ADB:Buch, Leopold von

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Artikel „Buch, Leopold von“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 464–475, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Buch,_Leopold_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:48 Uhr UTC)
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Buch: Leopold v. B., der größte Geognost in unserer Zeit, wie ihn A. v. Humboldt im Kosmos nannte, geb. 26. April 1774 auf Schloß Stolpe bei Angermünde in der Uckermark, † 4. März 1853 in Berlin. Von reicher geistiger Begabung, körperlich kräftig und ausdauernd, vielseitig gründlich gebildet, hatte B. das seltene Glück, völlig unabhängig im Besitz reicher Mittel, über die er unbeschränkt zu verfügen hatte, so ganz und voll seiner Wissenschaft, die er glühend liebte, zu leben, wie es selten Jemandem beschieden ist. Schon von seinem 16. Lebensjahre an sehen wir ihn auf mineralogischen und geognostischen Wanderungen und diese setzte er fast ununterbrochen durch alle Theile Europa’s während seines ganzen langen Lebens fort. Auf solche Weise gewann er nicht blos von allen interessanten Verhältnissen und Vorkommnissen auf dem Gebiete der Geognosie aus eigener Anschauung genaue Kenntniß und konnte an allen auftauchenden wissenschaftlichen Fragen den unmittelbarsten Antheil nehmen, sondern er fand auch namentlich durch den Besuch aller Versammlungen von Fachgenossen Gelegenheit, mit den ausgezeichnetsten Gelehrten Europa’s persönlich in Verkehr zu treten, erfuhr ihre Ansichten, lernte ihre Arbeiten kennen, war in allen Sammlungen zu Hause, so daß er, unterstützt von einem außergewöhnlichen Gedächtnisse, feiner Beobachtungsgabe, durchdringendem Scharfblick, kritisch scharfem Verstande und unermüdlichem Fleiße so zusagen das Ganze der Wissenschaft vollständig in sich aufnahm. Die Darstellung seines Lebens und die Schilderung, die sich an seine überaus fruchtbare litterarische Thätigkeit anknüpfen läßt, ist deshalb zugleich eine fast vollständige Geschichte der geognostischen Wissenschaft in allen ihren einzelnen Phasen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Im J. 1789, erst 15 Jahre alt, finden wir den jungen B. bereits in Berlin mit chemisch-mineralogischen und physikalischen Studien zur Vorbereitung auf den von ihm gewählten Beruf eines Bergmanns eifrigst beschäftigt, um 1790 in die berühmte Bergakademie in Freiberg einzutreten. In Freiberg lehrte damals der Vater der Geognosie, Werner. B. verbrachte drei Jahre daselbst, während welcher Zeit er großentheils selbst im Hause des weltberühmten Begründers der neuen [465] geognostischen Lehre wohnte und durch einen fast beständigen Umgang mit dem Meister sich ganz in die neptunistischen Anschauungen desselben vertiefte, gleichzeitig und aufs innigste befreundet mit Alex. v. Humboldt, der 1791 nach Freiberg kam und mit Joh. Karl Freiesleben, dem spätern sächsischen Berghauptmann, mit dem er bis zu dessen Tod in innigster Beziehung verbunden blieb. Das intime Verhältniß, welches sich auf solche Weise mit Werner hergestellt hatte, macht es erklärlich, wie schwer es später B. wurde, gegen die Gefühle innigster Pietät ankämpfend, den neptunistischen Ansichten seines geliebten Lehrers entgegentreten zu müssen, als ihn der wiederholte Besuch vulcanischer Gegenden die entgegengesetzte Theorie anzunehmen zwang. Schon während seines Aufenthaltes in Freiberg durchforschte B. das benachbarte Gebirge bis nach Karlsbad und verfaßte, wie es üblich war, mehrere Reiseberichte an das Ministerium in Berlin, sowie eine erste gedruckte Arbeit: „Beitrag zu einer mineralogischen Beschreibung der Karlsbader Gegend“ 1792, in welcher er ganz im Sinne Werner’s selbst die heißen Quellen nicht auf tiefere Wärmeursachen bezog, sondern von nahe an der Oberfläche stattfindenden Vorgängen ableitete. Im Herbst 1793 wurde die Universität Halle, später jene in Göttingen bezogen, um auch die übrigen naturwissenschaftlichen Fächer gründlich zu studiren. In diese Zeit fallen kleine Reisen in den Harz, ins Mansfeldische, nach Thüringen und ins Fichtelgebirge, sowie seine einzige Abhandlung rein mineralogischen Inhaltes: „Ueber den Kreuzstein“, dessen eigenthümliche Krystallform B. durch den Aufbau der Krystalle aus Theilchen von bestimmter Form zu erklären versuchte. Nach Berlin zurückgekehrt erhielt er 1796 als Bergreferendarius bei dem schlesischen Oberbergamte eine Anstellung im Staatsdienste, schied jedoch bald wieder aus dieser Stellung ohne eigentlichen Abschied zu nehmen oder zu erhalten, daher er später oft sich scherzweise den ältesten Referendarius nannte. Dieser Zeit seines Aufenthaltes in Schlesien entstammen einige kleinere Aufsätze, z. B. „Beschreibung von Landeck“ und der später publicirte „Entwurf einer geognostischen Beschreibung von Schlesien“, begleitet von einer für den damaligen Stand der kartistischen Darstellung außergewöhnlich guten geognostischen Karte, mit welcher er seine ihm während seines ganzen Lebens verbliebene Neigung bekundete, alle Gebirgsbeobachtungen auch graphisch festzuhalten. Alle diese Arbeiten sind noch ganz von den neptunistischen Ansichten Werner’s beherrscht, insbesondere wird darin die neptunische Entstehung des Basaltes mit auffallender Wärme verherrlicht. Es ist von hohem Interesse für richtige Beurtheilung des damaligen vorherrschenden Standpunktes der Wissenschaft, die Schilderungen näher kennen zu lernen, welche ein so scharfsinniger Beobachter wie B. von einem größeren Landstriche – Schlesien – entwirft. Da gilt der Granit als das älteste Fundamentgestein des festen Erdkörpers, an das sich zunächst die übrigen Gebirgsarten, zumal der Gneiß, dann der Reihe nach ganz streng geordnet die Gesteine von krystallinischer Ausbildung bis zu den Gebilden von offenbar mechanischer Zusammensetzung anlegen, ohne daß ihre verschiedene Lage und Schichtenstörungen anders als durch ungeheure Niveauschwankungen der Bildungsgewässer erklärt werden dürfen. Sehr im Argen liegt noch die Unterscheidung der verschiedenen sogenannten Flötzformationen, da es ja vollständig an der Beihülfe der Versteinerungskunde gebrach. Wie es damals um letztere stand, zeigt eine Bemerkung Buch’s, daß im schlesischen sogenannten Flötzkalke (jetzt Bergkalk) Belemniten und Gartenschnecken sich vorfänden!

