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ADB:Gerberga

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Artikel „Gerberga“ von Ernst Ludwig Dümmler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 723–725, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerberga&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 08:47 Uhr UTC)
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Gerberga, älteste Tochter des deutschen Königs Heinrich I. aus seiner Ehe mit Mahthilde, wurde um das Jahr 913 zu Nordhausen geboren und nach ihrer gleichnamigen Großtante, der Aebtissin von Gandersheim benannt. Kaum herangewachsen reichte sie nach dem Willen des Vaters 928 oder 929 ihre Hand dem Lothringerherzoge Giselbert, der seiner Abkunft und Stellung nach ihrer nicht unwürdig schien, mit reichen Anlagen aber einen sehr unbeständigen Sinn und allzu rastlosen Unternehmungsgeist verband. Diese Ehe wurde mit zwei Kindern, Heinrich und Albrada, gesegnet. So lange Heinrich am Leben war, der den feurigen Schwiegersohn lieb gewonnen hatte, blieben die Beziehungen des lothringischen zum deutschen Hofe ungetrübt. Nicht so nach seinem Tode unter der Regierung Otto’s, von dem Giselbert, obgleich er ihn mitgewählt hatte, dennoch nach kurzem sich lossagte, um mit seinen Gegnern, Heinrich, dem Bruder des Königs, Herzog Eberhard von Franken und dem westfränkischen Herrscher in Verbindung zu treten. Seine frevelhafte Auflehnung bereitete ihm durch feindlichen Ueberfall im Sommer oder Herbst 939 bei Andernach einen frühen Tod: fliehend ertrank er in den Fluthen des Rheins und seine letzte Ruhestätte kannte man nicht. So wurde G. in jungen Jahren zur Wittwe durch ein Verhängniß, an dem sie selbst, wenn auch ein späterer Schriftsteller sie anklagt, sicherlich ohne Schuld war. Ihren Bruder Heinrich wenigstens wies sie, Otto’s Grimm fürchtend, von ihrer Feste Chevremont zurück, in welcher er eine Zuflucht suchen wollte. Ihr eigenes Loos aber nahm rasch eine unverhoffte Wendung, denn um ihre Hand, die eben erst frei geworden, bewarb sich der junge westfränkische König, der Karolinger Ludwig, der Verbündete Giselbert’s, der sie in Lothringen aufsuchte. Ohne Zuthun ihres Bruders, der sie oder ihre Tochter bereits dem Baiernherzoge Berthold zum Lohne seiner Treue zugedacht hatte, schloß sie diesen Bund mit dem schönen, um mindestens sieben Jahre jüngeren Fürsten und wurde von dem Erzbischofe Artold von Reims zur Königin der Franken gesalbt. Diese Ehe, die fünf Söhnen und zwei Töchtern das Leben gab, war eine glückliche und an der klugen und willensstarken Gemahlin fand Ludwig in vielen Fährlichkeiten eine treue und zuverlässige Stütze. An Widerwärtigkeiten, an Drangsalen und Kämpfen aber war seine Regierung nur allzu reich, da er, statt ein Werkzeug in den Händen des Adels, namentlich seines Schwagers, des Herzogs Hugo von Francien zu sein, vielmehr mit ungenügenden Kräften danach strebte, ihnen selbständig die Spitze zu bieten. Auf Anstiften jenes geschah es, daß, als er sich nach dem Tode des Normannenherzogs Wilhelm nach Rouen begeben hatte, um das Land in Besitz zu nehmen, er dort am 13. Juli 945 von den Dänen verrätherisch überfallen und festgehalten wurde. Durch die Auslieferung des zweiten erst in diesem Jahre geborenen Prinzen Karl hoffte G. die Befreiung des Gemahls zu erkaufen, allein er ging durch dies Opfer nur aus der normannischen Gefangenschaft in die Hugo’s über, seines gefährlichsten Nebenbuhlers. Da richtete die Königin ihren Hülferuf an Otto, der bisher mehr die Gegner begünstigt hatte, jetzt aber Mitleid mit der Erniedrigung seines früheren Widersachers zu fassen begann. Dennoch mußte Ludwig fast ein Jahr lang, bis zum Juni 946, in unwürdiger Haft schmachten