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ADB:Biron, Ernst Johann Reichsgraf von

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Artikel „Ernst Johann, Herzog von Kurland“ von Eduard Winkelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 286–291, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Biron,_Ernst_Johann_Reichsgraf_von&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 16:23 Uhr UTC)
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Ernst Johann, Herzog von Kurland, geboren den 23. November 1690, † den 18. Decbr. 1772. Er stammte aus einer wenigstens seit 1564 in Kurland heimischen Familie Büren, welche zwar vom polnischen Könige Wladislaw 1638 geadelt, aber nicht in die kurländische Ritterschaft aufgenommen worden war. Ihre Verwandtschaft mit den verschiedenen deutschen Adelsfamilien des gleichen Namens läßt sich ebensowenig bestimmen, als der Zeitpunkt, in welchem sie den alten Namen gegen den stolzer klingenden des französischen Geschlechts Biron vertauschte. E. erhielt mit seinen Brüdern Karl und Gustav eine für jene Zeit vortreffliche Erziehung; aus seiner in Königsberg zugebrachten Universitätszeit hat er jedenfalls so viel Nutzen gezogen, daß geistige Beschäftigung ihm zu allen Zeiten eine Quelle des Genusses und, in seinem spätern Unglücke, auch des Trostes werden konnte. Sein geschichtliches Leben beginnt jedoch erst, als er Secretär der Herzogin Anna von Kurland ward, der Tochter Iwans, der Nichte Peters d. Gr., welche am 31. Oct. 1710 dem regierenden Herzoge von Kurland, Friedrich Wilhelm, vermählt, nach 14 Tagen schon Wittwe geworden war und seitdem ein ziemlich freud- und aussichtsloses Dasein auf Annaburg [287] bei Mitau verbrachte. Bald gab es nichts, worin sie nicht den Rath Biron’s bedurft hätte. Von mittlerer Größe, eine durchaus anmuthige Erscheinung, welche die Wirkung seiner geistigen Gaben unterstützte, raschen Blicks und mit eindringlicher Beredsamkeit, ward er der Herzogin geradezu unentbehrlich. Als er 1723 ihre Hofdame, Benigna v. Trotta genannt Treyden, heirathete, trat Anna fast ganz in das Familienleben des Freundes ein: sie speiste oft an seinem Tische und hat seine Kinder aufs zärtlichste geliebt.

Dieses vertraute Verhältniß änderte sich auch dann nicht, als Anna 1730 zur Kaiserin von Rußland gewählt wurde. Auf Biron’s Rath soll sie die merkwürdige Wahlcapitulation unterschrieben haben, welche in dem Schlußsatze gipfelte: „Wenn ich nicht nach den vorgeschriebenen Punkten handle, so werde ich verlustig der russischen Krone“, und Biron’s Voraussicht, daß die Dinge eine ganz andere Gestalt annehmen müßten und würden, sobald Anna erst einmal wirklich Kaiserin sei, fand ihre Bestätigung in der unblutigen Revolution vom 8. März, welche für Rußland den Absolutismus herstellte und, indem sie Anna die volle Freiheit des Handelns zurückgab, thatsächlich die Entscheidung über Alles und Jedes in Biron’s Hand legte. Er hätte ein Schwächling und alles Ehrgeizes baar sein müssen, um nicht eine so bedeutende und fast von selbst ihm zufallende Rolle zu übernehmen, welche freilich nicht ohne Gefahr war, dafür aber ihn weit über alle Sterblichen emporzuheben versprach. Seine kaiserliche Freundin überschüttete ihn mit höfischen Würden, Orden, Geschenken. Der deutsche Kaiser ernannte ihn zum Grafen des heiligen römischen Reiches. Die stolzen Kurländer, welche noch vor wenigen Jahren seine adeliche Herkunft bemäkelt hatten, erbaten die Erlaubniß, seinen Namen in die Matrikel ihrer Ritterschaft aufnehmen zu dürfen. Als dann ihr letzter Herzog aus dem Geschlechte Kettlers im Mai 1737 starb, da haben sie, um der Einverleibung in Polen zu entgehen, einen Monat später den russischen Oberkammerherrn zu ihrem Herzoge erwählt und mit Hülfe Rußlands die Bestätigung seiner Wahl bei August III. von Polen ausgewirkt. Fürwahr eine eigenthümliche Wandlung, durch welche der kleine deutsche Adliche polnischer Lehnsherzog und zugleich der Regent Rußlands ward, indem er, ohne der wesentlich aus deutschen und besonders aus baltischen Elementen gebildeten Regierung unmittelbar anzugehören, sie doch vermittels der Kaiserin gleichsam aus dem Hintergrunde leitete.