1797 war in B. der Entschluß gereift, fortan ganz frei der Wissenschaft zu leben. Es trieb ihn vor allem die vulcanischen Erscheinungen aus unmittelbarer Anschauung kennen zu lernen, und er rüstete sich zu einer Reise nach Italien. Die damaligen Kriegswirren hinderten ihn die Reise ganz auszuführen, da auf dem Wege nach dem Süden B. gezwungen wurde, an den Nordalpen Halt zu machen. [466] Es waren die Salzburger Alpen, welche er in Folge dieses unfreiwilligen Aufenthaltes von Salzburg aus gemeinschaftlich mit Alex. v. Humboldt durchstreifte und sorgfältig untersuchte. Erst im Frühjahr 1798 verläßt B. Deutschland. Immer mehr drängte sich namentlich durch die Beobachtungen in den Alpen, über deren Ergebnisse mehrere kleinere geistreiche, aber immer noch von dem Einfluß der Werner’schen Lehre in den Bann gehaltene Abhandlungen später erschienen sind, und insbesondere durch die Untersuchungen über das Auftreten des Porphyrs B. die Befürchtung auf, als könnte die Freiberger Ansicht von der Progression der Gebirge einen Stoß erleiden. Man muß sich erinnern, daß damals der Kampf zwischen Plutonismus oder Vulcanismus und Neptunismus, der von England aus durch Hutton, Hall und Plaifair als Vertheidiger der Feuerlehre gegen den durch Werner siegreich gewordenen Neptunismus immer noch fortgeführt und in Deutschland durch den mit glücklichen Waffen für die Vulcanität des Basaltes streitenden Voigt frisch erregt worden war. Die unabweisbaren Gründe, welche Voigt für die feurige Entstehung des Basaltes beigebracht hatte und nur durch den damals noch ungeschwächten Einfluß Werner’s nicht zur Geltung bringen konnte, hatten gleichwol bei manchen Geognosten in tiefster Seele leise Zweifel wachgerufen. Zu ihnen gehörte wol auch B., obgleich er öffentlich die Werner’schen Ansichten noch nach wie vor vertheidigte. Diese geheimen Zweifel waren es, die ihn an den Herd vulcanischer Erscheinungen trieben, um fern von der persönlichen Einwirkung des so innig geliebten Lehrers sich von der Natur allein belehren lassen zu können. Schon der Besuch der vulcanischen Berginseln im Venetianischen, der Berischen Hügel und der Euganeen, in denen der deutsche Basalt wieder vor die Augen des erstaunten nordischen Forschers trat, scheinen seine Befürchtungen eher verstärkt als besiegt zu haben. Nirgendwo lesen wir wol aus diesem Grunde irgend einen Bericht über diese Reise. Auch in Rom hielt ihn wieder der zwischen Neapel und Frankreich ausgebrochene Krieg, der ihm den Weg zum Vesuve versperrte, vom Besuche dieses Bergs ab. Der unfreiwillig verlängerte Aufenthalt führte zur intensiveren Untersuchung der Umgegend der großen Stadt. Aber auch hier tauchten aufs neue Widersprüche gegen Werner’s Lehre in Menge auf und brachten B. in eine Art von Verzweiflung, so daß er damals schrieb: „Ich verwirre mich in Widersprüche, die hier die Natur mit sich selbst zu machen scheint.“ Endlich war es möglich zu Anfang des J. 1799 zum Besuch des Vesuvs aufzubrechen, aber nur die kurze Zeit von 5 Monaten konnte er diesen Studien widmen. Aus dieser Zeit stammen die Abhandlungen, deren Schwerpunkt sich um die Vulcanität des Basaltes dreht: „Sur la formation de la leucite“, 1799; „Geognostische Uebersicht der Gegend von Rom und Briefe aus Neapel“, welche letztere fast ausschließlich mit den Ausbruchserscheinungen des Vesuvs sich befassen. Damals stellte sich B. noch vor, daß der Vesuv durch Lavaergüsse successive zum Theile unter dem Meere sich aufgebaut habe, und daß es die an den Küsten bei großen Eruptionen direct wahrgenommenen Bodenerhebungen seien, deren Mitwirkung der Berg seine spätere Höhe über dem Meere verdanke. Noch war damals die Idee der Erhebungskrater in ihm nicht erwacht. Obwol B. nachgewiesen hatte, daß der Leucit, von dem man annahm, daß er aus dem von der Lava aufgenommenen Schichtgestein abstamme und schon vorher ausgebildet gewesen sei, wirklich in der Lava selbst erst entstehe und daß dieser Leucit im Gestein vorkomme, welches dem Basalt täuschend ähnlich sei, glaubte er sich doch noch vor dem Zusammenbruche der Werner’schen Ansicht durch die Annahme retten zu können, daß man von der italienischen Gesteinsmasse nicht unmittelbar auf die deutsche schließen dürfe. Auch in Bezug auf die von Werner vorausgesetzte Ursache der