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ADB:Bouts, Dierick

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Artikel „Bouts, Dierick“ von Oskar Eisenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 216–218, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bouts,_Dierick&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 17:04 Uhr UTC)
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Bouts: Dierick B., auch Dirck van Haarlem (nicht Stuerbout, wie man ihn früher irrthümlich nannte), ausgezeichneter Maler, geb. muthmaßlich zwischen 1415 und 1425 zu Haarlem (nicht, wie Wauters annahm, 1391, da er, wenn so alt, doch gewiß nicht, wie erwiesen, im J. 1473 eine zweite Ehe eingegangen wäre), † zwischen April und August 1475 zu Löwen, wo er die Würde eines Stadtmalers bekleidete. Die Angabe des gelehrten Molanus von Löwen, Diericks Vater, Theoderich B., ebenfalls Maler, sei schon im J. 1400 gestorben, ist offenbar unrichtig. Es mag sein, daß unser Meister die Anfangsgründe der [217] Kunst bei ihm erlernte, später aber hat er jedenfalls die Werke der Brüder van Eyck sowie des Roger van der Weyden studirt, ja es ist nicht unwahrscheinlich, daß er bei letzterem in die Lehre gegangen. Anfangs finden wir ihn in seiner Geburtsstadt ansässig, wo Carel van Mander noch seine Wohnung sah und den Ruhm seines Namens und seiner Werke in frischem Gedächtniß fand. Um 1450 mag er sich dann in Löwen niedergelassen haben. Vom J. 1460 datirt eine Urkunde, welche Vermögensverhältnisse seiner Frau und ihrer Geschwister betrifft. Von dieser Frau, die aus einer angesehenen Löwener Familie stammte, hatte er zwei Söhne und zwei Töchter. Sie starb nach 1462 und heirathete der Künstler, wie erwähnt, später ein zweites Mal. Sein frühestes datirtes Werk, von dem wir Nachricht haben, Christus mit den Aposteln Paulus und Petrus in lebensgroßen Figuren vom J. 1462, das noch van Mander in Leyden sah, ist verschollen. Vier Jahre später erhielt er die erste Bezahlung für eines der Werke, welche er für die Bruderschaft des heil. Sacramentes zu Löwen malte und woran er auch noch die beiden folgenden Jahre beschäftigt gewesen zu sein scheint. Das eine war ein Flügelaltar, wovon an dem ursprünglich für denselben bestimmten Orte, eine Capelle in der Peterskirche zu Löwen, noch heute die Mitteltafel, das Abendmahl, existirt. An tief eindringender Psychologie und Kraft malerischer Behandlung läßt es die meisten Arbeiten aus der Schule der van Eyck hinter sich, wie denn überhaupt sein Urheber neben Roger die imponirendste Begabung dieses Kreises zeigt. Die vier Bilder der beiden Flügel des Altares sind zerstreut, zwei in München, zwei in Berlin. Die ersteren geben die Mannalese, und Melchisedek dem Abraham Brot und Wein bietend, die letzteren den Propheten Elias in der Wüste von einem Engel genährt und die erste Passahfeier. Der andere Auftrag jener Bruderschaft galt dann einer Darstellung der Marter des heil. Erasmus, die, gleichfalls ein Triptychon, noch in einer Capelle jener Kirche vorhanden. Die Flügel enthalten den heil. Hieronymus als Cardinal und den heil. Bernhard. Beide Werke sind vor Jahren gründlich und nicht unglücklich restaurirt worden. Im J. 1468 wurde Dierick mit der Ausschmückung des Rathhaussaales zu Löwen beauftragt. Von dem, was er dafür lieferte, sind nur noch zwei Tafeln vorhanden, während eine dritte, das jüngste Gericht, welches zuerst fertig wurde, seit dem 17. Jahrhundert verschwunden ist. Jene beiden, jetzt im Museum zu Brüssel, geben legendarische Beispiele einer gerechten Justizpflege. Ein deutscher Kaiser (der Sage nach Otto III.) läßt einen seiner Hofleute hinrichten, weil die Kaiserin ihn unziemlicher Zumuthungen beschuldigt hat. Nachdem dieselbe aber durch die Gemahlin des Hingerichteten des Gegentheils bezichtigt und überwiesen