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ADB:Bressand, Friedrich Christian

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Artikel „Bressand, Friedrich Christian“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 226–228, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bressand,_Friedrich_Christian&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 07:03 Uhr UTC)
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Bressand: Friedrich Christian B., Theaterdichter, † 1699, Sohn Claudius Bressand’s, Mundkochs bei dem Markgrafen zu Baden-Durlach, wird um das Jahr 1670 in Durlach geboren sein, doch wird sich das Datum schwerlich genau feststellen lassen, da die Kirchenbücher aus jenen Tagen verbrannt sind. Er selbst erzählt:

„Als ich, noch ziemlich jung, auf hohen Schulen ware,
und den verborgnen weg zur Weisheit suchen wolt’,
auch solche freyheit mir versprach noch auf viel Jahre,“ –

daß er da durch den Tod der Eltern plötzlich nach Haus zurückgerufen sei, in der Zeit, da der Feind ins Land gefallen und dicht nachher die Stadt Durlach zerstört worden sei. Das wird 1689 geschehen sein. Denn in diesem Jahre drangen in seine Heimath die Franzosen ein, die unter Mélac am 6. August 1689 die Stadt Durlach in Asche legten. B. mußte Haus und Hof verlassen und froh sein, das Leben in Sicherheit zu bringen. Er wandte sich an den Hof Anton Ulrich’s nach Wolfenbüttel, wahrscheinlich veranlaßt durch die verwandtschaftlichen Beziehungen dieses Fürsten zu seinem früheren Herren, dem Markgrafen von Baden-Durlach, der mit Anna Sophie, einer Tochter Anton Ulrich’s, verheirathet war. In Wolfenbüttel gelangte B. bald zu einer einflußreichen Stellung. Es herrschte hier unter dem kunstsinnigen, auch litterarisch eifrig thätigen Herzoge Anton Ulrich, hinter den der ältere Bruder, Herzog Rudolf August, als Mitregent völlig zurücktrat, ein sehr reger Sinn für Theater und Musik. In Braunschweig wurde ein neues prächtiges Opernhaus gebaut, das zur Laurentii Messe 1691 eröffnet wurde. In dieser Zeit setzt die Thätigkeit Bressand’s am Wolfenbüttler Hofe ein. Er bekam den Titel eines Kammerschreibers, später den eines geheimen Kammerschreibers, hat aber offenbar mit der Verwaltung des Kammerguts niemals etwas zu thun gehabt, sondern ist nur im Privatdienste des Herzogs Anton Ulrich verwandt worden. Er war die rechte Hand des Fürsten bei allen theatralischen, musikalischen und sonstigen Aufführungen, die in bunter Mannichfaltigkeit damals in Wolfenbüttel, Braunschweig und auf dem fürstlichen Lustschlosse Salzdahlum veranstaltet wurden. Hier entfaltete B. eine äußerst vielseitige und tiefgreifende Thätigkeit, ganz zur Zufriedenheit seines Auftraggebers, den er offenbar trefflich zu nehmen wußte. Er besaß ohne Zweifel ein sehr gewandtes, seine Gegner sagten, ein intriguantes Wesen und eine erstaunliche Arbeitskraft. Er mußte für die Texte, die Inscenirung der Aufführungen, für alle Aeußerlichkeiten, wie den Druck der Textbücher u. s. w. sorgen – im Februar 1691 hatte er letztere schon abzunehmen –, und dabei hatte er noch die Neigung, sich um fremde Dinge zu kümmern. Im November 1691 ist der Capellmeister Joh. Sigism. Cousser sehr erbost über Bressand’s Uebergriffe, der sich auch in musikalische Fragen mischte. Das Verhältniß der Beiden, die zusammen wirken sollten, blieb ein schlechtes; nach 1½ Jahren räumte Cousser das Feld. Es wurde dann lange Zeit kein wirklicher Capellmeister wieder angestellt und B. hatte nun auch im Musikalischen freie Hand. Sehr ausgedehnt war die schriftstellerische Thätigkeit Bressand’s. Er übersetzte Stücke aus dem Italienischen und Französischen, so Dramen von Corneille, Racine, Molière. Dann dichtete er selbst Singspiele, Schäferspiele, „Danzspiele“, Masqueraden und dergleichen. Einige 30 Stücke der Art werden ihm, mehr oder weniger sicher, von Chrysander, Goedeke (III², 229) u. A. [227] zugeschrieben. Das wird eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein. Denn wir kennen jetzt allein die Stücke, die im Druck vorliegen, und von welchen auch nur ein Theil Bressand’s Namen trägt. Viele Gedichte aber, die schnell für den Augenblick gemacht werden mußten, werden gar nicht gedruckt worden sein. Inbezug auf die Stücke können wir uns hier mit einer Verweisung auf Goedeke und Chrysander begnügen; letzterer, der „Echo und Narciß“ (1693) für