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ADB:Barnim I.

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Artikel „Barnim I., Herzog von Pommern“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 71–74, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Barnim_I.&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 18:09 Uhr UTC)
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Barnim I., Herzog von Pommern, geb. um 1209, † 13. oder 14. Nov. 1278, Sohn Herzog Bogislav II. vom Pommern-Stettin und der Miroslawa, Tochter des Herzogs Mestwin I. von Pommerellen. Durch den am 23. Jan. 1220 erfolgten Tod seines Vaters zur Regierung gelangt, stand er unter der Vormundschaft seiner Mutter, wie auch in Pommern-Demmin Ingard, die Wittwe des Herzogs Kasimir II., für ihren unmündigen Sohn Wartislaw III., Barnim’s Vetter, die Regierung führte. Nach väterlicher Theilung waren ersterem die Landschaften Stettin und Usedom allein zugefallen, letzterem Demmin und Cammin, die übrigen Landschaften besaßen beide gemeinsam, eine Einrichtung, die zu manchen Unzuträglichkeiten hätte führen können, wenn die Vettern nicht in brüderlicher Eintracht gelebt hätten. Anfangs noch Lehnsleute der Krone Dänemark, wurden sie durch den auf die Gefangennahme König Waldemar’s des [72] Siegers folgenden Vertrag vom 17. Nov. 1225 zwar hiervon frei, sahen aber, nunmehr ohne Schutz, ihre Nachbarn in Mecklenburg, Pommerellen, Polen und Brandenburg sich überall feindlich gegen sie erheben; namentlich machte letzteres die Lehnsherrschaft geltend, welche im Dec. 1231 Kaiser Friedrich II. den Söhnen des Markgrafen Albrecht, Johann und Otto über Pommern ertheilt hatte. Die Polen drangen bis nahe an Stargard vor und die Mecklenburger waren 1229 im Besitz von Ortschaften bei Demmin westlich von der Peene, welche vorher Wartislav II. inne gehabt hatte. In den Jahren 1235 und 1236 bemächtigten sich die mecklenburgischen Fürsten auch des Landes Loitz, wo sie den Ritter Detlev von Gadebusch einsetzten, der daselbst eine Art Standesherrschaft begründete und auf seine Söhne vererbte. Es scheint, daß die Mecklenburger auch die Landschaften Gützkow und Lassan in ihre Gewalt gebracht hatten, da sie den 5. Febr. 1236 sich mit dem Bischof Brunward von Schwerin in die Zehnten dieser Länder theilten. Die Landschaften Schlawe und Stolpe waren nach Aussterben der Nachkommen des Herzogs Ratibor I. von Pommern zwar an Barnim und Wartislaw heimgefallen, gingen aber 1229 oder 1230 wieder für sie verloren, indem ihr Oheim Swantopolk von Pommerellen auf das Erbrecht seiner Mutter Swinislawa hin sie einnahm und behielt. Auch König Waldemar II. von Dänemark gesellte sich den Feinden zu, bemächtigte sich des Landes Wolgast und belehnte 1235 mit der einen Hälfte desselben durch seinen Sohn Erich den Fürsten Wizlaw I. von Rügen, während er die andere zuerst dem Fürsten Heinrich Borwin III. von Rostock überlassen zu haben scheint, bis er sie zur Mitgift seiner an den Markgrafen Johann I. von Brandenburg vermählten Tochter Sophie bestimmte. – Es war somit Bedrängniß auf allen Seiten, so daß Wartislaw III. sich genöthigt sah, der Markgrafen von Brandenburg Johann I. und Otto III. Hülfe zu suchen und am 20. Juni 1236 seine Länder von ihnen zu Lehn zu nehmen und ihnen auch die Landschaften Stargardt, Beseritz und Wustrow bis zur Tollense abzutreten, wogegen sie ihm Schutz gegen die dänischen Ansprüche und Hülfe zur Wiedergewinnung dessen versprachen, was er anderweit verloren. Diese Hülfe muß auch eingetreten sein, so daß Wartislaw wieder in den Besitz von Loitz kam, welches jedoch 1276 an Rügen abgetreten wurde. Ob B. I. bei dieser Lehnsertheilung betheiligt gewesen, ist unklar, jedenfalls finden wir ihn einige Jahre darauf mit Brandenburg in Fehde und im Besitz des Landes Wolgast, um sich dasselbe aber zu