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ADB:Brunck, Richard Franz Philipp

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Artikel „Brunck, Richard Fr. Philipp“ von Karl Felix Halm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 440–441, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brunck,_Richard_Franz_Philipp&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 00:32 Uhr UTC)
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Brunck: Richard Fr. Philipp B., bedeutender Kritiker, geb. zu Straßburg 30. Dec. 1729, † 12. Juni 1803. Nachdem B. seine Studien in dem unter der Leitung der Jesuiten stehenden Collége de Louis le Grand in Paris vollendet hatte, widmete er sich nach dem Willen seiner Familie der administrativen Laufbahn, und kam im siebenjährigen Kriege als Kriegscommissär im französischen Heere nach Deutschland. Hier wurde, als er 1757 im Winterquartier zu Gießen bei einem Professor der Philologie logirte, durch diesen seine Liebe für die classischen Studien von neuem belebt, und ihre Pflege fortan die Hauptaufgabe seines Lebens. Nach Straßburg 1760 zurückgekehrt, warf er sich mit dem größten Eifer auf das Studium des Griechischen und besuchte, wenn gleich im Amte stehend, fleißigst die Collegien über griechische Sprache und Litteratur. Als der gelehrte Schwede Björnstähl 1774 nach Straßburg kam, war Brunck’s Name als der eines gelehrten Hellenisten bereits allbekannt; er fand ihn als einen wohlhabenden Mann in der amtlichen Stellung eines Receveur de l’argent du Roi (in einem Briefe von 1771 unterzeichnete er sich noch als Commissaire des guerres), im Besitz einer reichen und kostbar ausgestatteten Bibliothek und eben mit der Ausarbeitung seines ersten kritischen Werkes, der griechischen Anthologie, beschäftigt. Die Ausgabe, bei der ihm der junge Joh. Gottlob Schneider Beihülfe leistete, erschien 1772–76 unter dem Titel „Analecta veterum poetarum Graecorum“ in drei stattlichen Bänden. Ihr reihten sich in rascher Folge an der Anakreon (1778, 3. Ausgabe 1786), eine Reihe einzelner griechischer Tragödien, die er für Schweighäuser’s Vorlesungen in kritisch berichtigten Texten herausgab, des Apollonius „Argonautikon“ (1780), der Aristophanes, mit neuer lateinischer Uebersetzung, die vor dem Texte erschien (1781–83), die „Poetae gnomici“ (1784), der Virgilius (1785), endlich sein Hauptwerk, der Sophokles, mit neuer lateinischer Uebersetzung (1786, 2 Bde. 4°. 3. Ausg. 1789 in drei Bänden). Wenn auch B. als Kritiker mit allzu großer Kühnheit und Willkür verfahren ist, und manche seiner grammatischen und metrischen Grundsätze sich durch spätere Forschung als unhaltbar erwiesen haben, so verbleibt ihm doch das große Verdienst, daß er ein tieferes Verständniß der griechischen Dramatiker angebahnt und überhaupt das ganze Studium griechischer Poesie mächtig gehoben hat. Bei seinem feinen Geschmack erwarb er sich ein richtiges Gefühl für poetischen Ausdruck und harmonischen Rhythmus; diesen Sinn schärfte noch eine ganz besondere Liebhaberei. Er pflegte nemlich griechische Dichtertexte, und zwar nicht blos solche, die er in den Druck gab, ganz abzuschreiben. Diese Copien waren, wie sein Freund J. G. Schweighäuser, der Sohn des Philologen, mittheilt, Meisterstücke der Kalligraphie, auf ausgesucht schönem Papier oder Pergament gefertigt. „Mehrere, die er mir überlassen hat, sind geschrieben oder vielmehr gemalt auf einem Pergament, wie der König von Pergamus kein schöneres sich hätte verschaffen können.“ – Der [441] Ausbruch der französischen Revolution wurde auch für Brunck’s litterarisches Leben ein Wendepunkt. Von den neuen Ideen mächtig ergriffen wurde er ein eifriges Mitglied der „Société populaire“, die sich in Straßburg bildete, (einige seiner Reden aus dem J. 1790 sind abgedruckt bei Heitz, Les sociétés politiques de Strasbourg pendant les a. 1790 à 1795); aber weil er sich nicht zu allen Ausschweifungen und Consequenzen der Freiheitsideen hinreißen ließ, sondern gemäßigten Ansichten huldigte, wurde er verdächtig, als Reactionär eingezogen und von einem Gefängniß zum anderen bis nach Champlitte (im Departement de la Haute Saône) geschleppt, bis der Sturz Robespierre’s auch seinen Kerker öffnete. Seit dieser Zeit war auch die litterarische Thätigkeit des sonst so rührigen Hellenisten wie verstummt. Es erschien nur noch die Textausgabe des Terentius (1797. 4.), nachdem er schon früher den Plautus für die Zweibrücker Ausgabe besorgt hatte; seinen griechischen Studien entsagte er so gänzlich, daß er auch nicht im Gespräch mehr davon hören wollte (vgl. Schweighäuser in der Vorrede zum Athenäus S. CXIV). Seine Lieblingslectüre in seinen letzten Jahren waren Reisen, um, wie er einem Freunde scherzhaft bemerkt, sich auf eine große vorzubereiten, die ihm bald bevorstehe. Was das Schicksal der höchst werthvollen Bibliothek Brunck’s betrifft, so sah er sich schon 1791, da der Sturm der Revolution seine Einkünfte bedeutend geschmälert hatte, veranlaßt, einen Theil derselben zu veräußern (s. Schweighäuser a. a. O.), aber der Hauptstock der Bibliothek (der bei Levrault frères gedruckte Katalog umfaßt 3122 Nummern, worunter die seltensten Werke der griechischen Litteratur in großer Vollständigkeit) kam erst Ende 1801 zur Versteigerung, welcher Verkauf wol damit zusammenhängt, daß B. in seinen letzten Lebensjahren seine früheren Lieblingsstudien völlig aufgegeben hatte.

Discours prononcé au convoi funèbre de M. Rich. Brunck, membre de l’Institut national, par un de ses amis. 1803, 7 S. Discours sur la vie et les travaux littéraires de M. Brunck par J. G. Schweighäuser, 1803, 4 S. Fr. Jacobs in der Haller Encykl. Die Lettres inédites de Brunck (im Annuaire de l’associat. p. l’encouragement des études grecques en France VIII. p. 447–526) beziehen sich nur auf die Herausgabe der griechischen Anthologie.