und konnte die Freiheit endlich nur dadurch erkaufen, daß er dem übermächtigen Vasallen die Feste Laon, seine letzte Zufluchtsstätte, durch G. überliefern ließ. Bald darauf erfüllte Otto die Zusage, die er der Schwester gegeben und rückte als Verbündeter ihres Gemahls mit einem gewaltigen Heere in das westfränkische Gebiet ein, um die aufsässigen Vasallen wiederum der Krone zu beugen. Reims wurde nach dreitägiger Belagerung eingenommen – die Königin blieb daselbst zurück, bis nach Rouen drangen die Deutschen vor, weitere Eroberungen aber, [724] namentlich die von Laon glückten nicht, so daß dies großartige Unternehmen doch nur einen sehr unvollständigen Erfolg aufzuweisen hatte. Von besonderem Werthe blieb indessen für die Folgezeit die offene Parteinahme Otto’s für die Sache des bedrängten westfränkischen Königthums: sie zu erhalten und zu beleben war vornehmlich die Aufgabe Gerberga’s, die wir zu Ostern 949 am deutschen Hoflager in Aachen in solcher Absicht finden. Mit dem Versprechen seines Beistandes kehrte sie heim und unter deutscher Vermittelung wurde endlich 950 der Friede zwischen Hugo, Ludwig und den übrigen Vasallen hergestellt, Laon dem Könige ausgeliefert. Die dortige Marienabtei, früher Eigenthum seiner Mutter, schenkte er seiner Gemahlin. Neue Mißhelligkeiten, welche diesen erwünschten Zustand nur kurze Zeit unterbrachen, wußte G. 953 durch eine persönliche Zusammenkunft mit dem Herzoge glücklich beizulegen. Schon aber waren die Tage ihres vielgeprüften Gemahls gezählt, obgleich er kaum das Alter von 33 Jahren überschritten hatte: ein Unfall auf der Jagd der die karolingischen Fürsten leidenschaftlich nachzuhängen pflegten, machte seinem Leben am 10. Septbr. 954 ein vorzeitiges Ende. G., zum zweiten Male in Wittwentrauer versenkt, begrub den Gatten in der Klosterkirche von St. Remi zu Reims, sogleich aber wandte sie sich auch, um ihrer Familie die Nachfolge zu sichern, an den früheren Gegner, den Herzog von Francien, der sie ehrenvoll aufnahm. Mit seinem Beistande sowie durch die Gunst des Erzbischofs Bruno von Köln, des jüngeren Bruders Gerberga’s, wurde der zwölfjährige Lothar, ein kräftiger und vielversprechender Knabe, am 12. November von dem Erzbischofe Artold von Reims zum Könige geweiht. Unter dem Schutze des verschwägerten und befreundeten sächsischen Kaiserhauses fristete sich somit die Herrschaft der Karolinger im westfränkischen Reiche, zu deren Sicherung das enge Einverständniß sehr viel beitrug, das zwischen G. und ihrem Bruder Bruno als Herzog von Lothringen bestand. Erleichtert wurde dem letzteren seine Mittlerrolle dadurch, daß die Gemahlin Hugo’s von Francien (der am 16. Juni 956 starb, nachdem er sich zuletzt dem Königshause treu bewiesen) Hathwidis eine jüngere Schwester der Königin war. Schon 956 legte Bruno eine Fehde des jungen Königs und seiner Mutter mit dem Grafen Reginar, dem Schwager der letzteren bei und zwang ihn die Güter im Maasgau herauszugeben, die G. einst von Giselbert zur Mitgift erhalten hatte. Gegen denselben Reginar, der wie sein Vater den Beinamen Langhals führte, leistete 957 der junge König mit seiner Mutter dem Erzbischofe Bruno Beistand im Gau von Kamerik und so konnte endlich seinem wilden und gesetzlosen Treiben ein Ende bereitet werden. Zu längeren Verhandlungen mit G., Hathwidis und ihren Söhnen zog Bruno an der Spitze eines lothringischen Heeres Ende 958 nach Burgund, 959 wurden dieselben fortgesetzt und mit dem Erzbischofe vereint feierten Lothar und G. das Osterfest in Köln. Schon 960 unterstützte Bruno wiederum das königliche Heer auf Bitten Gerberga’s bei der Belagerung von Dijon und Troyes, deren Graf Robert, einer der Söhne Hugo’s, sich bemächtigt hatte. Hernach kam es denn auch endlich