Einfall, mit seinem Herrn zu ziehen verpflichtet. Die durch den Verfall des Heerbanns steigende Abhängigkeit von dem Aufgebot der Lehnsmannen zwang zu immer umfassenderer Verschleuderung der Krongüter und machte es unmöglich, die auf dem Frankentag zu Juditz bei Diedenhofen 844 mit einigen Beschränkungen versprochene Beseitigung der Laienäbte und der Verleihung von Kirchengütern an Laien durchzuführen. In seiner Besorgniß vor Ludwig, gegen den Kaiser Lothar und seinen gleichnamigen Sohn sich als unzuverlässige Verbündete erwiesen, schloß K. am 11. October 856 mit den gegen ihn Verschworenen zu Chartres einen förmlichen Frieden. Sie durften sich verbinden und widersetzen, wenn er sie in ihren Gütern und Rechten bedrohte. Seinen Anhängern schwor K. am 1. März 857 zu S. Quentin, er wolle die Treue und Hülfe seiner Vassallen verdienen. Die Haltung Hinkmars und seiner Suffragane, die frühe Entlassung des deutschen Heeres und die Rückkehr der Söhne Konrads von Paris, Graf Konrad und Abt Hugo von S. Germain in Auxerre, zur Sache Karls zwangen Ludwig im Januar 859 zur Räumung des Westfrankenreiches. K. verband sich mit Lothar II. und dessen Bruder Karl von Provence, erkannte auf der aus den drei Reichen beschickten Synode von Savonnières bei Toul im Juni im Urtheil der Bischöfe Gottes Stimme und [155] gestand ihnen das Absetzungsrecht zu. Trotz dieser Demüthigung mußte er Ludwigs Anhängern im Frieden zu Coblenz am 7. Juni 860 volle Amnestie, Rückgabe aller nicht von Karl geschenkten Allodien zugestehen und versprechen, hinsichtlich ihrer Lehen Ludwigs Vermittelung anzunehmen. Einzelnen Empörern gewährte er noch mehr. Die dem Emporkömmling Robert dem Tapferen, Sohn des eingewanderten Sachsen Witichin und Stammvater der Capetinger zugestandenen Gebiete bildeten, nach Roberts Fall bei Brisserthe unweit Angers im Herbst 866 meist dem Abt Hugo verliehen, größtentheils die Grundlage der schon Karls Enkel, Karl dem Einfältigen, verderblichen capetingischen Macht. Judiths Gier nach immer weiteren Gebieten für ihren Sohn, war auf Karl vererbt, so wenig er das eigene Reich gegen äußere Feinde und Empörung zu schützen vermochte. Er hatte noch bei Lebzeiten des eben erst verbündeten Karl von Provence im Herbst 861 dessen Reich zu erobern gesucht. Dann nutzte er die Verstoßung Thietberga’s durch Lothar II. und dessen von der Kirche verworfene Ehe mit Waldrada zu großen Gebietserwerbungen aus. Nach einigen Versuchen zur Verständigung mit Ludwig dem Deutschen über eine Theilung des fränkischen Mittelreichs bemächtigte er sich, als Lothar 869 gestorben war, während einer Krankheit Ludwig des Deutschen sofort seines Reiches und ließ sich zu Metz am 9. September krönen. Nicht das Eintreten Papst Hadrians II. für den allein noch lebenden Sohn Kaiser Lothars, Kaiser Ludwig II., sondern der theilweise Abfall der Bewohner Lothringen’s, wie man den nördlichen Theil jener Gebiete bald zu nennen begann und das Bewußtsein der ostfränkischen Ueberlegenheit bewogen K. schließlich, am 8. August 870 in den Theilungsvertrag zu Meersen zu willigen. Derselbe ist trotz nur neunjährigen Bestandes merkwürdig, weil die Grenzlinie im wesentlichen der deutsch-französischen Sprachgrenze entsprach. Die Maas bis Lüttich hinauf, die Ourthe bis zur Quelle mit Ausschluß der Grafschaft Condroz, die Mosel von unterhalb Remich bis oberhalb Toul, ausschließlich der Gegend von Diedenhofen und Metz, die Westgrenze des Gaues Bassigny an der Marne, die obere Saone, der Gau Waraschken und der Neufchateler und untere Genfersee wurden die Grenze gegen das Ostfrankenreich, Vienne der südlichste Grenzgau