ADB:Rudolf I. (König von Burgund)

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Artikel „Rudolf I., Rudolf II., Konrad, Rudolf III., Könige von Burgund“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 534–539, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rudolf_I._(K%C3%B6nig_von_Burgund)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 10:10 Uhr UTC)
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Rudolf I., Rudolf II., Konrad, Rudolf III., Könige von Burgund, 888–1032. Als 888, nach dem Ausdruck der Jahrbücher von Fulda, nach Kaiser Karl’s III. Absetzung und König Arnolf’s Thronbesteigung, dieser letztere „lange säumte und überall in Europa kleine Könige emporwuchsen“, befand sich unter denselben auch ein zu St. Maurice in Wallis gewählter König eines neu entstehenden Reiches im oberen burgundischen Lande, gegenüber dem schon 879 geschaffenen Throne des Herzogs Boso von der Provence, im niederen Burgund. Der erste Herrscher im oberen burgundischen Reiche war Rudolf I., aus dem welfischen Hause. Durch die zweite Gemahlin Ludwig’s des Frommen, die Kaiserin Judith, war deren Bruder Rudolf als Laienabt wichtiger Klöster und als Rathgeber seines Neffen, König Karl’s des Kahlen, im westlichen Theile des Reiches zu einer sehr ansehnlichen Stellung emporgestiegen, und ebenso hatten ein zweiter Bruder Konrad und nach demselben dessen Sohn Hugo, Abt von Tours, in dessen Hand nach dem Tode König Ludwig’s des Stammlers die Leitung des westfränkischen Reiches lag, zu den maßgebenden Persönlichkeiten im westfränkischen Reiche gezählt. Doch erlosch das Haus hier im Westen. Dagegen scheint ein Bruder dieses Abtes Hugo, Konrad, in Gegensatz zu Karl dem Kahlen getreten zu sein und den Dienst Kaiser Ludwig’s II. gewählt zu haben, in welchem er als Vorsteher der ihm übertragenen Grafschaft zwischen Jura und penninischen Alpen den Laienabt Hucbert von St. Maurice – 864, bei Orbe – besiegte und vernichtete, und seitdem befand sich der für die Beherrschung des Weges vom Genfersee zum Großen St. Bernhard so wichtige Platz im Walliser Rhonetal im Besitz dieses Zweiges der Welfen. Auf Konrad folgte der Sohn R. als Graf – Markgraf heißt er in einer Urkunde Karl’s III. von 885, welche des Kaisers gutes Verhältniß zu seiner Person bezeugt – und als Abt des reichen Klosters Agaunum, und eben hier zu St. Maurice fand jetzt im Januar 888 die Versammlung geistlicher und weltlicher Großen von Burgund statt, welche R. als König erwählte. Aber der neu erhobene Herrscher war von noch weiter reichendem Ehrgeize erfüllt. In dem Wunsche, auch die nördlich vom Jura liegenden Theile des früheren lotharischen Mittelreiches heranzuziehen, schickte er dorthin seine Boten und ließ sich im März zu Toul durch den dortigen Bischof Arnold krönen. Indessen versuchte nunmehr Arnolf, welcher im Juli oder August durch den Vertrag von Worms den gleich R. neu erhobenen westfränkischen König Odo anerkannt hatte, gegen die Ansprüche von Hochburgund das Vorhandensein der Macht eines Karolingers darzulegen. Er zog in den Elsaß; doch hatte sich R. nach Hochburgund zurückbegeben, und so überließ Arnolf, indem er nach Regensburg ging, einem schwäbischen Heere die Aufgabe hier im Südwesten. Allein R. zog es vor, den Kampf zu vermeiden, und im October oder November erschien er selbst zu Regensburg, worauf nach längerer Verhandlung die freiwillig angetragene Unterwerfung friedlich zu Stande kam. Doch sind die Bedingungen nicht bekannt, und es dürfte der Kern der späteren Gegnerschaft in