ADB:Hermann Billung

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Artikel „Hermann, Herzog von Sachsen“ von Ernst Steindorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 151–153, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hermann_Billung&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 11:26 Uhr UTC)
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Hermann, Herzog von Sachsen unter Kaiser Otto I. (936–973), Begründer des sächsischen Herzogshauses, welches erst lange, nachdem es ausgestorben, das billingische oder billungische genannt worden ist, weil sächsische Geschichtschreiber des späteren Mittelalters einen Grafen Billing, andere einen Bauersmann Billing aus der Gegend von Soltau als Vater Hermanns namhaft machen. Den zeitgenössischen[WS 1] Quellen ist diese Genealogie fremd, aus ihnen ist nur zu entnehmen, daß H. einem reichen und unzweifelhaft schon früher angesehenen Adelsgeschlechte des Landes angehörte. Seine Gemahlin hieß Hildegard und gebar ihm vier Kinder, zwei Söhne: Bernhard und Liudeger, und zwei Töchter: Svanehild und Mahthild; an Geschwistern lebten ihm zwei Brüder: Amelung, Bischof von Verden (933–962) und Wichmann (gest. 944), Graf im Gau Wigmodia zu beiden Seiten der unteren Weser, wahrscheinlich der älteste der drei Brüder und außerhalb der Grafschaft begütert, sowol in Westfalen als in Ostfalen. Auch H. war Graf und großer Grundbesitzer. Unter Anderem gehörte ihm der Ort Lüneburg im Bardengau zu eigen; die älteste Burg hat er erbaut, das S. Michaeliskloster ist von ihm und seinem Bruder Amelung gemeinsam gestiftet worden. H. war überhaupt kirchlich gesinnt, auch gegen solche geistliche Institute, über die er nicht unmittelbar herrschte, erwies er sich als Beschützer und Wohlthäter. Historisch bedeutsam wurde jedoch vor Allem sein politisches Wirken, die ungewöhnliche und schon von den Zeitgenossen[WS 2] bewunderte Tüchtigkeit, welche er, Kaiser Otto I. zur Seite, im Reichslande entwickelte und zwar meistens unter schwierigen Verhältnissen. Nur wenige von den weltlichen Großen des entstehenden deutschen Kaiserreichs haben jenem Herrscher so lange, so hingebend und so erfolgreich gedient wie Herzog H., aber andererseits war es ebenfalls nur wenigen vergönnt ihr eigenes Interesse so wahrzunehmen, wie er es gethan hat, in stetem Frieden mit der Reichsgewalt zu leben und sich eine Fürstenmacht zu schaffen, welche auf festerem Grunde ruhte als das ottonische Kaiserthum selbst. H. kam zuerst empor fast unmittelbar nach der Thronbesteigung Otto’s I. in den Kriegen, die dieser führte, um die Slaven an der unteren Elbe, die obodritischen und liutizischen Völkerschaften abhängig zu erhalten. In seinem ersten Feldzuge gegen die Redarier (September 936) betraute der König H. mit dem Oberbefehl zum Verdrusse vieler anderer Großen, insbesondere Wichmanns, der sich durch die Auszeichnung seines Bruders zurückgesetzt fühlte, aber zum Vortheile des Unternehmens. Ein großer Theil des Feindes wurde vernichtet, der Rest tributpflichtig, und H. gehörte fortan zu den ersten Vorstreitern in dem großen Kampfe um die Germanisirung und Christianisirung der Elb- und Oderslaven. Gestützt auf die feste Stellung, welche ihm die südelbische Grafschaft gewährte, übernahm er das mühevolle Amt eines Markgrafen sowol an der Eider gegen die noch heidnischen und feindlichen Dänen als auch längs dem sächsischen Grenzwall gegen Wagrier und Obodriten; eben so klug im Rathe wie tapfer mit dem Schwerte machte er sich unter den Feinden des Reiches weithin gefürchtet, während sein König ihm mehr als je Vertrauen schenkte. Als Otto in der Empörung seines Sohnes Liudolf und seines Eidams, des Herzogs Konrad von Lothringen, den schwersten Kampf seiner ganzen Regierung zu bestehen hatte und im Sommer 953 an den Rhein zog, um Mainz den Rebellen zu entreißen, blieb H. als königlicher Statthalter in Sachsen zurück, er verwaltete es