ADB:Otto I. (Kaiser)

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Artikel „Otto I. (Kaiser)“ von Harry Breßlau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 571–597, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto_I._(Kaiser)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 02:02 Uhr UTC)
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Otto I., der Große, deutscher König und römischer Kaiser, geb. am 23. November 912, † am 7. Mai 973, war der älteste Sohn aus der im J. 909 geschlossenen Ehe König Heinrichs I. mit der Mathilde, einer Dame aus edelstem sächsischen Geschlecht, das seinen Ursprung auf den Herzog Widukind, den in Geschichte und Sage berühmten Gegner Karls d. Gr. zurückführte. Vor dieser Ehe war König Heinrich schon eine andere Verbindung eingegangen, indem er die Tochter des Grafen Erwin vom Hassegau und Friesenfeld, Hatheburg, heimführte; allein da Hatheburg, als sie Heinrich die Hand reichte, bereits Witwe war und den Schleier genommen hatte, galt diese Verbindung der Kirche als unrechtmäßig und ward nach einigen Jahren, und nachdem ihr ein Sohn Thankmar entsprossen war, von Heinrich gelöst. Das reiche Erbe Hatheburgs behielt Heinrich dabei gleichwol in seinem Besitz und versagte es auch Thankmar, der, wenngleich mit anderer nicht unansehnlicher Ausstattung später entschädigt, dies Verfahren des Vaters immer und nicht ohne Grund als schwere Kränkung seines Rechts empfunden hat. Aus Heinrichs Ehe mit Mathilden sind nach Otto’s Geburt noch vier Kinder hervorgegangen: zwei Töchter, Gerberga und Hadwig, die vor, und zwei Söhne, Heinrich und Bruno, die wahrscheinlich beide nach 919, dem Jahr der Thronbesteigung des Vaters, das Licht der Welt erblickten.

Noch nicht sieben Jahre zählte der junge O., als die Wahl der Franken und Sachsen seinen Vater zum König des deutschen Volkes erhob (Mai 919). Seine Knabenjahre, über deren Erlebnisse und Eindrücke es uns völlig an Nachrichten fehlt, verstrichen während der Kämpfe, die der Vater um die Gründung oder Herstellung des Reiches im Süden und Westen desselben zu führen hatte; er war schon ein waffenfähiger Jüngling, als die Kriege mit den slavischen Völkerschaften des Ostens begannen, deren Unterwerfung für die Interessen des sächsischen Stammes besonders wichtig war. Daß der junge Königssohn während dieser Kriege thatenlos daheim gesessen habe, wird man kaum annehmen dürfen, wenngleich keine Quelle von seiner Theilnahme an denselben etwas zu melden weiß; vielleicht hat er selbst in irgend einem dieser Kämpfe jene slavische Häuptlingstochter gefangen heimgeführt, der er sich dann in Liebe zuwandte und die ihm – wahrscheinlich im Jahre 929 – einen Sohn, den nachmaligen Erzbischof Wilhelm von Mainz, gebar. Gerade diese Verbindung aber wird den Vater veranlaßt haben, die Vermählung seines Sohnes mit einer ebenbürtigen Gattin zu beschleunigen; wohl noch im Jahre 929 ward sie geschlossen; die Braut war Edgitha, die Tochter des fünf Jahre zuvor verstorbenen englischen Königs Eadward, deren Hand Heinrich von ihrem Bruder König Aethelstan durch eine übers Meer geschickte Gesandtschaft erbeten hatte. Die Hochzeit wurde mit glänzendem Gepränge gefeiert; sie bildete gleichsam eine Nachfeier zu dem entscheidenden Siege, den der König am 4. September bei Lenzen über die Wenden davongetragen hatte. Im Zusammenhang aber mit dieser Begründung eines selbständigen Haushaltes durch den jungen O. stand es, wenn gleichzeitig die Verhältnisse des königlichen Hauses neu geordnet wurden; wie Otto’s Gemahlin das noch zu großen Dingen bestimmte Magdeburg als Wittthum empfing, [572] so wurden auch der Königin Mathilde noch einmal die ihr zugesprochenen Dotalgüter: Quedlinburg, Nordhausen, Pöhlde, Grone und Duderstadt verbrieft; indem O. dieser urkundlichen Verfügung des Vaters in aller Form seine Zustimmung ertheilte, ward er gewissermaßen als der eigentliche Erbe der väterlichen Stellung proclamirt.

Doch nicht ganz unbestritten sollte ihm dieselbe zu Theil werden. Zwar der ältere Stiefbruder Thankmar konnte, nachdem die Ehe seiner Eltern als unrechtmäßig gelöst war, nicht wohl den Ansprüchen Otto’s entgegentreten. Dagegen war es Mathildens zweiter Sohn Heinrich (geboren zwischen 919 und 922), für den sich manche Stimme erheben mochte. Zwischen ihm und O. bestand ein merkwürdiger Gegensatz. Während O. in seinem ganzen Wesen mehr der Mutter geglichen zu haben scheint, von der er insbesondere den ausgesprochen kirchlichen Sinn und das mächtig hervortretende Herrscherbewußtsein geerbt haben mag, war Heinrich nicht nur in seiner von jugendlicher Schönheit strahlenden äußeren Erscheinung ganz das Ebenbild des Vaters, sondern auch ein oder der andere Charakterzug des Königs schien in diesem gleichnamigen Sohn getreuer wiederzukehren, als in dem älteren Bruder. Trotzdem oder vielleicht ebendeswegen bevorzugte die Mutter Heinrich; eine nicht wohl anzuzweifelnde Ueberlieferung bezeugt, daß Mathilde diesem, nicht O. die Nachfolge im Reich zuzuwenden wünschte. Derartigen Bestrebungen kam es zu statten, daß einerseits eine feste Thronfolgeordnung mit einem unbestreitbaren Vorzug des Erstgeborenen in Deutschland nicht bestand, andererseits Heinrich nach einer gerade im zehnten Jahrhundert mehrfach wiederkehrenden Anschauung sich rühmen konnte, edleren Blutes zu sein: war er doch der Sohn König Heinrichs, während O. dem Vater, solange er nur sächsischer Herzog hieß, geboren war.

Unsere durch höfische Rücksichten aller Art beeinflußten Quellen machen uns leider eine genauere Erkenntniß dieser im königlichen Hause bestehenden Gegensätze sowie ihrer Aeußerungen und Wirkungen unmöglich. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach hängt es mit ihnen zusammen, daß König Heinrich gegen die Sitte fränkischer Herrscher erst in seinem letzten Regierungsjahre, da er schon etwa das sechzigste Lebensjahr erreicht hatte und vom Schlage getroffen sein Ende nahe fühlen mochte, Fürsorge für die Sicherung der Nachfolge zu treffen sich entschloß. Dann freilich entschied er sich gegen die Wünsche seiner Gemahlin. Auf einer Versammlung der Großen des Reichs, die er nach Erfurt berief, bestellte er sein Haus. Er vertheilte seine Erbgüter und Schätze unter seine Söhne und designirte O. zu seinem Nachfolger im Reich. Nach dem Zeugniß Widukinds wird man nicht bezweifeln dürfen, daß diese Verfügung Heinrichs, wenn sie gleich an sich keine rechtsverbindliche Wirkung hatte, in irgend welcher Form von den anwesenden Grafen anerkannt wurde: kam es auch in Erfurt noch nicht zu einer förmlichen Wahl Otto’s, so konnte doch nach dem, was hier geschehen war, seine Thronfolge als gesichert betrachtet werden.

Nicht lange nach dem Erfurter Act, am 2. Juli 936, starb König Heinrich. Ob sein gleichnamiger Sohn nach dem Tode des Vaters noch einmal den Versuch erneuert hat, dessen letztwillige Anordnung zu durchkreuzen, wie man aus dem Bericht eines gleichzeitigen, aber den deutschen Dingen doch ferner stehenden Chronisten hat folgern wollen, müssen wir dahingestellt sein lassen; wenn etwas derartiges geschehen ist, so sind diese Versuche jedenfalls erfolglos geblieben. Auch darüber, welcherlei Verhandlungen zwischen den Fürsten in dem auf den Tod des Königs folgenden Monat etwa gepflogen sind, läßt sich den dürftigen und mehrdeutigen Worten unserer Quellen nichts bestimmteres entnehmen; gewiß ist nur, daß auf den Anfang des August eine allgemeine Wahlversammlung in [573] der alten Kaiserpfalz zu Aachen anberaumt wurde, auf der die Herzoge und andere geistliche und weltliche Große des Reiches sich einfanden. Von diesen ward O. feierlich zum König gewählt, und ihre Wahl ward, nachdem sie zunächst dem neuen Herrscher vassallitische Huldigung geleistet hatten, von dem in dem herrlichen Münster zahlreich versammelten Volk am 7. oder 8. August 936 mit erhobenen Händen und lautem freudigen Zuruf bestätigt. Gleichzeitig aber ward noch ein anderer Act vollzogen, welcher der Herrschaft Otto’s von vornherein einen ihr stets eigen gebliebenen und sie von derjenigen des Vaters bestimmt unterscheidenden Charakter aufprägte. Heinrich hatte einst nach seiner Wahl in Fritzlar die ihm von dem Erzbischof von Mainz angebotene Salbung und Krönung, aus welchen Gründen immer, mit bescheidenen Worten, aber in bestimmtester Weise abgelehnt und seine Weigerung hatte zwar den Beifall des Volkes gefunden, ihm aber von Seiten der Geistlichkeit manchen Tadel zugezogen. O., der am Tage von Aachen die gewohnte sächsische Tracht mit der fränkischen vertauscht hatte, ließ es geschehen, daß ihn Erzbischof Hildebert von Mainz (der Erzbischof von Trier hatte den Anspruch auf die Vollziehung der Handlung aufgeben müssen, und der von Köln mußte sich mit der Rolle eines Assistenten bei derselben begnügen) in feierlichen Formen und unter eindringlichen Mahnungen an seine Regentenpflichten mit den Insignien der Herrschaft bekleidete und ihn zum König salbte und krönte. So ward gleich im Anfang der neuen Regierung kund gethan, daß dieselbe eine andere Haltung gegenüber der Kirche einnehmen würde, als die des letzten Herrschers gewesen war; und zweifellos mit bewußter Absicht ward an das karolingische Herkommen wieder angeknüpft, von dem der Vorgänger sich entfernt hatte.

Ein feierliches Mahl beschloß nach alter Sitte den Krönungsact. Während der Tafel des Königs versahen die vier Herzoge Giselbert von Lothringen, Hermann von Schwaben, Eberhard von Franken, Arnulf von Baiern persönlich den Dienst. Willig hatten sie sich, wie vorher durch die Huldigung so jetzt durch diesen Hofdienst dem neuen Herrscher untergeordnet; nichts ließ an diesem glücklichen Augusttage die schweren Conflicte voraussehen, zu denen es bald zwischen dem König und den Vertretern und Leitern der einzelnen deutschen Stämme kommen sollte.

Wie sich das Verhältniß der Herzoge zur Krone unter Heinrich I. gestaltet hatte, war es nach manchen Beziehungen hin noch unbestimmt, ja unklar und schwankend. Sie waren des Königs Vassallen, sie erkannten seine Oberherrschaft über das ganze Reich an; aber wie weit die Befugnisse dieser Oberherrschaft in die Regierung der einzelnen Stämme eingreifen durften, das bestimmte von einzelnen Punkten abgesehen keine vertrags- oder gesetzmäßige Ordnung. Das Verhältniß war neu und hatte in keiner früheren Bildung der karolingisch-fränkischen Geschichte eine völlig zutreffende Analogie; ein Gewohnheitsrecht, das neue Normen schaffen sollte, konnte sich erst in längerer Praxis ausbilden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß O. entschlossen war, dieser Rechtsbildung eine andere Richtung zu geben, als die unter seinem Vater eingeschlagene war, daß er das Herzogthum in eine entschiedenere und straffere Abhängigkeit vom Königthum zu versetzen suchte. Heinrich war selbst aus dem Kreise der Herzoge hervorgegangen und hatte einst ihr Recht gegen König Konrad vertreten, O. war als Sohn eines Königs herangewachsen: das erklärt den Unterschied ihrer Auffassung zur Genüge.

Diejenige Otto’s fand bald Gelegenheit sich zu bethätigen. Im J. 937 lehnte sich Bruning, ein sächsischer Vasall Eberhards von Franken, dem auch der sächsische Hessengau unterstellt war, gegen den Herzog auf. Eberhard griff zur Selbsthülfe, die ihm gestattet schien, und durch die er des Königs Recht [574] nicht zu kränken meinte; er überfiel und verbrannte eine Burg Brunings und erschlug deren Besatzung. O. aber machte sofort, die königliche Gerichtsbarkeit geltend; er berief Eberhard und die vornehmsten seiner Mannen vor seinen Richterstuhl, verurtheilte jenen zu schwerer Buße, diese zu der entehrenden Strafe, Hunde nach der königlichen Pfalz zu Magdeburg zu tragen. Nachdem die Strafe verbüßt war, suchte der König die Gezüchtigten durch Milde und reiche Geschenke zu versöhnen: aber in ingrimmiger Erbitterung schieden die Franken vom Hofe des sächsischen Königs.