vulcanischen Thätigkeit durch unterirdische brennende Steinkohlenflötze hatte sein Glaube durch [467] die Erfahrungen an dem Vesuv eine tiefe Erschütterung erlitten. Nichtsdestoweniger vertheidigte er in seinem 1801 in Genf publicirten Aufsatze: „Sur les Volcans“ noch hartnäckig Werner’s Lehre von dem Basalt und suchte aus dem offen darliegenden Dilemma dadurch sich herauszuziehen, daß er die Behauptung aufstellte, es gäbe zweierlei dem Stoff nach identische Basaltgebilde, der eine Basalt sei der aus Wasser erzeugte, der andere ein aus diesem durch Schmelzung entstandener. Nach der italienischen Reise besuchte B. Paris. Hier kam er vielfach mit den gelehrten Kreisen in Berührung und verkehrte fleißig mit dem berühmten Krystallographen Hauy auf sehr freundschaftlichem Fuße, wogegen er mit De Luc, einem heftigen Gegner der Werner’schen Ansichten in einen Streit über die Entstehung des Granits verwickelt wurde. In dem Aufsatze: „Considérations sur le granit“ vertheidigte er im Sinne Werner’s die wässerige Bildung des Granits durch eine gewisse Krystallisationskraft, sodaß jeder Granitberg gleichsam als ein großer Krystall anzusehen sei, und stellte zugleich die Behauptung auf, daß der Hochgebirgsgranit jünger sei, als der Granit der Ebene.

Nach seiner Rückkehr in die Heimath verweilte der eifrige Gebirgsforscher nur kurze Zeit während des Winters 1799 auf 1800 in lebhaftem Verkehr mit Klaproth und Karsten theils in Stolpe theils in Berlin. Er erhielt nämlich vom Ministerium den Auftrag, den damals mit Preußen engverbundenen Canton Neuchâtel auf das Vorkommen nutzbarer Mineralien, namentlich von Kohlen zu untersuchen. Auf diese theoretisch-praktische Arbeit verwendete er fast drei Jahre, nicht ohne diese Gelegenheit zu benützen, um Studien in den Alpen und in den benachbarten Gebieten anzustellen. Besonders war es die Auvergne, diese an vulcanischen Erscheinungen so reiche Gegend, und Dolomieu’s Behauptung, daß hier Vulcane aus granitischer Unterlage, also ohne in der Tiefe ausgebreitete Kohlen führende Gesteine hervorbrechen, welche ihn zur Prüfung der Vulcanen-Frage aufs neue anlockten. Die Reise in die Auvergne bildete in der That den entscheidenden Wendepunkt in Buch’s Ansichten über den Ursprung der Vulcane und brachte seinen Abfall von Werner’s Vulcanenlehre zum Durchbruch. An die Stelle früherer Annahme erwachte in ihm die Vorstellung, daß die vulcanischen Kegelberge wie Blasen, die ohne sich zu öffnen auf einer viskosen Flüssigkeit aufsteigen, emporgetrieben seien, eine Idee, welche den Keim seiner späteren Theorie der Erhebungskratere in sich schließt. Für die Basalte und Trachyte der Auvergne, die er als durch Umschmelzung aus Granit erzeugt ansah und als Domit bezeichnete, war ihm die vulcanische Entstehung eine feststehende Thatsache geworden, obwol er sich immer noch in seinen Briefen über die Beobachtungen in die Auvergne (II. Band der Beobachtungen auf Reisen, 1806) dagegen verwahrte, als ob auch auf den deutschen Basalt eine gleiche Annahme Anwendung finden müßte. Weitere Ausflüge dehnte B. von Neuchâtel über die Alpen bis zum Comersee aus und kehrte dann, nachdem er mehrere kleinere Aufsätze über die Ergebnisse seiner Forschungen bei Neuchâtel und im Jura, in welchem er bereits auch auf das Vorkommen alpiner Urgebirgsgesteine in Form von Findlingen, diese Erscheinung von einer großen Fluth aus den Alpen herleitend, aufmerksam geworden war, verfaßt hatte, nach Berlin zurück, um im ähnlichen Auftrage auch Schlesien zum zweiten Male zu bereisen, ohne daß es ihm gelingen wollte, große praktische Resultate zu erzielen. Noch immer ließ es ihm keine Ruhe, er mußte vor allem die Vulcanenfrage zur Entscheidung zu bringen suchen. Als daher A. v. Humboldt und Gay Lussac 1805 nach den vulcanischen Gegenden Italiens aufbrachen, trieb es auch B. dahin. Begünstigt von einem seltenen Glücke erlebte B. in Neapel ein großartiges Erdbeben und war zugleich Zeuge eines, wenn auch mäßigen Ausbruchs des Vesuvs. Seine Berichte über diese vulcanischen Erscheinungen (II. Band der Beobachtungen auf Reisen) schildern in den lebhaftesten Farben [468] den tiefen Eindruck, den diese gewaltigen Vorgänge in ihm wachriefen, und geben mit unerreichbarer Treue ein Bild von dem damaligen Zustande des Feuerbergs.

