ADB:Leo IX.
Konrads II. war, stand die Familie in nahen Beziehungen zum kaiserlichen Hause, auch nach Burgund hin hatte sie wichtige Verbindungen. Vater und Mutter widmeten den geistlichen Stiftungen in ihrer Nähe fromme Gönnerschaft und beide selbst des Lateins kundig wußten gelehrte Bildung zu schätzen. So wurde Bruno zum Eintritt in den kirchlichen Dienst bestimmt und schon in dem zarten Alter von fünf Jahren dem Bischof Berthold von Toul zur Pflege und Erziehung übergeben. Adalbero, später Bischof von Metz, gelehrt und sittenstreng, war als älterer Studiengenosse der Leiter des heranwachsenden Knaben. Nach der Wahl Konrads II. zum Könige wurde Bruno zur weiteren Ausbildung an den Hof geschickt, wo er durch seine schöne Erscheinung, seine Klugheit und fromme Bescheidenheit die Liebe Aller und namentlich des Herrscherpaares gewann; aber die glänzenden Aussichten, welche sich dem jungen Priester eröffneten, vermochten seinen schlichten Sinn nicht zum [283] Ehrgeiz zu verlocken. Als Diacon der Touler Kirche führte er an Stelle des erkrankten Bischofs die Mannen des Stiftes in dem Heere, mit welchem der König Anfang 1026 seinen Römerzug antrat. Da traf während der Belagerung der mailändischen Feste Orba die Nachricht ein, daß Bischof Hermann von Toul am 1. April gestorben und als sein Nachfolger von Clerus und Volk Bruno gewählt sei. Obgleich Konrad seinen Neffen gern für eine glänzendere Stellung bewahrt hätte, nahm dieser die Wahl an, gerade durch die Armuth und mannigfache Noth seines Bisthums bestimmt. Unter mancherlei Fährlichkeiten eilte Bruno durch das feindliche Oberitalien nach seiner Stadt, wo er am 19. Mai von seinem Verwandten, dem Bischofe Dietrich von Metz, inthronisirt wurde. Die Absicht Konrads, ihn am Tage seiner Kaiserkrönung durch den Papst weihen zu lassen, scheiterte an dem Widerspruche des Trierer Metropolitan Poppo, der erst nach mancherlei Weiterungen am 9. Septbr. 1027 in Worms dem jungen Bischofe die Consecration ertheilte, weil dieser die Ablegung eines ungewöhnlich verschärften Obedienzeides verweigert hatte. – Bruno hatte nun Gelegenheit, seine kirchlichen Anschauungen geltend zu machen. Auch er war erfüllt von den Bestrebungen, wie sie seit geraumer Zeit im mächtigen, immer weitere Kreise durchdringenden Strome von dem Kloster Cluny ausgehend das geistige Leben tief erregten. Seine Seele war getragen von den Idealen strenger Ascese und unbedingter Hingabe an die Kirche und deren Oberhaupt, Tendenzen, die nicht in der Zurückgezogenheit von der Welt, sondern in Unterordnung derselben ihre höchste Erfüllung suchten. Die doppelte Richtung des Cluniacenserthums, die Exaltation, welche die Seele bald zu visionärem Schwunge, bald zur Zerknirschung in Thränenströmen hinreißt, und die zielbewußte Thätigkeit, welche mit nie nachlassender Energie die Hindernisse wegräumt und neuen Boden erobert, waren ihm gleichmäßig zu eigen. Bischof Hermann war kein Freund Cluny’s gewesen, und Bruno hatte bereits unter ihm Sorge getragen, dem Kloster St. Evre, welches allein in die Diöcese der Reformpartei gehörte, Schutz und Fürsprache angedeihen zu lassen. Jetzt war es seine erste Handlung, dem Propste von St. Evre, Widerich zwei Abteien, deren Vorsteher bei ihm Anstoß erregten, zu übergeben und überhaupt jenes Kloster zum Mittelpunkt der Umgestaltung zu machen. Um den Zusammenhang mit Rom zu wahren, zog Bruno wiederholt dorthin und wurde gewiß schon jetzt mit den Verhältnissen der Stadt und