Nicht lange darauf, am 14. Juli 937, verschied Herzog Arnulf von Baiern, dem Heinrich einst, um ihn zur Unterwerfung zu bewegen, die größten Zugeständnisse gemacht, insbesondere das Recht übertragen hatte, die Bisthümer innerhalb seines Herzogthums zu besetzen. Er hinterließ mehrere Söhne, deren ältester Eberhard war, und die ohne Frage die Erben der väterlichen Macht in ihrem vollen Umfang zu sein glaubten. Hat O. ihnen dieselbe ganz einräumen wollen? Folgt man lediglich den kurzen Berichten unserer Quellen, in denen freilich hier wie sonst die Gesichtspunkte der Opposition gegen die Krone nirgends zum Ausdruck gelangen, so haben Arnulfs Söhne in trotzigem Uebermuth dem König die Huldigung geweigert, auf eigene Hand die herzogliche Gewalt ergriffen und die Empörung gegen den Herrscher beschlossen, dem eben erst ihr mächtiger Vater willig Treue gelobt hatte. Ihr Verfahren ist wenig verständlich, und jeder Versuch, dasselbe aus politischen Gründen zu erklären, stößt auf große Schwierigkeiten. Leicht erklärbar aber wird dasselbe, wenn wir unter Berücksichtigung einer Stelle Thietmars von Merseburg (1, 15), die vielleicht darauf hindeutet, die Vermuthung wagen, daß O. den Erben Arnulfs das jenem von Heinrich übertragene Recht der Besetzung der Bisthümer nicht hat zugestehen wollen. Der König würde damit nur einer ihm sicherlich innewohnenden Ueberzeugung von den mit seiner Krone verbundenen Herrscherrechten gefolgt sein, und er würde zugleich ganz im Sinne der kirchlichen Anschauungen gehandelt haben, die es ohnehin als ein Unrecht empfanden, wenn eine andere Person als der oberste Landesherr über die höchsten geistlichen Aemter verfügte; von den Söhnen Arnulfs aber würde man leicht begreifen, daß sie, wenn O. ihnen dasjenige Zugeständniß versagte, auf Grund dessen einst ihr Vater sich Heinrich unterworfen hatte, auch ihrerseits sich weigerten, ihm Huldigung zu leisten, und daß sie sich anschickten, was sie für ihr Recht hielten, mit den Waffen in der Hand zu behaupten.

Indem nun so in Baiern ein Conflict ausbrach, bereitete sich zugleich in Sachsen eine Erhebung gegen den König vor. Etwa um dieselbe Zeit wie Arnulf von Baiern war der sächsische Graf Siegfried verstorben, der angesehenste Mann Sachsens, dem König Heinrich durch seine erste Ehe mit Hatheburg verschwägert, Graf oder Markgraf im Hessengau und einigen benachbarten an die slavische Grenze stoßenden Gebieten. Wie Heinrich, so hatte ihm auch O. große Gunst geschenkt; er hatte ihm eben noch, während er selbst sich zur Krönung nach Westen begab, die Leitung Sachsens übertragen und ihn zugleich zum Pfleger seines Bruders Heinrich bestellt. Je mehr diese Stellung Siegfrieds auf dem persönlichen Vertrauen Otto’s beruhte, um so weniger mochte sie der König jetzt seinem Halbbruder Thankmar verleihen, der auf die erledigten Aemter Ansprüche erhob; er ernannte den Grafen Gero (s. A. D. B. IX, 38) aus einem jetzt zuerst bedeutsamer in die Geschichte eintretenden Geschlecht zum Nachfolger Siegfrieds. Ob auch hier kirchliche Anschauungen zu Grunde lagen, die dem Sprößling einer kirchlich verbotenen Ehe das Erbrecht versagten, ob etwa der Einfluß Mathildens, die dem Sohn der Hatheburg schwerlich gewogen war, sich geltend gemacht hat, vermögen wir nicht zu sagen: gewiß ist nur, daß der König durch [575] sein Vorgehen zu den Gegnern in Franken und Baiern sich auch solche in Sachsen geschaffen hat.

O. versuchte zunächst in Baiern einzugreifen, allein ein Zug dorthin, den er zu Anfang des Jahres 938 unternahm, verlief ergebnißlos und endete mit dem Rückzug des Königs. Ebensowenig gelang es auf einer Versammlung des sächsischen Stammes zu Steele bei Essen an der Ruhr die Ruhe in Sachsen herzustellen: weder Thankmar noch seine Anhänger, noch der wegen der Bevorzugung seines Bruders Hermann, des späteren Sachsenherzogs, gegen O. erbitterte Graf Wichmann erschienen auf dem Landtage. Vielmehr traten die verschiedenen Führer der Opposition in Sachsen und Franken mit einander in Verbindung und verschlimmerten dadurch die Lage des Königs. Thankmar überfiel die dem König gehörige Burg Belecke in Westfalen, auf der sich sein Stiefbruder Heinrich befand, nahm sie ein und führte den Bruder des Königs in Fesseln fort: er gab ihn Eberhard von Franken in Gewahrsam, der damit seinen Abfall vom Könige offen kundthat. Zunächst besetzte Thankmar die Eresburg (Stadtberge) an der Diemel und suchte von hier aus die umliegende Gegend mit Raub- und Plünderungszügen heim. Im Juli 938 zog darauf O. mit starker Macht gegen die Eresburg; die Bewohner öffneten ihm die Thore; Thankmar flüchtete in die Kirche, aber die Vassallen Heinrichs, die sich dem Heere des Königs angeschlossen hatten, verfolgten ihn bis in die geheiligte Stätte, und vor dem Altar wurde der Stiefbruder des Königs erschlagen. O. soll die That mißbilligt haben, aber er strafte den Thäter nicht, während er gegen die gefangenen Anhänger Thankmars aufs strengste einschritt.

Nach dem Tode Thankmars war die Ruhe in Sachsen bald wieder hergestellt, zumal Wichmann schon vorher zum Gehorsam gegen den König zurückgekehrt war; aber auch Eberhard war durch das Schicksal seines sächsischen Bundesgenossen gewarnt und entmuthigt; er suchte die Vermittlung Heinrichs, seines Gefangenen zu gewinnen und durch diese die Gnade des Königs. Damals zuerst offenbarte Heinrich seinen treulosen und unzuverlässigen Charakter. Er versöhnte sich mit dem Herzog, aber nur unter der Bedingung einer gemeinsamen Verschwörung gegen den König, die ihm selbst die lange erstrebte Krone verschaffen sollte; daraufhin freigelassen, wurde er von Otto freundlich und arglos aufgenommen. Auch Eberhard unterwarf sich demnächst unter Vermittelung des Erzbischofs Friedrich von Mainz, der sich Heinrich angeschlossen haben wird; um ihn nicht ganz ungestraft zu lassen, wurde er zu kurzer Haft in Hildesheim verurtheilt, bald aber völlig begnadigt. Ob Eberhard aber wirklich aufrichtig auf die Pläne Heinrichs eingegangen ist, muß dahingestellt bleiben; nach einem nicht unglaubwürdig erscheinenden Bericht war sein Gedanke, die beiden sächsischen Brüder sich untereinander aufreiben zu lassen und so dem eigenen Hause die Krone wiederzugewinnen – ein Gedanke ganz im Charakter dieser Zeit und dieser Menschen.

O. hatte durch diese Vorgänge in Sachsen und Franken freie Hand erhalten und als er noch im Herbst des Jahres ein zweites Mal nach Baiern zog, trug er einen vollständigen Erfolg davon. Er unterwarf das Land, vertrieb Eberhard, Arnulfs Sohn aus demselben und verlieh das Herzogthum dem Bruder Arnulfs, Berchthold, welcher sich allen Einschränkungen der herzoglichen Gewalt fügte, die der König anordnete. Die wichtigste derselben war der Verlust jenes Hoheitsrechtes über die Landesbisthümer, um dessen willen, wie wir vermutheten, der Streit ausgebrochen war; doch kam wahrscheinlich noch anderes hinzu: eine Verkleinerung des herzoglichen Amtssprengels durch die Abtrennung des Vinschgaues und des Engadins, die zu Rhätien geschlagen wurden; die Herausgabe der karolingischen Krongüter, welche in Baiern mit dem Herzogsgut [576] verschmolzen gewesen zu sein scheinen; die Restitution wenigstens eines Theiles der den bairischen Bisthümern in den letzten Jahrzehnten verloren gegangenen Besitzungen; endlich die Schöpfung oder Erneuerung eines bairischen Pfalzgrafenamtes, das ein Gegengewicht gegen das Herzogthum werden konnte.

So schien zu Ende des Jahres 938 das Reich im inneren vollständig beruhigt zu sein; aber nur scheinbar war das der Fall. Heinrich, jetzt der Leiter aller gegen seinen königlichen Bruder gerichteten Unternehmungen, bereitete mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln einen neuen Aufstand vor. Es war von entscheidender Bedeutung, daß er sich zu Anfang 939 nach Lothringen begab und seinen Schwager Gisilbert zum offenen Anschluß an seine Sache bewog. Dessen Motive bleiben dunkel; unruhig und unzuverlässig war er immer gewesen, und mit Eberhard von Franken verknüpften ihn innige Freundschaftsbande. Bereits 938 während der ersten Erhebung Eberhards und Thankmars war seine Haltung verdächtig gewesen: dann soll er der Verschwörung Eberhards und Heinrichs nicht fern gestanden haben; doch hatte er bisher den Schein der Treue gegen O. zu bewahren gewußt. Wenn er sich jetzt mit den Aufständischen offen verband, so hat ihn dazu kaum, wie man gemeint hat, der Gedanke bewogen, sein Herzogthum in ein unabhängiges Königreich zu verwandeln: daß ein selbständiges lothringisches Reich zwischen Deutschland und Frankreich sich nicht behaupten könne, wird ein so berechnender Politiker, wie Giselbert war, sich nicht verhehlt haben; eher ist es möglich, daß er einen Anschluß an das westfränkische Reich plante, unter dessen schwachen Königen die Macht der großen Vassallen bessere Aussichten hatte sich zu behaupten, als unter dem so energisch die Rechte der Krone wahrnehmenden Regiment der deutschen Herrscher.

O. verfolgte seinen Bruder mit Heeresmacht an den Niederrhein: bei Birten unweit Xanten kam es zum Treffen mit den Schaaren Heinrichs und Giselberts. Nur ein kleiner Theil des königlichen Heeres befand sich bereits am linken Ufer des Rheins, als die Feinde angriffen; der König selbst mit dem größten Theil seiner Mannschaften konnte ihnen keine Hilfe bringen, weil es ihm an Schiffen fehlte, um über den Fluß zu setzen. Während O. mit seinem ganzen Heere am rechten Ufer des Stromes auf die Kniee sank und in inbrünstigem Gebet Gottes Beistand anflehte – ein denkwürdiges und für die Sinnesart des Königs überaus charakteristisches Bild – begann drüben der Kampf. Die Königlichen, obwohl in der Minderzahl, behaupteten den Sieg; Heinrich, selbst nicht unbedeutend verletzt, suchte mit Giselbert sein Heil in der Flucht. In Sachsen ward das Gerücht verbreitet, er sei gefallen: darauf ergab sich die Mehrzahl seiner Burgen; nur Merseburg und Scheidungen hielten sich und in die erstere Veste warf sich Heinrich selbst. Hier schloß ihn O. ein und zwang ihn nach zweimonatlicher Belagerung zur Uebergabe der Festung unter der Bedingung freien Abzuges. Der Kampf war freilich damit noch nicht zu Ende. Heinrich begab sich abermals nach Lothringen, dessen Herzog Giselbert mit seinen Großen jetzt dem westfränkischen König Ludwig huldigte. Letzterer eilte in Folge dessen nach Lothringen und fiel von hier aus in den Elsaß ein. Inzwischen hatte sich auch Eberhard von Franken erhoben und durch seine Leute die elsässische Veste Breisach besetzen lassen, offenbar um dem westfränkischen Könige die Hand zu reichen, während er selbst sich mit Giselbert – wohl in der Gegend des Mittelrheins – vereinigte. O., dessen Lage auch nach den Erfolgen des Frühjahres keineswegs unbedenklich war, begab sich zunächst nach dem Elsaß, um die Franzosen aus dem Lande zu treiben, und belagerte, nachdem Ludwig sich schon vor seiner Ankunft zurückgezogen hatte, Breisach. Von hier aus ließ er durch den Erzbischof Friedrich von Mainz, der im Vorjahre für Eberhard eingetreten war, Verhandlungen mit dem Herzoge anknüpfen, die auch zum [577] Abschluß eines von Friedrich eidlich bekräftigten Vertrages führten. Die Bedingungen desselben sind uns nicht bekannt: sicher ist aber, daß O. den Vertrag nicht ratificirte; und daß er dadurch nicht nur den Erzbischof sich zum Feinde machte, sondern mit diesem auch zahlreiche andere Vassallen, geistliche und weltliche Große des Reichs, die das Verfahren des Königs in dieser Angelegenheit nicht gebilligt zu haben scheinen. So wurde seine Lage abermals eine höchst gefährliche. Die Truppen der verbündeten Herzoge überschritten bei Andernach den Rhein und unternahmen einen Plünderungszug in das rechtsrheinische Gebiet; auf die Kunde von diesem Ereigniß verließen Friedrich von Mainz, der Bischof von Straßburg und mehrere andere Bischöfe und Grafen das königliche Lager und unter denen die zurückblieben, verbreiteten sich Schrecken und Muthlosigkeit; nur der König selbst bewahrte auch in dieser Lage seine volle Geistesgegenwart, und unerschütterliches Gottvertrauen hielt ihn aufrecht.

Ein nicht vorherzusehendes Ereigniß rechtfertigte die Zuversicht Otto’s und führte einen gänzlichen Umschwung der Lage herbei. Als die Herzöge schon ihr Heer mit reicher Beute beladen über den Rhein zurück gesandt hatten, selbst aber noch diesseits des Stromes verweilten, wurden sie unvermuthet von einer kleinen Schaar von Anhängern des Königs überfallen; Eberhard und der größte Theil seiner Begleiter wurden im Handgemenge erschlagen, Giselbert kam bei einem Fluchtversuch in den Fluthen des Rheines um. Der Tod dieser Führer machte dem Aufstand ein schnelles Ende; Breisach ging zum König über, der Erzbischof von Mainz und der Bischof von Straßburg ergaben sich und wurden mit kurzer Haft bestraft; Heinrich flüchtete sich nach Frankreich, unterwarf sich aber ebenfalls noch in demselben Jahre und ward gleichfalls in Haft genommen; bis gegen das Ende des Jahres war Lothringen wieder ganz in der Gewalt des Königs; nur mit dem westfränkischen Reiche dauerten die Feindseligkeiten noch fort.

Damit war der erste der großen Bürgerkriege, welche den Anfang von Otto’s Regierung ausfüllten, zu Ende. Es war kein Kampf gegen die Einigung des Reiches in dem Sinne, wie Heinrich I. sie hergestellt hatte, wol aber ein Kampf gegen die Versuche Otto’s, die Stellung des Herzogthums in höherem Maße zu beschränken. Otto’s Verdienst in diesem Kampfe ist die Standhaftigkeit und Energie, mit der er an seinem Ziele festhielt; den Sieg verdankt er nicht seiner eigenen Tapferkeit oder seinem Feldherrngeschick, sondern dem heldenhaften Kampfesmuth seiner Krieger bei Birten und einem unerwarteten Glücksfall in dem Treffen gegenüber Andernach: beide entscheidenden Kämpfe sind von ihm nicht herbeigeführt, und er hat an ihnen nicht einmal Theil genommen. Aber der Erfolg kam ihm ganz zu statten.