Nach Deutschland zurückgekehrt, hatten sich Buch’s Leistungen bereits so großer Anerkennung zu erfreuen, daß er 1806 zum außerordentlichen und 1808 zum ordentlichen Mitgliede der Akademie der Wissenschaften in Berlin gewählt wurde. Am 17. April 1806 hielt er seine akademische Antrittsrede: „Ueber die Fortschritte der Bildung in der Natur“, eine mit den reichsten Erfahrungen aus allen Zweigen der geognostischen Wissenschaft verfaßte kurze Entwicklungsgeschichte der Erde, in welcher mit merkwürdiger Aengstlichkeit jede Erwähnung von Wasser- und Feuerwirkung bei der Bildung der Erde vermieden ist. Neben einer nur beiläufigen Darstellung des Entwicklungsganges der Erde in Folge einer ruhigen Krystallisationskraft wird darin das Hauptgewicht auf die durch Bewegung bewirkte Entwicklung der organischen Welt gelegt, die als eine von niederen zu höheren Formen fortschreitende sich darstellte. Doch wird einer inneren Erwärmungsquelle gedacht, um die Gleichheit der Flora der Kohlenzeit in allen Zonen zu erklären, ohne aber den Grund dieser inneren Wärme auch nur leise anzudeuten.

Nachdem, wie es scheint, B. bezüglich der vulcanischen Erscheinungen mit sich ziemlich ins Reine gekommen war, galt es einer zweiten, nicht minder wichtigen Frage auf den Grund zu sehen. Die Verhältnisse, unter welchen der Granit am Aufbaue der Gebirge sich betheiligt zeigt, hatten B. seit seinem ersten Aufenthalt in Paris fortwährend beschäftigt. Merkwürdige Verhältnisse wurden von den Graniten der skandinavischen Halbinsel gemeldet, und diese selbst zu sehen und zu untersuchen war der Grund, weshalb B. im J. 1806 nach dem hohen Norden aufbrach. Schon in der Umgegend von Christiania zeigten sich die merkwürdigsten Erscheinungen dem erstaunten Auge des Gebirgsforschers. Porphyr ist in mächtigen Bergen unzweideutig auf versteinerungführendem Kalke aufgelagert, auf diesem Porphyre breitet sich dann wieder Syenit und Granit aus, und wie soll unter solchen Verhältnissen der Granit das älteste Gebilde sein? Porphyr durchzieht sogar in handgreiflichen Gängen den Thonschiefer und den Kalkstein! Da kann es denn doch nicht mehr zweifelhaft sein, daß der Granit ein Glied des Uebergangsgebirgs sei, der Porphyr nicht zu den primitiven Gebirgsarten gehöre. Diese Beobachtungen, die sich stets wiederholten, zwangen nun auch die Lehre Werner’s von der Altersfolge der Gebirgsmassen aufzugeben und hatten den völligen Zusammensturz des Freiberger Lehrgebäudes zur Folge. Es zeigte sich, daß nicht Granit, sondern Gneiß das eigentlich älteste Fundamentgestein sei, und alles hörte mit Staunen die Neuigkeit, daß, wie Goethe sich ausdrückt, der Sohn nun zum Vater geworden sei. Buch’s nordische Reise erstreckte sich bis nahe zum Nordcap und an die Grenzen Finnlands. Neben der Altersfrage des Granits fesselte hier die Untersuchung eines langsamen Emporsteigens von ganz Schweden aufs lebhafteste seine Aufmerksamkeit und brachte nach und nach die Ansicht von großartigen Hebungen ganzer Erdtheile in ihm zur Reife. Nach zweijährigen höchst erfolgreichen Studien im Norden, deren wichtige, epochemachende Ergebnisse den Inhalt des Werkes: „Reise durch Norwegen und Lappland“ 1810 bilden, kehrte er als Reformator der ganzen geognostischen Wissenschaft zurück, um wie im Triumph neue Ehrenbezeugungen, mit denen er von Akademien und vielen gelehrten Gesellschaften überhäuft wurde, in Empfang zu nehmen.

Seit 1812 war der berühmte Gelehrte auch königl. preußischer Kammerherr geworden. Buch’s wissenschaftliche Thätigkeit wendete sich nun den Alpen zu, wo es galt ein drittes großes Problem, das der Gebirgserhebung zu lösen. Während er in den Sommermonaten das Hochgebirge in allen Richtungen durchstreifte, benutzte er den Winter abwechselnd in Berlin und Paris zur Ausarbeitung seiner Untersuchungsresultate. Unter mehreren Abhandlungen über [469] die Geologie der Alpen gewinnt namentlich jene bezüglich der Verbreitung großer Alpengeschiebe und Blöcke ein erhöhtes und allgemeines Interesse. Schon früher während seines Aufenthaltes in Neuchâtel hatte er, wie schon erwähnt, seine Aufmerksamkeit auf diese Erscheinung gerichtet und sich damals zu Gunsten der Saussure’schen Theorie erklärt, daß es der Durchbruch in den Alpenhochthälern zurückgestauter Gewässer gewesen sei, welche jene Urgebirgsfelsblöcke aus den Centralalpen bis in den Jura gewälzt hätten. Jetzt bringt er die Erscheinung mit dem analogen Vorkommen großer Felsblöcke in der norddeutschen Ebene und in Rußland, welche aus dem skandinavischen Norden stammen, in Verbindung[WS 1] und sieht sich gezwungen, die Unhaltbarkeit der Saussure’schen und seiner eigenen früher ausgesprochenen Hypothese zuzugestehen, ohne dafür jedoch mehr als die ganz allgemeine Andeutung zugeben, daß die Ursache der Verbreitung dieser Riesenblöcke in einem gewaltigen Stoß gesucht werden müßte (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Berlin für 1811).

