Zum Inhalt springen

ADB:Karlmann (ostfränkischer König)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Karlmann, König von Baiern und von Italien“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 397–400, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karlmann_(ostfr%C3%A4nkischer_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:09 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 15 (1882), S. 397–400 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karlmann (Ostfrankenreich) in der Wikipedia
Karlmann in Wikidata
GND-Nummer 118640127
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|397|400|Karlmann, König von Baiern und von Italien|Sigmund Ritter von Riezler|ADB:Karlmann (ostfränkischer König)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118640127}}    

Karlmann, König von Baiern (876–879) und von Italien (877 bis 879), † am 22. September 880, der älteste Sohn Ludwig des Deutschen und der Königin Hemma. 842 wird seiner zuerst gedacht, da er dem Vater zum Kampfe gegen den Oheim Lothar ein starkes bairisch-schwäbisches Heer zuführte. Seine bei Mainz vollzogene Vereinigung mit den väterlichen Truppen entschied den Feldzug zu Gunsten Ludwigs des Deutschen. Die Leitung der bairischen Marken im Osten und Südosten, einschließlich Kärnthens, die ihm sein Vater 856 übertrug, stellte K. schwierige und bedeutsame Aufgaben. Seit Jahren suchten die Böhmen und mit noch größerer nationaler Kraft die Mährer an der Grenze der bairischen Ostmark der Abhängigkeit von den Deutschen sich zu entwinden. An den Feldzügen, die gegen diese Slaven wiederholt unternommen worden, mag sich K. schon vorher betheiligt haben; ihre Fortsetzung ward nun seine eigentliche Lebensaufgabe, und während er später als Regent, bald von Krankheit gelähmt, nur geringe Wirksamkeit entfalten konnte, errang er als Prinz in diesen Kriegen den Ruhm glänzender Tapferkeit und ansehnliche Erfolge. In dem umfassenden Slavenkriege, der 858 geplant war, sollte K. dem gefährlichsten der Gegner, dem Herzoge Rastislav von Mähren, entgegenziehen, doch als sich die Heere im Juli eben versammelt hatten, ward König Ludwig nach dem Westen abberufen und von den beabsichtigten Feldzügen nun, wie es scheint, nur der gegen die Abodriten ausgeführt. K. war verheirathet mit einer Tochter des mächtigen Grafen Ernst von der böhmischen Mark. Dieser ward 861 auf die Anklage der Untreue hin gestürzt und, sei es als Ursache, sei es als Folge, es hing wol damit zusammen, daß K. um diese Zeit eigenmächtig alle Grafen in seinen Marken absetzte und durch ihm ergebene Anhänger ersetzte. Man warf ihm auch geheimes Einverständniß mit Rastislav von Mähren vor, und wenn der von König Ludwig mit Unterpannonien belehnte Häuptling Priwina damals von den Mährern erschlagen ward, fragt sich, ob ihn etwa K. als Preis des Bündnisses dem Herzoge Rastislav geopfert habe. Im karolingischen Hause war die Auflehnung der Söhne gegen den Vater ein hergebrachtes Uebel; indessen ist es unmöglich über Karlmanns Schuld ein sicheres Urtheil zu fällen; der Geschichtschreiber [398] Rudolf von Fulda erklärt nicht nur die damaligen, sondern auch die späteren Anklagen gegen K. als unbegründet. In der That wußte K., als er 862 unter freiem Geleite in Regensburg vor dem Vater erschien, den Aemterwechsel, den er angeordnet, zu rechtfertigen und gegen das eidliche Versprechen, gegen des Vaters Willen nichts zu unternehmen, ward ihm der Besitz der Marken vorläufig bestätigt. Bald aber wurden neue Klagen laut, daß K. mit Rastislav im Bunde auf Empörung