Da es schwer sein dürfte, jedem Mitgliede derselben den ihm gebührenden Antheil an ihren Erfolgen auszuscheiden, mag es genügen, die hauptsächlichsten Ergebnisse der J. 1730–40 im Großen anzuführen. Das wichtigste war doch, daß überhaupt dem seit dem Tode Peters d. Gr. begonnenen Zerfalle gesteuert ward. Der durch Menschikow und die Dolgoruki eingerissenen Verschleuderung der Geldmittel ward entgegengearbeitet, der Rückstand eingefordert, den Zollunterschleifen mit Strenge begegnet. Die Gehälter konnten wieder gezahlt, die Herstellung der Flotte begonnen, die Landarmee durch Münnich reorganisirt und allmählich auf den Friedensstand von etwa 210000 Mann gebracht werden. Wieder wie einst unter Peter war Rußland im Stande, in den europäischen Angelegenheiten ein Wort mitzureden und sogar ein kräftigeres, als selbst er es gekonnt. Russische Truppen haben im polnischen Erbfolgekriege August III. auf den Thron gesetzt und Danzig erobert, sind zum ersten Male dem Rheine zugezogen, zur Unterstützung der Oesterreicher gegen die Franzosen. Der Krieg gegen die Türken führte die russischen Waffen zum ersten Male in die Krim und an die Donau und sicherte den Besitz Asows, welches Peter nicht hatte behaupten können.

Man sieht, welche Bedeutung jene Periode Biron’s und seiner Genossen für Rußland einschließt. Freilich konnten sie sich nur durch Gewaltmaßregeln, oft [288] durch geradezu barbarische Strafen im Besitze der Macht erhalten, sie haben ihre persönlichen Gegner rücksichtslos und unerbittlich verfolgt, aber dergleichen war nun einmal dort herkömmliche Regierungsmethode und obendrein, was waren jene persönliche Gegner anders als zugleich Gegner der neuen Ordnung, ohne welche Rußland in die frühere Zerrüttung hätte zurückfallen müssen? Die allgemeinen Interessen waren mit den persönlichen der Biron, Münnich und Ostermann aufs engste verknüpft, welche der Regierung sich bemächtigten, indem sie der Anarchie steuerten und, um diese fernzuhalten, selbst am Ruder stehen zu müssen glaubten.

Begründeter ist der Vorwurf, daß diese deutschen Regenten und besonders Biron sich auf Kosten des Reiches bereichert hätten. Aber die Summe seines Besitzes ist einerseits gewaltig übertrieben worden und anderseits dürfen wir nicht vergessen: was Biron besaß, hat er durchaus auf legalem Wege erhalten, von der Gnade der absoluten Kaiserin, gegen deren Schenkungen, und mochten sie noch so groß sein, sich nicht das geringste einwenden ließ. Von ihr stammten die 180000 Thlr., geschenkt in der Siegesfreude über die Eroberung Danzigs, um welche Biron die freie Standesherrschaft Wartenberg in Niederschlesien ankaufte; von ihr kamen die Gelder, mit denen er zahlreiche verpfändete Rittergüter in Kurland für sich einlöste, eine Verwendung die schließlich wieder dem russischen Staate zu Gute gekommen ist, da diese Güter bei der Cession von 1795 Güter der Krone wurden. Der Kaiserin verdankte der von Hause ja ganz arme Mann die Baukosten seiner kurländischen Schlösser, die Pracht seines Haushalts, die Menge kostbaren Geschirrs, die Masse seiner Juwelen. Aber solche mehr als kaiserlichen Geschenke, die schlecht zu dem noch immer bedenklichen Zustande der Staatsfinanzen stimmten, von sich abzulehnen, sie auch nur anstößig zu finden, dazu hätte ein feineres Ehrgefühl gehört, als damals in Rußland und vielleicht überhaupt zu finden war. Eine eigentliche Unredlichkeit scheint Biron nicht nachgewiesen werden zu können, aber er nahm, was die Gunst der Kaiserin ihm bot, vielleicht in der Furcht, daß die ganze Herrlichkeit einmal über Nacht ein Ende mit Schrecken nehmen könne. Dafür spricht das vorsichtige Anlegen seiner Gelder im Auslande, in Kurland und in Deutschland.