den nicht genügend bestimmten Auseinandersetzungen enthalten gewesen sein; nur das ist anzunehmen, daß die von R. vorübergehend in Besitz genommenen Theile von Lothringen Arnolf, der zugleich den Bischof von Toul für dessen Abfall bestrafte, schon vorher wieder sich untergeordnet hatten. Diese Anerkennung der Oberhoheit hielt nun aber R. 894 nicht davon ab, bei Arnolf’s [535] erstem Römerzuge sich feindlich zu erweisen und mit dem italischen Könige und römischen Kaiser Wido, als dem Gegner der karolingischen Ansprüche, gemeinschaftliche Sache zu machen; durch eine dem Markgrafen Anskar, einem Anhänger Wido’s, zugeschickte Schaar half er im April an der Sperrung des von Arnolf für den Rückzug gewählten Weges in Ivrea. Dennoch gelang es Arnolf, sich den Paß über den Großen St. Bernhard aufzuschließen, freilich unter großen Beschwerden, und er selbst folgte wol seinem Heere von Aosta nach St. Maurice; flüchtig mußte R. sein Land der Verwüstung überlassen, und das Gleiche geschah wieder, als einige Monate später ein starkes schwäbisches Heer unter Arnolf’s Sohn Zwentibold über Hochburgund hereinbrach und der König vor demselben im Hochgebirge abermals seine Zuflucht suchte. Auch noch dadurch gedachte Arnolf R. zu schaden, daß er an den jungen König Ludwig von Niederburgund, Boso’s Sohn, einige Städte in Rudolf’s Reiche mit deren Gauen überwies, dabei freilich es diesem selbst überließ, sich derselben zu bemächtigen. Augenscheinlich hatte die Macht des Herrschers in Hochburgund und in seinem Lande doch zu starke Wurzeln gefaßt, als daß sie durch diese Anfechtungen von außen hätte erschüttert werden können, und das blieb auch so, als 895 Zwentibold’s Einsetzung als König von Lothringen vom Vater erreicht war; nur auf der nördlichen Seite des Jura war, wie der Anschluß des Erzbischofs Theoderich von Besançon an Zwentibold zeigt, eine Schmälerung der Grenzen eingetreten. Freilich haben jedenfalls erst Arnolf’s und Zwentibold’s Tod, 899 und 900, R. die freiere Bewegung zurückgegeben, so daß auch wieder über den Jura hinausgegriffen werden konnte. Die Wirren in der Zeit des Todes Ludwig’s des Kindes und das Eingreifen König Karl’s des Einfältigen in Lothringen nützte dann R. noch aus, um auf Basel zu greifen; doch kehrte er alsbald nach seinem Reiche zurück. Nach einer Lausanner Nachricht war er schon am 25. – oder 20. – October 911 gestorben: eine Mittheilung der Annales Alemannici dehnt das Leben des Königs bis in das Jahr 912 aus.

Rudolf II. folgte wohl ohne Widerspruch dem Vater nach; doch sind die ersten Jahre seiner Regierung unerhellt. Einzig eine urkundliche Aufzeichnung von wahrscheinlich 915 läßt erkennen, daß R. schon damals über die Aare, die Grenze des Reiches zu seines Vaters Zeit, östlich bis an den Zürichsee sein Gebiet erstreckt haben muß. Doch dem noch weiter im Thurgau vordringenden Könige trat 919 angesichts des alten römischen Platzes (Ober-)Winterthur Herzog Burchard von Alamannien entgegen, und besiegt mußte R. sich zu einem Vertrage verstehen, welcher allerdings erst etwa 921 zum Abschlusse kam, möglicher Weise unter Vermittlung, gewiß mit Zustimmung des deutschen Königs Heinrichs I. R. vermählte sich mit Burchard’s Tochter Bertha zur Befestigung des Friedens und erhielt eine östliche Grenzerweiterung auf schwäbischem Boden, wie angenommen wird, von der Aare bis zur Reuß; dagegen bekam Heinrich I. von R. die kostbaren Reliquien der heiligen Lanze ausgehändigt. Für R. war die Versöhnung mit dem schwäbischen Herzog von hohem Werthe, indem er