ADB:Karl III.

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Artikel „Karl III., König der Ost- und Westfranken“ von Engelbert Mühlbacher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 157–163, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_III.&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 07:26 Uhr UTC)
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Karl III. – der Beiname „der Dicke“ findet sich erst beim sächsischen Annalisten um die Mitte des 12. Jahrhunderts – der jüngste Sohn Ludwig des Deutschen, wurde 839 geboren und 862 mit Richardis, der Tochter des im Elsaß reich begüterten Grafen Erchangar, vermählt. Nach dem Theilungsentwurfe von 865 sollte ihm Alamannien und Churwalchen zufallen; seine Namenszeile wird jetzt Diplomen seines Vaters für diese Gegenden eingefügt, seit diesem Jahre nennen ihn auch St. Galler Urkunden als Grafen des Breisgaues. 869 übertrug ihm sein Vater, als er erkrankt zurückbleiben mußte, „Gott den Ausgang der Sache empfehlend“, die Führung des Heeres, das er selbst befehligen wollte; dieses drang in Mähren bis zur Befestigung vor, in die Rastislav sich zurückgezogen hatte; die Umgegend wurde verwüstet, was sich fand, geplündert; K. traf mit Karlmann, der mit Feuer und Schwert im Reiche Suatopluks gehaust hatte, zusammen und die Brüder „beglückwünschten sich über den von Gott verliehenen Sieg“. Zwei Jahre später empörte sich K. mit seinem Bruder Ludwig (III.), da es hieß, ihr Vater beabsichtige ihnen einen Theil des (865) zugesicherten Erbes zu nehmen und dadurch das Theilreich ihres ältesten Bruders Karlmann zu vergrößern; sie sammelten ein bedeutendes Heer und besetzten den Speyrer Gau; nach längerer Unterhandlung kam ein Waffenstillstand, unter erneuerter Schwierigkeit in Gernsheim ein Ausgleich zu Stande: es gelang dem Vater, „durch sanften Zuspruch und Verheißung von Lehen sie einigermaßen zu beschwichtigen“. Die Einlösung dieser Zusicherungen brachte endlich eine förmliche Aussöhnung. Auf das Gerücht vom Tode Kaiser Ludwigs II. von Italien beeilte sich auch der deutsche König, gleich seinem ländergierigen Stiefbruder, Karl dem Kahlen, einen Theil des vermeintlich herrenlos gewordenen Reiches zu erhaschen; er entsandte seinen jüngsten Sohn über den Jura, um das von Lothar II. 859 an Ludwig II. abgetretene Stück von Burgund in Besitz zu nehmen; doch jenes Gerücht erwies sich als falsch, der Versuch des raschen Zugreifens als verfrüht. Der Familienhader um das zu erwartende Erbe war nur nothdürftig beigelegt; auf der Reichsversammlung [158] von Forchheim (Mitte Fasten 872) wurde auf Grundlage der Reichstheilung von 865 und mit Einbeziehung des erst später erworbenen lothringischen Gebietes jedem der Söhne sein Antheil in bestimmter Umgrenzung angewiesen; die jüngeren Söhne, Ludwig und Karl, schwuren ihrem Vater, so lange er lebe, die Treue zu wahren. Der Schwur war kein ehrlicher, die beiden Brüder planten, während Karlmann durch die Kämpfe mit Mähren in der Ostmark ferngehalten wurde, ihren Vater 873 zu Frankfurt zu entthronen und in Haft zu nehmen. Da trat ein „Wunder“ dazwischen, Karl wurde, „vom bösen Geiste besessen“, am 26. Jänner in der Kirche von furchtbaren Krämpfen befallen; zum Bewußtsein zurückgekehrt, gestand er mit lauter Stimme, daß er so oft der dämonischen Macht anheimgefallen sei, als er sich gegen seinen Vater verschworen habe. Dieser verzieh ihm und ordnete an, daß er unter dem Geleite von Bischöfen und anderen Getreuen heilige Stätten besuche, um vom Teufel befreit und gesundem Verstande zurückgegeben zu werden. Damit war Karls Widersetzlichkeit gebrochen, er war fortan ein gehorsamer Sohn. 874 ging er als Gesandter seines Vaters zu seinem Oheim Karl dem Kahlen. Im nächsten Jahre führte er im Auftrag des Vaters ein Heer gegen ihn, als er auf die Nachricht vom Tode Ludwigs II. nach Italien geeilt war, um das Reich und die Kaiserkrone dem deutschen Königshause vorweg zu nehmen. „Karlchen“ (Karlito), wie die Italiener den deutschen Prinzen zur