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ADB:Bitzer, Friedrich

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Artikel „Bitzer, Friedrich“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 4–5, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bitzer,_Friedrich&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 07:44 Uhr UTC)
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Bitzer: Ludwig Friedrich B., Staatsrath und Präsident des evangelischen Consistoriums in Stuttgart, geboren daselbst am 5. Februar 1816 als ältestes von sieben Kindern des Geheimschreibers und Registrators, späteren Legationsrathes B. († am 14. November 1834), wandte sich nach vortrefflicher Vorbildung in Tübingen dem Regiminalfache zu, bestand 1838 die erste und 1839 die zweite Dienstprüfung und veröffentlichte in letzterem Jahre seine Erstlingsschrift in Hegel’schem Sinne „Philosophie des Privatrechts“. Er machte 1841 eine Studienreise nach Paris und London, was ihm einen Einblick in das Wirthschaftsleben der Völker eröffnete. Nach der Rückkehr amtirte er als Oberamtsactuar in Ellwangen, Gmünd und Ehingen, wurde 1844 Regierungsassessor in Ulm, im Mai 1848 in die Oberregierung nach Stuttgart berufen. Bis Ende 1849 als Hülfsbeamter thätig, wurde er 1851 Ministerialassessor, 1856 Oberregierungsrath, wo er mit dem Referate über Armen- und Gewerbewesen betraut wurde. Als Mitglied der Armencommission seit 1850 gewann er die Ueberzeugung, daß nur die Verbindung amtlicher und privater Fürsorge eine Besserung der Zustände herbeiführen könne. Er betheiligte sich bei Gründung der Anstalt Schönbühl für verwahrloste Knaben, in Leonberg für gefallene Mädchen, in Oberurbach für entlassene weibliche Strafgefangene, auch am evangelischen Jugendvereine. 1856 wurde er zum Ministerialcommissär bei der damals reorganisirten Centralstelle für Handel und Gewerbe bestellt und war an der bedeutenden Entwicklung dieses Instituts unter Steinbeis (s. A. D. B. XXXV, 789) thätig, viele Jahre auch Regierungscommissär bei der neuen Lebens-, Versicherungs- und Ersparnißbank, in welcher Stellung er durch große Vorsicht zum Gedeihen der Anstalt wesentlich beitrug, ebenso betheiligt an der Gründung der Württ. Hypothekenbank, den Vorarbeiten für eine Vereins- und für eine Notenbank. Für seine aufopfernde Thätigkeit bei den Arbeiten für Einführung der Gewerbefreiheit, die am 22. Februar 1862 sanctionirt wurde, erhielt er am 31. December 1861 den Kronenorden und 1863 die Ernennung zum Rathe im Ministerium des Innern. Als schriftstellerische Leistungen dieses ersten Lebensabschnittes seien erwähnt „Die Realgemeinderechte“ (Stuttg. 1844), „Das System des natürlichen Rechts“ (ebd. 1845), Arbeiten in Eberty’s Zeitschrift, in der Tübinger Zeitschr. f. Staatswissenschaften 1847, 1857 und 1858 und in der Zeitschr. f. deutsches Recht Bd. 9. Nunmehr traten die Fragen der Schaffung eines Zollvereins und Arbeiten für die deutsche Patentgesetzgebung in den Vordergrund. 1861 entstanden Aufsätze über Armenrecht und Armenpflege, 1862 über Armenunterstützungspflicht und Freizügigkeit, 1864 „Vorschläge für ein deutsches Patentgesetz“ (Stuttg. 1864). Seine Theilnahme am Dresdener volkswirthschaftlichen Congreß von 1863 gab ihm Anlaß zur Schrift über die Bezirksarmenhäuser im Königreiche Sachsen. Dann erschien als Frucht eindringender, das Ganze der Wissenschaft im Auge behaltender Studien „Die Genesis der Volkswirthschaft“ (Stuttg. 