ADB:Hugo von Lothringen

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Artikel „Hugo von Lothringen“ von Ernst Ludwig Dümmler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 309–311, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hugo_von_Lothringen&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:48 Uhr UTC)
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Hugo von Lothringen. König Lothar II., der Sohn des Kaisers Lothar, verband sich schon bei Lebzeiten seines Vaters mit einem vornehmen Mädchen Waldrada in wilder Ehe, wie es unter den Karolingern durchaus nicht ungewöhnlich war, und erzeugte mit ihr außer zwei Töchtern Gisela und Bertha einen Sohn Hugo, der diesen Namen wahrscheinlich seinem Urgroßvater, dem Grafen Hugo von Tours, zu verdanken hatte. Obgleich das Verhältnis Lothars zu Waldrada sich leicht durch den Segen der Kirche in eine rechtmäßige Ehe hätte verwandeln lassen, so verstieß er dennoch nicht lange nach seinem Regierungsantritte [310] im J. 855 die Geliebte der Jugend, um sich aus politischen Gründe mit Thietberga, der Schwester des mächtigen Abtes Hukbert von St. Maurice, zu vermählen. Nach sehr kurzer Zeit aber kehrte er von dieser Verbindung, welche unfruchtbar blieb, zu der früheren zurück und richtete bald sein ganzes Bestreben darauf, durch falsche Anklagen gegen die verhaßte Thietberga die Lösung der mit ihr geschlossenen Ehe durchzusetzen, um Waldrada zur Gemahlin zu machen. Nicht nur der persönliche Zauber, den diese über ihn ausgeübt haben soll, scheint ihn zu diesem Scheidungsversuch getrieben zu haben, sondern auch der minder verwerfliche Wunsch, seine Kinder zu ehelichen zu machen und H. die Nachfolge im Reiche zu sichern. Im J. 862 sah er sich endlich an dem ersehnten Ziel: durch eine Synode zu Aachen wurde die Ehe des Königs für ungültig erklärt, Waldrada demselben alsbald angetraut und zur Königin gekrönt, H. erscheint urkundlich als Königssohn und Thronfolger. Das Werk aber, welches durch die Liebedienerei der lothringischen Bischöfe zu Stande gekommen, ward in Kurzem durch das schneidige Eingreifen des Papstes Nikolaus wieder zertrümmert und Lothars fernere Regierung bis zu seinem frühen Tode im J. 869 verzehrte sich in vergeblichen Bemühungen, sich der vom Papste ihm aufgedrungenen Thietberga zu entledigen und die gebannte Waldrada wieder auf den Thron zu setzen. Wenn auch im J. 867 H. unter der Oberhoheit Ludwigs des Deutschen mit dem Elsaß belehnt wurde, so endete sein Vater doch sein Leben, bevor er ihm eine gesicherte Herrschaft hinterlassen konnte. Erst im J. 878 begegnet uns sein Name wieder auf der Synode zu Troyes, welche H. und einen gewissen Emeno von der Kirchengemeinschaft ausschloß, weil jener mit einer Bande von zuchtlosem Kriegsvolke im nördlichen Lothringen, wahrscheinlich im Sprengel von Lüttich, Räubereien und Gewaltthaten aller Art verübt hatte. Das Einschreiten der Synode scheint von sehr geringer Wirkung gewesen zu sein, denn er sammelte eine noch größere Schaar von verwegenen Abenteurern, mit denen er zwar auch gelegentlich in Brabant einen mißlungenen Angriff auf die eingedrungenen Normannen unternahm, hauptsächlich aber darnach trachtete, das Reich seines Vaters mit Waffengewalt wieder zu gewinnen, welches damals unter die Herrschaft der Ost- und Westfranken getheilt war. Gegen ihn zog daher im J. 880 Ludwig der Jüngere zu Felde, als er es auf die Eroberung von ganz Lothringen abgesehen hatte. Er brach eine von Hugo’s Leuten besetzte Burg in der Nähe von Verdun, trotzdem ergriffen für diesen sogar einige von den lothringischen Großen Partei, wie namentlich Graf Thietbald, der Sohn des Abtes Hukbert, ein Neffe mithin der unglücklichen Königin Thietberga, den H. jetzt mit seiner Schwester Bertha vermählte. Nachdem sich die ost- und westfränkischen Könige durch Ueberlassung Lothringens an das Ostreich inzwischen vollständig geeinigt hatten, wandten sich