Zum Inhalt springen

ADB:Ludwig der Blinde

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ludwig der Blinde“ von Ernst Ludwig Dümmler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 455–457, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_der_Blinde&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 09:57 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ludwig das Kind
Nächster>>>
Ludwig der Bayer
Band 19 (1884), S. 455–457 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig der Blinde in der Wikipedia
Ludwig der Blinde in Wikidata
GND-Nummer 100952496
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|19|455|457|Ludwig der Blinde|Ernst Ludwig Dümmler|ADB:Ludwig der Blinde}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100952496}}    

Ludwig III., römischer Kaiser, empfing diesen Namen von seinem mütterlichen Großvater, denn er war der Sohn Irmingards, der Tochter Kaiser Ludwigs II. und des Grafen Boso von Vienne. Sein Vater, einer der mächtigsten fränkischen Familien angehörig, gefördert durch seine Verschwägerung mit König Karl dem Kahlen und durch die Gunst des Papstes Johanns VIII., trachtete, von ungemessenem Ehrgeize beseelt, eine Zeit lang nach der Herrschaft in Oberitalien, begnügte sich aber, da diese doch den Nachkommen Ludwigs des Deutschen verblieb, damit, Mitte October 879 zu Mantaille bei Vienne, sich zum Könige [456] von Burgund, d. h. der Provence und der Rhonelande wählen und zu Lyon krönen zu lassen. So wurde aus dem Reiche Karls des Großen eines der reichsten und gesegnetsten Lande losgerissen – es umfaßte nicht weniger als 7 Erzbisthümer –, in mehrfachen Kämpfen behauptet und für die weitere Zerstückelung des Ganzen dadurch der Weg gewiesen. Als der Stifter des neuen Königreichs bereits am 11. Januar 887 das Zeitliche gesegnet hatte, begab sich seine Wittwe Irmingard mit ihrem unmündigen Sohne L. im Mai zu ihrem Vetter, dem Kaiser Karl III., nach Kirchen am Oberrheine. Dieser empfing die Huldigung des kleinen L. und nahm ihn an Kindesstatt an, ohne jedoch bei seiner eigenen Ohnmacht etwas weiteres zu seinen Gunsten zu unternehmen. Während 888 nach dem Sturze Karls zu St. Maurice in den Alpen der Welfe Rudolf ein neues hochburgundisches Reich stiftete, befand sich die Provence in einem Zustande wildester Verwirrung, indem einerseits die heimischen Großen das Land durch ihre Fehden zerrissen, andererseits von Norden her die Normannen, von der Küste zu Garde-Freynet aus eine Räubercolonie der spanischen Sarazenen Jammer und Elend verbreiteten. Nachdem Irmingard schon 889 von dem Könige Arnolf für ihren Sohn die Uebertragung des väterlichen Reichs erwirkt und auch Papst Stephan die Bischöfe zu seiner Wahl ermahnt hatte, erfolgte diese durch die Großen zu Valence im J. 890. Die Mutter und der Oheim, Herzog Richard von Burgund, sollten dem jungen, von dem Erzbischof Aurelian erzogenen König zur Seite stehen, dessen Reich ungefähr jenem Gebiete entsprach, das einst Lothars I. früh verstorbener Sohn Karl (855–63) beherrscht hatte. Die freundlichen Beziehungen zu Arnolf dauerten fort, der, um an L. ein Gegengewicht gegen Rudolf zu gewinnen, demselben 894 mehrere von diesem besetzte Städte mit ihren Gauen, freilich nur dem Namen nach, abtrat. Die Unsicherheit, welche zuerst die Erkrankung, dann der frühe Tod Arnolfs in den Verhältnissen Italiens hervorrief, das er ohnehin niemals in feste Abhängigkeit gebracht hatte, erweckte in