vielleicht nicht dem Namen nach, aber thatsächlich als Herzog. Vor allem sollte er verhindern, daß der gewaltige Aufruhr, der in der Mitte und im Süden des Reiches wüthete, nicht auch das Stammland der Dynastie ergriff. Es waren Hermanns nächste Verwandte, von denen Gefahr drohte: Wichmann d. J. und Ekbert, die Söhne seines verstorbenen Bruders, des älteren Wichmann. Wenn sie für die Aufständischen [152] Partei nahmen, so geschah es nicht zum wenigsten aus Haß gegen den Oheim; Wichmann besonders beschuldigte ihn der Entwendung seines väterlichen Erbes, dem Urtheile des Hofgerichtes, welches H. Recht, ihm Unrecht gab, wollte er sich unter keinen Umständen fügen, er that überhaupt Alles, um seinem Oheim die Beruhigung Sachsens zu erschweren und momentan gelang es ihm nur zu sehr. Im J. 954 hatte H. die Unruhestifter aus dem Lande gejagt, sie entwichen über die Elbe, aber in Folge dessen gerieth er in Krieg mit den Wenden (Obodriten?), bei denen jene Zuflucht fanden, und in beiden Feldzügen, die er unternahm, hatte er nur geringe Erfolge. Noch in dem bedeutungsvollen Jahre 955, während der König die Ungarn am Lech besiegte, mußte H. zum Zweck der Grenzvertheidigung unter Waffen stehen: erst der Sieg, den Otto der Große selbst am 16. Octbr. 955 an der Reckenitz erfocht, gab der deutschen Herrschaft über Obodriten und Liutizen neue Festigkeit und befreite jenen aus der schwierigen Lage, in die ihn das nunmehr vereitelte Bündniß des jüngeren Wichmann mit den Wenden versetzt hatte. Bei Wichmanns Rückkehr nach Sachsen (958) entstand eine ähnliche Gefahr, aber dies Mal zog er rasch den Kürzeren, und während er sich nur unter demüthigenden Bedingungen Straferlaß erwirkte, erreichte H. den Höhepunkt seines Ansehens im Reich. Aus dem nordalbingischen Markgrafen und zeitweiligen Statthalter des Königs bei den südelbischen Sachsen wurde ein höherer Reichsfürst, ein Herzog von Sachsen, der ohne eine genau abgegrenzte Amtsgewalt zu besitzen, auch außerhalb seiner Grafschaft und Markgrafschaft und insbesondere über benachbarte Bisthümer bedeutende schutzherrliche Befugnisse ausübte. An Würde und Ehre war er der Erste unter den sächsischen Laienfürsten, nur Markgraf Gero hätte ihm den Rang streitig machen können; von Gero’s Nachfolgern in den oberelbischen Marken hatte H. keine Rivalität zu befürchten, obgleich sie ihm in staatsrechtlicher Hinsicht gleichstanden, nicht untergeordnet waren. Es ist ein Anachronismus, wenn Adam von Bremen, der Geschichtschreiber des mit den billungischen Herzogen oft verfeindeten Erzbisthums Hamburg-Bremen, die erste Uebertragung herzoglicher Befugnisse auf H. mit dem Römerzuge Otto’s des Gr. (963) in Verbindung bringt, jene diesem unmittelbar vorausgehen läßt. In Wahrheit fand sie fast ein Jahrzehent früher statt, aber so viel ist gewiß: für den Fortbestand des neuen Herzogthums in Sachsen wurde der mächtige Aufschwung, den Otto’s Weltherrschaftspläne um 960 nahmen, allerdings epochemachend. Wurden die herzoglichen Dienste Hermanns dem Kaiser, welcher zuletzt sechs Jahre lang ununterbrochen in Italien verweilte, geradezu unentbehrlich, so entsprach dem, daß die Thätigkeit des Herzogs in Bezug auf innersächsische Angelegenheiten sich eben damals bedeutend steigerte. Zwar waltete er nach wie vor eifrig und kraftvoll als Markgraf: neue Umtriebe seines Neffen Wichmann, der schon während Otto’s Römerzug von 961 den Frieden wieder brach und erst 968 durch den Tod an der Fortsetzung seiner reichsfeindlichen Unternehmungen gehindert wurde, ferner neue Kämpfe mit den Wenden, speciell mit den Redariern führten den Herzog wieder und wieder in das weite und vielumstrittene Grenzgebiet, von dem sein Ruhm zuerst ausgegangen war. Aber dann fehlte er doch nicht in Werla, als dort Ende März 968 für den verstorbenen Bischof Bernhard von Halberstadt eine Neuwahl stattfinden sollte. Die Einsetzung des Nachfolgers Hildeward vollzog der Herzog