Unterscheidung von seinem gleichnamigen Oheim nannten, war diesem nicht gewachsen; statt von Mailand gegen den Feind vor Pavia zu ziehen, marschirte er mit seinen zuchtlosen Schaaren, wol größtentheils lombardischen Parteigängern, denen sich auch der Markgraf Berengar von Friaul angeschlossen hatte, in die Gegend von Bergamo und Brescia, um hier plündern zu lassen; als der westfränkische König davon hörte, brach er von Pavia auf und trieb die Horden vor sich her gegen Verona und Mantua. „Karlchen“ entkam nach Baiern – er hatte die erste Probe seiner vollständigen militärischen Unfähigkeit abgelegt. – Am 28. August 876 starb Ludwig der Deutsche. Am 8. October jagte Ludwig III. Karl den Kahlen bei Andernach in die Flucht, wenige Tage darauf hatte sein Bruder K. III. mit ihm eine Besprechung in Koblenz, die wol einer Verständigung über die Reichstheilung galt. Diese fand im November bei einer Zusammenkunft der drei Brüder im Rieß statt. K. erhielt Alamannien, Churwalchen und wahrscheinlich auch das Elsaß. Im folgenden Jahre wurde auch noch Lothringen gleichmäßig getheilt; doch schon 878 trat Karlmann das ihm zugefallene Stück wieder an Ludwig ab, der dann im Mai die Hälfte desselben an Karl überließ. Unheilbarer Krankheit verfallen, war Karlmann aus Italien zurückgekehrt. Papst Johann VIII. bat immer dringender um Hülfe gegen seine Bedränger, die Herzoge von Spoleto und Tuscien; ohne Unterstützung gelassen, verbündete er sich mit Herzog Boso von Vienne, dem späteren König von Burgund, den er an Kindesstatt annahm und dem er die Kaiserkrone aufs Haupt setzen wollte. Um Italien seinem Hause zu retten, überließ Karlmann 879 die Regierung Italiens und damit die Anwartschaft auf die Kaiserkrone seinem Bruder Karl. Im Herbst trat dieser die schon für den Mai geplante Romfahrt an. Zu Orbe traf er mit den westfränkischen Königen zusammen und zog dann über den St. Bernhard. Am 26. October 879 betrat er den Boden Italiens und nahm es ohne Widerstand in Besitz. Schon am 23. November wird in den Urkunden das italienische Regierungsjahr gezählt. Wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 880 nahm Karl auf dem Reichstage in Ravenna, zu dem auch der Papst erschienen war, die Huldigung und den Treueid der versammelten Bischöfe und Großen entgegen. Schon im Mai war er wieder auf der Heimfahrt; Mitte Juni traf er mit den westfränkischen Königen in Gondreville zusammen und schloß sich im [159] Herbst seiner Zusage gemäß der Heerfahrt gegen Boso von Vienne an. Während der Belagerung dieser Stadt brach er aber plötzlich ohne Wissen seiner Verbündeten Nachts auf, verbrannte sein Lager und zog mit den Seinen nach Italien. Ueber Pavia, Piacenza, Reggio gelangte er nach Rom und empfing hier Mitte Februar in der Peterskirche aus den Händen des Papstes die Kaiserkrone. Hatte der Papst vom neuen Schirmherrn der Kirche kräftige Hülfe erwartet, so sah er sich bald arg enttäuscht. Schon am 29. März richtete er ein Schreiben an ihn und bat, geängstigt durch die Sarazenen, der römischen Kirche das versprochene Heer mit einem kriegskundigen Führer bald zu senden; in einem anderen Schreiben fordert er gemäß ihrer Verabredung Geltendmachung seiner Rechte auf das Land des h. Petrus. Der Kaiser führte aber ein förmliches Stillleben; im October urkundet er zu Bodman am Bodensee. Mit einer annalistischen Notiz: „Und er zog zum dritten Mal nach Italien“, sind die Quellennachrichten über dieses Jahr erschöpft. In Italien weilte er auch den Winter über. Im Februar 882 hielt er wieder einen Reichstag in Ravenna, zu dem auch der Papst sich einfand, und bedachte die Kirchen mit erweiterten Vorrechten. Um diese Zeit traf ihn die Nachricht, daß sein Bruder Ludwig (III.) am 20. Januar in Frankfurt gestorben sei. Damit war das ganze ostfränkische Reich unter Karls Scepter wieder vereinigt, denn dem kinderlos verstorbenen Ludwig war, als Karlmann am 22. September 880 seinem Siechthum erlag und keine erbberechtigten Nachkommen hinterließ, Baiern als Erbe zugefallen.