Und die Folgen dieser Kämpfe waren sehr bedeutend. Frankens glaubte O. so vollständig Herr zu sein, daß er hier überhaupt das Herzogthum nicht erneuerte: das Land stand fortan unmittelbar unter dem Könige. Die Verwaltung Lothringens übertrug O. 940 seinem Bruder Heinrich, dem er schon nach kurzer Zeit verziehen hatte, der sich aber in dem von inneren Zwistigkeiten zerwühlten Lande nicht zu behaupten vermochte und vertrieben wurde. O. ging darauf im Herbst über den Rhein, restituirte aber seinen Bruder nicht, sondern ernannte einen einheimischen Grafen Otto, Richwins Sohn, zum Herzoge. Das scheint die Veranlassung zu einer neuen Verschwörung des undankbaren Heinrich gewesen zu sein, die besonders unter dem sächsischen Adel Anhänger fand, der aber auch der Erzbischof von Mainz nicht ferngestanden haben soll. Die Absicht war, O. am Osterfeste 941 zu ermorden; allein der Plan wurde verrathen und die Verschworenen wurden streng bestraft. Friedrich von Mainz reinigte sich [578] durch die Abendmahlsprobe; Heinrich wurde in Ingelheim gefangen gehalten, bis ein Fürstengericht das Urtheil über ihn sprechen würde. Zwar gelang es ihm mit Hilfe eines Mainzer Geistlichen aus der Haft zu entkommen; aber Weihnachten 941 warf er sich in der Kirche zu Frankfurt seinem Bruder zu Füßen und bat um Vergebung, die ihm gewährt wurde. Schwerlich hat wahre Reue den unzuverlässigen und gewissenlosen Mann zu diesem Schritt geführt; eher wohl die Erkenntniß, daß er an der Seite des Bruders, begünstigt durch den Einfluß der Mutter, die auch bei dieser Gelegenheit für ihn eingetreten sein wird, für seinen Ehrgeiz und seine Thatkraft ein freieres und weiteres Feld finden würde, als in vergeblichen Kämpfen gegen denselben. Und darin hat er sich nicht getäuscht, wenn auch erst nach einigen Jahren das Verhältniß der beiden Brüder ein wirklich freundschaftliches wurde.

In der inneren Politik Otto’s tritt in den nächsten Jahren deutlich das Bestreben hervor, die Stellung der Herzogthümer noch weiter in dem Sinne, auf den er von Anfang seiner Regierung an das Augenmerk gerichtet hatte, umzugestalten. Eine Reihe von Todesfällen erleichterte ihm die Verwirklichung seiner Absichten. Zu Anfang 944 starb Otto von Lothringen; O. ernannte zum Nachfolger den treuesten und mächtigsten seiner fränkischen Anhänger, Konrad von Worms, den man den Rothen nannte; 947 oder 948 wurde dieser mit Liutgard oder Dudicha, der Tochter des Königs, vermählt. Im November 947 starb Berchthold von Baiern; sein Herzogthum erhielt unter Uebergehung seines unmündigen Sohnes, auf Mathildens Fürbitte des Königs Bruder Heinrich, der mit Judith, einer Tochter Herzog Arnulfs, vermählt war. Endlich im December 949 starb Hermann von Schwaben; er hinterließ nur eine Tochter Ida, die mit Liudolf, dem 930 geborenen Sohn Otto’s und der Edgitha verheirathet war; 950 wurde dieser zum Herzog von Schwaben ernannt. So war von den vier Herzogthümern, die O. beim Beginn seiner Herrschaft vorgefunden hatte, das eine, Franken, unbesetzt: an der Spitze der drei anderen standen der Schwiegersohn, der Bruder, der Sohn des Königs, stammfremde Männer, und Männer, die ihre Stellung nur der Gnade des Königs und ihrer Zugehörigkeit zu seinem Geschlecht verdankten. Auch zwischen ihnen und dem König konnten sich Gegensätze entwickeln und sind thatsächlich Gegensätze hervorgetreten: aber die Kämpfe, in welche sie später mit dem Königthum verwickelt wurden, sind aus Conflicten der persönlichen Interessen hervorgegangen, und es handelt sich in ihnen nicht mehr oder doch nur in sehr untergeordnetem Maße um einen Widerstand der Stämme als solcher gegen das Reich und seinen König. Die Stellung der Herzogthümer war in den ersten anderthalb Jahrzehnten von Ottos Regierung gründlich verändert worden.

Während derselben Zeit waren aber auch gegen die auswärtigen Feinde des Reiches nicht unbeträchtliche Erfolge erzielt worden. Noch vor Otto’s Thronbesteigung war es in Böhmen zu einer national-heidnischen Reaction gegen die an Deutschland, insbesondere die deutsche Kirche sich anlehnende Regierung des Herzogs Wenceslav I. gekommen; der Herzog war am 28. September 935 von seinem Bruder Boleslav ermordet worden, welcher ihm in der Herrschaft folgte und gleich nach Heinrichs I. Tode die Feindseligkeiten gegen Deutschland eröffnete. Gleichzeitig kam es zu einer Erhebung der slavischen Stämme an der Ostgrenze des Reichs, die von Heinrich I. unterworfen und tributpflichtig gemacht waren und nun ihre Unabhängigkeit wieder zu gewinnen suchten. An den Kämpfen gegen die einen und gegen die anderen Feinde, welche sich durch eine lange Reihe von Jahren hinzogen und den Charakter eines grausamen und blutigen, mit allen Mitteln brutaler Gewalt und tückischer List geführten Grenzkrieges trugen, hat O. persönlich nur geringen Antheil genommen. In Böhmen [579] führte allerdings er selbst die Entscheidung herbei, indem er durch einen Feldzug des Jahres 950 Boleslav zwang, die vierzehn Jahre lang behauptete Selbstständigkeit aufzugeben und die deutsche Oberherrschaft wieder anzuerkennen. Gegen die Elbslaven aber kämpften unter nur gelegentlicher Theilnahme des Königs mit wechselndem Glück, aber doch mit auf die Dauer immer wachsendem Erfolge zwei sächsische Fürsten, denen der König besonderes Vertrauen schenkte: der Graf Hermann, dessen Geschlecht viel spätere Quellen als das der Billunger bezeichnen, und der Graf Gero, den wir als den Nachfolger des Merseburger Grafen Siegfried schon kennen gelernt haben. O. selbst hatte während dieser Jahre seine persönliche Thätigkeit, soweit sie nicht durch die inneren Wirren in Anspruch genommen war, wesentlich den Beziehungen zu den westlichen und südlichen Grenznachbarn des Reiches zugewandt. Sein Kampf mit dem westfränkischen König drehte sich um die Oberherrschaft über Lothringen, jene unglückliche und künstliche Schöpfung des Vertrages von Verdun, die aus deutschen und romanischen Gebietstheilen zusammengesetzt und weder durch die Stammeseinheit der Bevölkerung, noch durch die Gleichheit der materiellen Interessen zusammengehalten, durch mehr als ein Jahrtausend der Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich gewesen ist. Während Ludwig von Frankreich sich, wie wir gesehen haben, mit den lothringischen Rebellen des Königs verband, hatte O. in gleicher oder ähnlicher Weise mächtige französische Große, die aus gleichen oder ähnlichen Beweggründen ihrem Herrscher widerstrebten, als Bundesgenossen gewonnen. Ein wesentlicher Vortheil in diesen Kämpfen war es für O., daß es ihm gelang, sich, wir wissen nicht auf welche Weise, der Person des jungen Königs Konrad von Burgund zu versichern, der 937 seinem Vater Rudolf II. nachgefolgt war: wenn auch vielleicht keine rechtliche, so doch eine thatsächliche Abhängigkeit Burgunds von Deutschland wurde dadurch herbeigeführt und eine Vereinigung der beiden durch die Nationalität der Bevölkerung einander so nahe stehenden Reiche, in welche das alte Gallien zerfiel, gegen Deutschland gehindert. Nachdem dann Ludwig durch seine Vermählung mit Gerberga, der Witwe Giselberts von Lothringen, der Schwager Otto’s geworden war, suchte er selbst, von seinen Vassallen, insbesondere dem Herzog Hugo von Francien, dem Gemahl von Otto’s jüngerer Schwester Hadwig, immer härter bedrängt, den Feindseligkeiten mit Deutschland ein Ende zu machen. Im J. 942 fand eine Zusammenkunft der beiden Könige statt, die zu einer Versöhnung führte; Ludwig verzichtete auf seine Ansprüche auf Lothringen, O. gab seine Verbindung mit den westfränkischen Vassallen auf und brachte sogar einen Ausgleich derselben mit ihrem Könige zu Stande, der freilich nur von kurzer Dauer war. Schon 943 oder 944 brachen neue Mißhelligkeiten zwischen Ludwig und Hugo aus, und indem beide Theile in Aachen Otto’s Intervention oder Vermittelung anriefen, dieser aber Hugo zu begünstigen schien, kam es hier, da die Gesandten Ludwigs O. in schmähenden Worten des Vertragsbruches beschuldigten, wieder zu offenem Zerwürfniß zwischen den beiden königlichen Schwägern. Nun aber wurde im Juli 945 Ludwig durch Verrath von den Normannen gefangen genommen und an Hugo ausgeliefert. Damit hatte der Herzog von Francien eine übermächtige Stellung errungen, die ihm O. selbst nicht zugestehen mochte: es war das begreifliche Interesse des deutschen Königs in dem Streit zwischen seinem unzuverlässigen französischen Nachbar und dessen Vassallen, weder die eine noch die andere Partei das vollständige Uebergewicht gelangen zu lassen. Um so eher gab er den Bitten seiner Schwester Gerberga nach und beschloß in Frankreich zu interveniren, obwohl inzwischen Hugo seinen Gefangenen, gegen die Abtretung seiner Festung Laon, frei gelassen hatte. Durch einen großen, drei Monate dauernden Feldzug im J. 946, an dem außer Ludwig auch [580] Konrad von Burgund theilnahm, zwang O. den Herzog Hugo zur Uebergabe von Reims, konnte aber weder durch eine vergebliche Belagerung von Paris – es war das erste Mal seit der Auflösung des Frankenreichs, daß deutsche Truppen die französische Hauptstadt umlagerten – noch durch einen Plünderungszug an die Loire oder einen Vorstoß gegen Rouen die Gegner Ludwigs zur Unterwerfung zwingen. Auch der Bannstrahl, den eine deutsche Synode zu Ingelheim (Juni 948) dem Herzog von Francien androhte und den eine zweite Synode zu Trier (September 948) wirklich verhängte, blieb ohne Wirkung, und ein Feldzug nach Frankreich, den auf Otto’s Befehl Herzog Konrad von Lothringen im Sommer 948 unternahm, verlief ohne durchgreifenden Erfolg. Erst 950 gelang es, zwar nicht unmittelbar durch Waffengewalt, aber doch ohne Frage unter dem nachhaltigen Einfluß der Unterstützung, die O. seinem königlichen Schwager gewährte, den Frieden in Frankreich zu Stande zu bringen. Bei einer Zusammenkunft zwischen Ludwig und Hugo, die an der Marne stattfand, und der im Auftrage des deutschen Königs Konrad von Lothringen beiwohnte, unterwarf sich Hugo und verstand sich zur Herausgabe des Thurmes von Laon, den er bis jetzt hartnäckig festgehalten hatte. Als dann im nächsten Jahre noch einmal Irrungen zwischen beiden ausbrachen, erschien Hugo auf Otto’s Einladung selbst in Aachen und fügte sich den Wünschen des Königs.

Eine rechtliche oder auch nur thatsächliche Oberherrschaft des deutschen Königs über Frankreich beweisen natürlich die erzählten Vorgänge nicht; aber den vorwaltenden Einfluß der deutschen Großmacht, wie O. ihre Kräfte in strafferer Einigung zusammengefaßt hatte, lassen sie auch über die Grenzen des Reiches hinaus deutlich erkennen. Und noch viel energischer und wirksamer machte sich die deutsche Macht südlich von den Alpen in Italien geltend.

Die italienischen Verhältnisse hatte schon Heinrich I., so sehr er mit der Herstellung des deutschen Reiches beschäftigt war, nicht aus den Augen verloren. Es ist glaubwürdig überliefert, daß er gegen das Ende seiner Regierung selbst nach Rom zu ziehen gedachte, und daß nur der Ausbruch seiner letzten Krankheit ihn an der Ausführung dieses Planes verhindert hat. Dabei hat er gewiß nicht bloß die Absicht gehabt, wie man wohl gemeint hat, als frommer Pilger an den Schwellen der Apostel sein Gebet zu verrichten. Das würde einen kirchlichen Sinn voraus setzen, der zu dem, was wir sonst von Heinrichs Wesen sagen können, wenig paßt und die Worte, in die Widukind seine Nachricht kleidet: „nachdem er ringsum alle Nationen bezwungen hatte, beschloß der König zuletzt nach Rom zu ziehen“, lassen kaum einen Zweifel daran, daß auch diesem Plane Herrschergedanken zu Grunde lagen. In viel höherem Maße aber noch als den Vater mußten den Sohn und Nachfolger, der mehr als jener in karolingischen Tendenzen lebte, die italienischen Dinge anziehen. Und an Veranlassung, sich mit ihnen näher zu beschäftigen, fehlte es O. nicht.