den bedeutendsten ihrer Männer vertraut. Es waren nicht allein geistliche Dinge, welche Sorge und Thätigkeit in Anspruch nahmen. Die Lage des Bisthums an den Grenzen dreier Reiche erschwerte ohnehin die Erhaltung der Ruhe und nun gerieth Konrad in den Kampf mit dem Grafen Odo von der Champagne wegen des Königreichs Burgund. Da Bruno treu zum Kaiser stand, richteten sich Odo’s Angriffe auch gegen Bisthum und Stadt Toul, bis der gefährliche Gegner im November 1037 dem kriegsgewandten Lothringer-Herzoge erlag. Die Familien- und Freundschaftsbeziehungen, welche Bruno in Burgund besaß, machten ihn vor allen geeignet, die dortigen Großen zu gewinnen, und so soll er denn eine einflußreiche Rolle bei der Erwerbung dieses Königreiches gespielt haben. Auch an dem französischen Hofe hat er in dieser Angelegenheit friedliche Vermittelung betrieben, wenn auch Zeit und Gelegenheit sich nicht genau feststellen lassen. Das innige Verhältniß zum Vater ging auch auf den Sohn, auf Heinrich III. über, der ohnehin Bruno’s kirchlichen Anschauungen viel näher stand als Konrad und die Reform der Kirche im cluniacensischen Sinne mit Eifer pflegte. Wie es scheint, hat B. der Ehe Heinrichs mit Agnes von Poitiers, welche zu nahen Verwandtschaftsgrades und anderer Gründe wegen den erzürnten Eifer einzelner geistlicher Herren erregte, nicht nur nicht entgegengewirkt, sondern sie eher gefördert, dagegen war er beflissen, seinen königlichen Freund zur Nachgiebigkeit [284] gegen den zum Erzbischofe von Lyon erwählten strenggesinnten Halinard zu bewegen, welcher als Mönch sich weigerte, den üblichen Eid der Treue zu leisten. Durch mancherlei Dienste förderte B. Heinrichs Regiment, indem er 1048 die Zusammenkunft mit dem französischen König Heinrich zu Stande brachte, welche für den glücklichen Ausgang des Kampfes mit dem gewaltigen Lothringer-Herzoge Gottfried dem Bärtigen bedeutungsvoll war. Der damals ernannte neue Herzog von Oberlothringen Gerhard war ein Verwandter Bruno’s. Am 9. August 1048 war Papst Damasus, der zweite Deutsche, den Heinrich III. auf den apostolischen Stuhl erhoben hatte, gestorben. Die Römer erbaten Halinard von Lyon zum neuen Kirchenhaupt; als dieser jedoch ablehnte, berief Heinrich für den November eine große Fürstenversammlung nach Worms. Auch B. erschien und auf ihn vereinigten sich Aller Wünsche, des Kaisers, der römischen Gesandten, der Großen. Nach längerem Bedenken erklärte er sich bereit, unter der Bedingung, daß Klerus und Volk von Rom einmüthig zustimmten. Es war ein Mittelweg, den er einschlug, der das kaiserliche Ernennungsrecht, wie es 1046 festgesetzt worden war, nicht unmittelbar verletzte, indem B. sich entschloß, dem ihm gewordenen Auftrage gemäß nach Rom zu gehen, und doch das alte Recht der Römer zur freilich nur formellen Aeußerung kommen ließ, denn eine Zurückweisung seiner Person war nicht denkbar. Eben deswegen mag der Kaiser keinen Widerspruch erhoben und die Folgerungen, welche sich aus Bruno’s Verlangen ergeben konnten, nicht beachtet haben, umsomehr als es vom Standpunkte der Billigkeit schwer anzufechten war. Nachdem der künftige Papst das Weihnachtsfest noch einmal in Toul gefeiert, trat er seine Reise an, die ihn über Besançon, wo er mit dem Prior Hugo von Cluny eine gewiß inhaltsreiche Berathung pflog, und unter mancherlei Schwierigkeiten endlich nach sechs Wochen an sein Ziel führte. Mit lauter Freude empfangen zog er barfuß in die Kirche des heiligen Petrus und erklärte