jene, von einem deutschen Heere unter dem ostfränkischen Grafen Heinrich und dem Grafen Adalhard vom Moselgau unterstützt, über Attigny gegen das von H. gesammelte Raubgesindel. Während er selbst für diesmal noch dem Verderben entging, wurde der Kern seiner Macht unter dem Grafen Thietbald in einem blutigen Treffen vollständig geschlagen. Thietbald verschwand und wurde todt geglaubt, allein er hatte sich nach der Provence gerettet, von wo sein Sohn Hugo es später (926) sogar zur italienischen Königskrone bringen sollte. Eine neue Wendung trat in dem Geschicke des Abenteurers ein, als Ludwig der jüngere im J. 881 sich entschloß ihn durch Milde zu entwaffnen: nachdem H. ihm freiwillig die Huldigung geleistet hatte, empfing er als sein Vassall mehrere Grafschaften und Abteien, darunter auch Lobbes im Lütticher Sprengel. Bald trotz dieses unverdienten Gnadenbeweises zu seinen früheren Plänen zurückkehrend, wurde er durch ein von Ludwig abgeschicktes Heer nach Burgund verscheucht. Der frühzeitige Tod dieses Königs, welcher die Nachfolge in Lothringen in die [311] schwachen Hände seines Bruders, des Kaisers Karl’s III. brachte, führte abermals zu einer Begnadigung Hugo’s, dem sogar die reichen Einkünfte des augenblicklich erledigten Bisthums Metz überwiesen wurden. Hierdurch zu neuen Wagnissen nur aufgemuntert, setzte der verwilderte Königssohn sein wüstes und gewaltthätiges Treiben fort, vor dem seine eigenen Anhänger sich nicht sicher fühlten. So ließ er einen ihm seit seiner Jugend sehr ergebenen Grafen Wikbert tödten, einen anderen edlen Mann, Bernar, meuchlings ermorden, um dessen schönes Weib Friderada zur Ehe zu nehmen. Mit dem getauften Normannenkönige Gotfrid, der als fränkischer Vassall einige Grafschaften erhalten hatte, trat er in enge Verbindung, indem er ihm im J. 883 seine Schwester Gisela zur Frau gab. Hochverrätherische Pläne gefährlichster Art von H. angezettelt, der seinem Verbündeten die Hälfte Lothringens verhieß, knüpften sich an diese Verschwörung. Sie sollten im J. 885 zum Ausbruche führen, in welchem Gotfrid durch die unverschämte Forderung neuer Abtretungen einen Vorwand zur Empörung suchte, gleichzeitig aber Zuzug seiner heidnischen Landsleute an die Rheinmündungen sich eingeladen hatte. Durch die List des ostfränkischen Grafen Heinrich, der Karls rechte Hand war, gelang es im Mai den König Gotfrid auf einer scheinbar friedlichen Zusammenkunft durch List aus dem Wege zu räumen, die dänischen Hilfsvölker wurden an der sächsischen Küste geschlagen. Kurz darauf, bevor der Untergang Gotfrids bekannt geworden, im Juni 885, wurde H. nach dem Rathe des Grafen Heinrich unter trügerischen Vorspiegelungen nach der Pfalz Gondreville in Lothringen gelockt. Hier bemächtigte man sich sogleich seiner Person und da er den mit Gotfrid angesponnenen Hochverrath durchaus nicht leugnen konnte, wurde er, ähnlich wie einst der unglückliche König Bernhard von Italien, zu der grausamen Strafe der Blendung verurtheilt, welche Heinrich an ihm vollziehen ließ. Das Kloster gewährte dem Unglücklichen eine Zufluchtsstätte, seine Sünden zu beweinen, zuerst Fulda und St. Gallen, endlich Prüm in der rauhen Eifel, die Familienstiftung der Karolinger. Hier, wo sein Großvater, der Kaiser Lothar, auf alle irdische Herrlichkeit verzichtend, die letzte Ruhe gefunden hatte, wurde H. von dem Abte Regino zum Mönche geschoren und endete als solcher unbeachtet sein Leben um das J. 900. Das düstere Verhängniß, das ihn nach unseligen Frevelthaten zu einem frühen und traurigen Ende hinabzog, erschien den Zeitgenossen als eine Nachwirkung jenes schweren Fluches, mit dem einst Papst Nikolaus das sündige Bündniß Lothars und Waldrada’s und das ganze Land dieses Königs belegt hatte. Ungemessener Ehrgeiz durch einen zweifelhaften Anspruch genährt, bereiteten dem Königssohne das Verderben.

Vgl. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches, I. und II., Berlin 1862–65.