Um das Jahr 941 war der Markgraf Berengar von Ivrea, durch seine Mutter ein Enkel Kaiser Berengars I., vor einem Anschlage des grausamen und tyrannischen Königs Hugo von Italien nach Deutschland geflohen; Herzog Hermann von Schwaben, zu dem er sich zunächst begab, führte ihn an den Hof Otto’s. Berengar ward Vassall des deutschen Königs; dieser gewährte ihm seinen Schutz und lehnte das von Hugo gestellte Begehren seiner Auslieferung ab; aber damit begnügte er sich auch, zumal Hugo durch reiche Geschenke, die er jährlich über die Alpen sandte, seine Ergebenheit zu bezeugen suchte. So gewährte denn O. auch im J. 945, als Berengar, durch die wachsende Unzufriedenheit mit Hugo’s hartem Regiment ermuthigt, sich zur Rückkehr nach Italien anschickte, demselben keine unmittelbare Unterstützung; aber er verhinderte seinen Zug nicht und ließ es geschehen, daß eine Anzahl deutscher Krieger im [581] Gefolge des Markgrafen ihr Glück suchten. Dieser fand in Italien zahlreiche Anhänger und zwang dem König Hugo ein Abkommen ab, nach welchem letzterer und sein zum Mitregenten ernannter Sohn Lothar zwar den königlichen Namen behaupteten, Berengar aber nicht nur in seine Markgrafschaft wieder eingesetzt wurde, sondern auch der eigentliche Leiter der Regierungsgeschäfte ward, eine Stellung, die der Markgraf mit noch größerer Entschiedenheit behauptete, als Hugo 947 verstorben war. Drei Jahre später, am 22. November 950 ward auch der junge Lothar vom Tode ereilt, und nun ließ Berengar sich selbst zum König von Italien wählen und krönen; sein Sohn Adelbert trat ihm als Mitregent zur Seite. Durch seine Gemahlin war Berengar mit Hugo verwandt; Adelheid, die Wittwe Lothars, die zugleich als Tochter Rudolfs II. von Hochburgund und Italien auch um dieser Abkunft willen Ansprüche auf die Krone machen konnte, ließ er im April 951 gefangen nehmen und in strenger Haft halten; auch unwürdige Mißhandlungen soll sie zu erdulden gehabt haben.

So trug ein Vassall des deutschen Königs die Krone Italiens. Hatte auch Berengar den Huldigungseid einst nur für seine Person und nicht für das italienische Reich, das er noch nicht besaß, geleistet, so blieb er doch nichtsdestoweniger an denselben gebunden, und schon aus diesem Verhältniß konnte O. ein Recht auf die Einmischung in die italienischen Dinge ableiten. Daß von Seiten Adelheids oder ihrer Anhänger ein Hilfegesuch an ihn gelangt sei, wird, so wahrscheinlich es an sich ist, nicht bestimmt bezeugt; sicher aber ist, daß O., den der Tod Edgitha’s im J. 946 zum Witwer gemacht hatte, ihre Hand, die um ihrer viel gepriesenen Schönheit willen schon an sich begehrenswerth war, und mit derselben die Krone Italiens zu erlangen beabsichtigte: die ohne seine Einwilligung erfolgte Königswahl seines Vassallen war er anzuerkennen nicht gesonnen.

Während nun in Deutschland umfassende Vorbereitungen für den Zug nach Italien unternommen wurden, führte der Plan des Königs neue und überaus gefährliche Irrungen innerhalb der königlichen Familie herbei. Unmittelbar nach dem Tode seiner Gemahlin Edgitha hatte O. im J. 946 die Nachfolge im Reich seinem einzigen ehelichen Sohne Liudolf gesichert. Der Vorgang war ähnlich demjenigen gewesen, durch welchen O. selbst als Erbe im Reich anerkannt war: O. hatte Liudolf zum Nachfolger designirt, und die Großen hatten dem zugestimmt; es wird diesmal ausdrücklich bezeugt, daß sie ihm Treue geschworen hatten. Es ist begreiflich, daß sein Oheim Heinrich, dem durch diese Designation jegliche Aussicht auf die Krone geschwunden war, zu dem Neffen, dessen herrliche Gaben des Geistes und des Körpers alle uns erhaltenen Quellen in einmüthigem Preise bezeugen, nicht in guten Beziehungen stand; daß er ihm sein Glück neidete, wird ausdrücklich überliefert, und auch von Grenzstreitigkeiten zwischen beiden ist später die Rede. Nun hatte Heinrich sich wahrscheinlich gleich nach dem Tode Lothars gewaltsam in den Besitz eines Theils des italienischen Reiches gesetzt, indem er die Hauptstadt des Patriarchats von Aquileja besetzte; für Liudolf mochte der Verdacht nahe liegen, daß er aus der Eroberung Italiens den Hauptvortheil ziehen würde; vielleicht hatte ihm der Bruder schon damals eine Machtvergrößerung in Aussicht gestellt, wie er sie später thatsächlich erhalten hat. Dazu kam, daß Liudolfs Designation sich nur auf Deutschland, nicht auch auf Italien bezog; erlangte O. die lombardische Krone durch Vermählung mit Adelheid, so lag die Möglichkeit nahe, daß er einem Sprößling dieser Ehe, nicht dem Sohn der Edgitha die Nachfolge südlich der Alpen zuwenden würde. Diese Erwägungen erklären es ausreichend, wenn Liudolf beschloß, dem Vater in der Occupation der Lombardei zuvorzukommen; an eine [582] aus nationalen Gesichtspunkten hervorgegangene Opposition gegen die italienische Politik des Vaters zu denken, wie man sie in seinem Entschluß hat erblicken wollen, berechtigen die Quellenzeugnisse in keiner Weise. Gelang es Liudolf Italien vor der Ankunft des Vaters zu erobern, so konnte ihm der Dank nicht wohl verweigert werden; er konnte hoffen, daß er als Nachfolger auch hier anerkannt werden würde und jedenfalls erwarten, daß etwa von Italien abzutrennende Gebietstheile nicht zu dem bairischen, sondern zu dem schwäbischen Herzogthum würden geschlagen werden. Sein Unglück war, daß sein Unternehmen scheiterte. Nur von einem kleinen Heere begleitet, hatte er gehofft, daß die mit Berengars Thronbesteigung unzufriedenen Italiener ihn freudig aufnehmen würden; diese Hoffnung aber vereitelte eine Intrigue Heinrichs, der durch voraufgeschickte Boten überall vor dem Anschluß an den Sohn des Königs warnen ließ, vielleicht unter dem Vorgeben, daß sein Zug dem Vater nicht genehm sei, oder, worauf eine dunkle Andeutung eines italienischen Schriftstellers zu deuten scheint, indem er den Neffen verdächtigte, er wolle die zu ihm übergehenden Italiener an Berengar verrathen. Es ist wohl nur ein Compliment, wenn Hroswitha und Widukind Liudolf wenigstens einige Städte und Burgen einnehmen lassen; nach einer anderen, von höfischen Einflüssen unabhängigen Quelle hat er gar keine Erfolge erzielt: während er selbst den Vater erwartete, tiefen Groll gegen den Oheim im Herzen tragend, mußte es diesem leicht sein, die Motive des gescheiterten Unternehmens bei O. zu verdächtigen.

Zu Anfang des Herbstes 951 zog der König mit ansehnlichem Heere selbst über die Alpen; Heinrich und Konrad von Lothringen waren in seinem Gefolge, Liudolf schloß sich ihm alsbald an. Auf Widerstand stieß er nirgends. Schon am 23. September stand er in Pavia, das Berengar am Tage zuvor geräumt haben muß, um sich in eine feste Burg zurück zu ziehen. Die weltlichen und geistlichen Fürsten eilten herbei, ihm zu huldigen; schon im October nahm O. den Titel eines lombardischen Königs an und zählte in seinen Urkunden nach Jahren seiner Regierung in Italien; daß er sich hätte wählen oder krönen lassen, wird nicht berichtet. Inzwischen war Adelheid bereits im August in wundersamer Flucht ihrer Haft entkommen; O. warb durch Gesandte um ihre Hand und schickte ihr, als die Werbung angenommen war, seinen Bruder Heinrich entgegen, der sie feierlich nach Pavia geleitete; noch vor dem Schluß des Jahres ward die Hochzeit begangen.

Liudolf wird mit diesen Vorgängen nicht eben sehr zufrieden gewesen sein; daß er der Stiefmutter nicht geneigt war, ist erklärlich; und seinen Unmuth erhöhte der steigende Einfluß Heinrichs nicht blos auf O., sondern auch auf Adelheid, deren Gunst der Schwager durch eifrigste Dienstfertigkeit zu gewinnen beflissen war. Und bald fand der Sohn des Königs Genossen seines Grolls. Noch von Pavia entsandte O. den Erzbischof Friedrich von Mainz und den Bischof von Chur nach Rom; sie sollten wegen der Kaiserkrone, die der König begehrte, unterhandeln. Allein Papst Agapit II., ganz unter dem Einfluß des allmächtigen Patricius Alberich stehend, der auch Hugo stets von Rom fern gehalten hatte, lehnte es ab, den König in der ewigen Stadt zu empfangen. Es scheint, daß dieser Mißerfolg seiner Mission zwischen dem Erzbischof und dem König eine neue Verstimmung hervorgerufen hat; Friedrich kehrte mit Liudolf ohne Genehmigung des Königs noch vor dem Schluß des Jahres 951 nach Deutschland zurück; zu Weihnachten versammelte der Herzog in Saalfeld eine Anzahl Anhänger um sich, und bald verbreitete sich das Gerücht von verhängnißvollen Plänen, die hier geschmiedet worden seien. Nicht unmöglich, daß die Kunde davon den König veranlaßt hat, seine Rückkehr nach Deutschland zu beschleunigen; mit Waffengewalt gegen Rom vorzudringen [583] war er offenbar nicht vorbereitet, und thatenlos konnte er das Heer ohnehin nicht allzulange in der Fremde zusammenhalten. Im Februar 952 verließ er Pavia und kehrte über Como und Chur nach Deutschland zurück; in Italien wurde Konrad von Lothringen mit einem Theile des Heeres als Statthalter zurückgelassen. Zu diesem begab sich nun Berengar, dessen Stellung in Italien durch den Zug Otto’s zwar erschüttert aber keineswegs ganz unhaltbar geworden war, gleich nach dem Abzuge des Königs, knüpfte Friedensunterhandlungen an und traf mit ihm ein Abkommen, demzufolge er den Herzog nach Deutschland begleiten sollte, um sich dem Könige zu unterwerfen. Welche Bedingungen dabei verabredet worden sind, erfahren wir nicht; als gewiß aber darf nach den folgenden Ereignissen betrachtet werden, daß Konrad ganz bestimmte Versicherungen gemacht hat, auf Grund deren Berengar sich entschloß ihm zu folgen. In Magdeburg trafen beide den König, wurden aber ungnädiger aufgenommen, als sie erwartet hatten. Erst nach drei Tagen ließ O. Berengar vor sich; Berengar übergab sich in feierlicher Form nach hergebrachter Weise in des Königs Gewalt und erhielt demnächst Verzeihung und die Erlaubniß zur Rückkehr nach Italien; die näheren Bestimmungen aber über sein zukünftiges Verhältniß zum König wurden nicht sofort, sondern erst auf einem Augsburger Reichstage im August 952 getroffen, auf welchem Berengar, diesmal von seinem Sohn Adalbert begleitet, sich einfinden mußte. Beide leisteten hier dem deutschen Könige den Vassalleneid und wurden dann mit dem Königreiche Italien belehnt, mußten sich aber eine beträchtliche Gebietsverkleinerung gefallen lassen, indem die Marken von Verona, Aquileja, Istrien und das Gebiet von Trient, d. h. das ganze altlangobardische Herzogthum Friaul von Italien abgetrennt und dem Herzog Heinrich von Baiern unterstellt wurden; ob sie daneben auch zu einer Tributzahlung verpflichtet wurden, ergiebt sich aus den vorhandenen Zeugnissen nicht mit Bestimmtheit.

So war es Herzog Heinrich, dem schließlich der Hauptvortheil des italienischen Feldzuges von 951 zu Gute kam; und wie gewaltig die Stellung war, die er von der Gunst der Mutter, des Bruders und der jungen Königin getragen damals einnahm, läßt ein merkwürdiges, wahrscheinlich einige Jahrzehnte später in lateinisch-deutscher Mischsprache abgefaßtes Gedicht deutlich erkennen, das man neuerdings mit Recht auf die Vorgänge von Augsburg bezogen hat. „Der ganze Reichstag“, heißt es hier, „stand unter dem Einfluß des festen Heinrich; was O. gethan hat, alles hat Heinrich gerathen und was er unterlassen hat, davon hat Heinrich abgerathen.“

Je höher nun aber der Einfluß des Baiernherzogs stieg, um so empfindlicher fühlten sich Liudolf von Schwaben und Konrad von Lothringen verletzt. So wenig wie Friedrich von Mainz im J. 939 konnte Konrad es jetzt dem Könige vergessen, daß dieser Verbindlichkeiten, die Konrad als sein Bevollmächtigter eingegangen war, zu erfüllen abgelehnt hatte. Und wenn Liudolf auf dem Augsburger Tage äußerlich noch in gutem Einvernehmen mit seinem Vater stand, so nagte doch der Groll um so tiefer in seinem Herzen, je mehr der übermüthige Oheim ihn durch höhnende Reden sein Uebergewicht und das Fehlschlagen der eigenen Entwürfe fühlen ließ.

Aus dieser Stimmung heraus begreift man es, daß Liudolf, als Adelheid ihrem Gemahl zu Ende 952 oder zu Anfang 953 einen Sohn gebar, der nach dem Großvater Heinrich genannt wurde, sich den düstersten Befürchtungen über seine Zukunft hingab. Wir wissen, daß im Reiche das Gerücht verbreitet war, O. beabsichtige die Anordnung von 946 rückgängig zu machen und dem Sohn der Adelheid die Nachfolge zuzuwenden; kein Zweifel, daß Liudolf diese Befürchtung theilte und ihrer Verwirklichung zuvorzukommen beschloß. Mit Konrad [584] stand er in fester Verbindung; aber auch in Sachsen und Franken, ja selbst in Baiern, wo Viele mit dem strengen Regimente Herzog Heinrichs unzufrieden waren, fand er zahlreiche Anhänger. Die Verschwörung war in erster Linie nicht sowohl gegen O. selbst als gegen seinen Bruder gerichtet; nicht eine Entthtonung ihres Vaters und Schwiegervaters, vielmehr eine Beseitigung Herzog Heinrichs und demnächst wohl eine Bekräftigung der im J. 946 festgestellten Thronfolgeordnung hatten Konrad und Liudolf ins Auge gefaßt. Zu Ostern 953 hatte O. einen Hoftag nach Ingelheim anberaumt; hier sollte der Baiernherzog gefangen genommen werden. Aber Heinrich erschien nicht, und der König kehrte, als ihm die Pläne der Verschworenen offenbar wurden, vor Ingelheim um und begab sich mit wenigen Begleitern nach Mainz. Hier nahm ihn Erzbischof Friedrich zwar auf, aber auch er stand schon im Einverständniß mit den beiden Herzögen; bald erschienen auch Liudolf und Konrad in der fränkischen Metropole und nöthigten dem Vater, der keinen Widerstand leisten konnte, einen unter der Vermittelung des Erzbischofs abgeschlossenen förmlichen Vertrag ab, dessen Inhalt wir freilich nicht kennen, der aber jedenfalls gegen Heinrich gerichtete Bestimmungen enthielt.