Aus dieser Zeit stammen weitere Publicationen: „Ueber den sog. Trapp, Porphyr und über Gobbro“ (Abhandl. der Akad. der Wissensch. in Berlin für 1813 und Magaz. d. Ges. Naturf. für Berlin 1816). Von einer mehr physikalischen Studie über das Berninagebirge (Abhandl. der Akad. der Wissenschaften für 1814) ist besonders wichtig zu bemerken, daß darin der Erhebung der Gebirgsmassen als eines Phänomens gedacht wird, welches der Bildung der Thäler vorausgegangen sein müsse, ein Zugeständniß gegenüber der früher angenommenen und heftig vertheidigten Theorie von der Stabilität der Erdrinde. Der Einfluß, welchen B. bereits um diese Zeit auf den allgemeinen Stand der geognostischen Wissenschaft ausübte, war so groß, daß seine neueren Entdeckungen und Ansichten in Betreff der Vulcane und der Urgebirge die altgewohnten Vorstellungen von der Ordnung und der durch Werner aufgestellten Reihenfolge der Gebirgsglieder in völlige Verwirrung gebracht hatten, ohne ein neues System an die Stelle gesetzt zu haben. B. erkannte dies und fühlte das dringende Bedürfniß, wenigstens provisorisch in diesem Chaos wieder festere Ordnung zu schaffen. In mehreren Publicationen warnt er vor Ueberstürzung und macht auf das Unstatthafte aufmerksam, aus localen Erscheinungen allgemeine Schlüsse zu ziehen und aus Beobachtungen an localen engbegrenzten Ablagerungen weitgreifende Gesetze für die Bildungsgeschichte der Erde herzuleiten. Seine Untersuchungen in den Gebirgen Deutschlands erlitten im Sommer 1815 plötzlich eine Unterbrechung, als sich von London aus, das er besucht hatte, eine günstige Gelegenheit ergab, in Gesellschaft von dem Botaniker Ch. Smith die canarischen Inseln zu besuchen. Diese Reise lieferte ihm das Material, um eine neue Grundlage über die Natur der Vulcane zu gewinnen und bezeichnet dadurch eine neue Epoche in Buch’s Anschauungen, ja in der ganzen geognostischen Wissenschaft. Das classische Werk: „Physikalische Beschreibung der canarischen Inseln“, 1825, legt nicht blos Zeugniß ab von dem glänzenden Erfolg der geologischen Studien, sondern ist auch für Pflanzengeographie und physikalische Erdkunde von höchster Bedeutung. Musterhaft in der Darstellung, so gründlich wie klar in der Erörterung wissenschaftlicher Fragen weist der Inhalt dieser epochemachenden Schrift zunächst auf geologischem Gebiete die Entstehung der Inselgruppe durch die großartigste vulcanische Thätigkeit, durch die Vorgänge sich aneinander reihender Bildungszeiten nach, und zeigt, wie, indem Bänke vulcanischen Gesteins auf Bänke sich aufthürmen, sie endlich selbst den 7000 Fuß über den Meeresspiegel aufragenden Pic von Teneriffa, dessen Scheitel von einem Ringkranz älteren vulcanischen Gesteins als ein erst später emporgeschobener Kegel eingefaßt ist, zu erzeugen vermochten. Mächtig erregt durch die Großartigkeit der vulcanischen Erscheinungen, ließ sich B. zu jener mehr geistreichen, als naturgemäßen Hypothese [470] hinreißen , welche fast bis in die neueste Zeit Geltung hatte, daß nämlich die vulcanischen Inseln nicht durch Aufschüttungen, sondern durch Erhebungen ihre auffallende Gestalt erhalten hätten. Er nannte diese deshalb Erhebungsinseln und ihre centralen Vertiefungen Erhebungskratere, denen er die durch Aufschüttungen entstandenen Eruptionskratere gegenüberstellte. Ein weiterer Vergleich und ein Hereinziehen der Vulcane anderer Gegenden der Erde ließen den Gegensatz von rings um ein Centrum geordneten und in einer langen Reihe stehenden Vulcanen, die sogenannten Central- und Reihenvulcane, erkennen und unterscheiden. Von letzteren nahm er an, daß ihre reihenweise Anordnung von großartigen Spalten der Erdrinde herrühre, durch welche die unterirdischen Kräfte sich leichter hätten Bahn zu brechen vermocht, als durch die unzerstückelte Erdrinde. Auch machte er auf die Thatsache aufmerksam, daß diese Linien in auffallender Weise den Umrissen größerer Continentalmassen und den aus älterem Gestein bestehenden Bergen zu folgen scheinen. Schon schimmert hier die Frage durch, ob nicht die Bergketten selbst, vielleicht sogar die Continente durch ähnliche unterirdische Kräfte emporgehoben worden seien, durch welche die spätere Theorie der Gebirgserhebungen vorbereitet wurde.