Der Kaiser brach sogleich von Italien auf. Er zog zunächst nach Baiern, um hier die Huldigung entgegenzunehmen, und dann nach Worms, um die Großen aus dem Reiche seines Bruders Ludwig zu empfangen. In Worms berieth man über die Vertreibung der Normannen, die ihre Verwüstungszüge immer weiter ausdehnend, eben Aachen, Trier und Köln verbrannt hatten. Alle deutschen Stämme wurden aufgeboten; es war ein ungeheures, kampfbegieriges, und „wenn es einen tüchtigen Führer gehabt hätte, furchtbares Heer“. K. übernahm selbst den Oberbefehl. Ein Versuch der bei Andernach über den Rhein gegangenen Vortruppen, der Baiern unter Arnolf und der Franken unter Graf Heinrich, die Feinde zu überrumpeln, mißglückte. Es gelang, die Normannen zu Elsloo an der Maas einzuschließen. Zwölf Tage währte die Belagerung. Am 21. Juli tobte ein gräuliches Ungewitter, ein Theil der Mauer der belagerten Stadt stürzte ein – die Normannen schienen verloren. Da schloß der Kaiser plötzlich einen schmählichen Frieden. Die Räuber wurden um mehr als 2000 Pfund Gold und Silber, welche den vor ihnen geflüchteten Kirchenschätzen entnommen wurden, abgekauft gegen das eidliche Versprechen, bei Lebzeiten des Kaisers nicht mehr im Reiche zu plündern; der Normannenkönig Gotfried ließ sich taufen und erhielt vom Kaiser, seinem Pathen, die Grafschaften und Lehen Rorichs in Friesland. „Zwei fröhliche Tage brachte man dort zu“, meldet der officiöse Geschichtsschreiber. Doch ein anderer Bericht spiegelt den ganzen Grimm über die widerfahrene Schmach, der sich steigerte, als auch die verrätherische Niedermetzlung von Franken, die nach dem Abschluß des Friedens ins Normannenlager gekommen waren, ungeahndet blieb. Offen beschuldigte man den Erzkanzler Liutward und andere Räthe der Bestechung, des Verraths. „Das Heer“, berichtet ein Annalist, „war gar sehr betrübt, einen solchen Fürsten zu haben, der die Feinde begünstigte und ihm den Sieg über den Feind entriß und nur zu bestürzt kehrten sie heim“. Die nächste Zeit brachte wieder nur thatenloses Herumziehen, rastloses Tagen auf Reichsversammlungen. Nachdem der Kaiser in Koblenz das Heer entlassen hatte, ging er über Mainz und Tribur nach Worms, wo auf dem Reichstag (1. November) „wenig nützliches beschlossen wurde“, während die Normannen Deventer einäscherten. Durch [160] Schwaben zog er dann langsam nach Baiern, von da, obwol zwischen dem thüringischen Herzog Boppo und dem fränkischen Grafen Egino eine blutige Fehde ausgebrochen war, die mit Boppo’s Niederlage endete, im Frühjahr 883 nach Italien, da Papst Johann VIII. ermordet und sein Nachfolger, der Bischof Marinus von Cärä, nicht auf ganz gesetzmäßige Weise erhoben worden war. In Verona berathschlagte er über die Lage des Reiches, in Mantua bestätigte er auf Grundlage der Urkunde Lothars I. Venedig die Besitzungen, in Nonantula traf er mit dem Papste zusammen, der ehrenvolle Aufnahme fand. Hier wurde auch Graf Wido von Tuscien hochverrätherischer Verbindung mit den Griechen angeklagt und in Haft genommen, er entkam und verbündete sich mit den Sarazenen; Berengar von Friaul wurde mit der Execution beauftragt, eine unter seinen Truppen ausgebrochene Seuche nöthigte ihn aber bald zur Rückkehr. Der Kaiser blieb bis zum Winter in Oberitalien. Unterdeß waren die im Vorjahr abgekauften Normannen den Rhein heraufgefahren, hatten die kaum aufgebauten Orte angezündet und