1866, 2. Aufl. 1870), der sich 1871 „Kapital und Arbeit“ anschloß. Diese Arbeiten zeigen bei dem Verfasser, der freilich stets seine eigenen Wege ging, eine Hinneigung zu den damals auftretenden Kathedersocialisten. In politischer Beziehung litt B., wie so viele Andere, speciell nach den in Frankfurt a. M. gemachten verstimmenden Erfahrungen sehr unter der drückenden Stellung der kleineren Staaten während des Streites der Großstaaten. Durch den Krieg von 1866 änderte sich dies und lebhaften Interesses voll betheiligte er sich 1868 am Berliner Zollparlamente, wo er mit dem Hofe, Graf Bismarck und vielen bedeutenden Männern aus den deutschen Staaten in [5] Berührung trat. Unter Scheuerlen war er an den Vorbereitungen für den Anschluß Württembergs an den Norddeutschen Bund eifrig thätig. Die Verhandlungen in Versailles führten endlich am 25. November 1870 zu dem Abschluß des Anschlußvertrages, den B. im Staatsanzeiger für Württemberg unter dem Titel „Der deutsche Bund des Jahres 1871“ dem Lande meldete. Dem Eisenacher Congreß der Kathedersocialisten (12./13. October 1870) sandte er ein Gutachten über Schiedsgerichte und Einigungsämter (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 2, Lpz. 1873) ein. Er erhielt am 22. September 1870 Titel und Rang eines Directors, am 9. Januar 1871 die Beförderung zum wirklichen Staatsrath und ordentlichen Mitglied des kgl. Geheimrathes, womit er aus dem Ministerium des Innern und aus der Centralstelle für Handel und Gewerbe ausschied. Nunmehr hatte er sich mit der schwierigen Frage eines Reichseisenbahngesetzes bei den Conferenzen im Reichskanzleramt in Berlin zu beschäftigen. Zudem hatte 1874 der Bezirk Leonberg ihn in die Abgeordnetenkammer gewählt, in der er dann seit 1876 den Bezirk Freudenstadt vertrat, wo er dem Club der deutschen Partei beitrat. Seine Mitarbeit war besonders in den Commissionen für Staatsrecht und innere Verwaltung geschätzt; die Kammer wählte ihn am 20. Februar 1877 in den weiteren und am 31. Januar 1880 in den engeren Ausschuß. Im J. 1875 wählte ihn das Amt Stuttgart in die zweite evangelische Landessynode; am 19. November 1876 erfolgte seine Ernennung zum Präsidenten des evangelischen Consistoriums, in welcher Behörde er durch Gerechtigkeit, Milde und persönliches Wohlwollen wohlthätig wirkte. Trotz großer Arbeitslast, die er nur in großer Zurückgezogenheit bewältigen konnte, war er unermüdlich schriftstellerisch thätig. Es erschienen: „Kurze Anleitung zum Vollzuge der Bundesgesetze“ (Stuttg. 1871), „Neue allg. Bauordnung für das Königr. Württemberg“ (ebd. 1872/3, Taschenausgabe 1874), „Das Polizeistrafgesetz“ (2. Aufl. 1874) und die beiden letzten wichtigen Arbeiten „Die socialen Ordnungen in weltgeschichtlicher Entwicklung“ (Stuttg. 1877), „Regierung und Stände in Württemberg, ihre Organisation und ihr Recht“ (ebd. 1882). Als Auszeichnungen erhielt er 1874 das Comthurkreuz zum Kronenorden, 1878 das zum Friedrichsorden. Manches Ungemach traf ihn im häuslichen Leben. Seine erste Ehe mit der Tochter des Hofbaumeisters Autenrieth löste sich schon im folgenden Jahre durch den Tod der Gattin (3. April 1847); aus zweiter Ehe mit der Tochter des Oberpostmeisters Widenmann hatte er einen Sohn und zwei Töchter; aber den Sohn und eine der Töchter sah er in ein frühes Grab sinken. Allem Rohen und Gemeinen fremd, war er stets hülfreich und dem Wahlspruche nachlebend „Was du für gut und recht hältst, das thue und wirf es hinaus in die stürmende Zeit: die rechten Samen werden aufgehen und Frucht bringen, wenn auch Niemand weiß, wer sie ausgestreut hat“. An Herzlähmung verschied er am 19. April 1885.

Schwäbische Kronik (des Schwäbischen Merkurs zweite Abtheilung) Nr. 131 vom 6. Juni 1885. – v. Holtzendorf im Jahrb. f. Gesetzgebung. Verwaltung und Volkswirthschaft I, 471. – Kaufm. Correspondenz 1877, Nr. 8. – Württ. Landeszeitung Nr. 117 A vom 30. April 1880. – Beilage 204 z. Staatsanzeiger f. Württ. v. 1. Sept. 1880. – F. Walter, Naturrecht u. Politik, 2. Aufl., Bonn 1871, S. 454. – K. Klüpfel, Gesch. der deutschen Einheitsbestrebungen Bd. 2, Berlin 1873, S. 216, 256, 368.