O. begab sich darauf über Köln nach Sachsen, sammelte zahlreiche Anhänger um sich, und unter dem Einfluß seiner Mutter, die ihm schon in Westfalen entgegenkam, beschloß er energischen Widerstand gegen die Empörer. Er erklärte den ihm aufgezwungenen Vertrag für ungültig, forderte Liudolf und Konrad unter Androhung der Acht zur Unterwerfung auf und beraumte einen Reichstag zu Fritzlar an, auf dem die von den Herzogen auszuliefernden Urheber des Verraths zur Verantwortung gezogen werden sollten. Friedrich von Mainz erschien auf diesem Tage, die Herzoge blieben fern; wahrscheinlich wurden ihnen infolge dessen schon hier ihre Lehen aberkannt; gegen den Erzbischof erhob Heinrich von Baiern die Anklage, und wenn auch der Reichstag über den Kirchenfürsten nicht zu Gerichte sitzen konnte, so waren doch der König und die Versammlung von seiner Schuld überzeugt.

So brach abermals der Bürgerkrieg in Deutschland aus, der zwei Jahre lang das Reich aufs schwerste heimsuchen sollte. Die Spaltung ging durch alle Stämme hindurch; nur die Schwaben blieben ihrem Herzog treu ergeben. In Sachsen hatte Liudolf zahlreiche Anhänger; in Franken war besonders Konrad mächtig; in Baiern erhob sich eine starke Partei unter Führung von Mitgliedern des arnulfingischen Geschlechts gegen den stammfremden Herzog; umgekehrt, aber aus denselben Gründen wandten sich zahlreiche Lothringer, insbesondere Graf Reginar, ein Neffe des früheren Herzogs Giselbert, von Herzog Konrad ab und dem Könige zu. Für die Entwickelung der Dinge in Lothringen war es von wesentlicher Bedeutung, daß im Juli 953 der kölnische Erzstuhl erledigt wurde und Bruno, der treu ergebene Bruder Otto’s zum Nachfolger ernannt werden konnte. Der Hauptkampf dieses Jahres aber bewegte sich um Mainz, welche Stadt Erzbischof Friedrich den aufrührerischen Herzogen überlassen hatte, indem er sich selbst nach dem Elsaß zurückzog. O. und Heinrich schlossen die Stadt ein; allein nach mehrmonatlicher Belagerung, und nachdem Unterhandlungen, zu deren Behuf Liudolf und Konrad sich selbst ins königliche Lager begeben hatten, wesentlich durch die Schuld Heinrichs, der keinen Frieden wollte, gescheitert waren, mußte O. sich zum Abzuge entschließen.

Er begab sich nach Baiern, wo die Lage überaus bedenklich war. Gleich nach dem Scheitern jener Verhandlungen waren die im Heere Otto’s befindlichen Baiern zu Liudolf übergegangen; mit ihnen marschirte Liudolf nach Baiern, bemächtigte sich des ganzen Landes und setzte sich selbst in Regensburg fest. [585] Hier belagerte ihn O. bis zum Schluß des Jahres; vermochte aber ebensowenig etwas auszurichten wie vor Mainz und mußte sich im December nach Sachsen zurückziehen.

So waren im Anfang des J. 954 die Aufständischen entschieden im Vortheil; Baiern und Schwaben waren fast ganz, Lothringen und Franken theilweise in ihren Händen. Da veränderte ein gewaltiger Einbruch der Ungarn in Baiern die politische Lage. Diese Erbfeinde des Reichs hatten schon 936, also gleich nach dem Tode Heinrichs I., ihre Angriffe auf Deutschland wieder aufgenommen und ihren Einfall später mehrfach wiederholt; große Erfolge aber hatten sie nicht mehr errungen; namentlich Heinrich von Baiern hatte sich um ihre Abwehr große Verdienste erworben und sie 950 sogar im eigenen Lande heimgesucht. Jetzt mögen sie die Gelegenheit günstig geglaubt haben, Rache zu nehmen. Liudolf und Heinrich beschuldigten sich gegenseitig und gewiß beide ohne Grund, die Magyaren herbeigerufen zu haben; sicher aber ist, daß die Gegner des Königs zuerst mit ihnen in offene Verbindung traten. Liudolf bewog sie zum Abzuge nach Westen und ließ ihnen durch seine eigenen Leute den Weg dahin weisen; Konrad schloß in Lothringen ein förmliches Abkommen mit ihnen, um ihre Waffen gegen seine Gegner zu wenden. Es war nicht anders, als daß diese Verbindung mit den Reichsfeinden den Herzogen einen Theil der populären Sympathien entziehen mußte, von denen ihre Sache bisher getragen war; insbesondere aber machte sich angesichts der Gräuel der heidnischen Verwüster das lebhafteste Friedensbedürfniß in Baiern wie in Lothringen geltend. In Baiern zuerst wurde ein Waffenstillstand geschlossen und ein Tag zu Langenzenn bei Nürnberg anberaumt, auf welchem die Friedensverhandlungen eröffnet werden sollten. Friedrich von Mainz, dem der König den angebotenen Reinigungseid erließ und der sich darauf eifrig bemühte, seine Bundesgenossen zur Unterwerfung zu bewegen, und Konrad, der seinen Mahnworten Gehör schenkte, kehrten hier zur Treue gegen den König zurück, während Liudolf noch im Widerstande beharrte. Indessen allein vermochte er denselben auf die Dauer nicht fortzusetzen. Zwar gelang es ihm noch Regensburg gegen eine wiederholte Belagerung durch O. und Heinrich nach den härtesten Kämpfen zu behaupten; aber schließlich mußte er sich doch dazu verstehen, um Frieden zu bitten und die Entscheidung seiner Sache dem Spruche eines nach Fritzlar anzuberaumenden Reichstages zu unterwerfen. Diesen Spruch hat der Herzog dann nicht abgewartet; vielmehr warf er sich dem Vater, als dieser im Herbste im Thüringer Walde der Jagd pflegte, in der Haltung eines reuigen Büßers zu Füßen und erreichte durch das Versprechen, fortan allen seinen Befehlen zu gehorchen um so leichter Otto’s Verzeihung, als die dem Jüngling feindlichen Mitglieder der Familie des Königs offenbar nicht in dessen Umgebung waren.

Der Tag zu Fritzlar war dadurch überflüssig geworden, und erst eine Versammlung zu Arnstadt, die im December 954 stattfand, erledigte die noch schwebenden Fragen. Liudolf und Konrad wurden öffentlich begnadigt, mußten aber auf die ihnen aberkannten Herzogthümer verzichten. Ihr Eigengut behielten beide und Konrad muß auch im Besitz seiner in Franken belegenen Grafschaften und Lehen belassen sein; sein Geschlecht blieb noch immer eines der mächtigsten des Reiches. Die Verwaltung des Herzogthums Lothringen beließ O. seinem Bruder Bruno von Köln, dem er sie schon 953 übertragen hatte und der in eigenthümlichster Combination geistliche Würde und herzogliches Amt vereinigte; für Schwaben ward ein Graf Burchard, vielleicht ein Sohn des 926 gestorbenen Herzogs Burchard I. ernannt, der sich mit Hadwig, einer Tochter Heinrichs von Baiern vermählte. Endlich wurde hier in Arnstadt [586] das im October durch den Tod Friedrichs erledigte Erzbisthum Mainz wiederbesetzt, indem der König seinen unehelichen Sohn Wilhelm zum Erzbischof ernannte. In Baiern wurde die Ruhe erst im J. 955 wieder ganz hergestellt, indem Regensburg erst durch eine abermalige Belagerung des Königs und Heinrichs bezwungen werden konnte: der Herzog nahm an den Gegnern, die in seine Gewalt geriethen, die grausamste Rache.

Liudolf und Konrad haben beide ihre Begnadigung nicht lange überlebt; in ruhmvollem Kampfe für das Reich machten sie die Schuld gegen Vater und Schwiegervater vergessen. 955 wiederholten die Ungarn ihren Einfall in Deutschland, drangen in gewaltiger Zahl durch Baiern nach Schwaben ein und belagerten im August Augsburg, dessen Bischof Udalrich tapferen Widerstand leistete. Zum Entsatz zog O. von Sachsen aus herbei und schlug am 10. August die weit überlegenen Schaaren der Magyaren unweit Augsburg, am linken Ufer des Lech, entweder auf dem sogenannten Lechfelde südlich von der Stadt oder nach einer anderen nicht unwahrscheinlichen Annahme nördlich von derselben, so völlig aufs Haupt, daß fast ihr ganzes Heer in der Schlacht oder während der nächsten Tage bei der Verfolgung vernichtet wurde. Die Schlacht war von welthistorischer Bedeutung; den verheerenden Einfällen der Magyaren in das Abendland war damit für immer ein Ende gemacht; das Verdienst des Sieges gebührt vor allem dem König, nächst ihm seinem Schwiegersohn Konrad, der die fränkischen Schaaren befehligt hatte und im tapfersten Kampfe durch einen ungarischen Pfeil getödtet war. Nicht lange nachher, am 1. Novbr. 955 starb Herzog Heinrich von Baiern, dem sein Sohn, Heinrich II., damals erst 4 Jahre alt, unter der Vormundschaft der Mutter folgte. Liudolf endlich zog im Jahre 956, diesmal im Auftrage des Vaters nach Italien, wo Berengar während der inneren Wirren in Deutschland die versprochene Treue nicht bewahrt, diejenigen, welche 951 die deutsche Partei ergriffen hatten, hart bedrängt und Theile der von ihm abgetretenen Marken wieder an sich gerissen hatte. Er errang wesentliche Erfolge, zwang Berengar und Adalbert zur Flucht, zog in Pavia ein und bemächtigte sich des größten Theiles von Oberitalien; als er sich im Sommer 957 zur Heimkehr rüstete, wurde er in der Nähe des Lago Maggiore vom Fieber ergriffen und starb am 6. September zu Piombia. Damit waren alle die Männer dahingegangen, die an den inneren Kämpfen der letzten Jahre auf Seiten des Königs oder seiner Gegner hervorragenden Antheil genommen hatten: es begann eine neue Epoche der Regierung Otto’s I.

Der nach der Beendigung des ersten Bürgerkrieges von dem König gefaßte Plan, die Herzogthümer Mitgliedern seiner Familie zu übertragen, hatte sich infolge der Irrungen, welche innerhalb des königlichen Hauses entstanden waren, und an denen der Mangel einer festen Thronfolgeordnung im Reiche wesentlich Schuld trug, nicht bewährt. Nur in Baiern behauptete sich das sächsische Herzogsgeschlecht, aber es verwuchs mehr und mehr mit den Interessen des baierischen Stammes und ward bereits in der nächsten Generation der Krone selbst gefährlich. In Schwaben hatte man wieder eine einheimische Dynastie an die Spitze stellen müssen. In Lothringen war die Stellung Bruno’s eine durchaus anomale und auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten; bereits O. mußte ihm zwei landeseingesessene Dynasten mit herzoglichem Namen zur Seite stellen und so die Theilung des Landes in die beiden Herzogthümer Ober- und Niederlothringen vorbereiten. Auch in Sachsen endlich bestellte der König einen einheimischen Großen, jenen oben erwähnten Grafen Hermann zum Verweser des Landes und gestattete ihm (der Zeitpunkt ist nicht sicher zu bestimmen) die Führung des Herzogtitels, freilich mit einer nicht auf das ganze Land sich beziehenden Amtsgewalt. So gab es, von Franken abgesehen, überall wieder wirkliche [587] Stammesherzoge, aber die Stellung derselben war im Vergleich mit dem Anfang der Regierung Otto’s I. eine wesentlich veränderte geworden; das Ergebniß der ersten zwei Jahrzehnte dieser Regierung war eine durchgreifende Abhängigkeit des Herzogthums von der Krone. Wenn auch nicht in allen, so doch in vielen Beziehungen erschienen die Herzoge jetzt wirklich als Beamte des Königs, neben denen zahlreiche Markgrafen, dann die im Laufe der Zeit in allen Herzogthümern außer Franken eingesetzten Pfalzgrafen als andere mit bedeutenden Machtbefugnissen und beträchtlichen Lehen ausgestattete, von den Herzogen mehr oder minder unabhängige Vertreter des Königs standen.

Allein um das Herzogthum dauernd auf dieser Stufe zu erhalten, bedurfte die Krone noch eines anderen Rückhaltes; und diesen suchte O. in einer immer innigeren Verbindung des Königthums mit der Kirche, wie sie ohnehin seinen Gesinnungen so wohl entsprach. Auf kirchlichem Gebiete war er im Stande, freier zu schalten, als auf staatlichem. Indem er mit nur geringer Rücksichtnahme auf die Wahlprivilegien von Bisthümern und Reichsklöstern das Recht Erzbischöfe, Bischöfe, Reichsäbte thatsächlich nach freiem Ermessen zu ernennen fest in der Hand behielt, war er in der Lage durchweg Männer seines persönlichen Vertrauens an die Spitze der großen geistlichen Institute des Reiches zu stellen. Ein beträchtlicher Theil derselben ging aus der Kanzlei oder der Kapelle des Königs hervor, hatte also seine politische Schule am Hofe durchgemacht und war mit den Entwürfen und Gedanken des Herrschers vertraut. Und wenn etwa dennoch einmal bei einer Besetzung eines geistlichen Stuhles ein Mißgriff geschehen war, so hinderten bei der nächsten Erledigung desselben keine Rücksichten auf dynastische Erblichkeitsansprüche das Versehen wieder gut zu machen und an die Stelle eines verstorbenen Gegners einen ergebenen Anhänger zu setzen. Daß unter gänzlich verschiedenen Verhältnissen einmal diese geistlichen Würdenträger den Standpunkt der Unabhängigkeit der Kirche vom Staat vertreten und aus treuen Dienern die gefährlichsten Gegner des Königthums werden sollten, konnte O. bei den kirchlichen Zuständen seiner Epoche unmöglich voraussehen. Und so meinte er nur die Stellung der zuverlässigsten Organe der Krone zu verstärken, wenn er in immer steigendem Maße die Bischöfe an den Regierungsgeschäften betheiligte und ihnen staatliche Befugnisse und materiellen Besitz übertrug. So nehmen denn Schenkungen von Gütern und nutzbaren Rechten an Bisthümer und Klöster, unter Heinrich I. nur mit sparsamer Hand vertheilt, unter O., zumal in der zweiten Hälfte seiner Regierung, immer größere Dimensionen an. Der Inhalt der kirchlichen Immunitätsprivilegien wird bei der Bestätigung derselben zu Gunsten der Bischöfe erweitert. Unter O. zuerst, nicht schon unter Heinrich, ist es vorgekommen, daß den Bischöfen in ihren Herrschaften, namentlich in den Bischofsstädten, die ganze öffentliche hohe Gerichtsbarkeit, dann aber auch Zoll-, Münz- und Marktrecht, kurz alles, was man später unter dem Begriff Regalien zusammenzufassen pflegte, übertragen wurde. Dafür wurden dann aber auch die regelmäßigen und außerordentlichen Leistungen der Bischöfe und Reichsäbte geregelt und gesteigert; und schon unter den nächsten Regierungen, unter denen die von O. eingeschlagene Richtung beibehalten und noch verstärkt wurde, tritt es deutlich hervor, wie die Reichsfinanzwirthschaft und die Reichsheerverfassung zum guten Theil auf diesen Leistungen der Reichskirchen beruhten.