gegen das italienische Ludwigs II. Vienne fiel nach tapferem Widerstand am Ende des Jahres. Karls Söhne, Ludwig der Stammler, dem 856 Neustrien, d. h. das Land zwischen Seine und Loire, als Königreich bestimmt worden war, und Karl von Aquitanien hatten sich Anfang 862 empört, sich aber bald unterwerfen müssen. Als Karl nach längerem Siechthum 866 gestorben war, sandte der Vater Ludwig 867 als dessen Nachfolger nach Aquitanien und ließ ihn 870 zu Rheims, nachdem er eine wider Karls Willen heimgeführte Gattin verstoßen und eine dessen Wunsch entsprechende Ehe geschlossen hatte, als künftigen Westfrankenkönig anerkennen. Ein anderer Sohn Karlmann sollte gleich seinem 865 gestorbenen Bruder Lothar in reichen Abteien Ersatz für den versagten Antheil am Reich finden. Durchaus ungeistlich gerichtet, empörte er sich im Herbste 870, ohne mehr als eine Steigerung des unausrottbaren Raubwesens zu erreichen. Papst Hadrian, der schon früher für den unter Hinkmars Leitung angesetzten Bischof Rothad von Soissons eingetreten war, nahm sich auch eines anderen Rheimser Suffragans, Hinkmars gleichnamigen Neffen, Bischof von Laon, an, der Anfang 871 die Theilnahme an der Excommunication Karlmanns verweigerte, ebenso des Prinzen selbst. K. hatte mehrfach die von Hinkmar eifrig vertretenen Rechte der gallikanischen Kirche der Kurie preisgegeben und hatte mit seinem Klerus die Prädestinationslehre des Sachsen Gottschalk unterdrückt. Aber die jetzigen päpstlichen Ansprüche ließ er 872 entschieden zurückweisen. Karlmann hatte sich unterwerfen müssen, wurde 873 des geistlichen Charakters entkleidet und geblendet. [156] Er entkam aus dem Kloster Corbie zu Ludwig dem Deutschen. Denn statt an Befestigung der durch die kriegerische Tüchtigkeit Robert des Tapferen und des Abtes Hugo, durch Hinkmars klugen Rath in mancher Beziehung gebesserten inneren Zustände zu arbeiten, lockte K. die Normannen durch schmähliche Tributzahlungen zu immer häufigeren Einfällen. Der geringe Ertrag der hohen Normannensteuern beweist die Machtlosigkeit der Krone und die Erschöpfung des Landes; die dem königlichen Ansehen gefährlichen, 864 auf dem Reichstag zu Pistres vergeblich verbotenen Burgen mehrten sich rasch, denn nur Befestigungen boten noch Sicherheit. Auch hinsichtlich der Erbschaft des söhnelosen Ludwig II. betrieb K. die Verständigung mit seinem Stiefbruder nicht ernstlich. Alle Einsichtigen, auch Hinkmar, der eifrige Förderer der Pläne auf Lothringen, erkannten das Thörichte der unersättlichen, nur mit Hülfe Papst Johanns VIII. zu befriedigenden Ländergier. Nur Boso, aus einem lothringischen Geschlecht, dessen Schwester Richilde K. unmittelbar nach Irmintruds Tod, im Herbst 869 geheirathet hatte, den er zum Grafen von Vienne und Hauptrathgeber Ludwig des Stammlers im aquitanischen Königreich gemacht, und der die königliche Gunst voll Habgier und Bestechlichkeit mißbrauchte, unterstützte seine italienische Politik. K. eilte auf die Kunde vom Tode Ludwig II. über die Alpen, urkundete schon am 25. Septbr. 875 als König von Italien. Karl von Schwaben, nachmals Kaiser Karl III., war zu unfähig, dem Oheim Italien erfolgreich streitig zu machen. Dessen thatkräftigen Bruder Karlmann von Baiern bewog K. durch trügerische Anerbietungen zum Waffenstillstand, und konnte am Weihnachtsfest aus Johanns VIII. Händen in S. Peter die Kaiserkrone empfangen. Indessen aber rückte Ludwig der Deutsche fast ohne Widerstand ins westfränkische Reich ein. Aehnlich, wie einst 858, versicherte er, nun Alles verbessern und gutmachen zu wollen, was K. an Ungerechtigkeiten verschuldet oder zugelassen und