geplündert; auf eigene Hilfe angewiesen, hatte ihnen Erzbischof Liutbert von Mainz eine Schlappe beigebracht, Graf Heinrich eine Schaar, die gegen Prüm vordringen wollte, aufgerieben. Ueber St. Gallen, wo er die Wahl eines neuen Abtes genehmigte, kehrte K. nach Deutschland zurück. Zu Lichtmeß 884 hielt er einen Reichstag in Kolmar; es wurden die Baiern gegen Wido, andere Streitkräfte gegen die Normannen aufgeboten; es gelang Graf Heinrich, dieselben aus Duisburg zu vertreiben. Nochmal wurden vom Reichstag in Worms (Mitte Mai) Truppen gegen diese gefährlichen Feinde entsandt. Durch Baiern zog der Kaiser in die Ostmark, die eben der Schauplatz verheerender Kämpfe der Söhne der Markgrafen Wilhelm und Engilschalk gegen den noch von Ludwig dem Deutschen bestellten Grafen Aribo gewesen, wie Kärnthen und Pannonien, als Arnolf, der spätere König, die Prätendenten in Schutz genommen hatte, durch Suatopluk von Mähren, Aribo’s Bundesgenossen, furchtbar verwüstet worden war, ohne daß der Kaiser sich bemüßigt gesehen hätte, einzugreifen und die Ruhe herzustellen. Zu Königstetten am Tulnfluß erschien von ihm jetzt Suatopluk, um, wie bald darauf Brazlawo, der das Gebiet zwischen Drau und Save innehatte, einen wohlfeilen Lehenseid zu leisten mit der eidlichen Versicherung, das Reich bei des Kaisers Lebzeiten nicht anzugreifen. K. zog durch Kärnthen nach Italien und weilte bis April 885 in Pavia. Hier fand am 7. Jänner ein Reichstag statt, auf dem Wido sich von dem ihm zur Last gelegten Verbrechen reinigte und wieder in Gnaden aufgenommen wurde. Deutschland war seinem Schicksal überlassen; es war den einzelnen anheimgestellt, sich der Einfälle der Normannen zu erwehren, wie die Friesen unter Führung des Erzbischofs Rimbert von Bremen im Winter 884 ein Dänenheer vernichteten, Erzbischof Liutbert und Graf Heinrich andere Schaaren im Haspengau unschädlich machten. Am 12. December 884 war der junge König von Westfrancien, Karlmann, gestorben. Von der westfränkischen Linie lebte nur noch ein fünfjähriger Knabe Karl, welcher sich später den Namen des Einfältigen erwarb. Das Westreich, längst die auserlesene Beute der Normannen, war eben furchtbarer bedroht als je; die einzige Rettung schien in der Vereinigung der Macht beider Reiche in einer Hand zu liegen. So wurde beschlossen, Karl die westfränkische Krone anzubieten, und Graf Theoderich nach Italien abgeordnet, um ihn nach Francien zu rufen. Dieser Einladung folgend, eilte der Kaiser ins Westreich; zu Ponthion empfing er im Juni 885 die Huldigung der Großen. Er kehrte in sein Stammreich zurück und hinterließ nur den Lothringern und Westfranken den Befehl, gegen die in Löwen gelagerten Normannen zu marschiren; die Heerfahrt mißglückte gänzlich, das Aufgebot, ohne tüchtigen Führer, mußte sich mit Schimpf und Schande zurückziehen. Dagegen [161] wurde ein gefährlicher Feind, der Normannenkönig Gotfried, wenn auch durch Verrath, beseitigt. Mit seinem Schwager Hugo, dem wüsten außerehelichen Sohn Lothars II., der eine Empörung gegen den Kaiser im Schilde führte, verbündet, hatte Gotfried, durch Zuzug seiner Landsleute verstärkt und zum Losschlagen bereit, an diesen das Ansinnen gestellt, ihm für weitere Treue Koblenz, Andernach und andere weinreiche Krongüter abzutreten, da es in den ihm angewiesenen Landen an Wein fehle. Die Gesandten wurden mit hinhaltendem Bescheid entlassen, Gotfried