gestützt auf dessen Hülfe nun seine gegen Italien gerichteten Pläne zur Durchführung zu bringen suchte. Von den Feinden Kaiser Berengar’s gegen denselben herbeigerufen, stand R. schon im Februar 922 in Pavia; 923 folgten in offener Feldschlacht unweit Piacenza ein Sieg Rudolf’s und Berengar’s Flucht nach Verona, wodurch die lombardische Krone endgültig für R. gewonnen schien. Denn wenn er sich veranlaßt sah, zunächst wieder nach Burgund zurückzukehren, so gelang es ihm doch, die mit Willen Berengar’s von Italien her in die Alpen eingedrungenen Ungarn von seinem Lande hinwegzuscheuchen, und zur gleichen Zeit etwa, am 7. April 924, wurde durch Berengar’s Ermordung Rudolf’s Anspruch auf den Thron von Italien allgemein anerkannt. Von August 924 an ertheilte derselbe wieder aus Pavia, dann aus Verona seine Verfügungen; [536] dabei aber trat er zu der Wittwe des Markgrafen Adelbert von Ivrea, Irmingard, in nähere Beziehungen, und der Haß, welchen voran der Erzbischof von Mailand gegen diese ebenso verschlagene, als sittenlose Frau hegte, übertrug sich nun auch auf R., sodaß in den Reihen der Anhänger desselben der Verrath um sich griff und Hugo, Graf von der Provence, gegen R. herangerufen wurde. Dieser eilte nach Burgund, um dort Hülfe zu erlangen, und ebenso kam sein Schwiegervater, Herzog Burchard, den Erweiterung der schwäbischen Grenzen gegen Italien hin anlockte, zur Unterstützung mit einem Heere herbei. Aber der Herzog fand Ende 926 bei Novara durch hinterlistige Nachstellung, wie es scheint, eben des Erzbischofs von Mailand, seinen Tod, und damit war auch Rudolf’s Sache verloren. Er mußte Italien an den neuerhobenen König Hugo überlassen und sich wieder mit Hochburgund begnügen. Dagegen eröffnete sich nach einer anderen Seite hin Aussicht auf eine viel näher liegende Machterweiterung des burgundischen Welfenhauses. Als Hugo durch seine gewaltsame Regierung in Italien eine Partei gegen sich aufgebracht hatte und diese sich hinwieder an R. zu wenden und ihn nach Italien einzuladen gedachte, kam Hugo in geschickter Weise dieser Gefahr zuvor. Wol eher 931, als erst 933, schloß Hugo mit R. einen Vertrag ab, durch welchen er das frühere Reich des Boso an R. abtrat, wogegen dieser auf seine Kronansprüche für Italien Verzicht leistete. Freilich lagen wol diese niederburgundischen Gebiete infolge der Ereignisse seit dem Tode Boso’s in der ärgsten Verwirrung, und die Zusammenkunft Rudolf’s mit König Heinrich I. und dem westfränkischen König Rudolf, 935, an der deutsch-französischen Grenze, hing vielleicht mit einer Vermittlung des deutschen Königs in diesen Tagen der Gebietsvertheilung an der unteren Rhone zusammen. Dann aber starb R. am 11. Juli 937, wol noch in jungen Jahren: denn sein ältester Sohn und Nachfolger Konrad war noch ein Knabe. Zu St. Maurice fand R. seine Ruhestätte.

Konrad’s Regierung begann mit Ereignissen, welche den Bestand des Reiches nicht unerheblich gefährdeten. Von Italien her griff Hugo abermals in die burgundischen Dinge ein, in der Absicht, auf anderem Wege sich doch nachträglich der Verfügung über Rudolf’s hinterlassenes Reich zu bemächtigen. Er erschien in Hochburgund und vermählte sich mit Rudolf’s Wittwe Bertha; zugleich verlobte er mit seinem Sohne und Mitregenten Lothar die jugendliche Tochter der Bertha, Konrad’s Schwester, Adelheid. Aber wenn er auf solche Weise – diese Vorgänge fielen in den December 937 – einen bestimmenden Einfluß auf den jungen König hatte gewinnen wollen, so sah er sich durch das Eingreifen von Deutschland