dem versammelten Klerus und Volke, daß ihn der Kaiser erwählt habe, aber ihre canonische Wahl gehe vor; ohne dieselbe wolle er gern in die Heimath zurückkehren. Seine Worte scheinen schärfer und bestimmter gewesen zu sein, als in Worms. Natürlich fanden sie begeisterten Beifall. Am 12. Febr. 1049 wurde Bruno, der sich Leo IX. im Andenken an einen der größten unter den alten Päpsten nannte, inthronisirt. Sein bisheriges Bisthum behielt er bis in den Sommer 1051. Im Gefolge befand sich auch Hildebrand, den L. schon in Deutschland an sich gezogen hatte und bald zum Subdiakonus der römischen Kirche weihte. So war es eine der ersten Handlungen Leo’s, welche diesem gewaltigen Manne aufs neue den Wirkungskreis in der Kurie eröffnete. Der Papst hat die umfassende Begabung des Mönches richtig gewürdigt, aber sicher nicht unter der Herrschaft des ohnehin erheblich Jüngeren gestanden, wie spätere Geschichtsschreibung gemeint hat. Sein heiliger Eifer für die Kirche bedurfte keines Antriebes und die letzten Pläne Hildebrands, wenn diese überhaupt bereits in dessen Kopfe fertig lagen, hat er kaum getheilt. Den Umfang der apostolischen Thätigkeit Leo’s verdeutlicht am besten Zahl und Art der von ihm berufenen Synoden und Concilien. In den fünf Jahren seines Pontificats, von denen zudem das letzte nicht mit in Anschlag kommen kann, hat er elf kirchliche Versammlungen abgehalten, deren vier in Rom, drei in Oberitalien, eine in Apulien, zwei in Deutschland und eine in Frankreich stattfanden. Der Papst war in derselben Weise, wie es die Kaiser im Reiche thaten, darauf bedacht, durch persönliches Erscheinen die Bedeutung seiner Würde den Angehörigen der Kirche vor Augen zu stellen, zugleich überall selbst Zustände und Menschen erkennend und prüfend. Fast ohne Unterlaß, ohne Rücksicht auf die Jahreszeit, war er auf der Wanderschaft. In Rom feierte er regelmäßig Ostern, sonst bezeichnen Salerno, Preßburg, Köln und Rheims die äußersten Punkte der vier Himmelsgegenden, [285] welche er besucht hat. Die Universalität des Papstthums fand dadurch den lebendigsten Ausdruck und auch das Kardinalcollegium, welches bis dahin fast ausschließlich italienischer Nationalität gewesen war, wurde durch Aufnahme geeigneter Männer aus verschiedenen Völkern in diesem Sinne umgestaltet. Immer war die Bekämpfung der Simonie sein hauptsächlichstes Ziel. Durch strenge Concilienbeschlüsse und Verordnungen suchte er sie zu beseitigen, während er zahlreiche durch sie emporgestiegene Kirchenfürsten absetzte oder zur Buße zwang. Solche zum Geständnisse zu nöthigen, ist seiner eindringlichen Beredtsamkeit oft genug gelungen. Freilich sah er sich gleich durch den Widerspruch der Mitglieder seiner ersten Synode gehindert, so scharfe Bestimmungen zu treffen, wie er es wünschte; statt daß alle von einem Simonisten ertheilten Weihen für ungültig erklärt wurden, blieb es bei dem bestehenden Bußgesetz für die Empfänger. Daß er die Unsittlichkeit des Klerus nicht minder schwer verfolgt hat, ist natürlich, und daß ein Mann seiner Anschauungen auch den Cölibat der Geistlichen entschieden forderte, leicht erklärlich. Berengar von Tours, der für das Recht der kritischen Vernunft eintrat, das der Autorität, besonders der päpstlichen leugnete und namentlich die Lehre von der Transsubstantiation verwarf, wurde ungehört erst auf der römischen Ostersynode 1050 und, da er nicht zu erscheinen wagte, noch einmal im September auf der Synode zu Vercelli verurtheilt. Damit