sinne. Auf einer Versammlung der bairischen Großen erklärte König Ludwig öffentlich, nie wieder, so lange er am Ruder sei, solle K. zu Ehren und Aemtern gelangen. Dieser war bereits auf dem Wege zum Vater, kehrte aber auf die Kunde von dessen gereizter Stimmung nach Kärnthen zurück. Im Frühjahr 863 zog der König gegen ihn ins Feld und gewann die Oberhand durch den Uebertritt des Grafen Gundakar, der, von K. zum kärnthischen Markgrafen erhoben, für diesen die Furth der Schwarzau bei Schottwien decken sollte. Ludwig fürchtete, daß K., der auf dies die Flucht ergriffen hatte, sich in das Westreich wenden werde und ließ seinen Bruder Karl ersuchen, ihm keinen Schutz zu gewähren. K. jedoch stellte sich, nachdem mehrere Große für seine Sicherheit Bürgschaft geleistet, bald darauf freiwillig dem Vater. Auf dessen Befehl ward er zu Regensburg in freier Haft gehalten, bis er 864 unter dem Vorwande eines Jagdausfluges entwich und in die Marken zurückkehrte, wo ihn die Grafen, selbst Gundakar, wieder als ihren Oberherrn anerkannten. Eine Unterredung mit dem Vater, der ihm auf dem Fuße nachgefolgt war, erwarb ihm dessen Verzeihung und den Wiederbesitz seiner früheren Stellung; das Jahr darauf erfolgte eine völlige Wiederaussöhnung und bei der vorläufigen Reichstheilung, welche Ludwig damals anordnete, wurde K. das als Hauptland betrachtete Baiern mit seinen Marken und den zinspflichtigen Slaven bestimmt, eine Anordnung, die Ludwig 872 bestätigte. Seitdem bewährte sich K. als die treueste Stütze des Vaters, während ihn die jüngeren Brüder mit Mißgunst betrachteten. Seine Bevorzugung war der Grund, der Ludwig d. J. 866 zur Empörung gegen den Vater, auch, wie es heißt, zur Aufhetzung Rastislav’s gegen Baiern trieb. K. wachte damals mit Erfolg über die Sicherheit der Ostmark, verhinderte den beabsichtigten Einfall Rastislav’s und besiegte einen empörerischen Vasallen Namens Guntbold. Auch später noch grollten Ludwig und Karl dem Vater und dem älteren Bruder; in Frankfurt kam es im Januar 873 zu einem schrecklichen Auftritt, da Karl, in Krämpfen sich windend, seinen Haß gegen K. bekannte, den er teuflischer Einflüsterung zuschrieb. Die Jahre 868 und 869 brachten K. neue Kämpfe mit Rastislav, der in zwei verlustvollen, aber auch beutereichen Treffen besiegt ward. Als im August 869 die vereinten Kräfte des Reiches gegen die slavischen Völker aufgeboten wurden, übernahm K. an der Spitze der Baiern den Angriff auf Suatopluk, einen Neffen Rastislav’s, drang glücklich bis in das Innere des mährischen Reiches vor und vereinigte sich dort mit seinem Bruder Karl, der den Kampf gegen Rastislav führte. Mit reicher Beute zogen die Sieger heim, nachdem die Böhmen mit K. Frieden, die Mährer ein vorläufiges Abkommen getroffen hatten. Ein nachhaltiger Erfolg schien erreicht, als bald darauf Suatopluk mit dem Gebiete, das er unter Rastislav’s Hoheit beherrscht hatte, K. huldigte, dem Oheim, der ihn bedrohte, zuvorkam und diesen gefürchteten Feind der Deutschen gefesselt an K. sandte. Ohne Widerstand drang K. nun in Mähren ein, empfing die Unterwerfung des Landes, übertrug dessen Verwaltung den bisherigen Grafen der Ostmark und entführte den reichen mährischen Herzogsschatz nach Baiern. Rastislav, von einer Gerichtsversammlung als treubrüchiger Vasall zum Tode verurtheilt, ward zum Verluste der Augen und zur Einsperrung in einem Kloster begnadigt. Zwischen K. und Suatopluk gestaltete sich ein so inniges Verhältniß, daß der letztere einen Enkel Karlmanns, der nach ihm den Namen Zwentibold [399] empfing, aus der Taufe