erhalten, mußte er 1250 an die Markgrafen die Uckermark abtreten und zugleich mit seinem Vetter Wartislaw zur gesammten Hand alle seine Länder von ihnen zu Lehn nehmen. Auch die Neumark ging an letztere verloren, ohne daß über Ort und Zeit des Verlustes Sicheres bekannt ist. – Sowol im Vereine mit Wartislaw, als auch nach dessen am 17. Mai 1264 erfolgten Tode, durch welchen er in den Alleinbesitz von ganz Pommern gelangt war, bemühte sich B. mehrmals, das an Polen und Pommerellen Verlorene wieder zu gewinnen, Versuche, die indeß nur gegen ersteres einigen Erfolg hatten. So hinterließ er denn am Schluß seiner langen Regierung Pommern in kleinerem Umfange, als er und sein Vetter Wartislaw es empfangen hatte. – Dagegen liegt Barnim’s Hauptbedeutung darin, daß er in dem bisher wendischen Lande überall durch entsprechende Anordnungen und durch eignes Beispiel deutsche Sitte einführte, so daß dasselbe bei seinem Tode zu einem völlig deutschen umgestaltet war. Die Geistlichkeit, der Adel und die Städte gingen darin mit ihm Hand in Hand. Die erstere wurde von ihm besonders begünstigt und mit reichem Grundbesitz ausgestattet. Bis zu Barnim’s Zeit hatte der Bischof von Cammin zwar Zehnten aus dem Lande erhalten, war aber ohne eigenes Territorium; 1240 nun gab ihm B. das Land Stargardt gegen die Abtretung von bischöflichen Zöllen und anderen Einkünften, 1248 [73] tauschte er dasselbe wieder zurück gegen die eine Hälfte des Landes Colberg, dessen andere Hälfte er 1276 ihm ebenfalls käuflich abtrat, so daß von nun an der Bischof ein selbständiger Landesfürst war. Zu den altbestehenden Domstiftern Cammin und Colberg, die B. mit neuen Gaben bedachte, errichtete er 1262 das Domcapitel zu S. Marien in Stettin, erbaute die Domkirche daselbst und dotirte sie mit mehreren nahe gelegenen Dorfschaften. Nicht minder günstig erwies er sich dem Johanniterorden, dem er 1229 die Erlaubniß ertheilte, auf seiner Comthurei Stargardt Deutsche anzusiedeln, und den Tempelherren verlieh er 1234 die Stadt Bahn mit der Erlaubniß, dort eine Stadt mit brandenburgischem Recht anzulegen. – Die schon vorhandenen pommerschen Klöster Stolp, Usedom (Pudagla), Dargun, Colbaz, Eldena, Belbuck, Verchen und Gramzow bedachte er reicher mit Ländereien und Rechten, ja seine Freigebigkeit band sich in dieser Beziehung nicht an die Grenzen seines Landes, auch fremde Stifter und Klöster wurden bedacht, so die Domstifter in Lübeck und Coswig, die Klöster Michelsberg bei Bamberg, Walkenried in Thüringen, Doberan in Mecklenburg, Reinfeld in Holstein, Lehnin in der Mark, und dazu fand er sich noch veranlaßt, immer neue Stiftungen in seinem Lande hervorzurufen; so entstanden durch ihn und unter ihm das Nonnenkloster zu Treptow a. R. 1224, das Dominicanerkloster zu Cammin 1228, das Franciscanerkloster zu Stettin 1240 und zu Greifswald 1242, die Nonnenklöster zu Stettin 1243, zu Schönebeck (später Zehden) in der Neumark vor 1246, Marienfließ 1248, Pyritz 1251–52, Ivenack 1252 und das Mönchskloster zu Uckermünde (später Jasenitz) 1260. In der Uckermark legte Bischof Konrad II. von Cammin 1233 Parstein (später Chorin) an, und im Lande Colberg Bischof Hermann die Nonnenklöster zu Prenzlau vor 1250, zu Colberg 1277 und zu Cöslin 1278. Sie alle wurden mit Privilegien und Ländereien freigebig und unter der ausdrücklich hervorgehobenen Bedingung ausgestattet, die meist noch wüsten Landstrecken mit deutschen Einwanderern zu besiedeln. So erfreuten sich die geistlichen Stifter und Klöster seiner väterlichen Sorgfalt, wenn er auch manchmal durch seine kriegerischen Verwickelungen in die Nothwendigkeit versetzt war, sie zu außerordentlichen Hülfsleistungen heranzuziehen, wie er denn die Besitzungen des Johanniterordens in und um Stargardt 1267 belastete und deshalb von demselben vor Papst Clemens IV. belangt und in den Bann