Aber nicht blos in Bezug auf die Vulcane sehen wir Buch’s Geist helle Funken werfen, ein höchst merkwürdiger Ausspruch über die Entstehung der Pflanzenarten in dem botanischen Theil der Schrift über die canarischen Inseln erinnert uns an die Frage, welche heute so vielfach behandelt wird, und welche B. schon damals wie ein Seher in die Zukunft trefflich zu beantworten verstand. Bei dem großen Interesse, welches sich mit derartigen Untersuchungen verbindet, scheint es angezeigt, einige der Buch’schen Sätze hier anzuführen: „Die Individuen der Gattungen auf Continenten breiten sich aus, entfernen sich weit, bilden durch Verschiedenheit der Standörter, Nahrung und Boden Varietäten, welche, in der Entfernung nie von andern Varietäten gekreuzt und dadurch zum Haupttypus zurückgebracht, endlich constant und zur eigenen Art werden. Dann erreichen sie vielleicht auf anderen Wegen auf das neue die ebenfalls veränderte vorige Varietät, beide nun als sehr verschiedene und sich nicht wieder mit einander vermischende Arten. Nicht so auf Inseln. Gewöhnlich in engen Thälern oder in den Bezirk schmaler Zonen gebannt, können sich die Individuen erreichen und jede gesuchte Fixirung einer Varietät wieder zerstören.“ Wie trefflich ist hier der Einfluß geschildert, welchen die räumliche Isolirung einer veränderten Form auf das Entstehen neuer Arten ausübt!

Durch den Besuch der canarischen Inseln war die Theorie der Gebirgserhebung wachgerufen und damit der letzte Anker gelockert, welcher die neuere Geognosie noch an die Werner’sche Lehre direct gefesselt hielt. Um auch über dieses Problem vollständig gesicherte Thatsachen zu erlangen, machte sich B. 1817 nach den basaltischen Hebriden, der Insel Staffa und nach dem Riesendamm von Schottland auf den Weg und wandte sich dann, gleichsam um die immermehr gesicherte Hebungstheorie, welche die vulcanische Inselwelt erkennen ließ, auch an den Gebirgsketten im Innern der Continente zu prüfen, über Paris nach den Alpen. Hier galt es vor allem das hebende Princip, die vulcanischen Gesteine, zu entdecken. Wirklich schien der glücklichste Erfolg diese Versuche zu krönen. Da wo in den östlichsten Alpen der bisher fast gradlinige Alpenstock sich gabelt, einen Zweig mit dem Wienerwald in nordöstlicher Richtung zu den Karpathen entsendend, in der andern Richtung aber, nämlich nach Südost durch Kärnthen und Krain nach dem dalmatinischen Gebirge als Hauptzug sich fortsetzend, fand sich in der That unfern Gleichenberg ein Eruptivgestein, der Trachyt oder, wie Anker ihn nannte, der „Flötztrapp“, dem B. die Rolle der hebenden Kraft zutheilen zu dürfen glaubte. Als dann noch weiter auch im südlichen Tirol und im venetianischen [471] Gebirge – Fassa-Ampezzaner Thal – in sehr namhafter Verbreitung ein dunkelfarbiges basaltähnliches Eruptivgestein – der sogenannte schwarze oder Augitporphyr – aufgefunden worden war, und der schon früher untersuchte Porphyr von Botzen nicht blos von jenem schwarzen Gestein zerrissen und durchadert, sondern selbst als in den gewaltigen Stock der Kalkmassen hineingeschoben und erst durch spätere Entblößungen zu Tage gebracht erkannt wurde, da schien es B. nicht mehr länger zweifelhaft, daß diese Eruptivgesteine die Erhebung der ganzen Alpenkette bewirkt hätten und Buch’s Ultraplutonismus loderte in den hellsten Flammen auf, ihn zu weiteren, immer kühneren Hypothesen verlockend. Zunächst gaben die wildzackigen zahllosen Nadeln und Spitzen, welche rings den Augitporphyr des Fassathales kranzartig umragen und deren auffallender Gestaltung genetisch mit dem Vorkommen das Eruptivgestein zusammenzuhängen schien, Veranlassung. Diese zackigen Felsen und Hörner erwiesen sich nämlich bei näherer Untersuchung als aus Dolomit bestehend, nicht aus Kalk, wie das Gestein der übrigen Kalkalpen. Da zeigte es sich denn als ganz augenscheinlich, daß der Augitporphyr die Umwandlung des Kalks in Dolomit verursacht habe! B. entwarf in Folge dieser Wahrnehmung seine berühmte und berüchtigte Dolomitirungstheorie und nahm dabei an, daß die früher wohlgeschichteten Kalksteine durch dampfförmig aufsteigende und in sie eindringende Talkerde in Dolomit umgewandelt worden seien, wobei sie die früheren Formen eingebüßt, in plumpe stark zerklüftete, poröse und lückige Gesteinmassen sich umgestaltet hätten. Der reiche Gehalt des Augitporphyrs an Talkerde habe das Material zu dieser Metamorphose bei Gelegenheit seines Durchbruchs durch die Kalkschichten geliefert („Ueber Dolomit als Gebirgsart“. Abhandl. der Berl. Akad. 1822). Nun galt es den Prüfstein für die Richtigkeit dieser kühnen Hypothese, welche sich kurz zusammenfassen läßt in den Sätzen: „der schwarze Augitporphyr hat die Gebirgsketten emporgehoben, er ist jünger als der rothe Porphyr und durch ihn erhielten die meist an den Rändern der Gebirgsketten auftretenden Dolomite durch Umwandlung aus Kalkstein ihre Entstehung“, auch an die vielfach bekannten Dolomiten Englands und im fränkischen Gebirge anzulegen. B. glaubte zwar den Thüringer Wald und den Harz noch als weitere Belege für seine Theorie anführen zu können, in Franken jedoch wollte es nicht gelingen, das Analogon für den hebenden und umwandelnden Augitporphyr aufzufinden. Nichtsdestoweniger verschaffte sich die Gebirgserhebungstheorie wie die Hypothese der Dolomitisirung rasch die Oberherrschaft über den Widerspruch, welcher von Seite einzelner Geologen gegen die Verallgemeinerung der in den Alpen gewonnenen Beobachtungsresultate und von Seite der Chemiker gegen die Bildung des Dolomits durch verdampfende Bittererde erhoben wurde. Damit hatte B. den Höhepunkt seines leitenden Einflusses auf den Gang der geognostischen Wissenschaft erstiegen; seine Ideen blieben fast ein Menschenalter hindurch in Form des Ultraplutonismus im Großen und Allgemeinen die siegreichen und maßgebenden.