Aber nicht nur in den alten, schon der Herrschaft seines Vaters unterworfenen, sondern auch in den neuen an der Ostgrenze erst erworbenen oder doch zu festerer Abhängigkeit genöthigten Gebieten wies O. dem Bisthum und der Kirche eine hervorragende Aufgabe zu. Bei den slavischen Eroberungen Heinrichs I. hatte die Mission eine verhältnißmäßig sehr geringe Rolle gespielt; O. legte auf sie von vornherein den größten Werth. Wie die Stiftung der drei [588] dänischen, dem Erzstuhl von Bremen untergebenen Bisthümer Schleswig, Ripen und Aarhuus, deren Inhaber uns zuerst auf der Synode von Ingelheim 948 begegnen, nicht ohne seine Mitwirkung erfolgt sein wird, so ist die kirchliche Organisation der slavischen Gebiete zwischen Elbe und Oder direct von ihm ausgegangen. Noch sind uns die Urkunden erhalten, durch welche unter Mitwirkung eines päpstlichen Legaten die beiden Bisthümer Brandenburg und Havelberg gestiftet und mit reichem Güterbesitz ausgestattet wurden; die Stiftung von Brandenburg gehört ins Jahr 948, diejenige von Havelberg soll der Stiftungsurkunde zufolge schon zwei Jahre früher erfolgt sein; doch gibt dies Diplom zu Bedenken Veranlassung, die auch durch die neueste Bearbeitung desselben nicht ganz beseitigt erscheinen. Weitere Schritte wurden hier nach dem Jahre 955 ins Auge gefaßt, in welchem Jahre der König durch einen großen Aufstand der Slavenstämme zwischen Elbe und Oder veranlaßt wurde, in diese bisher zumeist sächsischen Großen überlassenen Kämpfe wieder persönlich einzugreifen. In einer großen Schlacht an dem mecklenburgischen Flüßchen Reckenitz besiegte er am 16. Octbr. 955 die slavischen Fürsten, mit denen sich einige verrätherische Edle aus Sachsen verbunden hatten; und wenn auch damit noch nicht alle Kämpfe in jenen Gegenden beendigt waren, wenn auch Herzog Hermann und Markgraf Gero noch bis in die sechziger Jahre hinein wiederholte Aufstandsversuche einzelner Stämme niederzuschlagen hatten, so sind doch Actionen, die denen der Reckenitzschlacht an Umfang und Wirkung gleichgekommen wären, seit 955 nicht wieder nöthig geworden. Die weltliche Organisation der eroberten Gebiete zwischen Elbe, Oder und Ostsee wurde in der Weise bewirkt, daß ein Theil derselben dem Herzog Hermann als eine mit dem Herzogthum verbundene Mark, der größere aber dem Markgrafen Gero unterstellt wurde; der letztere ist dann nach dem Tode Gero’s (965) in sechs kleinere, aber vom Herzogthum unabhängige Markgrafschaften getheilt worden. Die kirchliche Organisation nahm O. alsbald nach der Reckenitzschlacht wieder auf, indem er noch 955 den Abt von Fulda nach Rom sandte, um wegen der Gründung neuer Bisthümer für die wendischen Lande zu unterhandeln. Seine Absichten waren nicht ohne Schwierigkeiten zu verwirklichen, da es sich dabei auch um die Aenderung schon bestehender Diöcesan- und Erzdiöcesangrenzen handelte, und da insbesondere der Erzbischof von Mainz und der Bischof von Halberstadt diesen Aenderungen widerstrebten. Erst nach einer Reihe von Jahren gelang es diesen Widerstand ganz zu überwinden, und 968 konnte die kirchliche Organisation des Wendengebietes in der Hauptsache als abgeschlossen betrachtet werden. Zu den beiden Bisthümern Brandenburg und Havelberg kamen noch drei andere, Merseburg, Zeitz und Meißen hinzu, und alle fünf wurden einem gleichfalls neugegründeten Erzbisthum Magdeburg, der Lieblingsstiftung Otto’s, unterstellt. Ein sechstes magdeburgisches Suffraganbisthum zu Posen für die gleichfalls die Oberherrlichkeit des deutschen Königs anerkennenden Gebietstheile des Polenherzogs ist wohl erst etwas später eingerichtet worden. Gleichfalls noch in die Zeit Otto’s I., aber wohl erst in seine letzten Jahre, fällt die Gründung des Bisthums Oldenburg für das Land der Wagrier und Abodriten, das dem Erzbisthum Bremen untergeben wurde. Dagegen ist die Stiftung eines böhmischen, unter dem Erzbischof von Mainz stehenden Bisthums zu Prag zwar unter O. I. gleichfalls noch in Aussicht genommen, aber erst unter dem Nachfolger ausgeführt worden. An keines deutschen Herrschers Namen knüpft sich seit der Zeit Karls des Großen eine so große Zahl der wichtigsten kirchlichen Gründungen an, wie an denjenigen Otto’s I., und keines Wirksamkeit für die Verbreitung des Christenthums und, was damit unmittelbar zusammenhing, der deutschen Cultur im Osten Europa’s ist bedeutender gewesen als die seine. Das Interesse an dieser [589] recht eigentlich der deutschen Nation gestellten Aufgabe: die christlich-abendländische Civilisation nach Osten zu tragen, ist in O. lebendig geblieben, auch während er in Italien mit ganz anderen Sorgen beschäftigt war.

Denn der Beschäftigung mit den italienischen Dingen sind vorzugsweise die letzten Lebensjahre des Herrschers gewidmet gewesen. Wir wissen, wie er schon auf dem ersten Zuge nach Italien die Hand nach der Kaiserkrone ausgestreckt hatte; gewiß hat ihn der Gedanke an dieselbe um so weniger verlassen, je enger seine Verbindung mit dem Bisthum wurde. Gerade wenn seine Herrschaft sich vorzugsweise auf die kirchlichen Würdenträger stützte, mußte er um so lebhafter den Wunsch empfinden, auch an dem Mittelpunkt der christlichen Kirche als der höchste Herr der abendländischen Christenheit anerkannt zu werden und der vorwaltenden Stellung, die er unter den Völkern des Abendlandes einnahm, durch den uralten Ruhmesglanz der Kaiserkrone zugleich den feierlichen Ausdruck und die kirchliche Sanction gegeben zu sehen.

Die Entwickelung der Dinge in Italien selbst kam diesen Wünschen Otto’s entgegen. Gegen Ende des Jahres 955 war in Rom Papst Agavit II. verstorben. Sein Nachfolger wurde noch im December desselben Jahres Johann XII., der knabenhafte Sohn des Patricius Alberich, zu dessen Wahl dieser selbst vor seinem ein Jahr zuvor erfolgten Tode den römischen Stadtadel eidlich verpflichtet hatte. Allein Johann war wol der Erbe der väterlichen Stellung, die er sogar durch die Vereinigung der geistlichen und weltlichen Gewalt in einer Hand scheinbar noch verstärkte, doch nicht der väterlichen Politik. Hatte der Vater den deutschen König aufs bestimmteste aus Rom fernzuhalten versucht, so lud der Sohn selbst O. I. dahin ein. Die Veranlassung dazu waren Differenzen, in die der Papst mit Berengar und Adalbert gerathen war; das Vordringen der beiden Könige in Mittelitalien bedrohte die Machtstellung Johanns, und schon hatte Adalbert das päpstliche Gebiet verletzt. So schickte der Papst im J. 960 Gesandte nach Deutschland, um Otto’s Hilfe anzurufen; auch einige lombardische Fürsten, geistliche und weltliche, nach Liudolfs Abzuge von Berengars Rache bedroht, hatten flüchtig den deutschen Hof aufgesucht, andere brieflich oder durch Boten seinen Beistand gegen Berengar nachgesucht. O. war entschlossen, diesen vereinigten Bitten Folge zu leisten und traf umfassende Vorbereitungen für einen zweiten Zug nach Italien. Es gehört zu diesen Vorbereitungen, daß er auf einem Reichstage zu Worms im Mai 961 für die Nachfolge im Reich Vorkehrungen traf. Schon vor Liudolf war Heinrich, der älteste, zwei Tage nach seinem Tode Brun, der zweite Sohn Adelheids gestorben: jetzt lebte dem König nur noch ein Knabe, Otto, der 954 oder 955 geboren war. Diesen ließ der Vater in Worms zum König wählen und am 26. Mai in Aachen krönen; in ungleich festerer und sicherer Form als einst dem Liudolf ward ihm somit die Thronfolge gesichert. Die Verwesung Deutschlands während der Abwesenheit des Vaters ward dem neugewählten König und in seinem Namen den Erzbischöfen von Mainz und Köln übertragen; dann im August des Jahres brach O. auf, um über den Brenner nach Italien zu ziehen.

Auf energischen Widerstand stieß er hier ebensowenig wie vor zehn Jahren. Wenn Berengar, wie ein späterer Bericht angibt, daran gedacht hatte, die Etschklausen gegen das deutsche Heer zu vertheidigen, so wurde dieser Plan jedenfalls durch den allgemeinen Abfall der Großen, die nach eben diesem Bericht vor allen Dingen die Abdankung Berengars zu Gunsten seines Sohnes verlangt hätten, vereitelt. Wie vor zehn Jahren, so suchten Berengar, seine Gemahlin Willa und seine Söhne auch diesmal in einigen Burgen, deren Besatzung ihnen ergeben war, eine Zuflucht; das Weihnachtsfest 961 feierte O. bereits in Pavia; [590] zu Ende des Januar 962 stand er vor Rom; am 2. Februar wurde er von Johann XII. zum Kaiser gekrönt.

Allein nicht ohne bedeutsame Verpflichtungen dem Papste gegenüber eingegangen zu sein, hatte O. die Krone erlangt. Vielleicht bereits von Deutschland aus, jedenfalls vor seinem Einzuge in Rom hatte er dem Papst feierliche und durch eigene Gesandten im Namen ihres Herren eidlich bekräftigte Zusagen machen lassen; er hatte versprochen, den Papst niemals an Leben, Leib und Ehre zu schädigen, in Rom keine auf ihn oder die Römer bezügliche Anordnung ohne seinen Beirath zu treffen, und was von dem Gebiet des h. Petrus in seine Hände käme, dem Papst zurückzuerstatten. Von besonderer Wichtigkeit ist der Schlußsatz dieses Eides, durch den O. versprach, wem immer er das Königreich Italien übergeben würde, denselben eidlich zum Schutz der Kirche und ihres Gebietes zu verpflichten; dieser Passus zeigt, daß zur Zeit der Festsetzung dieser Eidesformel eine unmittelbare Regierung Italiens durch O. noch nicht in bestimmte Aussicht genommen war, wenngleich wir nicht wissen oder auch nur vermuthen können, an wen man als an den etwaigen zukünftigen Regenten des Landes gedacht hatte. Nachdem darauf der Papst und die römischen Großen vielleicht am Krönungstage selbst über dem Leibe des h. Petrus geschworen hatten, niemals Berengar oder Adalbert Hilfe zu gewähren, oder von O. abzufallen, stellte der Kaiser am 13. Februar zugleich im Namen seines Sohnes und unter schriftlich abgegebener Zustimmung der vornehmsten geistlichen und weltlichen Herren seines Gefolges dem Papste eine Urkunde aus, von der sich eine gleichzeitige, durch die neuesten Forschungen als völlig echt erwiesene Abschrift erhalten hat. Das wichtige Diplom zerfällt in zwei Haupttheile, deren erster im Anschluß an ein Privileg Ludwigs des Frommen von 817 die karolingischen Gebietsschenkungen an den römischen Stuhl bestätigt und vermehrt, während der zweite im Anschluß an den Vertrag zwischen Eugen II. und Lothar I. von 824 die Beziehungen zwischen Kaiserthum und Papstthum unter energischer Wahrung der kaiserlichen Rechte bei der Regierung Roms sowie bei der Papstwahl regelt. Wir sind über die Verhandlungen, welche der Ausstellung dieser Urkunde vorangingen, sowie über die Documente, welche bei der Abfassung derselben als Vorlagen dienten nicht genügend unterrichtet, um die Tragweite jeder einzelnen Bestimmung des Diploms völlig übersehen zu können; nur das erkennt man aus der Art seiner Composition deutlich, daß auch dies Actenstück, wie im Grunde genommen fast jeder politische Verhältnisse berührende Vertrag, aus einem Compromiß verschiedener und einander gegenüberstehender Tendenzen hervorgegangen ist, bei welchem beide Theile einander Zugeständnisse machten.

