ADB:Biberstein, Johann von (gest. 2. Hälfte 14. Jahrhundert)

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Artikel „Biberstein, Johann (II.) von“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 611–612, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Biberstein,_Johann_von_(gest._2._H%C3%A4lfte_14._Jahrhundert)&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 03:41 Uhr UTC)
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Biberstein: Johann (II.) von B., geb. 1342. Der Sohn Friedrich’s v. B. und der Hedwig von Pack, erbte Johann nach seines Vaters Tode (1360) mit dem Bruder Ulrich (II.) u. A. die ausgedehnten Herrschaften Friedland und Hammerstein in Böhmen, die Landskrone bei Görlitz, Tauchritz und mehrere Güter bei Goldberg in der Oberlausitz, sowie Sorau mit Zugehörungen in der späteren Provinz Brandenburg. Das Bestreben beider Brüder, ihr Dominium zu erweitern, war anfänglich von nur vorübergehendem Erfolge begleitet, wogegen es ihnen nachweisbar von vornherein gelang, durch verschiedene zweckmäßige Einrichtungen den wirthschaftlichen Werth ihrer Landgüter merklich zu heben. Als im J. 1383 ihr Oheim Reinhard von Strele, Herr auf Beeskow und Storkow in der Niederlausitz, ohne Leibeserben starb, und Johann und Ulrich von dessen nachgelassenen Lehen, über welche ihnen Reinhard bereits 1377 die Eventualhuldigung hatte leisten lassen, thatsächlich Besitz ergreifen wollten, sahen sie sich genöthigt, gegen König Wenzel von Böhmen, der, wol nicht ohne Grund, Beeskow und Storkow als heimgefallene Lehen erklärte, ihre Rechtsansprüche mit der Gewalt der Waffen zu erweisen. Der mit wechselndem Glück geführte Krieg scheint zum Vortheile derer von B. beendigt worden zu sein, obgleich dieselben später das eigentliche Lehenrecht über Beeskow den Herzogen von Pommern-Stettin überlassen mußten, von denen sie jedoch bald darauf das dortige Schloß wieder zu Lehen empfingen. Eine schwierige Aufgabe erwuchs den Brüdern, als sie Markgraf Sigmund von Brandenburg im Einvernehmen mit Jost von Mähren 28. Febr. 1386 zu „Hauptleuten der neuen und alten Mark Brandenburg“ mit dem Auftrage ernannte, „daß sie die Lande einnehmen sollen“, welche bekanntlich eben damals, von eigensüchtigen Pfandinhabern wie vom räuberischen Landadel schonungslos geplündert, dem Untergange preisgegeben schienen. Die unermüdliche, durchwegs kriegerische Thätigkeit der Brüder in dieser ihrer Stellung gehört der Landesgeschichte, in welcher erst mit der Berufung Burggraf Friedrichs von Nürnberg als Statthalter von Brandenburg (1411) eine Wendung zum Besseren datirt. Hatten aber die Brüder schon früher die Güter Forst in Schlesien und Triebel in der Niederlausitz käuflich erworben, so vergrößerte Johann v. B. nach dem Tode Ulrichs (1406) diesen Familienbesitz noch um Burg und Stadt Sommerfeld und die Herrschaft Reichwalde. Seine ganze Aufmerksamkeit widmete Johann von nun an der Wiederaufnahme des ihm einzig und allein zusagenden Friedenswerkes, das vorzüglich darin bestand, der Landwirthschaft, dem Handel und den Gewerben auf seinen vielen, doch sehr zerstreuten Gütern in Böhmen, Schlesien und Brandenburg Eingang zu verschaffen. Dieses Ziel suchte er vor Allem durch die Berufung einer großen Anzahl deutscher Colonisten und die Anlegung zahlreicher Dörfer, ja selbst einzelner Städte, sowie durch Errichtung förmlicher Handwerksinnungen und Zünfte in den Letzteren zu erreichen. Ihm verdanken Sommerfeld und Triebel, Sorau, Beeskow und Storkow außer mannigfachen Stadtfreiheiten ihre ersten Leinen- und Wollenweberzünfte, durch welche dieselben rasch zu relativ wohlhabenden Industrialorten heranwuchsen. In gleicher Weise wurde die nachmals und noch heute größte Industriestadt Böhmens, Reichenberg, erst durch Johann v. B. zur Stadt erhoben und aller jener zeitgemäßen Zunftprivilegien theilhaftig, ohne welche diese Stadt ihre spätere [612] gewerbliche und mercantile Stellung niemals hätte erreichen können. Nicht minder legte er den Grund zur ersten städtischen Entwicklung in dem seitherigen Burgflecken Friedland in Böhmen, dem künftigen Vororte des großen Wallenstein’schen Herzogthumes Friedland. Johann v. B., mit einer Schwester Timo’s von Kolditz, des bekannten Bischofs von Meißen, vermählt, zeugte drei Söhne, Johann, Wenzel und Ulrich, denen er, so viel bekannt, eine vortreffliche Erziehung angedeihen ließ; Johann d. J. studirte 1390 an der Prager Universität. Bereits 1416 vertheilte er an seine Erben die ihm zugehörigen Ländereien. Er erlebte aber noch den Ausbruch des einen großen Theil seiner Besitzungen furchtbar verheerenden Husitenkrieges, in welchem seine Söhne, der Vergangenheit der eigenen Familie getreu, mit Entschiedenheit die deutsche Sache verfochten, sowie dieselben, unbedingt nicht ohne Zuthun ihres Vaters, 1422 mit dem Erzbischofe von Magdeburg ein Schutz- und Trutzbündniß schlossen „wider die verdammten böhmischen Ketzer.“ Diese Haltung Johanns und der Seinen, mehr noch aber die erwähnten Gründungen deutscher Städte und Dorfschaften bewirkten, daß im Laufe der Husitenkriege, während welcher die meisten deutschen Schöpfungen in dem übrigen Böhmen den Stürmen nationalen Fanatismus erliegen mußten, das ganze sogenannte „böhmische Niederland“ dem Deutschthum und der Cultur erhalten blieb und so allmählich, wie bemerkt, zu seiner gegenwärtigen Bedeutung gelangen konnte. Der Reichenberger Industriebezirk zählte 1869 auf nur fünf Quadratmeilen über 62000 Einwohner und producirte 1870 allein an 300000 Stück Tuch und tuchartiger Stoffe im Werthe von 30 Millionen Gulden. – Johann v. B. starb im hohen Greisenalter am 3. Febr. 1424.

Nach Urkunden der Archive Reichenberg, Friedland, Prag und Dresden, zum Theil benützt bei Hallwich, „Reichenberg und Umgebung“.