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ADB:Bischoffwerder, Hans Rudolf von

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Artikel „Bischoffswerder, Johann Rudolph von“ von Julius Hartmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 675–678, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bischoffwerder,_Hans_Rudolf_von&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 11:59 Uhr UTC)
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Bischoffswerder (so lautet der Name stets im Kirchenbuch des Geburtsortes und so unterschrieb auch der General sich selbst[1], während er in den Acten des Militär-Cabinets als Bischoffwerder verzeichnet steht): Johann Rudolph von B. wurde am 13. Nov. 1741 zu Ostermondra bei Cölleda im damals kursächsischen Antheile Thüringens geboren, † 1803. [676] Sein Vater war Rittmeister in kursächsischen Diensten, später Adjutant des Marschalls von Sachsen, betrieb für Frankreich Werbegeschäfte und endete als Oberst im Dienste der Generalstaaten. Die Mutter war eine v. Bünau. Ueber seine Jugend ist wenig bekannt. 1756 studirte er in Halle. Während des siebenjährigen Krieges war er 1760 als Cornet in die preußische Cavallerie eingetreten. Nach dem Frieden entlassen, gewann er am kursächsischen Hofe in Dresden eine Stellung, die er später mit der eines Stallmeisters des kursächsischen Prinzen Karl, Herzogs von Kurland, vertauschte. Mit dem Ausbruch des bairischen Erbfolgekrieges 1778 suchte er von neuem preußische Dienste; er warb eine Freicompagnie und war mit derselben beim Corps des Prinzen Heinrich. Dem Prinzen von Preußen, späterm Könige Friedrich Wilhelm II. nahegebracht, machte er sich dessen Vertrauen nach und nach in einem solchen Grade zu eigen, daß er sein unzertrennlicher Begleiter und Rathgeber wurde. Von auffallender Körpergröße, in allen Künsten des Cavaliers jener Zeit erfahren, war er zugleich in vollster Herrschaft über einen feinen weitausblickenden Geist. Eine unergründliche Zurückhaltung machte ihn hier unbedeutend erscheinen, dort durch eine geheimnißvolle, mystisch-feierliche Außenseite imponiren; voll Herrschsucht ließ er den, welchen er beherrschte, niemals ahnen, wie sicher er ihn leitete. Die arglos-offene Natur Friedrich Wilhelms bot keinen Widerstand. Folgerichtigem Denken, gesammelter Thätigkeit abhold, Sclave der Sinnlichkeit, verfiel der Prinz dem unbedingten Einflusse Bischoffswerder’s. Nur die bekannte Maitresse, Frau Rietz, nachherige Gräfin Lichtenau, war vorübergehend im Stande, ihm die Spitze zu bieten. Eins der Mittel, durch die B. seine Position sich zu behaupten verstand, bot ihm der Geschmack des Prinzen an alchymistischen Projecten. Die Gold- und Rosenkreuzer, die in Süddeutschland um das Jahr 1773 auftraten (s. Fr. Nicolai, Einige Bemerkungen über den Ursprung und die Geschichte der Rosenkreuzer und Freimaurer, 1806) zählten B. zu ihren Brüdern. Unter ihnen begegnete er sich mit Wöllner und beide schafften dann gemeinsam an dem mystischen Gewebe, womit der Prinz und später der König umstrickt wurde und in das hinein zu blicken selbst den Zeitgenossen vorenthalten blieb. Dabei war B. dem Könige unzweifelhaft mit aufrichtiger Anhänglichkeit ergeben, besaß auch einen Grad von Gutmüthigkeit, der selbst fernerstehende für ihn einnahm. – Die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms fand B. als Major; der König avancirte ihn 1786 zum Oberstlieutenant und Flügeladjutanten, 1787 zum Obersten, 1789 zum Generaladjutanten. Den tiefeingreifenden Maßnahmen, welche ohne System und bestimmt vorgezeichnetes Ziel von der neuen Regierung ausgingen, stand er scheinbar nur passiv zur Seite. Auch innerhalb der äußern Politik datirt sein Hervortreten erst von dem Umschwunge, welcher 1790 von den Verhandlungen in Reichenbach den Ausgang nahm. Bis dahin überwogen noch die Traditionen Friedrichs II., welche wesentlich in einer antiösterreichischen Tendenz gipfelten und die in Herzberg ihren Träger hatten. Die Schwierigkeiten, welche bei der angestrebten Lösung der Verwicklungen mit Oesterreich zu Tage getreten waren, hatten die Ungeduld des Königs gereizt. Die mit der Ueberfluthung revolutionärer Macht drohenden Vorgänge in Frankreich, denen gegenüber Herzberg passive Neutralität anempfahl, gewannen B. und seinem das Verdammungsurtheil fällenden Anhange die Zustimmung des Königs. So wurde denn im Frühjahr 1791 B. zum Kaiser Leopold entsandt, um eine Verständigung über das in Reichenbach begonnene Friedensgeschäft und über die gemeinsame Haltung gegenüber der französischen Revolution einzuleiten. Leopold deutete dem Abgesandten an, daß ein einträchtiges Zusammenwirken nicht zu erwarten sei, so lange der Vertreter der überlieferten preußischen Politik am Ruder stehe. Im März kam B. nach Berlin zurück; wenige Wochen später wurden Aenderungen [677] im Ministerium vorgenommen, die ihre Spitze gegen Herzberg kehrten und denen, als andere Kränkungen folgten, der vielvermögende Minister wich, während B. und andere mannigfach gefärbte Günstlinge