her hierin gehemmt. Noch Rudolf II. hatte, wie er durch eine Schenkung von Reliquien zeigte, Otto I. freundschaftliche Gesinnung bewiesen; jetzt mischte sich der deutsche König, vielleicht von Burgund her dazu aufgefordert, aber wol ohne Zweifel in einem Hugo abgeneigten Sinne, ein und schuf, jedenfalls schon vor 940, für sich eine gewissermaßen vormundschaftliche Stellung. K. wurde durch List an den deutschen Hof gebracht, wo er längere Zeit blieb, und 940 begleitete er Otto auf dessen Zug nach dem westfränkischen Reiche, und diese Theilnahme wiederholte sich, nachdem K. inzwischen zur Uebernahme der Herrschaft in sein Reich zurückgekehrt war, 946 bei dem westfränkischen Feldzuge Otto’s. Aber noch enger wurden die persönlichen Beziehungen zwischen den beiden Königen. Denn während Bertha’s eheliche Verbindung mit Hugo sich wieder gelöst hatte – in Burgund stiftete sie 961 das Kloster Peterlingen, wo sie ihre Grabstätte erhielt –, war Adelheid als Gemahlin Lothar’s nach Italien gekommen, wurde dann aber als dessen Wittwe, da ihre Ansprüche auf die Krone im Wege standen, von König Berengar II. in harter Haft gehalten. Dadurch, daß nun Otto I., 951 mit der Königskrone der Lombarden zugleich Adelheid’s Hand gewann, wurde er Konrad’s Schwager, und das schirmgleiche [537] Bundesverhältniß, in welchem, vielleicht in der Form einer eigentlichen Huldigung, sich Burgund gegenüber dem deutschen Reiche verband, wurde noch fester begründet. Auch noch später erschien K. mehrmals in Deutschland, wie in Italien, am Hofe Otto’s, und es wurde – wahrscheinlich auf der Reichsversammlung zu Verona 967 – eine streitige Frage eines burgundischen Klosters, Moutier-Grandval im Jura, durch K. geradezu der Entscheidung des Kaisers und dessen Sohn, König Otto’s II., unterbreitet. Auf der anderen Seite suchte der burgundische König auch Anlehnung am westfränkischen Reiche, und seine zweite Vermählung, um 965 mit der Karolingerin Mathilde, Tochter Ludwig’s und durch ihre Mutter Gerberga Schwestertochter Otto’s I., soll ihm den Besitz von Lyon zugebracht haben. Aber die Regierung des Königs war jedenfalls eine unzureichende und schwächliche, und der Beiname des „Friedfertigen“ kann nicht anders denn als eine Bestätigung seiner ungenügenden Thatkraft ausgelegt werden. Nur eine ganz auf dem Boden wenig glaubwürdiger Sage liegende Erzählung weiß ihm zuzuschreiben, daß er einmal einen Einfall der Ungarn in die Provence benutzt habe, um diese Feinde der Christenheit mit den anderen, den Saracenen, zusammen zu bringen und durch gegenseitige Verhetzung beide zu besiegen. Vielmehr ist kein Zweifel, daß gerade die etwa um 975 vollständig gelungene Einnahme des saracenischen Schlupfwinkels Gardefrainet und die Verjagung der Feinde von der Küste der Grafschaft Frejus ein Sieg des Hauses von Arles war und daß durch dieses allgemeine Aufmerksamkeit erregende Ereigniß der Träger der Krone nur noch mehr verdunkelt wurde. Eben diese Sieger, die Markgrafen der Provence und die Bischöfe von Grenoble, seit Isarnus – etwa von 950 bis 978 –, stehen fortan thatsächlich in der Leitung des früheren Reiches des Boso. Noch einmal dann bewies K. seine treue Gesinnung für das ottonische Haus, indem er 984 nach Otto’s II. Tode seinem eigenen Schwiegersohne, Herzog Heinrich II. von Baiern, entgegentrat, als sich derselbe der Person des jungen Königs Otto III. bemächtigt hatte; er gehörte zu der großen Versammlung, welcher Heinrich zu Rara den königlichen Knaben übergab; 992, eher als 993, starb K. am 19. October.