Wir haben keinen ausreichenden Anhaltspunkt für die Annahme, daß schon im Februar 962, als O. Rom verließ, das Verhältniß zwischen ihm und dem Papst ein innerlich gespanntes gewesen sei. Aber bald kam es zwischen beiden zu Feindseligkeiten, die einen sehr ernsten Charakter annahmen. Der Kaiser kehrte zunächst durch Tuscien nach Oberitalien zurück, und eröffnete den Kampf gegen die wenigen festen Plätze, in denen Berengar, seine Familie und seine treu gebliebenen Anhänger sich eingeschlossen hatten. Im Juli wurde die Gemahlin Berengars zur Uebergabe der Insel San Giulio im Ortasee genöthigt; im Frühjahr 963 begab sich der Kaiser wieder nach Mittelitalien, um die Felsenburg von San Leo in der Landschaft Montefeltro zu belagern, in welcher Berengar selbst sich befand. Schon vorher in Pavia hatte O. von Umtrieben gehört, in welche sich der Papst mit Adalbert, dem aus Italien vertriebenen Sohn Berengars eingelassen haben sollte, und Kundschafter nach Rom gesandt, um sich darüber Gewißheit zu verschaffen; jetzt im Lager vor San Leo erschienen [591] päpstliche Gesandte, um Johann wegen mancher übler Gerüchte, die über seinen Lebenswandel umliefen, zu entschuldigen und zugleich Beschwerde zu führen, daß der Kaiser die Einwohner der Landschaft, in der er sich befand, nicht dem Papst sondern sich selbst habe Treue schwören lassen, und daß er dadurch seine vertragsmäßigen Verpflichtungen verletzt habe. O. gab nach dem Bericht Liudprands auf diese Beschuldigungen eine Antwort, die man nicht anders als ausweichend nennen kann, ja die, wie man mit Recht bemerkt hat, fast ironisch klingt, und fügte dem seinerseits schwere Anklagen gegen den Papst hinzu, den er des Versuchs beschuldigte, mit Byzanz, ja selbst mit den Ungarn verrätherische Verbindungen angeknüpft zu haben; aufgefangene Briefe des Papstes mit seiner Unterschrift und seinem Siegel wurden als Beweismittel angeführt. Die Unterhandlungen zwischen Kaiser und Papst gingen dann noch einige Zeit fort, führten aber nicht zum Ziele; bald kam es zum offenen Bruch, indem der Papst den nach Italien zurückgekehrten Adalbert seinem Eidschwur zuwider in Rom aufnahm, während ein Theil der Römer dem Kaiser treu blieb, den befestigten Bezirk von San Paolo besetzte und von hier aus Otto’s Hilfe anrief.

Wenn man erwägt, daß die ausführlicheren Nachrichten, die wir über den Ausbruch dieses Conflictes besitzen, nur von kaiserlicher Seite herrühren, so ist es sehr schwer ein völlig unbefangenes Urtheil über die Frage zu gewinnen, welcher von beiden Parteien an demselben die meiste Schuld beizumessen ist. Wir können nicht mehr mit Sicherheit entscheiden, ob Johann jene Verbindungen mit Otto’s und des Reiches Feinden eingegangen ist, weil ihm der Kaiser die zugesagten Gebietstheile nicht ausgeliefert hatte, und weil er also den Kaiser für vertragsbrüchig und sich selbst dadurch der übernommenen Verpflichtungen für erledigt betrachtete, oder ob umgekehrt O. jene Auslieferung unterließ, weil er bereits von den Umtrieben Johanns unterrichtet war. Wenn Liudprands Bericht vollkommen zuverlässig ist und kein entscheidendes Moment verschweigt, so würde das letztere anzunehmen sein; eine ausreichende Erklärung – aber keine Rechtfertigung – für den Umschwung in der Politik des Papstes könnte man darin erblicken, daß es im Sommer 962 offenbar geworden sein muß, O. beabsichtige das Königreich Italien in eigener Hand zu behalten und nicht, wie es in jenem Eid vor der Kaiserkrönung in Aussicht genommen war, einem anderen zu übertragen.

Wie dem auch sein mag, der Ausgang des Conflicts war nicht zweifelhaft. Im November 963 erschien O. vor Rom; Johann und Adalbert flohen; die Römer unterwarfen sich und gelobten eidlich, in Zukunft niemals einen Papst zu wählen oder zu weihen ohne Zustimmung und Wahl Kaiser Otto’s und seines königlichen Sohnes. So sicherte sich O. in Bezug auf die Papstwahl noch weit ausgedehntere Befugnisse, als er im Pactum vom 13. Februar 962 in Anspruch genommen hatte. Durch die Verhandlungen einer vom Kaiser geleiteten römischen Synode, zu welcher Johann vorgeladen wurde, aber natürlich nicht erschien, wurde der Papst wegen seines schamlos lästerlichen Lebenswandels und wegen seines Verrathes gegen den Kaiser abgesetzt und der bisherige Protoscriniar Leo VIII. zum Papst gewählt und geweiht. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß die Laster des Papstes zwar einen ausreichenden Grund für seine synodale Verurtheilung abgaben, daß sie aber nicht die letzte Ursache derselben sind. Nicht aus sittlicher Entrüstung über die Entartung des römischen Pontificates oder der italienischen Kirche überhaupt, sondern aus politischen Motiven ist O. gegen Johann eingeschritten. Niemand wird glauben, daß gerade ihm der Lebenswandel des Papstes, der nach dem Zeugniß der römischen Synode stadt- ja weltkundig war, während seines Aufenthalts in Rom im Februar 962 ganz unbekannt geblieben wäre, und doch hatte er aus den Händen Johanns die Kaiserkrone angenommen; [592] noch im Sommer 962 hatte er dann auf die Mittheilungen seiner Kundschafter hin die Vergehen des Papstes auf jugendlichen Leichtsinn zurückgeführt, ohne ein Einschreiten für nöthig zu halten: erst als der politische Bruch ein unheilbarer geworden war, wurden diese Klagepunkte benutzt, um Johann zu verurtheilen. Daraus soll dem Kaiser nicht im entferntesten ein Vorwurf gemacht werden; politische Actionen sind zu allen Zeiten selten durch andere als politische Erwägungen entschieden worden; aber es war nothwendig, die Sache zu berühren, weil man neuerdings gelegentlich dem Kaiser sein Vorgehen gegen Johann als ein besonderes sittliches Verdienst hat anrechnen wollen, und weil es doch geboten erscheint dies unverdiente Lob auf das richtige Maß zurückzuführen.

Der Kaiser blieb nach der Absetzung Johanns mit einem Theile seines Heeres bis in den Anfang des nächsten Jahres in Rom; ein Aufstand der Anhänger des verurtheilten Papstes wurde am 3. Januar 964 blutig niedergeschlagen; um dieselbe Zeit oder schon etwas vorher ergab sich San Leo; Berengar und Willa wurden nach Deutschland in die Verbannung geschickt; gegen das Ende des Jahres fiel die letzte auf einer Insel im Comer See belegene Burg Berengars in die Hände der Kaiserlichen. Mehr machte O. noch der Widerstand Johanns und seiner Anhänger in Rom zu schaffen. Der erstere kehrte noch einmal nach Rom zurück, vertrieb Leo aus der Stadt, nahm an seinen Widersachern grausame Rache, starb aber schon am 14. Mai 964. Darauf wählte seine Partei einen neuen Gegenpapst, Benedict V., aber unmittelbar darauf rückte O. mit einem starken Heere vor Rom und zwang die Stadt nach harter Belagerung am 23. Juni 964 zur Uebergabe; Leo VIII. wurde wieder eingesetzt und Benedict zur Verbannung verurtheilt. Als O. zu Anfang 965 nach Deutschland zurückkehrte, schienen Ober- und Mittelitalien in vollem Umfang seiner Herrschaft unterworfen.

Aber in Wirklichkeit standen die Dinge doch anders. Die ungleich schwierigere Aufgabe als die Eroberung Italiens war dessen Festhaltung unter der deutschen Fremdherrschaft, und mit dieser Aufgabe haben O. und seine Nachfolger Jahrhunderte zu thun gehabt, ohne sie jemals für längere Zeit vollständig zu lösen. Schon im Frühjahr 965 brach in Oberitalien ein von Adalbert persönlich geleiteter Aufstand aus, den der von O. über die Alpen gesandte Herzog Burchard von Schwaben niederschlagen mußte. Gegen Ende des Jahres begann es in Rom zu gähren. Papst Johann XIII., der unter Gutheißung des Kaisers erwählte Nachfolger des im Frühjahr verstorbenen Leo VIII., wurde am 16. December von dem römischen Stadtadel gefangen genommen und in der Campagna in Haft gehalten; in der Lombardei setzte Adalbert gleichzeitig auch nach dem Siege Burchards seine Umtriebe fort.

So mußte O., um die Ruhe herzustellen, im September 966 abermals über die Alpen ziehen. Er durchzog die Lombardei, ohne auf Widerstand zu stoßen; er strafte hier die Anhänger Adalberts und in Rom, wohin inzwischen im November der der Haft entkommene Johann XIII. schon zurückgekehrt war, und wo die Kunde von der Ankunft des Kaisers genügt hatte, ihm die Wege zu ebenen, die Theilnehmer der letzten Verschwörung; er hielt im Frühjahr 967 einen glänzenden Reichstag in Ravenna ab: kurz die Erfolge dieser schnellen und glücklichen Expedition waren allseitig und vollständig. Um sie gleichsam zu besiegeln, ward dann noch im Herbst des Jahres 967 der junge König Otto II. nach Italien berufen und am Weihnachtsfeste zu Rom zum Kaiser gekrönt; auch für die nächste Generation wurde durch diesen Act die Fortdauer des Kaiserthums der sächsischen Dynastie und der deutschen Herrschaft in Italien gesichert.

[593] Nur noch ein Rivale blieb, mit dem sich dieselbe friedlich oder im feindlichen Zusammenstoß auseinanderzusetzen hatte: das oströmische Kaiserthum der Byzantiner, das sich allein als den legitimen Erben von Stellung und Ehre der alten Imperatoren betrachtete und jedem anderen Machthaber das Recht zur Führung des Kaisertitels bestritt. Ihm waren noch die südlichsten Landschaften des italienischen Festlandes, Apulien und Calabrien, untergeben, und zwischen diesen und den Gebieten des weströmischen Reiches lag eine Anzahl kleinerer langobardischer Fürstenthümer, Capua, Benevent, Salerno u. a., deren Stellung zwischen den beiden Großmächten des Orients und des Occidents im Laufe der Zeiten vielfach geschwankt hat, deren Machthaber aber damals sichtlich zum Anschluß an das abendländische Reich neigten. Ueber das Verhältniß dieser Gebiete mögen zuerst durch eine byzantinische Gesandtschaft, die 967 nach Ravenna kam, Verhandlungen angeknüpft sein; sie war von dem Kaiser Nikephoros Phokas, der sich mit Theophanu, der Wittwe seines 963 gestorbenen Vorgängers Romanos II. vermählt hatte, abgesandt. O. beschloß nun den Ausgleich mit Byzanz durch eine Familienverbindung herbeizuführen und zugleich dem jungen Kaiserthum seines Hauses hohen Glanz zu verleihen, indem er für seinen Sohn die Hand der purpurgeborenen Tochter Romanos II. erbat. Gleich die ersten durch einen Venetianer Dominicus, der nach Konstantinopel geschickt wurde, darüber angeknüpften Verhandlungen führten zum Abschluß eines Vertrages, durch welchen wahrscheinlich die Heirath zugestanden und dagegen der Verzicht auf die von den Griechen beanspruchten Gebiete Unteritaliens ausbedungen wurde. Indessen O. ratificirte dieses Abkommen, zu dem die Gesandten nicht bevollmächtigt gewesen sein sollen, nicht, und versuchte vielmehr im Jahre 968 durch militärische Unternehmungen und neue Verhandlungen zugleich sein Ziel zu erreichen, indem er einerseits in Apulien einrückte und die Hauptstadt des griechischen Unteritaliens Bari, freilich ohne Erfolg, belagerte, andererseits einen neuen Gesandten, den Bischof Liudprand von Cremona, mit genau umgrenzten Vollmachten zu neuen Unterhandlungen nach Byzanz schickte. Daß die letzteren erfolglos verliefen, kann uns nach dem, was vorgegangen war, nicht eben Wunder nehmen. So dauerten die Feindseligkeiten zwischen beiden Reichen, während deren auch Adalbert, Berengars Sohn, noch einmal auftaucht, um dann auf immer aus Italien zu verschwinden, noch bis ins Jahr 969 fort, indem einerseits der Kaiser durch Apulien bis tief in Calabrien eindrang, andererseits die Griechen nach seinem Abzuge das Gebiet von Capua und Benevent plündernd und verheerend überschwemmten. Erst ein Thronwechsel in Byzanz, die Ermordung des Kaisers Nikephoros (December 969) und die Nachfolge des Johannes Tzimisces, führte einen Umschwung herbei. Als O. im Frühjahr 970 abermals in Apulien einmarschirte, schickte Johannes eine Friedensgesandtschaft zu ihm und ließ ihm für den Verzicht auf die Eroberung Apuliens und Calabriens die Hand einer griechischen Prinzessin für seinen Sohn bieten. Daraufhin kam der Frieden zu Stande und zu Ende des Jahres 971 schickte O. eine glänzende Gesandtschaft nach Konstantinopel um die Braut einzuholen. Diese kam zu Anfang des nächsten Jahres in Italien an und wurde am Ostertage (14. April) unter prächtigen Festlichkeiten in der Peterskirche zu Rom dem jungen Kaiser vermählt. Sie hieß Theophanu und war die Nichte des Johannes Tzimisces, aber, wie Thietmar von Merseburg berichtet, nicht jene purpurgeborene Tochter des Romanos, um die der Kaiser geworben hatte. Der Bischof von Merseburg hat die Gemahlin Ottos II. wol noch persönlich gekannt; er stand in nahen Beziehungen zum Hofe, und seine Angabe über ihre Herkunft wird um so weniger verworfen werden dürfen, als in den griechischen Quellen [594] nirgends von einer Tochter Romanos II., die den Namen Theophanu führte, die Rede ist, und in den deutschen Quellen die Gemahlin Otto’s II. nirgends als die Tochter des Romanos, sondern immer nur als die Nichte des Tzimisces bezeichnet wird, als endlich Vorgänge aus der Zeit Konrads II., da dieser Kaiser für seinen Sohn um die Hand einer griechischen Prinzessin warb, eine gewisse Analogie zu dem, was Thietmar erzählt, bieten. Wir werden es dem letzteren deshalb auch glauben dürfen, daß in der Umgebung Otto’s Stimmen laut geworden sind, welche dem Kaiser die Zurücksendung der Theophanu anriethen, daß Otto aber ihre Rathschläge abgelehnt habe; für ihn waren eben die politischen Vortheile der Verbindung mit dem griechischen Kaiserhause überwiegend, und die persönlichen Eigenschaften der schönen, liebenswürdigen und feingebildeten Prinzessin werden dazu beigetragen haben, den Kaiser das Verfahren seiner Gesandten, die in den Tausch gewilligt hatten, billigen zu lassen.