von Graf Heinrich, der als kaiserlicher Bevollmächtigter unter dem Schein friedlicher Unterhandlungen zu ihm gekommen war, niedergestoßen; Hugo wurde geblendet und in Prüm zum Mönch geschoren. Der Kaiser blieb indeß unthätig in Deutschland. Zu Frankfurt pflog er mit den Seinen Berathungen und ordnete Gesandte an den Papst Hadrian III. ab, um ihn nach Francien einzuladen; man erzählte sich, daß er einige Bischöfe absetzen und seinem außerehelichen Sohne Bernhard, einem unmündigen Knaben, mit Hülfe des Papstes die Nachfolge sichern wollte; Hadrian leistete dem Rufe zwar Folge, starb aber auf der Reise in Nonantula. Ueber Mainz begab sich K. nach Worms, um mit Bischöfen und Grafen Westfranciens, dem durch die Festsetzung der Normannen in Rouen große Gefahr drohte, zu berathen, und dann nach Baiern. Auf die Nachricht, daß die Römer eigenmächtig mit Mißachtung der kaiserlichen Rechte den neuen Papst Stephan V. erhoben hätten, sandte er den Erzkanzler Liutward nach Rom mit dem Auftrag, den Gewählten abzusetzen. Doch Stephan erwies die Rechtmäßigkeit seiner Wahl und lud den Kaiser nach Italien ein. Der Einladung folgend, wol in der Hoffnung den Papst für seine Pläne zu gewinnen, brach K. zu Beginn 886 nochmal nach Italien auf. Am Palmsonntage fand zu Pavia eine große Schlägerei zwischen den Bürgern und seinem Gefolge statt, während der Kaiser im nahen Olonna war. Nach Ostern hielt er noch einen Reichstag in Pavia. Unterdeß litt das Reich von den Normannen große Noth; seit November 885 wurde Paris belagert, die Scharen der Freibeuter streiften bis Rheims. Bischof Gauzlin, der tapfere Vertheidiger von Paris, entsandte Graf Herkenger nach Deutschland, um Hülfe zu bringen; Graf Heinrich rückte zwar vor Paris, er vermochte aber die Stadt nicht zu entsetzen und zog wieder heim. Die Noth stieg; da schlich sich Graf Odo durch, um bei den deutschen Reichsfürsten (nach Abbo allerdings bei K.) Hülfe zu suchen; sie sollten dem Kaiser melden, daß die Stadt verloren sei, wenn man ihr nicht bald Rettung brächte. Diese Nachrichten rüttelten K. endlich aus seiner Unthätigkeit auf. Er verließ Italien, ohne den Papst gesehen zu haben; von Stephan hatte er auch kaum Förderung seiner Pläne zu erwarten, suchte dieser doch auf des Kaisers ohnmächtigen Schutz verzichtend, gegen die Sarazenen Hülfe in Konstantinopel und adoptirte Wido von Spoleto, den mächtigsten Fürsten Italiens, an Kindesstatt.

K. nahm den Rückweg über Burgund. Im Juli hielt er Berathungen in Metz und rückte gegen die Normannen. Von Quiercy schickte er den kampferprobten Grafen Heinrich mit einem Heerhaufen voraus, um der bedrängten Stadt raschere Hülfe zu bringen. Als dieser am 28. August bei einer Recognoscirung erschlagen worden war, entschloß er sich endlich mit seinem gewaltigen Heere selbst vor Paris zu ziehen. „Doch weil der Führer gefallen war, verbrachte er nichts Nützliches“; „nichts geschah, was der kaiserlichen Majestät würdig war.“ Seine Annäherung bewog zwar die Normannen auf das linke Seineufer zurückzugehen; er schlug am Fuß des Montmartre sein Lager auf, verstärkte die Besatzung und ließ das Heer über den Fluß setzen. Bald aber begannen, „da der Winter vor der Thüre stand“, Unterhandlungen, die zu einem schmachvollen [162] Abschluß führten. Der Abzug der Normannen – „ein erbärmlicher Entschluß“ – wurde erkauft und ihnen dafür Burgund als Beute preisgegeben.