Die Hauptgefahr drohte von der Unsicherheit der Thronfolge. Es galt das einzige noch lebende Kind Peters, die Prinzessin Elisabeth, fernzuhalten, der man mit gutem Grunde erbitterte Feindschaft gegen diejenigen zuschrieb, welche mit Nichtachtung ihres Rechtes 1730 Anna auf den Thron erhoben hatten. Wiederholt mußten Verschwörungen zu ihren Gunsten unterdrückt werden. Dann war noch ein Enkel Peters vorhanden, der junge Herzog Peter von Holstein, aber an ihn scheint nicht weiter gedacht zu sein, so daß nur noch eine Nichte Anna’s, die Enkelin Iwans, die Prinzessin Anna von Mecklenburg, übrig blieb. Diese wurde allgemein als Erbin betrachtet, die Kaiserin zeigte ihr große Zuneigung und Biron selbst hat bis zur Heirath der Prinzessin mit Anton Ulrich von Braunschweig mit ihr in gutem Vernehmen gelebt. Aber seit der Heirath änderte sich das Verhältniß und es mag sein, daß die vereitelte Hoffnung, die Hand der Erbin Rußlands für seinen eigenen Sohn zu gewinnen, die Hauptsache zu Biron’s nunmehriger Feindschaft gegen die Braunschweiger beitrug. Sein Ziel war nun, sie ganz von der Thronfolge auszuschließen, diese unmittelbar dem Sohne der Prinzessin, dem am 23. Aug. 1740 geborenen Iwan, zuzuwenden und im Namen des Kindes selbst die volle Gewalt zu erringen. Er war vom brennendsten Ehrgeize erfüllt und glaubte seinen Anspruch berechtigt, da er sich für den Retter Rußlands aus Anarchie ansah. Sein Einfluß auf die Kaiserin war doch so mächtig, daß er ihre frühere Zuneigung zur Prinzessin [289] völlig ins Gegentheil verkehrte. Er bestimmte sie, Iwan zu ihrem Nachfolger zu ernennen und endlich am 26. Oct. 1740, zwei Tage vor ihrem Tode, hat sie einem Statute ihre Unterschrift gegeben, welches den Herzog von Kurland zum Regenten einsetzte. Was der Regent thue, solle Kraft haben, als wäre es von dem souveränen Kaiser selbst geschehen.

So war denn Biron mit dem 50. Lebensjahre von einem fast märchenhaften Glücke auf die höchste Stufe irdischen Glanzes gehoben. Was Wunder, daß ihm zuweilen der Kopf schwindelte. Und er stand am Abgrunde. Die Partei der Deutschen und Ausländer spaltete sich mit dem Tode der Kaiserin; Ostermann, der eine feine Witterung des Kommenden besaß, hielt sich von Biron vorsichtig zurück,. Münnich ward aus gekränktem Selbstgefühl sein Todfeind und bot der tief beleidigten Prinzessin von Braunschweig seinen Degen zum Sturze des Regenten, von dem es hieß, daß er sie nach Deutschland zurückzuschicken gedenke und auch dem jungen Kaiser Iwan nicht wohlwolle. In der Nacht vom 19. zum 20. November dringt Münnich mit einer Hand voll Soldaten in den Palast des Regenten: man führt ihn, seine Frau, seinen Bruder gefangen fort nach Schlüsselburg und sendet Verhaftsbefehle in die Provinzen, um den anderen Verwandten und Anhängern des Regenten ein gleiches Schicksal zu bereiten. Eine Gerichtscommission, an deren Spitze Münnich selbst stand und die ihr Hauptaugenmerk auf jene angeblich beabsichtigte Thronveränderung richtete, ohne doch darüber ins Klare zu kommen, fand Biron des Hochverraths, der Majestätsbeleidigung und der Unterschlagung schuldig und verurtheilte ihn und alle Glieder seiner Familie zum Verluste aller Aemter und Würden, zur Confiscation ihres Vermögens und zur lebenslänglichen Verweisung nach Sibirien. Am 6. Nov. 1741 traf Biron mit Frau und Kindern zu Beresow am Obi ein, wo Menschikow sein Leben beschlossen hatte.