war auch im Dogma der cluniacensischen Lehrmeinung zum Siege verholfen. Ueberaus groß ist die Zahl der Entscheidungen, welche L. sonst in kirchlichen Fragen und Streitigkeiten fällte, der für geistliche Stiftungen erlassenen Bullen und Privilegien. Widerspruch und Gegensatz blieben freilich nicht ganz aus und nicht nur von der Seite her, welche die strengen Strafgerichte des Papstes zu fürchten hatte. Bezeichnend ist namentlich, daß König Heinrich von Frankreich es vermied, auf der vom Papste Anfang October 1049 nach Rheims berufenen Synode zu erscheinen und durch kriegerisches Aufgebot einen großen Theil seiner Geistlichkeit fernhielt, damit das Ansehen des Papstes in seinem Reiche nicht allzusehr anwüchse. Die beste Stütze fand L. jedoch in dem Kaiser Heinrich III. selbst. Nicht allein die innige Freundschaft, welche die beiden Häuser der Christenheit verband, bewirkte dieses Verhältniß. Der Kaiser theilte in den Fragen der Kirchenzucht vollständig die Anschauungen des Papstes, indem er Simonie und Unsittlichkeit nicht minder verabscheute als dieser und den Cluniacensern ebenso hold war. Das ganze System Heinrichs war auf eine Zusammenwirkung mit Papst und Kirche gebaut, die Autorität derselben sollte wieder seiner kaiserlichen Machtfülle dienen, und wie er das Papstthum förderte, sollte dieses ihm mit den geistlichen Waffen Beistand leisten. Die Gefahren, welche die Erstarkung des Papstthums für das Kaiserthum in sich schloß, die letzten Folgerungen der von ihm begünstigten Richtung erkannte er nicht; noch bedurfte die Kirche mehr des kaiserlichen Schutzes als umgekehrt, und da die Wahl der Päpste vom kaiserlichen Hofe abhing, schien ausreichende Sicherheit gegen Uebergriffe vorhanden zu sein. In der That ist auch L. den Wünschen seines kaiserlichen Freundes nachgekommen. Gegen die gefährlichsten Feinde Heinrichs, den Herzog Gottfried von Lothringen und den Grafen Balduin von Flandern hat er im J. 1049 den Bannfluch geschleudert und dadurch den ersteren zur Unterwerfung genöthigt, die Besiegung des letzteren erleichtert. Weniger erfolgreich war 1052 die Vermittelung des Papstes im Kriege gegen die Ungarn, denen wegen Nichterfüllung der eingegangenen Bedingungen vergebens die Excommunication angedroht wurde. Nicht ganz klar ist die Stellung des Kaisers zu einem Unternehmen, welches L. mit steigender Leidenschaft betrieb. Die Normannen hatten, seitdem sie in Unteritalien festen Fuß gefaßt, mit allen Mitteln der Tapferkeit, der List und räuberischen Gewalt ihre Herrschaft erweitert [286] und bedrückten weithin Land und Leute mit furchtbarer Härte. Heinrich III. wehrte ihnen nicht, belehnte vielmehr 1047 die Grafen Rudolf und Drogo mit Aversa und Apulien und wies ihnen das Herzogthum Benevent zu, dessen Fürst und Hauptstadt ihm offenen Trotz entgegengestellt hatten und deswegen auch dem päpstlichen Banne verfallen waren. L. erneuerte, da der Fürst auch ihm nicht Gehorsam leisten wollte, den Bannfluch. Da vertrieben die Beneventaner selbst ihre Herren und unterwarfen sich dem Papste, der im Juli 1051 persönlich von der neuen Herrschaft Besitz nahm. Dadurch wurde L., der bereits die politischen Verhältnisse Unteritaliens mit Aufmerksamkeit verfolgte, darauf hingewiesen, seinen Unterthanen gegen die Normannen Schutz zu verleihen, die mit ihren Gewaltthaten nicht nachließen und auch sonst wol päpstliche Patrimonien an sich gerissen hatten. Dieser Aufgabe waren seine Kräfte nicht gewachsen und alsbald