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ADB:Heinrich I. (Herzog von Bayern)

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Artikel „Heinrich I., Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 454–457, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_I._(Herzog_von_Bayern)&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:35 Uhr UTC)
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Heinrich I., Herzog von Baiern, als zweiter Sohn König Heinrichs I. und der Mathilde von England[1] zwischen April 919 und April 922 zu Nordhausen geboren, war der Liebling seiner Mutter, die in ihm Antlitz, Gestalt und edle Haltung ihres Gemahls wiedererkannte. Auch Körperkraft und Waffengewandtheit erwiesen ihn als des Vaters Abbild. Als der schönste Mann seiner Zeit wird er gepriesen, dem in der Jugend seine Schönheit alle Herzen gewonnen habe. Von der Offenheit, aber auch von dem beobachtenden Ausdruck seines Blickes ist die Rede. Seine reiche Begabung aber stand im Dienste eines gefährlichen Ehrgeizes; hinter glänzender Außenseite barg er Verschlagenheit und glühende Leidenschaft und im Mannesalter traten in seinem Wesen mit abstoßender Gewalt die Züge der Härte und Grausamkeit hervor. Schon bei Lebzeiten des Gemahls suchte Mathilde, da ein festes Erstgeburtsrecht im sächsischen Hause nicht bestand, ihrem Lieblingssohne die Nachfolge zuzuwenden, und als auf der Versammlung zu Erfurt die erste königliche Einsetzung Otto’s, des älteren Sohnes, erfolgte, soll der um mindestens sieben Jahre jüngere, noch unmündige H. in Gegenwart des Vaters und der Fürsten seinen Unwillen nicht verhehlt und sich als den edleren gerühmt haben. Seine Ansprüche vor dem Bruder gründeten darauf, daß erst seine Geburt in die Zeit fiel, da der Vater die Königskrone getragen. Während Otto zu seiner Krönung zog, ließ er H. unter der Pflege des Grafen Siegfried von Hasgau zurück. Da überfiel den Jüngling Nachts auf seiner Burg Belecke an der Möhne sein und des Königs Halbbruder Thankmar, der sich dem Aufstande des Herzogs Eberhard von Franken angeschlossen hatte, und schleppte ihn gefesselt gleich einem Leibeigenen zu Eberhard (938). Als aber der Franke, durch wiederholte Niederlagen entmuthigt, seinen Gefangenen um Verzeihung und um Vermittelung beim Könige anging, überraschte ihn dieser mit dem Vorschlage einer gemeinsamen Empörung gegen Otto. Wiewol Eberhard mit deren Ziele, Uebergang der Krone auf H., kaum einverstanden war, ging er auf den Plan ein und setzte H. in Freiheit. Bald sammelte dieser zu Saalfeld am Thüringerwalde Streitkräfte zur Erhebung. Auf den Rath einiger halben Anhänger, die in das gefährliche Unternehmen verwickelt zu werden scheuten, eilte er nach Lothringen, um sich dort mit seinem Schwager Giselbert zu vereinigen. Der König folgte ihm mit einem Heere nach, nahm seine Burg Dortmund ohne Kampf und schickte deren Befehlshaber Hagen als Unterhändler an den Bruder. Kaum war dieser mit einer zweideutigen Antwort zurückgekehrt, so erschienen die Empörer, wurden aber trotz ihrer Ueberzahl bei Birten aufs Haupt geschlagen (939). H., der in Folge eines Hiebes auf den Arm einen dauernden Schaden davontrug, floh nach der Heimath, ward in Merseburg vom Könige umschlossen und nach zwei Monaten zur Auslieferung der Feste gezwungen. Unversöhnt schied er aus einer Zusammenkunft mit dem Bruder, dessen wunderbar scheinende Rettung bei Birten allerwärts tiefen Eindruck hervorgebracht hatte. Nach dem Untergange seiner Verbündeten Eberhard und Giselbert suchte H. eine Zuflucht auf Chevremont, einer Burg seiner Schwester Gerberga, der Wittwe Giselberts; doch wies ihn die Besitzerin aus Furcht vor Otto’s Rache zurück. König Ludwig von Westfranken bot ihm dann Schutz. Als jedoch Otto mit seinem Heere in Lothringen erschien, legte H. die Waffen nieder und unterwarf sich einer leichten Haft in der Nähe des Königs. Bald kam es zur völligen Aussöhnung der Brüder, ja schon 940 bestellte Otto H. in außerordentlicher Weise zum Leiter des lothringischen Herzogthums, Sei es aber aus wiedererwachtem Mißtrauen, sei es in der Einsicht, daß der Bruder sich im fremden Lande nicht behaupten könne, setzte der König, als H. wahrscheinlich durch die Erhebung der westfränkischen