Rudolf III., der 993 dem Vater folgte, ist der letzte und schwächste der burgundischen Könige, und da er der ehelichen Nachkommenschaft entbehrte, mußten sich Berechnungen wegen der Erbfolge bald hinsichtlich seines Reiches bilden. Von seiner Seite näherte er sich denselben gleichfalls, um bei der hülflosen Lage, in welcher er sich gegenüber dem geistlichen und weltlichen Adel des Königreiches befand, die nothwendige Anlehnung außerhalb des thatsächlich seiner Leitung größeren Theiles entzogenen Staates zu finden. Nicht König R., sondern Markgraf Wilhelm II. von der Provence gebot in den südlichen Theilen des Reiches am Mittelmeer; durch die zweimalige Besetzung des bischöflichen Stuhles von Grenoble nach Isarnus stieg das gräfliche Haus der Wigonen in der nachher sogenannten Dauphiné empor; Graf Otto Wilhelm von Burgund, der Begründer der später so geheißnen Freigrafschaft, wurde als „der größte der burgundischen Grafen“ bezeichnet, und er wagte es, als um 1010 der erzbischöfliche Stuhl von Besançon erledigt worden war, den auf Rudolf’s Befehl gewählten Nachfolger durch einen ihm erwünschten Candidaten zu verdrängen; wenigstens bis in des Königs letzte Zeit kam durch die Vereinigung von vier Grafschaften in der Hand des Humbert Weißhand auch das Haus Savoyen zu einer ansehnlichen Macht zur Seite des Thrones. Fester stand das Königthum noch in den geistlichen Gebieten an der mittleren Rhone, wo allerdings zu Vienne R. nachher 1023 zu Gunsten des Erzbischofs sich der unmittelbaren Herrschaft begab, während in Lyon der Einfluß dadurch geübt wurde, daß Glieder des königlichen Hauses – zuerst Burchard I., König Konrad’s Bruder, [538] dann seit 978 dessen natürlicher Sohn, Burchard II., bis 1031 – den erzbischöflichen Stuhl inne hatten. Freilich die beträchtlichste unmittelbare Gewalt übte das Welfengeschlecht in jenen Gebieten noch aus, aus welchen der Ahnherr 888 den Thron sich geschaffen hatte, wo R. zumeist – in den Klöstern St. Maurice und Peterlingen, den Bischofssitzen Lausanne und Basel, auf den waadtländischen oder savoyischen Pfalzen – seinen Aufenthalt nahm, also im eigentlichen hochburgundischen Lande zwischen Alpen und Jura, und um die Vererbung des hier liegenden Königsgutes, der in den Bisthümern und Grafschaften noch ausgeübten königlichen Gewalt mußte es sich bei den von R. angestellten Versuchen der Ordnung der Nachfolge handeln. – Seitdem 1002 in Heinrich II. ein Neffe Rudolf’s, der Sohn Herzog Heinrich’s II. von Baiern und der burgundischen Königstochter Gisela, als deutscher König erwählt worden war, strebte R., entsprechend den seit Heinrich’s I. Zeit bestehenden, immer reger gewordenen Beziehungen zum sächsischen Königshause – noch die letzte Reise der Kaiserin Adelheid nach Burgund, auf der sie 999 starb, hatte der Fürsorge für R. gegolten –, in immer ausdrücklicherer Weise darnach, Heinrich II. in Burgund die Erbfolge zu sichern. 1006 kam Heinrich selbst nach Burgund, und die vertragsmäßige Zusicherung geschah, bekräftigt dadurch, daß schon jetzt Basel an den deutschen König abgetreten wurde und dieser von der Stadt sogleich Besitz nahm. Allein die Aussicht auf die Errichtung einer starken, auf Deutschland und Italien gestützten Königsgewalt an Stelle des wenig geachteten Regimentes des „faulen“ Königs setzte die übermächtige und unbändige Aristokratie in Schrecken, und gegen R. selbst wurden Versuche weitergehender Gehorsamsverweigerung in das Werk gesetzt, zu deren Führung Otto Wilhelm, gestützt durch seine Verbindungen mit hohen Adelsfamilien des französischen Reiches, sich erhob. So entschloß sich R., um sich dieser peinvollen Lage zu entziehen, schon jetzt der Regierung geradezu zu entsagen und an Heinrich II. dieselbe abzugeben. In der Pfingstzeit 1016 kam R. mit Heinrich in Straßburg zusammen, und hier begann dieser alsbald seine Rechte auszuüben, nach Empfang des Vassalleneides von den anwesenden burgundischen Großen insbesondere Otto Wilhelm die Lehen abzusprechen und sie Rudolf’s Stiefsöhnen zuzutheilen (diese Stiefsöhne, durch die Königin Irmengarde R. zugebracht, hießen höchstwahrscheinlich Rudolf und Berchtold und waren nicht leibliche Söhne Irmengardens, sondern Söhne ihres ersten Gemahls aus einer früheren Ehe). Doch der Graf rüstete sich zur gewaltsamen Abwehr, und als