wandte er sich um Hülfe an den Kaiser. Ehe er solche erhalten konnte, wagte er schon im Sommer 1052 einen Angriff auf die Normannen, der völlig fehlschlug. Fortan wurde der Plan, die Normannen womöglich ganz aus Italien zu vertreiben, in seiner Seele immer mächtiger. Ende des Jahres schloß er in Worms mit Heinrich einen in seinem Inhalte freilich nicht sicher bekannten Tauschvertrag, nach welchem er Benevent gegen Rechte, die der römischen Kirche auf Bamberg und Fulda zustanden, an sich brachte. Der Kaiser hatte bereits, wie erzählt wird, befohlen, daß ein Heer dem Papste zur Hülfe ziehen sollte; da hintertrieb der Bischof Gebhard von Eichstädt die Sache und der Papst mußte sich begnügen, eine reisige Schaar von Freiwilligen und Angeworbenen, meist aus Schwaben, mit sich über die Alpen zu führen. Wahrscheinlich trug Heinrich Bedenken, sich in eine so weitaussehende Sache einzulassen und ein Reichsheer, an dessen Spitze er durch die Verhältnisse verhindert nicht selbst treten konnte, aufs Ungewisse hin daranzusetzen. Die Vertreibung der Normannen hatte für ihn nicht dasselbe Interesse, wie für den Papst, da sie ebensogut Reichsvasallen waren, wie die langobardischen Fürsten. Die ohnehin so schwierigen Verhältnisse jener Gegenden konnten durch das päpstliche Unternehmen nicht gebessert werden, eher die Griechen, welche von den Normannen mit solchem Erfolge zurückgedrängt waren, neue Stärkung erhalten. Daher ließ Heinrich die kriegerischen Neigungen Leo’s zwar frei gewähren und hinderte dessen Unternehmen nicht, aber nahm keinen weiteren Antheil. Vielleicht sollte auch erst der Erfolg abgewartet werden. Der Plan Leo’s war, im Anschluß an die Griechen, welche eben neue wenn auch vergebliche Anstrengungen gegen die Normannen gemacht hatten, die letzteren zu bekämpfen. Deshalb wurde die Marschrichtung nach der Westküste genommen und der Papst schlug endlich seinen Sitz in Civitate auf. Die Normannen hätten gern den Kampf vermieden und erboten sich, ihre Erwerbungen vom Papste zu Lehen zu nehmen, wenn dieser das Bündniß mit den Griechen aufgäbe, aber L. entschied sich für den Kampf. Am 18. Juni (1053) kam es zur blutigen Schlacht vor den Mauern von Civitate, in welcher die heldenmüthig fechtenden Deutschen sämmtlich fielen, die italienischen Truppen schmählich flohen. L. sah sich in den Händen seiner Feinde, die nun vom Kirchenbanne losgesprochen ihm in ritterlicher Devotion ihre Ehrfurcht erwiesen, aber nicht gestatteten, daß er alsbald nach Rom zurückkehren durfte. Sie geleiteten ihn nach Benevent, wo er seinen Aufenthalt nahm, immer noch der Hoffnung voll, daß er von Deutschland oder von Griechenland aus Hülfe erhalten werde. – Mit den Griechen stand er nicht allein in politischen Verhandlungen. Ein Streit über rituelle Gebräuche, den des gesäuerten oder ungesäuerten Brodes beim Abendmahl u. dgl. hatte sich zum prinzipiellen Gegensatz zwischen dem Patriarchen von Constantinopel und dem Papste zugespitzt und an Schärfe zugenommen. Der griechische Hof jedoch, nicht abgeneigt sich mit L. gegen die Normannen zu verbünden, [287] zeigte sich entgegenkommend, und so schickte L. von Benevent aus zwei Kardinäle nach Byzanz, welche den Versuch machen sollten, die Wiedervereinigung der Kirchen herbeizuführen. Da sie erst nach des Papstes Tode zurückkehrten, brauchen wir hier auf ihre Erlebnisse nicht einzugehen, genug, daß statt der Versöhnung sich ein vollständiger Bruch ergab. Die großen Gemüthsbewegungen