seinen Platz einnahmen. In erster Linie machte sich dieser Wechsel Polen gegenüber geltend. Herzberg war bis zuletzt der Ansicht gewesen, Preußens Interesse gebiete Polen nicht zur Consolidirung und somit nicht zu einer erblichen Monarchie gedeihen zu lassen. Jetzt hatte ein Staatsstreich in Warschau der neuen polnischen Verfassung, in welcher diese Erblichkeit decretirt war, momentan den Abschluß verschafft. B. ging selbst nach Dresden, um dem sächsischen Hofe dazu Glück zu wünschen. Bedeutungsvoller wog seine Hand in den Verhandlungen, welche eine Intervention in Frankreich zum Ziele hatten. Ludwig XVI. war in die höchste Bedrängniß gebracht; die demokratische Revolution war überall Siegerin. Friedrich Wilhelm, weich, reizbar, entschieden ritterlich angelegt, gab sich den Nachrichten von dort mit ganzer Lebhaftigkeit hin. Um so bestimmter drang B. auf Beseitigung aller Differenzen mit Oesterreich, um davon ausgehend zu positiven Abmachungen für eine gemeinsame Action zu gelangen. Der Friede zwischen der Türkei und Oesterreich wurde in Czistowa unterzeichnet, alle preußischer Seits noch bei den Verhandlungen von Reichenbach festgehaltenen Positionen waren aufgegeben und B. legte selbst am 25. Juli 1791 in Wien einen Garantie-Vertrag vor, worin beide Mächte sich eine gemeinsame Hinwirkung zur Verständigung über die französischen Dinge zusagten. Es folgten die Zusammenkunft der Monarchen in Pillnitz am 25. August und die viel berufene Pillnitzer Erklärung vom 27. desselben Monats. Der Kriegseifer des Königs kannte keine Grenzen. Man glaubte in blindem Uebermuthe, ein leichterkaufter Triumph werde die mißachtete Bewegung bändigen. B. sagte zu Massenbach: „Kaufen Sie sich nicht zu viel Pferde, die Komödie wird nicht lange dauern.“ Indessen drohten neue Verwicklungen in Polen. Rußlands Machinationen gefährdeten den Bestand des eben gewonnenen Verfassungs-Abschlusses und leiteten unzweideutig das Vordringen des auch die preußischen Interessen bedrohenden Nachbars ein. Man suchte um so engern Anschluß an Oesterreich: B. ging im April 1792 von neuem nach Wien, ohne auch jetzt zu wirklich sichernden Resultaten zu gelangen. Der Feldzug 1792 sah B. im Hauptquartiere des Königs als Generalmajor von der Cavallerie. Die unglückliche Wendung des Krieges verstimmte den König. Personen, die vordem dem Kriege abhold gewesen waren, wie Manstein, traten in sein Vertrauen. Ueberhaupt scheint die Bedeutung Bischoffswerder’s als Soldat eine geringe, sodaß er mit der Entwicklung des Krieges zu dem die Situation beherrschenden Momente vor Andern zurücktritt. Er verschwindet jetzt aber auch unter der Zahl der treibenden Persönlichkeiten auf politischem Gebiete. Luchesini, Haugwitz, Manstein[WS 1] führen die mannigfachen Verhandlungen, während B. ausschließlich den persönlichen Interessen des Königs dienstbar scheint. Er bleibt sein Begleiter während des Krieges 1793, kehrt mit ihm im September nach Berlin zurück, folgt ihm nach Polen, aber eine in den Vordergrund tretende Verwendung fällt ihm nicht mehr zu. Er war 1796 zum Generallieutenant befördert. Den König selbst hatte die Ungunst, die alle Schritte seiner Politik begleitete, aufs höchste mitgenommen. Der polnische Feldzug erschütterte seine Gesundheit vollständig. Die Eventualität seines Verlustes mußte seinen Günstlingen immer näher rücken. Da galt es denn das persönliche Interesse noch über den Lebenden hinaus zu wahren. Die großen, in den neuen polnischen Erwerbungen zur Einziehung gelangenden Güter-Complexe boten dazu die beste Gelegenheit. Auch B. ließ sich vom Könige beschenken und war dem Gründerthum der damaligen Zeit nicht abgewandt. Wenige Monate nach dem Tode Friedrich Wilhelms II. im Januar 1798 wurde B. verabschiedet. Er zog sich auf sein Landgut Marquardt [678] bei Potsdam zurück und starb dort 31. Oct. 1803. Er erlebte es nicht mehr, daß von den Niederlagen 1806 anhebend eine in ungezügelter Heftigkeit sich überstürzende Tageslitteratur jede nur denkbare Schmach auf die leitenden Persönlichkeiten unter Friedrich Wilhelm II. und namentlich auf ihn häufte und dabei weit über die Wahrheit hinausgriff. Er hinterließ neben mehreren Töchtern nur einen Sohn, späteren Generalmajor in der Armee, mit welchem das Geschlecht der B. in Preußen erloschen ist.

Häusser’s Deutsche Geschichte vom Tode Friedrich des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes, 1858. – Vertraute Briefe über die inneren Verhältnisse am preußischen Hofe seit dem Tode Friedrich II., 1807. – Massenbach’s Memoiren zur Geschichte des preußischen Staats, 1809. – Ranke, Ursprung u. Beginn der Revolutionskriege, 1875.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint ist wohl Hermann Johann Ernst von Manstein (1742–1808), preußischer Generalleutnant; Generaladjutant.


[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 675. Z. 4 v. u.: Daß Bischoffwerder sich selbst Bischoffswerder geschrieben habe, ist zufolge einer gef. Mittheilung aus dem Geh. Staatsarchiv in Berlin ein Irrthum. [Bd. 12, S. 794]