Aber es war die Blüthezeit des russischen Prätorianerthums. Man hatte an jener Novembernacht, da Biron sich überraschen ließ, gelernt, wie leicht bei der vollständigen Apathie der Volksmasse mit wenigen berauschten Soldaten jede beliebige Regierungsveränderung sich in Scene setzen ließ. In der Nacht vom 5. zum 6. Decbr. 1741 machte Elisabeth sich zur Kaiserin an Iwans Statt, seine Eltern, Münnich, Ostermann, alle Gegner Biron’s wurden gefangen. Derselbe Courier, welcher die Thronbesteigung Elisabeths meldete, brachte ihm die Erlaubniß, künftig in Jaroslaw zu wohnen; am 27. Febr. 1742 zog er von Beresow aus. Als er durch Kasan kam, soll er Münnich begegnet sein, der nach Sibirien abgeführt ward: sie grüßten sich, ohne miteinander zu sprechen. In das verlassene Beresow aber zog der greise Ostermann ein.

Man kann nicht behaupten, daß der gestürzte Regent in der Verbannung hart behandelt worden sei. Es wurde ihm erlaubt, zwei Geistliche, einen Theil seiner Dienerschaft, seine treffliche Bibliothek und allerlei mitzunehmen, was dem häuslichen Behagen dient; eine anständige Summe war für seinen Unterhalt ausgesetzt. Immerhin gehörte ein starker Geist dazu, den furchtbaren Abstand vom Früheren zu ertragen, und es ist begreiflich, daß Biron in der ersten Zeit nach seinem Sturze sehr niedergeschlagen, fast tiefsinnig gewesen sein soll. Aber bald raffte er sich auf; die Verurtheilung, den Verlust des Vermögens, die Verweisung nach Sibirien nahm er mit großer Gelassenheit hin. Das Unglück, zum großen Theil selbst verschuldet, hat ihn und seine Gemahlin geläutert, deren Hochmuth früher oft unerträglich gewesen sein soll. Ihre in diesen Leidensjahren verfaßten geistlichen Gedichte, welche unter dem Titel „Eine große Kreuzträgerin“ (Mitau 1777, 70 S. 8.) herausgegeben worden sind, athmen durchaus Ergebenheit in ihr Geschick. Es zog in das Haus, welches die Verbannten in Jaroslaw [290] bewohnten, ein durchaus kirchlicher Sinn ein: man hat noch die Bibel, die der Herzog mit den Seinen während der Verbannung drei Mal durchgelesen und an denjenigen Stellen mit Strichen versehen hat, welche ihm eine Beziehung auf sein Unglück zu enthalten schienen.

Ergebung und Geduld war höchst nöthig. Denn obwol Elisabeth den Verbannten alle mögliche Erleichterung verstattete, sie war weit davon entfernt, ihnen die Freiheit gewähren zu wollen. Sie betrachtete die Regierungen Anna’s von Kurland und noch mehr die Iwans als Usurpationen ihrer eigenen Rechte: wie hätte sie Biron zu begnadigen vermocht, der die Seele beider Regierungen gewesen war. Darauf daß Biron Herzog von Kurland und polnischer Lehnsfürst war, nahm sie ebensowenig Rücksicht wie seine Richter vom J. 1741; sie hat noch 1758 den Polen ausdrücklich erklären lassen, daß Biron niemals wieder auf freien Fuß, nie mehr zum Besitze des Herzogthums gelangen dürfe.