und die schweren Bußübungen, welchen sich der Papst in Benevent unterwarf, untergruben seine Gesundheit, die ohnehin schon in früheren Jahren durch schlimme Krankheitsanfälle gestört war. Er sehnte sich nach Rom zurück und die Normannen ließen ihn ziehen. Am 12. März 1054 verließ er Benevent und langte zwölf Tage später in Rom an. Aber die Krankheit wich nicht und L. sah sein Ende voraus. Am 17. April versammelte er noch einmal die Geistlichkeit und bereitete sie auf sein baldiges Ende vor, am 19. verschied er. In der Peterskirche fand er sein Grab, welches alsbald von dem Volke als Gnadenstätte verehrt wurde. Denn L. war in der That ein Mann von hervorragenden Tugenden. Die Einstimmigkeit, mit welcher die Zeitgenossen sein Lob verkünden, wie alles, was wir von seinem Leben wissen, spricht beredt dafür. Er war wol kein Gelehrter ersten Ranges, aber er besaß eine gründliche wissenschaftliche Bildung und Liebe zum Studium, noch während der unfreiwilligen Muße in Benevent hat er Griechisch gelernt. Gerühmt wird außerdem sein musikalischer Sinn, seine Geschicklichkeit im Componiren. Von lebhaftem Geiste, gewinnender Redegabe und schönem Körper fesselte er seine Umgebung und die ihm Entgegentretenden. Und doch vergaß er über all’ diesen Vorzügen, seiner hohen Abstammung, seiner erhabenen Stellung nie die Bescheidenheit des wahrhaft vornehmen Mannes. Ehrgeiz war ihm fern, nur das Bewußtsein seiner Pflicht leitete seine Schritte und ließ ihn jene außerordentlichen Anstrengungen des Geistes und Körpers auf sich nehmen. Seine Frömmigkeit war eine aufrichtige und kindliche. Sein Herz gehörte ganz der Kirche und den Bestrebungen, die er für die richtigen hielt. Mit aller Entschiedenheit das Prinzip verfechtend, neigte er doch gern zur Milde den Personen gegenüber. In wie hohem Sinne er auch die päpstliche Würde faßte, war er doch dem Kaiserthum nicht feind; er glaubte sich vielmehr zum Zusammenwirken mit demselben verpflichtet. Wenn er es auch gewesen ist, welcher die cluniacensischen Doctrinen zur Kirchennorm gemacht und seinem dereinstigen Nachfolger den Weg vorbereitet hat, so trägt doch sein Pontificat einen ganz anderen Charakter als das Gregors VII. Allerdings darf dabei nicht außer Acht bleiben, daß auch die allgemeine Lage noch eine andere war, daß die Möglichkeit eines einmüthigen Zusammengehens von Kaiserthum und Papstthum noch vorhanden schien, da die Entwickelung erst die Anfangsstufen erreicht hatte. Wenn L. einige Jahrzehnte später gelebt hätte, würde er aller Wahrscheinlichkeit nach sich rückhaltlos dem Programme Hildebrands angeschlossen haben.
Leo IX., Papst, geb. am 21. Juni 1002, hieß ursprünglich Bruno und war der Sohn des Grafen Hugo II. von Egisheim im Elsaß, südlich von Kolmar und der Heilewide, deren jedenfalls vornehme Abkunft nicht genau bekannt ist. Da Hugo ein Vetter- Watterich, Vitae pontificium Romanorum I, wo auch die beste und älteste Lebensbeschreibung Leo’s von dem Touler Archidiakonus Wibert und die spätere von dem Bischofe Bruno von Segni stehen. Höfler, Die deutschen Päpste II; Hunkler, Leo IX. und seine Zeit; Will, Die Anfänge der Restauration der Kirche; Fischer, Recherches sur le lieu de la naissance du pape Saint Léon (Nancy 1873); Delarc, Un pape Alsacien (Paris 1876); Baxmann, Politik der Päpste II; Gfrörer, Papst Gregor VII. VI Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit; Steindorff, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinreich III. I, II.