der Kirche und ihren Dienern Schutz und gebührende Ehre gewähren zu wollen. Während viele Große, auch Bischöfe, dem Ostfrankenkönig zufielen, hielt Hinkmar trotz seiner Verstimmung über K. den Kahlen, der durch Anerkennung des Erzbischofs Ansegis von Sens als apostolischen Vicar für Gallien und Germanien die Rechte von Rheims und der westfränkischen Kirche opferte, die meisten Suffragane bei der Treue gegen K. fest. Ludwig, der nur größere Rücksicht auf seine Ansprüche an die Erbschaft Kaiser Ludwigs erzwingen wollte, zog sich schon im Januar 876 zurück. Sein Tod am 28. August war ein neuer Glücksfall für K., stachelte ihn aber nur zu dem Versuche an, Lothringen wieder zu gewinnen, vielleicht sogar die Gaue von Speier, Worms und Mainz zu erobern. Aber er wurde am 8. October bei Andernach von Ludwig dem Jüngeren, der seinem Vater in Franken und Sachsen gefolgt war, entscheidend geschlagen. Durch die Widonen von Spoleto und andere Feinde hart bedrängt rief der Papst seinen Kaiser immer aufs neue zu Hülfe. K. kaufte 877 wieder die Normannen durch einen für die Kräfte der Westfranken sehr schweren Tribut ab und machte den widerwilligen Großen auf dem Reichstage zu Quierzy im Juni große Zugeständnisse. Dieselben sind vielfach als allgemeine Anerkennung der Erblichkeit der Lehen aufgefaßt worden, diese wurde jedoch nur bedingt und theilweise zugestanden. Wenn ein an Karls Römerzug betheiligter Graf einen kleinen Sohn hinterlassen, sollte Ludwig der Stammler, als Vertreter des Kaisers, ihm das Grafenamt anvertrauen, das Gleiche hinsichtlich aller kaiserlichen Vassallen beobachtet werden. Bischöfe, Aebte, Grafen und sonstige Getreue sollen ihren Vassallen gegenüber ebenso verfahren. Auch Getreue, die nach Karls Tode aus Liebe zu Gott oder um für sein Seelenheil zu beten, der Welt entsagen, sollen ihre Lehen einem Sohne oder Verwandten übertragen dürfen. Immerhin standen diese Bestimmungen in schroffem Widerspruch zu seinem Verfahren nach [157] dem Tode Robert des Tapfern und des um K. hochverdienten Grafen Ramnulf von Poitou gegen deren Söhne, wo er keinen Anspruch auf Erblichkeit der Lehen anerkannt hatte. Kaum war K. mit geringer Mannschaft über die Alpen gezogen, so brachte ihn der Anmarsch Karlmanns von Baiern in harte Bedrängniß und er vernahm die Schreckenskunde, daß sein noch vor kurzem zum Statthalter Italiens ernannter Schwager Boso, der neustrische Markgraf Abt Hugo und die beiden Markgrafen Bernhard von Auvergne und von Gothien, sich empört hätten. Schon im Vorjahr schwer krank, wurde K. fiebernd über den Montcenis geschafft und starb zu Brios, einem Weiler des Arcthales in den Armen Richildens. Wegen der rasch eintretenden Verwesung wurden seine Ueberreste im nahen Kloster Nantua, erst nach einiger Zeit, wie es K. gewünscht, im Kloster S. Denis beigesetzt. K. hinterließ trotz seiner großen Begabung und der ihm oft zu Theil gewordenen Gunst des Glückes dem einzigen überlebenden Sohn Ludwig dem Stammler das Westfrankenreich im Aufruhr und den Krieg mit den ostfränkischen Stammesvettern. Die Volksfreiheit war großentheils geschwunden, der Wohlstand zerrüttet, ein großer Theil des Reiches die Beute nordischer Barbaren.

Voss, De Carolo calv. Diss., Halae 1844. Von Darstellungen der Zeit namentlich Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Ludwig dem Frommen von Simson, Jahrbücher der deutschen Geschichte, Lpzg. 1876. Geschichte des ostfränkischen Reiches von Dümmler, Berlin 1862 u. 1865. Geschichte des französischen Königthums unter den ersten Capetingern von v. Kalckstein. v. Noorden, Hinkmar, Erzbischof von Rheims, Bonn 1863.