zu dem Vergleiche zwischen den letzteren und dem jungen Könige, der unter der Bürgschaft des großen Erzbischofs dem westfränkischen Reiche für längere Zeit den inneren Frieden sicherte. Als im J. 962 das Erzbisthum Reims neu zu besetzen war, suchte G. abermals den bewährten Rath des Bruders und nach seinem Urtheile wurde diese Angelegenheit entschieden. Bei der glorreichen Heimkehr Otto’s des Großen von seinem Römerzuge, scharte sich im Juni 965 zu Köln eine glänzende Versammlung um ihn, in der vor allem die Glieder seines Hauses ein fröhliches Wiedersehen feierten. Auch G. mit ihren Söhnen Lothar und Karl nahm an diesem Familientage Theil, bei welchem sie ohne Zweifel wol zum letzten Male ihre ehrwürdige Mutter Mahthilde erblickte. Hier wahrscheinlich [725] wurde eine Familienverbindung zwischen den Karolingern und dem sächsischen Kaiserhause verabredet und dem jungen Könige Lothar Emma, die Stieftochter Otto’s, zur Frau bestimmt, die er im nächsten Jahre heimführte. Mit der mächtigen Kaiserin Adelheid, der Mutter dieser jungen Königin, trat G. noch in eine zweite Verschwägerung, indem sie ihre Tochter Mahthilde etwa um diese Zeit dem Burgunderkönige Konrad, dem Bruder Adelheids, zur Gemahlin gab. Dem mündig gewordenen Sohne und der Schwiegertochter gegenüber scheint sich G. vom öffentlichen Leben mehr und mehr zurückgezogen zu haben, in welches sie bis dahin als Leiterin des jungen Königs so oft bestimmend eingegriffen. Sie erlebte 967 den Tod ihrer Mutter, der sie kurz zuvor noch ein goldgesticktes Gewand zugesandt hatte. Es deckte nun die Ruhestätte ihrer Eltern in Quedlinburg. Am 4. Febr. 968 schenkte G. für das Seelenheil Giselberts und seiner Eltern der Kirche von St. Remi, in der sie dereinst aus besonderer Verehrung für den heiligen Remigius ruhen wollte, ihre Besitzungen zu Meersen im Maasgau und an benachbarten Orten im Umfange von 82 Hufen. Nicht sehr lange überlebte sie diesen Act der Pietät, denn sie wird nach 968 überhaupt nicht mehr erwähnt und starb daher wahrscheinlich in diesem oder dem nächsten Jahre am 5. Mai. Ihre Schönheit und Sittenreinheit wurde gepriesen, sie zeichnete sich durch kirchliche Frömmigkeit aus und ihr als einer eifrigen Leserin der heiligen Schrift widmete der gelehrte Mönch Adso von Der sein merkwürdiges Buch vom Antichrist. Von den Kindern ihrer ersten Ehe überlebte der Sohn Heinrich den Vater nur um wenige Jahre, die Tochter Albrada wurde mit dem westfränkischen Grafen Ragenold von Roussy vermählt. Von den Kindern zweiter Ehe folgte der im J. 941 geborene Lothar seinem Vater von 954–986 in der Regierung nach. Karl (Karlmann), 945 geboren, der als Säugling der Mutter entrissen wurde, starb vielleicht in normannischer Gefangenschaft, Ludwig, 948 geboren, endete gleichfalls früh, von den Ende März 953 geborenen Zwillingen Karl und Heinrich überlebte der letztere die Taufe nur kurze Zeit, der erstere wuchs kräftig heran und spielte als Herzog von Niederlothringen und Gegner der Capetinger nachmals eine wenig ehrenvolle Rolle in der französischen Geschichte. Von den beiden Töchtern Gerberga’s, die in den Jahren 943 und 948 das Licht der Welt erblickten, die eine eine Pathe Hugo’s von Francien, die andere des Herzogs Konrad von Lothringen, wurde Gerberga an den Grafen Adelbert von Vermandois vermählt, Mahthilde an den König Konrad von Burgund. Aus der ersteren Ehe ging der Bischof Liudolf von Noyon hervor, aus der letzteren Gerberga, die Mutter der Kaiserin Gisela.

G. Waitz, Jahrbücher des deutschen Reichs unter König Heinrich I. Neue Bearb. Berlin 1863. – Köpke und Dümmler, Kaiser Otto der Große, Leipzig 1876. – K. von Kalckstein, Geschichte des französischen Königthums unter den ersten Capetingern, I. Leipzig 1877.