Am wichtigsten und von bleibendem Werthe für die Wissenschaft war unstreitig die Vorstellung, welche B. mit seiner Erhebungstheorie verband. Wir heben davon das Hauptsächlichste hervor: „Die Hebung der Gebirge durch Kräfte, welche aus dem Innern der Erde wirkend, gegen die starre Erdrinde kämpfend, sie zersprengend, Theile derselben emportreibend, deren Gestalt eigentlich begründen, erfolgt in ihrer Hauptlängenrichtung nach der Lage von Spalten, aus welchen die hebenden Gesteine hervorbrechen, während der in den Hauptketten dadurch erzeugte Druck seitlich wirkend eine Menge paralleler Nebenspalten erzeugt und den seitlichen Secundärketten ihr Dasein gibt. Diese gewaltige Bewegung colossaler Gebirgsmassen bei ihrer Erhebung zu Gebirgsketten mußte an den Rändern durch den Seitendruck eine vielfach geänderte Stellung der Schichten [472] bewirken, wodurch in der That Falten, Gewölbe oder vielfach gebogene Nebenketten so häufig hervorgerufen werden. Auch die Richtung in diesen Erhebungen ist eine bestimmte und regelmäßige.“ B. unterschied in dieser Beziehung vier sogenannte geognostische Gebirgssysteme in Deutschland, nämlich das nordöstliche vom Thüringer Walde bis zu den Sudeten, das niederländische mit dem Hundsrück, dem Taunus und dem Teutoburger Walde, das rheinische mit den Vogesen, dem Schwarz- und Odenwalde und endlich das Alpensystem, ein kleiner Anfang zu jenem großen Netze, mit welchem später Elie de Beaumont die ganze Erde überspannen zu dürfen glaubte.

Zahlreiche kleinere Abhandlungen haben diese verschiedenen Ansichten Buch’s in den wissenschaftlichen Kreisen weit verbreitet; hervorzuheben sind darunter; „Ueber den Dolomit im Frankenlande“ (Journ. d. Physique XCV. 1822), „Ueber Dolomit in Tyrol“ (Tyroler Bote, Juli 1822), „Geognostisches Gemälde von Südtyrol“ (Annal. der Chemie XXIII), „Ueber die Lagerung des Granits im Fassathale“ (das. XXIII.), „Ueber eine geognostische Erscheinung in der Umgegend des Luganer Sees“ (Ann. d. sc. nat. 1829. XVIII), „Ueber die Lagerung von Melaphyr und Granit in den Alpen von Mailand“ (Abhandl. der Akad. der Wissensch. in Berlin 1827). Mit der im Jahre 1826 in 24 Blättern erschienenen „Geognostischen Karte von Deutschland“, in welche B. alle seine bisherigen geognostischen Untersuchungen, Studien und kartographischen Aufzeichnungen zu einem Ganzen verarbeitet eingetragen hat, und welche unbestritten zu den besten geognostisch-kartistischen Leistungen damaliger Zeit gezählt werden muß – sie erlebte bis 1843 fünf Auflagen und Verbesserungen – fanden Buch’s epochemachende geologisch-geognostische Arbeiten in der Hauptsache einen würdigen Abschluß, indem sich der geistvolle unermüdliche Forscher von nun an einer andern, nicht weniger wichtigen Specialität, den paläontologischen Studien, mit jugendlicher Frische zuwandte.

Buch’s Scharfblick war es nämlich nicht entgangen, daß die Einschlüsse organischer Ueberreste in den Schichtgesteinen allein einen gründlichen und tieferen Einblick in die Eigenthümlichkeit der Bildungsweise und Aufeinanderfolge der ersteren gewähren können. Nachdem er über die Natur der krystallinischen Gesteine und die Gebirgserscheinungen im Allgemeinen so ziemlich ins Reine gekommen zu sein glaubte, hielt er daher den richtigen Zeitpunkt für gekommen, der damals noch sehr im Argen liegenden Versteinerungskunde sich zuzuwenden. Er that dies mit dem ihm eigenthümlichen Feuereifer und der alle Schwierigkeiten bewältigenden Energie, schon zum voraus des Erfolgs sicher, welcher sich jenem auf dem Gebiete der Geologie errungenen würdig zur Seite stellt. B. befaßte sich zunächst mit der Natur jener höchst sonderbaren Versteinerungen, welche Kleinschrod in München am Untersberg entdeckt und unserm großen Geologen bei einem Besuche der bairischen Alpen 1827 vorgelegt hatte, der sogenannten Hippuriten, der versteinerten Kuhhörner, welche B. auf der Naturforscherversammlung in München irrthümlich noch als Korallenreste angesprochen hat. Von hier aus besuchte er dann die Tegernseer Alpen und fand hier zahlreiche Versteinerungen in dem sogenannten Alpenkalke, aus welchen er den Schluß zog, daß diese alpinen Schichten von gleichem Alter wie die des englischen Unteroolithes sein müßten (Abhandl. d. Akad. d. Wissensch. in Berlin für 1828). Damit legte B. einen neuen Grund für die Auffassung der Altersverhältnisse der alpinen Schichtgesteine, obwol er, durch gewisse Formähnlichkeiten der Versteinerungen getäuscht, diesen versteinerungsreichen Lagen, die wir jetzt unter der Bezeichnung der rhätischen Schichten als Zeitäquivalente des obersten außeralpinen Keupers kennen, ein viel zu jugendliches Alter zusprach. Man [473] suchte nun fleißiger in den Alpen nach Versteinerungen und fand sie auch reichlich; früher galt das Hochgebirge als fast versteinerungsleer.