Partei aus Lothringen vertrieben ward, an seiner Stelle endgültig den einheimischen Grafen Otto zum Herzoge ein. [455] Darüber erbittert, trat H. 941 mit Unzufriedenen in der sächsischen Ostmark in Verbindung und verstärkte diese Partei durch reichliche Spenden. Damit die Krone auf sein Haupt gesetzt werden könnte, sollte Otto am Osterfeste unter Mörderhand fallen. Rechtzeitig gewarnt, wußte dieser den Anschlag zu vereiteln und noch im selben Jahre unterwarf sich H., nachdem er anfangs die Flucht ergriffen hatte, und ward in die Pfalz zu Ingelheim gebracht. Wiewol er dort in strengerer Haft gehalten war, entfloh er nächtlicherweile mit Hülfe des Mainzer Diacons Rudbert und um Weihnachten warf er sich im Frankfurter Dome im Aufzuge eines Büßenden reuig dem Bruder zu Füßen. Aufs neue gewährte ihm Otto Verzeihung, doch, durch üble Erfahrung gewitzigt, nicht sogleich wieder politischen Einfluß. Im Laufe der Jahre gestaltete sich das Verhältniß der Brüder zu einem besseren, ja H. erwies dem Könige fortan eine Ergebenheit, welche die Erinnerung an die schlimmen Anfänge seines öffentlichen Auftretens schon bei den Zeitgenossen zuweilen verwischte. Auf Fürbitte der Königin Mathilde ward er nach dem Tode Herzog Bertholds, wahrscheinlich zu Anfang des J. 948, mit dem Herzogthum Baiern betraut. Wie festes Vertrauen Otto seinem Bruder nun schenkte, geht auch daraus hervor, daß er den 950 unterworfenen Böhmenherzog Boleslaw, wie es scheint, in eine gewisse Abhängigkeit von ihm stellte. Da H. seit 937 oder 938 mit Judith, der Tochter Herzog Arnulfs, vermählt war, stand er Baiern nicht als völlig Fremder gegenüber, immerhin war die Erhebung eines Sachsen mit einer Würde, die seit langen Jahren nur Einheimische bekleidet hatten, ein kühner Schritt, der im Lande kaum ohne Unzufriedenheit aufgenommen ward. Zunächst hatte hier der Herzog den noch immer gefährlichen Ungarn seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und es geschah wohl aus Rücksicht auf die Landesvertheidigung, daß er die wichtige Ennsburg vom Bischof von Passau durch Tausch erwarb. Schon 949 brach der Erbfeind wieder ins Land; bei Louva, wol Laufen bei Salzburg, ward eine Schlacht geschlagen, über deren Ausgang wir nicht unterrichtet sind. Im folgenden Jahre aber führte H. mit glänzendem Erfolge seine Baiern in Feindesland, drang bis über die Theiß, Sieger in zwei Hauptschlachten, nahm dem Gegner große Massen zusammengeraubter Schätze wieder ab und führte, Gleiches mit Gleichem vergeltend, Weiber und Kinder ungarischer Vornehmen mit sich. Bis nach Byzanz verbreitete sich Unruhe über diese Erfolge; den Schrecken aller Barbaren und benachbarten Völker nennt Ruotger den Baiernherzog. Im Herbst 951 befehligte H. die Baiern auf dem Feldzuge Otto’s gegen Berengar, und auf dem Augsburger Reichstage, im August des folgenden Jahres, sah er seine Dienste reichlich belohnt, als das Berengar abgesprochene alte Herzogthum Friaul, das die Markgrafschaften von Istrien, Aquileja, Verona und Trient umfaßte, mit dem baierischen Herzogthume vereinigt ward. Als dann in der königlichen Familie neuerdings furchtbare Zwistigkeiten ausbrachen, verfocht H. wol nur zu rücksichtslos die Sache seines Bruders. Durch die Gunst, welche der König ihm und seiner zweiten Gemahlin Adelheid zuwandte, fühlten sich Otto’s Sohn und Eidam, die Herzöge Liudolf von Schwaben und Konrad von Lothringen zurückgesetzt. Liudolf lag auch mit seinem Oheim H. in Streit wegen der Grenzen ihrer Herzogthümer, und als er auf eigenen Faust vor dem Vater in Italien hatte eindringen wollen, war er auf Widerstand Heinrichs gestoßen. Als nun zu Anfang des J. 953 die Verschwörung Liudolfs und Konrads ausbrach, galt ihr erstes Ziel der Gefangennahme Heinrichs. Dieselbe ward aber dadurch vereitelt, daß der Baiernherzog nicht, wie erwartet, nach Ingelheim kam. In seiner Anwesenheit auf dem Reichstage zu Fritzlar entsetzte der König Liudolf und Konrad ihrer Herzogthümer und verbannte die thüringischen Grafen Wilhelm und Dadi nach Baiern, wo sie H. hüten sollte. Die abgesetzten Herzoge warfen sich [456] nach Mainz, wo H. mit den Baiern seinem Bruder die Stadt belagern half. Ein Versöhnungsversuch scheiterte schon deshalb, weil Heinrichs