hob. Gleichwol ward seine Treue bald nachher K. mit Erfolg verdächtigt und er gefangen gesetzt. In wüthendem Aufstande erhob sich nun das mährische Volk, das Suatopluk todt glaubte, unter einem Priester Sklagamar gegen die deutsche Oberherrschaft. Indessen hatte K. seinen Gefangenen wieder frei gelassen, da er die gegen ihn erhobenen Anklagen als unbegründet durchschaute oder zu durchschauen glaubte. Er suchte ihn durch Geschenke zu begütigen und vertraute ihm sogar die Führung des bairischen Heeres an, das er gegen Sklagamar ziehen ließ. Suatopluk aber, innerlich nicht versöhnt, führte dieses in Mähren in einen Hinterhalt, wo es theils niedergemacht, theils gefangen ward, und als K., dessen Vertrauensseligkeit das Unglück verschuldet, in der ersten Bestürzung alle in Baiern lebenden mährischen Geiseln an Suatopluk zurücksandte, hatte er eine zweite Unklugheit begangen, da die Mährer ihm als Entgelt höhnisch nur einen dem Tode nahen Gefangenen auslieferten. In dem großen Slavenkriege, der dann 872 unternommen ward, leitete K. von der Ostmark aus den Angriff gegen Suatopluk. Unter glücklichen Kämpfen rückte er bis vor dessen wohlbefestigte Hauptburg inmitten des Landes, deren Belagerung jedoch nicht zum Ziel führte. Auf dem mühevollen Rückwege erlitten die Baiern schwere Verluste und gleichzeitig ward die an der Donau zur Deckung der Ueberfahrtsflotte aufgestellte Reserveabtheilung von den Mährern überfallen und aufgerieben. Im Sommer 873 drang der Feind sogar in die Ostmark ein und brachte K. selbst in schwere Gefahr. Nach dem allen waren die Bedingungen des 874 zu Forchheim geschlossenen Friedens für die Deutschen noch günstig, da Mähren die deutsche Lehenshoheit wieder anerkannte, vielleicht sogar das Machland am nördlichen Donauufer erst damals mit der Ostmark vereinigt wurde. Nach dem Tode Kaiser Ludwigs II. eilte Karl der Kahle nach Italien, um dem Bruder in der Besitzergreifung zuvorzukommen. Dagegen hatte die Kaiserinwittwe Engelberga, wie der letzte Wille ihres Gemahls bestimmte, Ludwig den Deutschen aufgefordert seinen ältesten Sohn als Thronbewerber über die Alpen zu senden. K. rückte denn auch (875) mit einem starken bairischen Heere über den Brenner. Vergebens suchte Karl der Kahle in einem Engpasse den Neffen aufzuhalten: die Baiern erstiegen die beherrschenden Höhen und gelangten dem Feinde in den Rücken. Nachher treffen wir K. im Thale der Brenta; dort, nicht im Etschthale, dürfte also auch der Schauplatz dieser Umgehung zu suchen sein. Glänzende Anerbietungen, durch die K. den Neffen zu gewinnen suchte, wies dieser zurück, ließ sich aber dann durch Karls eidliches Versprechen, daß er Italien gleich nach ihm verlassen werde, zum Abschlusse eines Waffenstillstandes und zum Rückzuge bestimmen. Kaum war er jedoch nach der Heimath aufgebrochen, so schlug der Oheim sein Gelöbniß in den Wind und rückte gegen Rom. Der Tod des Vaters (28. August 876) berief K., der damals eben wieder gegen die Mährer zu Felde lag, zur Regierung des Königreichs Baiern. Er zählte damals ungefähr 48 Jahre und, wie ein Zeitgenosse meint, von allen Eigenschaften, die königlicher Majestät geziemen, ließ er keine vermissen. Man rühmte seine Thätigkeit, Friedensliebe, Gerechtigkeit, Religiosität, auch wissenschaftliche Bildung; man fand, daß er mit außerordentlicher Schönheit und staunenswerther Manneskraft hochherzige Gesinnung verbinde, den Feinden furchtbar, den Seinigen mild und leutselig sich erweise. Während aus seiner Ehe keine Nachkommenschaft entsprossen war, hatte ihm eine edle Frau Liutswinde