worden, überantwortet der gerechte Fürst seine unwürdige Frau dem Feuertode. Diese Darstellungen in mehr als zwei Drittel lebensgroßen Figuren geben von B. keinen so günstigen Begriff, wie seine übrigen Arbeiten. Sie sind ziemlich unbelebt im Ausdruck, mager im Körperlichen und ungelenk in der Bewegung. Von sonstigen Bildern des Meisters ist noch besonders hervorzuheben ein Flügelaltar in St. Sauveur zu Brügge, über den Jakob Burckhardt („Die Kunstwerke der belgischen Städte“) sagt: „Außen grau in grau, statuarisch, in gothischen Bogen stehend, St. Karl, St. Hippolyt, St. Elisabeth und St. Margaretha, innen die Marter des heil. Hippolyt, der Heilige nackend am Boden, an jedem Arm und Bein ein Pferd befestigt, welches von einem daraufsitzenden oder nebenhergehenden Manne angetrieben wird. (St. Hippolyt als Jäger und von Pferden zerrissen vorgestellt, ist offenbar des Theseus Sohn, in den christlichen Himmel versetzt.) Innenseite der Flügel: ein Almosen austheilender König (St. Karl?); ein Donator mit seiner Frau. Diese letzteren Bilder und die Außenseiten sind bei weitem das Erfreulichste an dem Ganzen, während aus [218] der zwar höchst sorgfältigen, aber ausdruckslosen Behandlung des Hauptblattes ziemlich klar hervorgeht, daß der Künstler es hat malen müssen. Uebrigens möchte dasselbe leicht eines der schwierigsten Aufgaben sein, die ein nordischer Maler bis damals gelöst.“ Ferner der Judaskuß, ein einzelner Flügel in der alten Pinakothek zu München, sehr verwandt den zwei andern ebendort befindlichen Werken, doch an dramatisch bewegten Gestalten voll ausdruckswahrer Köpfe sie übertreffend. Endlich die Wiederausgrabung des heil. Hubert, Bischof von Lüttich, früher bei Sir Charles Eastlake, jetzt in der Nationalgalerie zu London, kleiner als alle bisherigen Tafeln, aber an bedeutenden Motiven vielleicht das reichste. Nicht mit derselben Sicherheit kann man ihm zwei weitere kleine Bilder zuschreiben, das eine im Städel’schen Institut zu Frankfurt, Kaiser Augustus mit der Sibylle, und die Krönung Mariä in der Akademie der Künste zu Wien. Es ist merkwürdig, wie bei diesem in Holland geborenen Künstler schon unverkennbar das Princip der späteren holländischen Malerschule, wie sie nach 150 Jahren zu so eigenthümlicher Blüthe kam, im Keime vorgebildet erscheint. Die hellen und bunten Localfarben, wie sie die flandrische Schule zu seiner Zeit und noch später liebte, werden von ihm zu einem ernsten, doch feierlich prächtigen Accord zusammengestimmt, er tönt sie tief ab, hat feine Uebergänge von Licht und Schatten, ist überhaupt ein Maler im eminenten Sinne. Die Einzelheiten interessiren ihn bei weitem nicht mehr so, wie z. B. noch Roger van der Weyden, dem er in psychologischer Ausprägung der Charaktere nicht nachsteht, nur daß er vielleicht in Leichtigkeit der Production sich nicht mit ihm messen konnte. Bahnbrechend ist er, und das kennzeichnet wiederum an ihm den Holländer, in der Behandlung der Landschaft, die er sowol in der Perspective förderte, als ihr auch schon merkwürdige Beleuchtungseffecte abzugewinnen wußte. Hierin folgte ihm sein jüngerer Zeitgenosse Hans Memling, auf dessen coloristische Ausbildung überhaupt er sichtlich den größten Einfluß geübt. Auch auf Gerhard David, der wie B. aus den nordöstlichen Niederlanden stammte, ist er nicht ohne Wirkung geblieben. Von seinen beiden Söhnen Dietrich († 1491) und Albrecht († 1549), die würdige Erben seiner Kunst gewesen zu sein scheinen, ist nichts Beglaubigtes mehr auf uns gekommen.

The early flemish peinters, by I. A. Crowe and G. B. Cavalcaselle, II. edition, London 1872. Wauters, Thierry Bouts ou de Harlem et ses fils, Bruxelles 1863. E. van Even, Thierry Bouts dit Thierry de Harlem, Louvain 1864. G. F. Waagen, Handbuch der deutschen und der niederländischen Malerschule, Stuttgart 1862.