gethan wurde. – In nicht minderem Grade wichtig ist die durch B. geschehene Beseitigung der wendischen Castellaneiverfassung und die Begabung der Städte mit deutschem Rechte, wodurch die letztern eigentlich erst rechtlich zu einem in sich abgeschlossenen Gemeinwesen erwuchsen und ein deutsches Bürgerthum in Pommern geschaffen wurde. Nach den Rechtsanschauungen, welche die neuen Ansiedler aus ihrer Heimath mitbrachten, verlieh ihnen B. die Privilegien theils, wie im Lande Stettin nach magdeburgischem, theils, wie in den übrigen Landschaften nach lübischem Rechte. Gleichzeitig damit steckte er ihnen eine mehr oder weniger umfangreiche Feldmark ab und begabte sie wiederholt mit neuen Freiheiten, Gerechtsamen und Gütern. Am frühesten (1235) wurde Prenzlau mit Stadtrecht begabt, etwa um dieselbe Zeit, jedenfalls nur wenig später, auch Demmin und Pasewalk, Loitz 1242, Stettin 1243, Anclam 1244, Garz und Damm 1249, Pyritz vor 1250, Greifswald 1250, Stargard 1253, Greifenhagen 1254, Colberg 1255, Wolgast 1257, Pölitz 1260, Greifenberg 1262, Wollin vor 1264, Cöslin 1266, Gollnow 1268, Cammin 1274, Plate 1277 und endlich noch wenige Monate vor Barnim’s Tode durch Bischof Hermann von Cammin auch Massow 1278. – Wie B. aus den andern deutschen Ländern viele neue Ansiedler als Bürger in seine Städte zog, so geschah dies auch mit einer Menge deutscher Adelsgeschlechter aus Holstein, Niedersachsen, Thüringen und den Rheinlanden, [74] die auf dem platten Lande auf zahlreichen Gütern sich ansiedelten und Dörfer mit deutschen Namen gründeten. Aus der Menge derer, denen er Lehen gab, sind neben vielen jetzt ausgestorbenen oder verzogenen die noch gegenwärtig im Lande blühenden Geschlechter der Behr, von Blankenburg, von der Osten, von Schwerin, Lepel, von Schöning, von Ramin, Manteufel, von Massow, Heyden, von Winterfeld, von Wedel u. a. m. zu nennen. Der einheimische Adel bequemte sich zum Theil den neuen Verhältnissen an, obgleich er mehr nach Osten und auf Rügen zurückwich. – Zwei ansehnliche Grafengeschlechter setzten sich zu Barnim’s Zeit ebenfalls in Pommern fest: 1233 heirathete der Edelvogt Jaczo von Salzwedel Barnim’s Schwester Dobroslawa, die ihm die Grafschaft Gützkow zubrachte und auf ihre Söhne vererbte, die nun den Titel Grafen von Gützkow annahmen, und 1274 verlieh Bischof Hermann von Cammin seinem Neffen, dem Grafen Otto von Eberstein aus Niedersachsen die Grafschaft Naugardt. – Auch sein Hofwesen hatte B. seit 1239 deutsch gestaltet, er wohnte abwechselnd in Damm und Uckermünde und umgab sich daselbst mit deutschem Hofgesinde, an dessen Spitze der Marschall stand, und auch seine drei deutschen Gemahlinnen werden dazu beigetragen haben, deutsche Sitte am pommerschen Hofe zur Geltung zu bringen. Der deutsche Minnegesang fand auch hier eine Stätte und wenn der Beiname des „Guten“ B. wol auch mehr wegen seiner Freigebigkeit an die Kirche gegeben worden, so erinnert doch Meister Rumeland in seinem Klageliede um den Dahingeschiedenen auch die andern Zeitgenossen „daz sie nie milter suezen vürsten sahen“, und bittet: „nu hilf im, Gotes muoter, der barmunge rat, mit diner helfe kum im dort ze troste!“

Während B. Anderen so reichlich spendete, daß bald wenig mehr zu geben war, lebte er für seine Person sparsam und war mäßig im Genuß, so daß er sich bis in sein hohes Alter die Manneskraft bewahrte. Sein jüngster Sohn Otto wurde erst nach des Vaters Tode geboren. – B. war dreimal vermählt, zuerst 1238 mit Marianne († vor 1250), muthmaßlich einer Tochter des Grafen Albrecht Orlamünde, zu welcher Ehe es eines päpstlichen Dispenses bedurfte, dann mit Margaretha († 1263), Tochter des Herzogs Otto des Kindes von Braunschweig und Wittwe Wizlaw I., Fürsten von Rügen, und endlich 1266 oder 67 mit Mechtilde († 20. Dec. 1316), Tochter des Markgrafen Otto III. von Brandenburg.