der Kaiser mit einem Heere herankam, mußte er bis zum Herbste, wenn er auch Verwüstungen zu verhängen vermochte, in der Hauptsache unverrichteter Sache abziehen. Auch R. selbst wurde schwankend und ließ sich durch die vorgeblichen Treuversicherungen des Adels zur Nachgiebigkeit bestimmen. Doch bald trat die wahre Gesinnung desselben abermals zu Tage, und wieder beschwor er im Februar 1018 zu Mainz, unter Auslieferung von Krone und Scepter, den früheren Vertrag. Allein als der Kaiser an der Spitze eines Heeres im Sommer in Rudolf’s Reich die erneuerten Schwüre zur Durchführung bringen wollte, wiederholte sich der Vorgang des ersten Males, und nachdem er gegen den wieder abtrünnig gewordenen Oheim selbst mit Gewalt hatte vorgehen müssen, sah er sich abermals um die Frucht seiner Anstrengungen betrogen und zum Rückzuge gezwungen. Indessen dauerte der Krieg auch in seiner Abwesenheit weiter, und wenigstens 1020 erlitten die Burgunder durch einen Einfall schwäbischer Schaaren eine Niederlage. Erst 1023 kam es zu Basel wahrscheinlich zu einem Friedensschlusse, in welchem der Kaiser wohl, so lange R. leben würde, auf die Ausübung von Regierungsrechten in Burgund Verzicht leistete. Diese Ereignisse hatten das Land in noch ärgere Wirren geworfen, und R. selbst sah sich bewogen, nach Heinrich’s II. Tode gegenüber dessen [539] Nachfolger Konrad II. neue Versuche der Annäherung in das Werk zu setzen. Zwar hatte zunächst der Thronwechsel von 1024 die Folge gehabt, daß R. und die Aristokratie seines Reiches vollends alle Heinrich II. früher gegebenen Zusicherungen für aufgehoben hielten. Allein der neue König, der sich auf die Ansprüche seines Vorgängers und ebenso auf das Erbrecht seiner Gemahlin Gisela, der Schwestertochter Rudolf’s, stützte, hatte schon gleich 1025 durch sein Erscheinen in Basel den festen Willen dargelegt, nicht zurückzuweichen. Basel selbst, welches R. zurückgezogen zu haben scheint, besetzte er von neuem und sicherte hier die Grenze des deutschen Reiches. So entschloß sich R. zur Theilnahme an dem feierlichen Act der Kaiserkrönung Konrad’s 1027, und schon hier in Rom mögen die Verhandlungen begonnen haben, aus welchen der letzte endgültige Vertrag hervorging. R. war nun, da Graf Otto Wilhelm schon 1026 gestorben war, freier in seinen Entschlüssen geworden; als sein Neffe, Herzog Ernst von Schwaben, bei der zweiten Empörung gegen den kaiserlichen Vater, während der Romfahrt desselben, im Vertrauen auf Rudolf’s Unterstützung den Kampf auf burgundischen Boden verlegte und sich bei Solothurn festsetzte, zwang ihn der König, Burgund zu räumen; im August 1027 trafen sich Konrad II. und R. zu Muttenz und schlossen in Basel den Vertrag, nach welchem des Kaisers und seines Sohnes Heinrich Erbanspruch anerkannt, die Nachfolge gesichert wurde, so daß nach Rudolf’s Tode Burgund untrennbar ein Bestandtheil des mit der deutschen Königskrone verbundenen Kaiserreiches wurde. Noch fünf Jahre lebte R. über diesen Zeitpunkt hinaus. Dann kam nach seinem am 6. September 1032 erfolgten Tode – in Lausanne wurde dieser vierte König beigesetzt – Seliger, ein burgundischer Großer, im Auftrage des Verstorbenen zum Kaiser und überreichte ihm die Kronabzeichen des erledigten Reiches. Freilich hat danach der Erbe gerade um die Gebiete, die als Rest der burgundischen Königsherrschaft noch am meisten gegolten hatten, um die Landschaft um Peterlingen, in dessen Kirche er am 2. Februar 1033 gekrönt wurde, hart, voran gegen den Grafen Odo von der Champagne, ringen müssen.

Vgl. statt der älteren ungenügenden Bearbeitungen – so F. de Gingins-La Sarraz, Mémoires pour servir à l’histoire des royaumes de Provence et de Bourgogne Jurane, im Archiv für schweizerische Geschichte, Bd. VII–IX, 1851-1853, oder J. L. Wurstemberger, Geschichte der Alten Landschaft Bern, Bd. II. (Bern 1862) W. v. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. I u. II, ganz besonders aber die Jahrbücher des deutschen Reiches von Dümmler, Waitz, Köpke-Dümmler, Hirsch, Breßlau, hier vorzüglich Bd. II, S. 18–88, Das Königreich Burgund zur Zeit des Anfalls an Deutschland, ferner H. Trog, Rudolf I. und Rudolf II. von Hochburgund (Basel 1887), und O. Blümcke, Burgund unter Rudolf III. und der Heimfall der burgundischen Krone an Kaiser Konrad II. (Greifswald 1869).