herrisches Auftreten die Belagerten zurückstieß. Nun aber zeigte sich, daß der Baiernherzog an seinem eigenen Volke keinen Rückhalt hatte. Schon beim Ausbruch der Verschwörung waren auch aus Baiern einzelne verwegene Jünglinge den Empörern zugeeilt. Jetzt verließ das ganze baierische Heer, geführt von seinen Großen, nächtlicherweile das Lager und kehrte in die Heimath zurück, wo zuerst der von H. für die Zeit seiner Abwesenheit als Stellvertreter zurückgelassene Pfalzgraf Arnulf, dann der von Mainz herbeigeeilte Liudolf an die Spitze des Aufstandes trat und Heinrichs Gemahlin mit ihren Kindern und Anhängern gezwungen ward, das Land zu räumen. Stammesabneigung gegen die Sachsen, die von allen Deutschen den Baiern am fremdartigsten gegenüberstanden, und persönlicher Widerwille gegen den harten und abstoßenden Herzog wirkten wol zusammen, die Baiern, zum vierten Male seit 40 Jahren, gegen das deutsche Königthum unter die Waffen zu rufen. Ein erster Angriff der Sachsen scheiterte; als sie dann im Februar 954 mit einem starken Heere ihren Versuch erneuerten, ward Baiern zugleich von Osten her von den Ungarn überfluthet. Die Aufständischen mußten einen Waffenstillstand eingehen, aber vergebens suchte der König auf der Versammlung zu Langenzenn bei Nürnberg Liudolf und die Liutpoldinger zur Unterwerfung zu bestimmen. H. wirkte bei den Unterhandlungen nicht in versöhnlichem Geiste, sondern reizte seinen Neffen nur durch neue Vorwürfe. Zum dritten Male rückten die Sachsen unter Otto’s und Heinrichs Führung gegen Baiern. In heißen Kämpfen ward um den Besitz von Regensburg gerungen. H., der schon im Beginne der Einschließung durch die Erbeutung alles Viehes der Belagerten deren Widerstandskraft schwer geschädigt, setzte die Belagerung auch dann noch fort, als Liudolf die Stadt, Otto das Lager verlassen hatte. Es gelang ihm aber nur die sogen. Neustadt, eine Vorstadt, in seine Gewalt zu bringen. Erst nach Ostern 955, nachdem der König seine Streitkräfte mit denen des Bruders zu neuem Angriffe vereint hatte, erlag Regensburg mehr dem Hunger als den Waffen. Ein Sieg, den H. wahrscheinlich bei Mühldorf am 1. Mai erfocht, brach die letzte Kraft des baierischen Aufstandes. Auch die Mark Aquileja, die sich der Erhebung angeschlossen, ward von H. wieder unterworfen. Mit unmenschlicher Grausamkeit, über die auch seine Landsleute den Stab brachen, nahm der Sieger nun Rache: den Erzbischof Herold von Salzburg, der in seine Gefangenschaft gerathen war, ließ er blenden, den Patriarchen Engilfried von Aquileja entmannen. Kaum aber war er von seinem Sieges- und Rachezuge zurückgekehrt, so befiel ihn ein schweres Leiden, angeblich in Folge der alten Wunde aus den Kämpfen gegen seinen Bruder. That- und kraftlos war er in Regensburg an das Schmerzenslager gebannt, während die Ungarn neuerdings in Baiern einbrachen, während sein Bruder den glorreichen Sieg auf dem Lechfelde erfocht. Nur die Freude war ihm vergönnt, daß er gefangene ungarische Häuptlinge, die ihm nach Regensburg gebracht wurden, aufknüpfen lassen konnte. Im Vorgefühl seines Todes suchte der Herzog im Kloster Pöhlde noch einmal die Mutter auf; von ihr und seiner Gemahlin, sonst von wenigen beweint, starb er dort am 1. November 955. Als Bischof Michael von Regensburg in seiner letzten Krankheit mit geistlichem Zuspruch in ihn drang, hatte er wol Reue über die Verstümmelung des Patriarchen von Aquileja geäußert, war jedoch darauf beharrt, dem Salzburger sei nur sein Recht geschehen. In der Klosterkirche zu Niedermünster in Regensburg ließ ihm Judith das Grab bereiten. H. hatte dieselbe erbaut; sonst aber ist er nicht als Beförderer kirchlichen Lebens bekannt, vielmehr wird berichtet, daß der Plan seines Bruders, in mehreren der verfallenen baierischen Klöster die Mönchsregel wieder herzustellen, [457] vornehmlich an seinem Widerstande scheiterte. Für die Wissenschaft hat H. immerhin durch die Berufung eines Lehrers Chunibert aus St. Gallen nach Salzburg einige Theilnahme bewiesen.

Köpke und Dümmler, Kaiser Otto der Große.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. Heinrich I., Herz. v. Baiern XI 454 Z. 2 v. o. l.: und seiner sächsischen Gemahlin Mathilde (statt der Mathilde von England). [Bd. 56, S. 397]