außerehelich einen tüchtigen Sohn, den späteren Kaiser Arnulf, geboren. Diesem übertrug K. nun die Verwaltung der Marken Kärnthen und Pannonien. Mit seinen Brüdern hielt der neue König im Ries, an der Grenze ihrer Reiche, im November 876 eine Zusammenkunft; die drei Herrscher verbürgten sich gegenseitig eidlich ihre Reiche und erklärten alle ihre Zwistigkeiten als beigelegt. In der ersten Septemberwoche 877 zog K. mit einem gewaltigen Heere von Baiern und Slaven über die Alpen, um gegenüber seinem [400] Oheim Karl die väterlichen Ansprüche auf Italien zu erneuern. Karl wie Papst Johann VIII. wichen ihm aus, der erstere starb bald darauf und in Pavia empfing K. als der erste deutsche König die italienische Königskrone. Der Papst fühlte sich beunruhigt durch die Verbindung, die K. mit seinen vertriebenen Gegnern anknüpfte, und auf Karlmanns Ankündigung, daß er demnächst zur Krönung nach Rom ziehen werde, lautete seine Antwort nichts weniger als ermunternd; immerhin sandte er auf Karlmanns Ansuchen an dessen Erzkaplan, Erzbischof Theotmar von Salzburg, das Pallium. Schon Ende November trat K. den Rückweg nach Baiern an, da eine schwere Epidemie in seinem Heere ausgebrochen, er selbst gefährlich erkrankt war. Auf einer Sänfte ward er über die Alpen nach seiner Lieblingspfalz Oetting am Inn getragen, wo er, nur mit den benachbarten Pfalzen Ranshofen und Hochburg wechselnd, die nächste Zeit verweilte, zuweilen von Gesandtschaften der Italiener aufgesucht. Diese ließen sich durch des Papstes Versuche, Italien einen neuen König aufzudrängen, in ihrer Treue gegen K. nicht beirren. In Karlmanns Auftrage, wie er behauptete und wol glaubhaft ist, rückte indessen der Herzog Lambert von Spoleto mit seinem Verbündeten Adalbert von Tuscien in Rom ein, nöthigte die römischen Großen, K. als Schirmherrn der Kirche den Treueid zu leisten und behandelte den Papst als Gefangenen. Dieser sprach den Bann über Lambert und dessen Genossen aus und entfloh in das Westreich. K., der im Winter 878 auf 879 durch einen Schlaganfall der Sprache beraubt worden war und in Oetting den traurigen Rest seiner Tage verlebte, übertrug im Sommer 879 die Herrschaft Italiens seinem jüngsten Bruder Karl. Vor seinem älteren Bruder Ludwig erschienen damals bairische Große, an ihrer Spitze Graf Erambert vom Isengau, die Arnulf in Folge von Streitigkeiten zwischen ihnen und seinem Vater abgesetzt hatte; sie bezichtigten Arnulf, der an Stelle des erkrankten Vaters damals wol thatsächlich die Regierung führte, daß er nach dessen Tode sich die Nachfolge anzumaßen gedenke. Als Ludwig auf dies hin nach Baiern zog und seinen Anhängern die Lehen zurückstellte, mußte K., körperlich gebrochen, geschehen lassen, was er nicht ändern konnte; er ließ den Bruder zu sich rufen und übergab ihm schriftlich (Herbst 879) seine Gattin, seinen Sohn und sein ganzes Reich. Zu seinem Unterhalte behielt er nur die Einkünfte einiger Bisthümer, Klöster und Grafschaften. Er starb und ward begraben in Oetting, wo er eine der heiligen Jungfrau und dem Apostel Philipp gewidmete und mit vielen Reliquien beschenkte Kirche erbaut und ein Stift gegründet hatte. Es ist bemerkenswerth, daß Karlmanns Mutter, die Welfin Hemma, ihre letzten Lebensjahre in derselben körperlichen Hilflosigkeit wie ihr Sohn zugebracht hat; wie der Krankheitskeim von ihr auf zwei der Söhne, K. und Karl, übergegangen zu sein scheint, vererbte ihn der erstere wiederum auf seinen Sohn Arnulf.

Besonders Annales Fuldens.; Regino; Hinkmar. Dümmler, Gesch. d. ostfränkischen Reichs, Bd. I u. II.