ADB:Baltzer, Johann Baptist
Anton Günther in Wien zu und war einer der Hauptvertheidiger Günther’s in Wort und Schrift, als auch diesem heterodoxe Lehren zugeschrieben wurden. 1853 reiste er zur Vertheidigung Günther’s mit Gangauf und Knoodt nach Rom. Dem im folgenden Jahre am 8. Dec. publicirten Dogma von der unbefleckten Empfängniß der Jungfrau Maria unterwarf er sich ebenso wie dem päpstlichen Verwerfungsdecret der Günther’schen Schriften vom 8. Jan. 1857. Von dieser Zeit an bis zu seinem Tode hatte er einen fortwährenden, seine Geistes- und Körperkräfte aufreibenden Kampf zu bestehen, der sich um die Frage seiner Orthodoxie bewegte. 1859 wurden seine „Neuen theologischen Briefe“ (mehrere Jahre vorher zur Vertheidigung Günther’s geschrieben) auf den Index gesetzt. Auf Verlangen des Fürstbischofs von Breslau, Dr. Förster, faßte B. über den Hauptgegenstand [34] der Vorwürfe seiner Gegner, seine Lehre über den Dualismus der Lebensprincipien im Menschen, ein Promemoria ab, welches durch päpstliches Decret vom 30. April 1860 verworfen wurde. Schon vorher hatte Förster dem Professor B. die missio canonica entzogen. Der Fürstbischof und Rom verlangten nunmehr den Rücktritt Baltzer’s von seiner Professur. Der Fürstbischof erhob gegen ihn Anklage wegen Verletzung seiner Dienstpflichten bei dem kgl. Disciplinarhof. Derselbe sprach B. durch Urtheil vom 9. Jan. 1864 frei, und das Erkenntniß wurde unter dem 2. Juni desselben Jahres vom Staatsministerium bestätigt. Zu diesen Streitigkeiten, die das Lebensende Baltzer’s verbitterten und hinsichtlich welcher seine Appellationen an das Urtheil des Papstes erfolglos blieben, kam noch ein Streit über interna des Domcapitels, dessen Mitglied B. war. Der Fürstbischof verhängte gegen ihn die suspensio ab officio et beneficio mit Entziehung eines Drittels der Einkünfte. Die Beschwerden, welche B. dagegen in Rom erhob, fanden keine Abhülfe. Unmittelbar vor, während und nach dem vaticanischen Concil stand B. mit Entschiedenheit auf Seiten Döllinger’s. Er unterzeichnete die gegen die Infallibilität des Papstes gerichtete Nürnberger Erklärung vom 26. August 1870. Der Fürstbischof sprach deswegen über ihn die suspensio ab ordine et beneficio aus und sperrte ihm das ganze Kanonikatsgehalt (der gesperrte Antheil wurde erst den Erben Baltzer’s gezahlt). Am 1. Oct. 1871 starb B. in Bonn bei seinem Freunde Knoodt. Sein Streben als Lehrer und Schriftsteller war auf die Versöhnung von Glauben und Wissen gerichtet; in der modernen Dogmengeschichte ist sein Auftreten in den Günther’schen Streitigkeiten ein wesentliches Moment. Die Lauterkeit seines Charakters und seine unbefleckte Sittenreinheit erkannten auch seine Gegner an. Seine litterarischen Leistungen sind außer einer Reihe von Aufsätzen in verschiedenen Zeitschriften folgende: „Litterarum sacrarum doctrina de conditione morali, in qua primi homines ante lapsum et post eundem vixerint“, Breslau 1831; „Hinweisungen auf den Grundcharakter des hermesischen Systems etc.“, Bonn 1832; „De modo propagationis animarum in genere humano“, 1833; „Ueber die Entstehung der in neuerer Zeit im Protestantismus und Katholicismus hervorgetretenen Gegensätze mit besonderer Rücksicht auf Hermes“, Bonn 1833; „Andenken an Professor Dr. Unterholzner“ (mit Ritter gemeinschaftlich abgefaßt), Breslau; „Beiträge zur Vermittelung eines richtigen Urtheils über Katholicismus und Protestantismus“, Breslau 1839 u. 40, 2 Hefte; „Preßfreiheit und Censur mit Rücksicht auf die Trierer Wallfahrt“, 2. Aufl. Breslau 1845; „Das christliche Seligkeitsdogma nach katholischem und protestantischem Bekenntniß“, Mainz 1844; „Theologische Briefe über das christliche Seligkeitsdogma“, 1. Serie, Mainz 1844, 2. Serie, Breslau 1845 (in 2. Auflage erschienen); „Neue theologische Briefe an Anton Günther“. Breslau 1853, 2 Serien; „Ueber die Anfänge der Organismen und die Urgeschichte des Menschen“, Paderborn 1870, 4. Aufl. 1873; „Die biblische Schöpfungsgeschichte, insbesondere die darin enthaltene Kosmo- und Geogonie in ihrer Uebereinstimmung mit der Naturwissenschaft“, 1. Th. Leipzig 1867, 2. Th. ebendaselbst 1872.
Baltzer: Joh. Bapt. B., geb. 16. Juli 1803 zu Andernach, † 1. Oct. 1871 zu Bonn, bedeutender katholischer Dogmatiker. Seine Gymnasialbildung erhielt er auf dem katholischen Gymnasium zu Köln und studirte 1823–1827 auf der Universität Bonn vorzugsweise Theologie, für die ihn sein Lehrer Hermes sehr begeisterte und die er zu seinem Lebensberuf machte. 1829 wurde er Priester, 1830 an der theologischen Facultät zu München auf Grund der beiden Dissertationen „Ueber die Freiheit des menschlichen Willens“ und den „Urzustand der ersten Stammältern“ mit Erlassung der mündlichen Prüfung zum Doctor der Theologie promovirt und in demselben Jahre als außerordentlicher Professor der Dogmatik nach Breslau berufen. 1831 wurde er ordentlicher Professor, 1843 geistlicher Rath des Consistoriums I. Instanz für Ehesachen, 1844 Prosynodalexaminator, 1846 in das Breslauer Domcapitel aufgenommen, in dem er zuletzt die Stellung als Canonicus scholasticus inne hatte. Seine Wirksamkeit als Dogmatiker steht im innigsten Zusammenhang mit den Systemen von Hermes und Günther. Dem Breve, wodurch Papst Gregor XVI. am 26. Sept. 1835 die Hermesischen Schriften verurtheilte, unterwarf sich B. am 27. Juni 1838, ohne anzuerkennen, daß Hermes sämmtliche ihm beigemessene Heterodoxien gelehrt. Allmählich überwand er durch wissenschaftliche Forschung den Hermesianismus und erkannte an, daß in demselben der Kantische Rationalismus nur halb überwunden sei. Er wandte sich hierauf dem System des schon vorher von ihm sehr geschätzten Philosophen und speculativen Theologen- E. Friedberg, J. B. Baltzer. Ein Beitrag zur neuesten Geschichte des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Preußen, Leipzig 1873. – Franz, J. B. Baltzer. Ein Beitrag zur neuesten Geschichte der Diöcese Breslau, Breslau 1873. Eine dritte Schrift über Baltzer von dem Unterzeichneten, nach den Personalacten und dem Briefwechsel Baltzer’s bearbeitet, nebst Mittheilungen aus seinem litterarischen Nachlaß, wird Ende 1875 erscheinen.