als Bevollmächtigter des Kaisers. Später erschien er einmal in Magdeburg und das betrachtete Erzbischof Adalbert als hohe Ehre, er empfing und bewirthete den Herzog wie den König selbst, so daß der Kaiser als er davon hörte, in Zorn gerieth und den Erzbischof mit schwerer Buße bedrohte. Auch von den Beziehungen des Herzogs zu dem Erzbisthum Hamburg-Bremen verlautet nur Günstiges. Obgleich Erzbischof Adaldag (936–988) die weltlichen Interessen [153] seines Stiftes mit außerordentlicher Energie geltend machte – wie er denn zu der reichsfürstlichen Stellung der späteren Erzbischöfe recht eigentlich den Grund gelegt hat – so kam es doch zwischen ihm und dem Herzoge unseres Wissens nie zu Zerwürfnissen, wie sie unter ihren Nachfolgern während des elften Jahrhunderts so häufig waren. In der Ueberlieferung des Stiftes, die Adam von Bremen fixirte, wird dem Herzoge Dienstwilligkeit und Wohlthätigkeit nachgerühmt, während es von Erzbischof Adaldag heißt, daß er bei seinem Abzuge nach Italien (961) dem Beispiele des Königs folgte und H. bevollmächtigte, ihn während seiner Abwesenheit zu vertreten. Endlich das Verhältniß des Herzogs zum Bisthum Verden: so lange sein Bruder Amelung lebte, herrschte Eintracht. Die schon erwähnte Thatsache, daß die Stiftung des Klosters S. Michaelis zu Lüneburg, dessen Existenz sich bis zum J. 956 zurückverfolgen läßt, das gemeinsame Werk beider Brüder war, beweist in der Hinsicht genug. Als Amelung 962 starb, folgte ihm ein Verwandter Namens Bruno, bis dahin Mönch in Corvey, aber mit ihm vertrug sich H. nicht lange. Schließlich waren sie dermaßen verfeindet, daß Bischof Bruno ihn in den Bann that. Ungefähr um dieselbe Zeit kehrte Kaiser Otto I. von seiner letzten italienischen Heerfahrt nach Sachsen zurück und versammelte Ostern 973 (23. März) in Quedlinburg einen großen Hof um sich. Auch Herzog H. erschien um reiche Geschenke darzubringen, wofür ihn der Kaiser mit großer Auszeichnung behandelte, aber schon nach einigen Tagen erkrankte er schwer und starb am 27. März, ohne von dem bischöflichen Banne losgesprochen zu sein. Umsonst versuchte Bernhard, Hermanns ältester Sohn, von Bischof Bruno dem Todten die Absolution zu erwirken, die dem Lebenden versagt war; gegen das Verbot des Bischofs die Leiche in geweihter Erde zu begraben, wurde sie nach Lüneburg gebracht und im S. Michaeliskloster beigesetzt. Der Kaiser betrauerte den Tod seines langjährigen Freundes und Dieners tief, und Hermanns Nachkommenschaft trat das von ihm hinterlassene Erbe fürstlicher Macht und fürstlichen Ansehens ungeschmälert an. Bernhard folgte ihm in der Markgrafschaft und im Herzogthum, während Liudeger eine Grafschaft erhielt, und die beiden Töchter schlossen jede zwei Mal Ehen, durch welche ihre eigene Familie mit den ersten Fürstenhäusern des Reiches, unter anderem mit dem flandrischen verschwägert wurde. Es ist deshalb wohl nur aus feindlicher Tendenz zu erklären, wenn die mündliche Ueberlieferung, der Adam von Bremen folgte, H. selbst den Ruhm vornehmer Geburt abspricht, ihn von armen Eltern abstammen läßt und ihn auch in anderer Beziehung zum Emporkömmling stempelt. Oft wiederholt und mannigfach umgebildet hat diese Fabel seit dem dreizehnten Jahrhundert die Tradition von dem Stammvater des billungischen Hauses fast ganz beherrscht; ein historisch-treues Bild hat keiner der späteren Chronisten von ihm gezeichnet, erst die neuere gelehrte Forschung sollte den dürftigeren aber echten Zeugnissen der zeitgenössischen Quellen wieder zu ihrem Rechte verhelfen.

Vgl. R. Köpke’s Kritische Erörterungen über Hermanns (Billung) Geschlecht und Güterbesitz in Köpke-Dümmler, Kaiser Otto der Große (Jahrbücher der deutschen Geschichte) Leipzig 1876, S. 570 ff. Die erste kritische Biographie schrieb A. Chr. Wedekind, Hermann, Herzog von Sachsen, Lüneburg 1817.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zeitgenössichen
  2. Vorlage: Zeitgegenossen