Nach der prächtigen Hochzeitsfeier zu Rom verweilten die beiden Kaiser noch einige Monate unter mancherlei Geschäften in Italien und kehrten erst zu Anfang des August nach Deutschland zurück. Nach so vielen schweren Kämpfen in seinem Reiche und seinem Hause waren O. noch einige friedliche Lebensmonate beschieden, in denen er sich des jungen Eheglückes seines Sohnes und der glänzenden Machtstellung, die er selbst errungen hatte, erfreuen konnte. Wie einst am Hofe Karls des Großen so trafen jetzt an dem seinen Gesandte aus den fernsten Ländern zusammen, um dem mächtigsten Fürsten der Christenheit ihre Ehrfurcht zu bezeugen; zu Quedlinburg am Osterfeste 973 fand sich der Böhmenherzog in Person ein und begegnete Boten aus Ungarn und Bulgarien, aus Byzanz und Rußland, aus Dänemark, aus Rom und Benevent, ja wenige Wochen später in Merseburg erschien selbst eine afrikanische Gesandtschaft am Hofe des deutschen Kaisers. Wohl mochte da in O. sich ein starkes Gefühl der welthistorischen Bedeutung regen, die seine Regierung gewonnen hatte. Und nun ward ihm das schönste Ende zu Theil: ein fast plötzlicher Tod, ohne Siechthum oder langes körperliches Leiden, in der Fülle der Macht. Am 7. Mai, zu Memleben, an demselben Orte, an welchem einst sein Vater gestorben war, schied auch er aus dem Leben, im zweiundsechszigsten Altersjahre, ohne Schmerzensäußerung, in voller Ruhe des Geistes. Sein Leichnam ward nach Magdeburg gebracht und dort an der Seite seiner ersten Gemahlin Edgitha beigesetzt.

Von der äußeren Erscheinung und den Lebensgewohnheiten Kaiser Otto’s I., den schon die Zeitgenossen den Großen nannten, hat uns sein Landsmann Widukind ein anschauliches Bild entworfen. Sein Körperbau war stattlich, sein Leibesumfang wohlproportionirt, das Haupthaar, das er kurzgeschnitten trug, früh ergraut und spärlich, aber der Bart lang herabwallend und die Brust mit reichlichem Haarwuchs, einer Löwenmähne vergleichbar, bedeckt, das Antlitz von röthlicher Farbe, strahlend und bisweilen in blitzähnlichem Glanze aufleuchtend die Augen. Mit Leichtigkeit und Ausdauer ertrug er schwere Anstrengungen; er gönnte sich wenig Schlaf, und auch im Schlummer verrieth er durch häufiges lautes Reden die Regsamkeit seines Geistes. Er kleidete sich nach heimathlicher sächsischer Sitte, und seine Muttersprache war die heimathlich-sächsische; die französische und wendische Sprache verstand er, bediente sich ihrer aber nur selten; Bücher, natürlich lateinische, hat er erst in späteren Jahren, nach dem Tode seiner Gemahlin Edgitha lesen und verstehen gelernt. So schrecklich sein Zorn sein konnte, so heiter war der Grundzug seiner Seelenstimmung; er liebte harmlose Vergnügungen[WS 1]; in der Jagd, im Brettspiele oder in ritterlichen Kampfesübungen suchte er Erholung von den Mühen und Sorgen der Regierung.

[595] Ungleich schwerer als von diesen mehr äußerlichen Zügen läßt sich von dem Charakter des Kaisers ein sicher zutreffendes Bild gewinnen; in den Zeugnissen die uns darüber vorliegen, kommen nur seine eifrigen Anhänger zum Wort, und für immer verstummt ist der Mund aller derer, die in Deutschland oder Italien in heißem Kampfe mit ihm gerungen haben. Unzweifelhaft sind seine tiefe und echte Frömmigkeit, sein ausgesprochen kirchlicher Sinn; sie bilden den am deutlichsten hervortretenden Zug seines Wesens und geben den Schlüssel zur Erklärung vieler seiner Thaten. Nicht nur daß er die äußerlichen Pflichten kirchlicher Devotion bis an sein Lebensende gewissenhaft erfüllte, ihm war inniges Gebet Bedürfniß des Herzens, und in der Stunde höchster Bedrängniß wie in dem Augenblick der Rettung aus schwerster Gefahr war sein erster Gedanke Gott um Beistand anzuflehen oder ihm für geleisteten Beistand zu danken. Wie er seinem Regierungsantritt eine geistliche Weihe gegeben hatte, so behielt die Krone für ihn immer einen religiösen Charakter; es wird überliefert, daß er sich durch Fasten vorbereitete, so oft er sie bei feierlichen Gelegenheiten zu tragen hatte. Unerschütterlich war sein Glaube an den Beistand der Heiligen und an die Wunderkraft der Reliquien; in Traumgesichten meinte er die Weisungen der Gottheit zu empfangen. Unermüdlich war er Kirchen und Priester zu beschenken; wir sahen, welche Stellung er der Geistlichkeit in seinem Staate anwies. So leicht er bisweilen fremden Einflüssen, oft zu seinem Schaden, zugänglich war, so in den Familienconflicten der fünfziger Jahre denen der Mutter und des Bruders, so unerschütterlich standhaft war er, wenn seine kirchlichen Ueberzeugungen in Frage kamen; um ihrer willen hat er, wenn unsere oben geäußerte Vermuthung zutrifft, in den Anfängen seiner Regierung den Kampf mit den Söhnen Arnulfs auf sich genommen; und in der vielleicht bedenklichsten Lage seines Lebens, in den schweren Tagen vor Breisach, da jeder helfende Arm ihm kostbar sein mußte, wies er es mit Entrüstung von sich, die Unterstützung eines mächtigen Grafen durch eine Verleihung von Kirchengut zu erkaufen.

Mit der bezeichneten geistigen Richtung des Kaisers hängen andere Eigenschaften zusammen, die ihm nachgerühmt werden und die seine Handlungen erkennen lassen: Versöhnlichkeit und Milde gegen den besiegten und gedemüthigten Feind, die bisweilen sogar zu weit ging und die Rücksichten der Klugheit außer Augen setzte; daneben aber unbestechliche Gerechtigkeit, die man in gleicher Weise in Deutschland und Italien pries und schon unter seinem nächsten Nachfolger schmerzlich zu vermissen begann; endlich Freigiebigkeit gegen Alle, insbesondere gegen seine Freunde, denen er nicht leicht eine Bitte abzuschlagen vermochte.

Als tapferen Krieger hat O. sich häufig zu bewähren gewußt, seltener als großen Feldherrn. Weder in den Bürgerkriegen in der ersten Hälfte seiner Regierung noch in den italienischen Kämpfen der zweiten Hälfte derselben haben militärische Großthaten des Kaisers die Entscheidung herbeigeführt; doch sind die beiden bedeutendsten Schlachten seiner Zeit, die beide in das Jahr 955 fallen, der Sieg bei Augsburg und der an der Reckenitz, von ihm persönlich gewonnen worden. In seiner politischen Thätigkeit bildet sein Verhalten zu Verträgen, die er selbst oder andere in seinem Namen abgeschlossen hatten, einen dunklen Punkt. Den Vertrag, den er in Mainz mit Konrad und Ludolf abgeschlossen hatte, hat er selbst als erzwungen cassirt; dreimal hat er vertragsmäßige Verpflichtungen, welche seine Bevollmächtigten in seinem Namen eingegangen waren, nicht anerkannt; und von Franzosen, Römern und Griechen wird er des Vertragsbruches beschuldigt; wenn unsere Quellenüberlieferung in allen diesen Fällen dem Kaiser Recht zu geben scheint, so ist doch zu erwägen, daß die Gegenseite nirgends [596] in ihr zum Worte kommt. Die staatsmännische Begabung Otto’s tritt besonders in seinen Beziehungen zu den westfränkischen und italienischen Dingen hervor; kluge Benutzung jeder Schwäche des Gegners und energische aber maßvolle Ausnutzung der eigenen Kräfte, endlich feste und consequente Verfolgung der einmal gesteckten Ziele zeichnen sie aus. Ob der Kaiser im Innern des Reiches nicht einen oder den anderen Conflict hätte vermeiden können, läßt sich heute nicht mehr entscheiden; gewiß ist aber auch hier, daß ein leitender Gedanke, die Stärkung der monarchischen Gewalt gegenüber den particularistischen Strömungen, von Anfang an die innere Politik des Kaisers, wie verschiedene Mittel sie auch zu verschiedenen Zeiten gebrauchen mochte, gelenkt und bestimmt hat. Ob die kirchliche Färbung seiner inneren Politik und seine Eroberung Italiens zum Segen oder Unsegen Deutschlands gewesen sind, darüber sind noch heute die Meinungen getheilt. Aber der Versuch zu zeigen, daß es eine nationale Opposition gegen die italienische Politik Otto’s gegeben habe, ist durchaus mißlungen; und wenigstens unter seiner Regierung hat dieselbe weder allzugroße Opfer erfordert, noch die Berücksichtigung nationaler Gesichtspunkte beeinträchtigt oder die Verwirklichung der deutschen Culturmission im Osten und Norden Europa’s geschädigt. Verstand es O., den verschiedenartigen Interessen der deutschen Nation, wie sie durch die Lage Deutschlands im Herzen Europas gegeben waren, zugleich gerecht zu werden, so ist eben das seine universale Größe; und nicht er ist dafür verantwortlich zu machen, wenn kleinere Nachfolger einseitig die einen über den andern vernachlässigt haben. Auf der festen Grundlage fußend, die der Vater gelegt hatte, hat O. das deutsche Reich zur Vormacht der abendländischen Welt erhoben.

Ueber die historiographischen Quellen zur Geschichte Otto’s des Großen handelt eingehend Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, I, 308 ff.; von den Urkunden liegt eine allseitig erschöpfende Bearbeitung Sickel’s in den Mon. Germ. hist. Diplomatum regum et imperatorum Germaniae Tom. I vor. Briefe sind nur in geringer Anzahl vorhanden; unter den kleineren Erzeugnissen der Hofdichtung kommt namentlich das im Text erwähnte lateinisch-deutsche Mischgedicht De Heinrico in Betracht; seine historische Beziehung auf den Augsburger Tag von 952 hat neuerdings Seelmann richtig gedeutet, dessen chronologische Ansetzung des Gedichtes mir jedoch nicht zutreffend erscheint. Die erste kritische Bearbeitung der Geschichte Otto’s I. gaben, nach Mascou, Köpke und Dönniges in den von Ranke herausgegebenen Jahrbüchern des deutsches Reiches (Berlin 1833. 1839); es folgten als neue auf selbständiger und kritischer Quellenforschung beruhende Darstellungen diejenige Giesebrecht’s (Kaiserzeit I, in 5. Auflage Braunschweig 1881), demnächst die höchst sorgfältige und gründliche Neubearbeitung der Jahrbücher von Köpke und Dümmler (Leipzig 1876), endlich die eine vielfach eigenartige Auffassung vertretende Behandlung Ranke’s im 6. Theil der Weltgeschichte (Leipzig 1885). Die Discussion über die Kaiserpolitik Otto’s wird hauptsächlich geführt in den Abhandlungen H. v. Sybel’s (Die deutsche Nation und das Kaiserreich, Düsseldorf 1862), J. Fickers (Das deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen, Innsbr. 1861; Deutsches Königthum und Kaiserthum, ebenda 1862); v. Wydenbrugks (Die deutsche Nation und das Kaiserreich, München 1862); W. Maurenbrechers, (Die Kaiserpolitik Otto’s I.; Histor. Zeitschr. V; dagegen Rommel, Forsch. z. deutsch. Gesch. IV; Antwort Maurenbrecher’s ebendaselbst); B. Kugler’s (Zur Beurtheilung der deutschen Kaiserzeit, Stuttgart 1867). Beachtenswerthe Gesichtspunkte auch für die Zeit Otto’s I. gibt der Aufsatz von Nitzsch, Das deutsche Reich und Heinrich IV. (Histor. Zeitschr. XLV;); die [597] Darstellung in den aus seinem Nachlaß herausgegebenen Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Volkes (Bd. I, Leipzig 1883) beruht zum guten Theil auf diesen Gesichtspunkten. Die Verfassungsgeschichte von Waitz und die Forschungen zur italienischen Reichs- und Rechtsgeschichte von Ficker sind selbstverständlich unentbehrliche Hilfsmittel; neuere Arbeiten über einzelne Theile der Verfassungsgeschichte müssen hier unerwähnt bleiben.
Von sonstigen neueren monographischen Bearbeitungen seien als die wichtigeren genannt: Sickel, Das Privilegium Otto’s I. f. d. römische Kirche (Innsbruck 1883). – Brunner, Die Einfälle der Ungarn in Deutschland bis zur Schlacht auf dem Lechfelde (Augsburg 1855). – Wyneken, Die sog. Schlacht auf dem Lechfelde (Forsch. z. deutschen Gesch. XXI). – Grund, Kaiser Otto I. angeblicher Zug gegen Dänemark (ebenda XI.). – Detmar, Otto II. bis zum Tode seines Vaters (Leipzig 1878). – Moltmann, Theophano, die Gemahlin Otto’s II. in ihrer Bedeutung für die Politik Otto’s I. und Otto’s II. (Schwerin 1878). – Steindorff, De ducatus qui Billingorum dicitur in Saxonia origine et progressu (Berol. 1863). – v. Heinemann, Markgraf Gero (Braunschweig 1860). – Vogel, Ratherius von Verona und das zehnte Jahrhundert (Jena 1854). – Schultz, Atto von Vercelli (Göttingen 1885). – Fietz, Gesch. Berengars II. von Ivrea (Leipzig 1872). – Schließlich verdienen auch die neueren Bearbeitungen der Geschichte Baierns von Riezler, Würtembergs von Stälin, Oesterreichs von Huber, Braunschweigs und Hannovers von v. Heinemann Berücksichtigung.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vergügungen