Die Kurländer sind um den Verlust ihres Herzogs nicht sehr bekümmert gewesen, der auch bei ihnen sich manche Gewaltsamkeit erlaubt und vor allem den Adel mit Auskaufen bedroht hatte. Es ging auch ohne Herzog genau so weiter wie vorher, d. h. unter fortwährenden Streitigkeiten, und so verzögerte sich die Auswahl unter den vielen Candidaten um die Herzogswürde, bis jene Erklärung Elisabeths von 1758 eine Entscheidung nothwendig machte. Da wählte man den Sohn Augusts III., den Prinzen Karl von Sachsen, und dieser wurde von allen Seiten anerkannt. Fehlte es ihm gleichwol auch nicht an Streitigkeiten mit den Ständen, so würden diese doch wenig gewirkt haben, wenn nicht plötzlich das Recht Karls auf Kurland wieder durch Biron in Frage gestellt worden wäre.

Was war im Rußland des 18. Jahrhunderts unmöglich? Elisabeth starb und ihr Neffe Peter III. von Holstein rief die wegen politischer Verbrechen Verbannten zurück. Biron hieß am kaiserlichen Hofe wieder Hoheit und wurde endlich von Peter geradezu als der rechtmäßige Herzog von Kurland anerkannt. Freilich hat auch Peter nicht beabsichtigt, ihn dorthin zurückzuführen, sondern ihn nur deshalb anerkannt, um sich von ihm eine rechtsgültige Entsagung zu Gunsten eines holsteinischen Vetters ausstellen zu lassen. Bevor jedoch Peter die neue Candidatur geltend zu machen vermochte, hörte er auf Kaiser zu sein und Katharina II. dachte natürlich nicht daran, einem Holsteiner zum Besitze Kurlands zu verhelfen. Ihren Absichten entsprach es besser, wenn in Polen und Kurland einheimische Fürsten regierten. Friedrich d. Gr. stimmte zu und Biron triumphirte. Ein 72jähriger Greis, kehrte er unter dem Schutze von 15000 Russen in seine Heimath zurück, die er seit 1730 nicht wiedergesehen hatte; am 24. Jan. 1763 kam er zum ersten Male als Herzog nach Mitau und empfing schließlich, als der Herzog Karl von Sachsen dem Drucke der Russen gewichen war, von dem größten Theile der Ritterschaft, aber lange nicht von Allen, die erneute Huldigung. Seitdem hat er über Kurland regiert, zwar nicht im Frieden mit seinem Lande, aber auch nicht weiter im Besitze des Herzogthums gefährdet. Am 25. Novbr. 1769 legte er endlich die Regierung zu Gunsten seines ältesten Sohnes Peter nieder und ist am 18. Decbr. 1772 über 82 Jahre alt im vollen Glanze fürstlichen Ansehens und Reichthums gestorben. Die Regierung seines Sohnes, dessen persönliche Begabung durchaus keine hervorragende war und der auch bei größerer Begabung vermöge der durchaus aristokratischen Verfassung des Landes schwerlich etwas hätte wirken können, ist nur als eine Ueberleitung von der mittelbaren Herrschaft der Russen, welche seit Peter d. Gr. über die Geschicke des Kurlands entschieden hatten, zu der unmittelbaren Einverleibung zu betrachten, welche die polnische Insurrection von 1794 beschleunigte. Ritterschaft und Herzog entsagten am 17./28. März 1795 der Lehnsverbindung mit Polen, indem [291] jene sich an demselben Tage Rußland unterwarf, dieser aber für den Verzicht auf seine herzoglichen Rechte sich eine Entschädigungssumme ausbedang. Er legte sein Vermögen, wie schon sein Vater gethan, mit Vorliebe in deutschem Grundbesitze an und ist als „Herzog von Kurland, regierender Herzog zu Sagan“ etc. 1800 gestorben. Von seiner ersten Gemahlin, einer Russin Eudoxia, hatte er sich scheiden lassen und die kurländische Gräfin Anna Charlotte Dorothea v. Medem in zweiter Ehe geheirathet, eine Frau, welcher das Kurland vom Ende des vorigen Jahrhunderts es besonders zu danken hatte, daß das geistige Leben Deutschlands am Hofe zu Mitau sein Echo fand.

Vgl. die wol ziemlich vollständigen Litteraturnachweise über Leben und Regierung Biron’s und seiner Familie in meiner Bibliotheca Livoniae historica, 2. Ausg., Berlin 1877. 8. S. 426 ff.