das beste von Bressand’s Stücken erklärt, gibt über viele derselben genauere Angaben. Was in Bressand’s Arbeitsweise für seine Hofstellung ein Vorzug war, gereichte ihm für seine litterarische Bedeutung nicht zum Vortheil. Er arbeitete rasch, leicht und gefällig, ganz wie es einer geistig angeregten, aber leichtlebig galanten Hofgesellschaft zusagte. Als Hofpoet war er natürlich gezwungen, den Neigungen und dem Geschmacke seines Herrn sich anzuschmiegen, und er that es willig und geschickt. Er verstand es trefflich, für alle Gelegenheiten scenische Darstellungen mit sinnigen Einfällen anzuordnen und den auftretenden Personen schön klingende Worte in den Mund zu legen, die leicht verständlich und des augenblicklichen Erfolges sicher waren. Dabei blieb er für eine schärfere Kritik in seinen Dichtungen zu sehr auf der Oberfläche. Wol wußte er in seinen Stücken geschickt Intriguen zu spinnen und rührende Scenen herbeizuführen; er war ein Meister in allen Außendingen. Aber er ging nicht in die Tiefe; es fehlte seinen Werken an innerer Wahrheit; von feinerer Charakteristik der handelnden Personen, von einer Entwicklung der Handlung aus den Charakteren heraus kann bei ihm keine Rede sein. Er hatte sich augenscheinlich zunächst und zumeist an den recitirenden Dramen der Franzosen gebildet. Das war für Singspiele eine schlechte Vorbereitung, die Folge davon ein Ueberfluß von Worten, der das Musikalische stark beeinträchtigte. Es fehlte ihm, wie Chrysander im Einzelnen ausführt, der feine musikalische Sinn. Wohl möglich, daß er auf dem Gebiete des Dramas nach Art der Franzosen mehr hätte leisten können, besonders wenn er sich selbständiger, freier von Wünschen und Befehlen hätte entwickeln, mehr Ruhe und Zeit für seine Schöpfungen sich hätte gönnen, auch zuvor mehr Lebenserfahrungen hätte sammeln können. Denn es ist bei der Beurtheilung seines Wirkens nicht zu vergessen, daß er kaum das 30. Lebensjahr erreicht haben wird. Auch so, wie er war, ist er eine eigenartige, nicht uninteressante Persönlichkeit, die für ein Jahrzehnt einer für die Theatergeschichte der Zeit nicht unwichtigen Stätte den Stempel seines Geistes aufdrückte. An den Werken seines Nachfolgers, Gottlieb Fiedler’s, merkt man sogleich den Abstand, in dem dieses Mannes Thätigkeit hinter der jenes zurückbleibt. Bei dem Herzoge Anton Ulrich stand B. in hoher Gunst. Das zeigte sich deutlich bei seiner Heirath. B. vermählte sich am 24. Juni 1696 mit Anna Katharina Schröder, einer Tochter des verstorbenen Predigers Marcus Schröder zu Preetz in Holstein, die bei der Gemahlin des Herzogs, der Herzogin Elisabeth Juliane, Kammerfräulein gewesen war. Als er dem Fürsten dicht vor seiner Verheirathung eine Bitte um Verbesserung seiner Stelle vortrug, ward sie sogleich gewährt, und das Hochzeitsfest selbst ließ ihm der Herzog auf dem Schlosse ausrichten. B. schickte gereimte Hochzeitsbriefe an alle am Hofe weilenden Fürstlichkeiten, die dann auf fürstlichen Befehl zusammen gedruckt wurden. Charakteristisch für die Zurückhaltung Herzog Rudolf August’s von den theatralischen Vergnügungen seines Bruders ist das an jenen gerichtete Gedicht: ihm war B. damals noch eine unbekannte Persönlichkeit, obwol er schon lange Jahre am Hofe auf das thätigste gewirkt hatte. Für die Werthschätzung, die auch Fachgenossen B. erwiesen, spricht das schöne Hochzeitsgedicht, das der Hamburger Bühnendichter Chr. Heinrich Postel ihm widmete [228] (Weichmann, Poesie der Niedersachsen I, 154 ff.). Nicht minder die Trauerverse, die er und Andere ihm bei seinem frühen Hinscheiden nachriefen. B. starb plötzlich in der Vollkraft seines Schaffens am 4. April 1699 und wurde in der Auguststädtischen Kirche zu Wolfenbüttel beigesetzt. Eines seiner letzten Werke war das Singspiel „Orpheus“ (1698), das zu lang befunden und deshalb im nächsten Jahre in zwei Theile zerlegt wurde. Es waren „Die sterbende Euridice“ und „Die verwandelte Leyer des Orpheus“, deren Aufführung er 1699 nicht mehr erleben sollte; die Vorrede zu den Textbüchern ist erst nach seinem Tode vollendet worden. Seiner Ehe ist eine Tochter erwachsen, bei deren Taufe am 11. April 1698 die Herzogin Elisabeth Juliane Gevatter gestanden hatte.

Vgl. Chrysander, Jahrbuch f. Musik-Wissenschaft I. Bd. – Bressand’s „Hochzeitsbriefe an die Herrschaften in Wolffenbüttel“ (1696). – Kirchenbücher zu Wolfenbüttel.