K. eilte in sein Stammreich zurück. Im Elsaß befiel ihn eine schwere Krankheit, die ihn einige Zeit ans Lager fesselte. Er erholte sich wieder und ging nach Bodman, wo er sich „wegen seines Kopfleidens“ einer Operation unterzog. Nach Ostern 887 wohnte er einem Reichstage in Waiblingen bei; es wurde der Streit zwischen dem Markgrafen Berengar von Friaul und dem Erzkanzler Liutward zum Austrag gebracht, der dadurch veranlaßt worden war, daß ein Neffe Liutwards eine Nichte Berengars aus einem Nonnenkloster in Brescia geraubt und dieser dafür Liutwards Bischofssitz Vercelli geplündert hatte. Bald darauf nahm der Kaiser zu Kirchen am Rhein den unmündigen Ludwig (d. Blinden), dessen Vater Boso die Unabhängigkeit seiner Herrschaft bis zu seinem Tod behauptet hatte, an Kindesstatt an. Man erinnerte sich wol auch der Normannen, aber es geschah nichts, als daß dem Bischof Askrich von Paris, da die Freibeuter wieder vor Paris lagerten, die im Vorjahr zugesagte Abkaufssumme von 700 Pfund Silber übergeben wurde; die Normannen zogen nach Empfang des Tributs allerdings aus der Nähe von Paris ab, aber nur um bis Troyes und Rheims zu plündern. In Kirchen gelang es endlich auch Karls verhaßten Günstling Liutward, von dem man sagte, daß er mächtiger sei als der Kaiser und von allen mehr geehrt und gefürchtet werde als dieser selbst, zu stürzen; ein Schwabe geringer Herkunft, war er seit 878 Erzkanzler und dann Erzkaplan, seit 880 Bischof von Vercelli. Man zieh ihn der Habgier, des Nepotismus und sogar der Ketzerei und des Ehebruchs mit der Kaiserin; er wurde seiner Würden entsetzt und schimpflich vom Hofe vertrieben. Das Erzkanzleramt wurde Liutbert von Mainz übertragen. In Liutwards Sturz wurde auch die Kaiserin verwickelt; sie erbot sich vor dem Reichstag zur Reinigung von der Anklage des Ehebruchs und zum Erweis unverletzter Jungfräulichkeit, als der Kaiser erklärte, mit ihr nie ehelichen Verkehr gehabt zu haben, zum Gottesurtheil; die Ehe ward gelöst, Richgard zog sich in das von ihr gestiftete Kloster in Andlau zurück. Mochte K. die ihm aufgezwungene Maßregel gegen Liutward auch bald bereuen, so rächte sich dieser doch; er ging zu Arnolf, um ihn zur Entthronung seines Oheims aufzustacheln. Während des Kaisers Krankheit sich verschlimmerte und dessen Geistesschwäche immer mehr hervortrat, gewann auch der Abfall unter den deutschen Stämmen immer größere Kreise. Sie luden, als er nach längerem Aufenthalt zu Lustenau am Rhein nach Frankfurt gekommen war, Arnolf ein und wählten ihn zu ihrem Herrn. K. zog sich um Martini nach Tribur zurück und berief einen allgemeinen Reichstag. Aber schon rückte Arnolf mit einem bedeutenden Heere heran. K. dachte zwar an Widerstand, aber selbst die Schwaben, bisher die festeste Stütze seiner Regierung, fielen von ihm ab, selbst seine Diener liefen ins andere Lager über; dorthin führte andere die angedrohte Entziehung der Lehen. Von allen verlassen, unschlüssig und rathlos, körperlich und geistig gebrochen, erbat sich der Kaiser nach einem vergeblichen Vermittelungsversuche durch Erzbischof Liutbert nur einige Güter in Schwaben zu seinem Unterhalt und verzichtete auf die Herrschaft. Noch im November hatte sich die unblutige Umwälzung vollzogen; schon am 27. d. M. urkundet König Arnolf in Frankfurt. Das Karolingerreich, unter dem unfähigsten der deutschen Karolinger zum letzten Mal im alten Umfang vereinigt, zerfiel, an seine Stelle traten nationale Königreiche. K. überlebte seine Absetzung nicht lange, er starb am 13. Jan. 888 zu Neidingen an der Donau und wurde in Reichenau beigesetzt.

Hauptquelle für die Geschichte Karls III. die Annales Fuldenses, seit 882 bis 887 in doppelter Bearbeitung, der offiziösen (pars V) und einer oppositionellen (pars IV); werthvolle Nachrichten in den westfränkischen Reichsannalen (Ann. [163] Hincmari, Vedastini), bei Regino u. A. Vorzügliche Darstellung in Dümmler’s Geschichte des ostfränkischen Reichs; Specialdiplomatik in der Monographie: Die Urkunden Karls III. von E. Mühlbacher (Sitzungsberichte der Wiener Akademie 92, 331–516), dazu Böhmer, Regesta imperii, I.: Die Regesten der Karolinger, neu bearbeitet von E. Mühlbacher.