Ludwigs Brust die kühne Hoffnung, das Erbtheil seiner Mutter zu gewinnen und seinem schwachen burgundischen Königthume durch die Kaiserkrone einen stärkeren Rückhalt zu geben. Im Herbste 900 zog er über die Alpen und wurde zu Pavia in einer stattlichen Versammlung der italienischen Großen, unter denen besonders der Markgraf Adalbert von Tuscien hervorragte, am 12. October zum Könige gewählt. Von hier drang er, wir wissen nicht, ob mit oder ohne Kampf, sogar bis Rom vor und empfing um die Mitte Februar 901 aus der Hand des Papstes Benedict IV. die Kaiserkrone. So wurden die stolzesten Träume seiner ehrgeizigen Mutter verwirklicht und ein Ziel erreicht, das seinem Vater vergeblich vorgeschwebt hatte. Die reichen italienischen Besitzungen jener kamen ihm hierbei zustatten und bis in den Sommer 902 konnte er sich daher in Oberitalien behaupten. Der Wankelmuth der Großen des Landes aber gestattete seinem mehr zurückgedrängten als besiegten Nebenbuhler, dem Könige Berengar (von Friaul, Bd. II. S. 357) seine Macht von neuem zu sammeln und L. so in die Enge zu treiben, daß dieser gegen freien Abzug das eidliche Versprechen leistete, den Boden Italiens nicht wieder zu betreten. Schon nach drei Jahren aber vermochte L. den erneuten Lockungen seiner alten Anhänger, zu denen sich auch Adalbert von Tuscien abermals gesellt hatte, nicht mehr zu widerstehen. Er zog bis nach Lucca, wo er Adalbert und seine ränkesüchtige Gemahlin Berta gegen sich gereizt haben soll, und unterwarf die ganze Lombardei, selbst Verona, den eigentlichen Sitz Berengars, wohin dessen früherer Erzkanzler, Bischof Adalhard, ihn eingeladen hatte. Als er hier sorglos den größten Theil seiner Leute entließ, benutzte Berengar diesen Augenblick, um, von baierischen Mannschaften und den Bewohnern von Verona unterstützt, den Kaiser bei nächtlicher Weile zu überfallen. Auf dem [457] heutigen Castelle in der Peterskirche, worin er sich verborgen hatte, wurde L. sein Gefangener (21. Juli 905) und, wenn Berengar ihm auch das Leben zugesichert hatte, so machte er ihn dafür doch mit einer in jener Zeit nicht seltenen Grausamkeit als Meineidigen durch Beraubung des Augenlichts unschädlich. Als ein hülfloser Mann kehrte L. „der Blinde“, gegen den sich auch der Markgraf Adalbert von Ivrea erhob, in sein ererbtes Reich zurück, wo er zwar den königlichen, ja sogar den kaiserlichen Titel fortführte, die Herrschaft aber gänzlich anderen überlassen mußte. Vorzüglich war es bald der Herzog und Markgraf Hugo von Vienne, der Sohn der Markgräfin Berta aus einer früheren Ehe, welcher in seinem Namen regierte und sogar 926 überdies noch zum Könige von Italien gewählt wurde. Erst im September 928 endete L. sein unglückliches Leben: sein älterer Sohn Karl Constantin, den ihm seine Gemahlin Adelheid, vielleicht eine Tochter König Rudolfs I. von Burgund, geboren hatte, erscheint nur als Graf von Vienne. König Hugo behauptete die Macht in der Provence so ausschließlich, daß er 933 dieses Gebiet sogar an Rudolf II. abtrat und dadurch eine Vereinigung der gesammten burgundischen Lande unter der Herrschaft der Welfen herbeiführte.

Gingins-la-Sarra, Mémoires pour servir à l’histoire de Provence et de Bourgogne-Jurane (Archiv für Schweizer. Geschichte, VIII, Zürich 1851). Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches, II. Derselbe, Gesta Berengarii imperatoris, Halle 1871. Urkunden Ludwigs in den Forschungen zur deutschen Geschichte, IX u. X.