Wiederum war es unser unermüdlicher Wanderer, welcher schärfer wie kein anderer vor ihm den Begriff der Leitmuscheln, d. h. der für bestimmte Lagen im Schichtgestein ausschließlich eigenthümlichen organischen Einschlüsse feststellte und diese Leitmuscheln der besonderen Beachtung empfahl. Die große, weitverbreitete und noch wenig unterschiedene Formgruppe der Ammoniten zog zunächst seine Aufmerksamkeit auf sich, die Beschreibung und Classification derselben beschäftigte ihn längere Zeit. Schon 1828 und 1829 übergab er kurze Notizen über seine Untersuchungsresultate der Oeffentlichkeit und 1880 erschien die classische Monographie über die Ammoniten, welcher 1831 jene der Goniatiten folgte. Wie im Großen innerhalb der Berge, so verstand B. auch im Kleinen mit seinem scharfen Blicke und seiner feinen Beobachtungsgabe Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, das Charakteristische aufzufassen, festzuhalten und aus dem scheinbar Chaotischen ein wohlgeordnetes Ganzes herzustellen. Seine erste größere paläontologische Arbeit war daher bereits eine vollendete und mustergültige, deren Werth bis in die neueste Zeit sich ungeschmälerter Anerkennung erfreut. Die Artenausscheidung ist scharf und bestimmt, die Beschreibung klar und die Charakteristik so faßlich, daß das Wiedererkennen der Species sehr erleichtert erscheint; als Meister zeigte sich besonders B. in der Zusammengruppirung der verwandten Formen und im Auffinden charakteristischer Merkmale. Er erkannte sogleich bei den Ammoniten die Wichtigkeit des gezackten Verlaufs der Kammerwände, sowie der Lage des Sipho’s und benützte diese Elemente zur Scheidung der artenreichen Familie in Unterabtheilungen mit dem glänzendsten Erfolge. Durch diese Arbeit wurden die Ammoniten zu den am leichtesten bestimmbaren und daher zuverlässigsten Leitfossilien für die Altersbestimmung der meisten Secundärschichten erhoben, als welche sie auch jetzt noch immer angesehen werden Ebenso wurden die verwandten Formen der Clymenien und Ceratiten gleich sorgfältig untersucht und beschrieben („Ueber Ammoniten“. Abhandl. der Akad. der Wissensch. in Berlin für 1830; „Ueber Goniatiten“, das. 1831; „Ueber Clymenien“, das. 1838; „Ueber Ceratiten“, das. 1848). Auch auf die anderen Abtheilungen der Conchylien war Buch’s Aufmerksamkeit gerichtet und bald machte sein scharfes Auge die höchst wichtige Entdeckung jener eigenthümlichen Randlinien an den Schalen der Muschelthiere, der sogenannten Mantelsaumlinie, deren volle Bedeutung von allen älteren Forschern übersehen worden war. Seitdem spielt der Verlauf dieser Linie in der Conchyliologie für die allgemeine Gruppirung eine wichtige Rolle. Nach der Häufigkeit des Vorkommens und der Mannigfaltigkeit der äußeren Form nehmen die sogenannten Brachiopoden unter den Ueberresten der Vorzeit eine sehr hervorragende Stelle neben den Ammoniten ein. Aber die Sichtung, Feststellung der Arten und deren feste Charakterisirung galt als eine der schwierigsten Aufgaben der Versteinerungskunde. Kaum war darin ein Anfang gemacht, als B. die Wichtigkeit dieser Thierformen insbesondere für die Gliederung des sogenannten Juragebirgs erkennend, sofort sich dieser Aufgabe unterzog und sie trotz aller Schwierigkeiten siegreich löste. B. sichtete und ordnete mit Meisterschaft in diesem chaotischen Formknäuel und gab der erstaunten gelehrten Welt in den drei inhaltreichen Abhandlungen über Terebratula, Delthyris und Productus (Abhandl. der Akad. der Wissensch. in Berlin 1833, 1836 und 1841) ein bequemes Hülfsmittel der leichten Artenunterscheidung an die Hand. Mit diesen classischen Arbeiten über verschiedene Gruppen von Versteinerungen war aber zugleich auch eine feste Grundlage für eine eingehende scharfe Gliederung der schichten- und versteinerungsreichen Formationen gewonnen, wie es B. beim Beginn seiner paläontologischen Studien beabsichtigt [474] hatte. Er ging sofort daran, die gewonnenen Resultate nunmehr praktisch für die Gebirgsforschung zu verwerthen, indem er die jurassischen Ablagerungen in Deutschland zunächst zum Ausgangspunkte wählte. Auch hier muß Buch’s Thätigkeit als bahnbrechend bezeichnet werden. Indem er in Deutschland einen schwarzen, braunen und weißen Jura unterscheiden und bei jeder dieser Abtheilungen in ganz bestimmten Schichten ganz bestimmte Versteinerungen kennen lehrte, zugleich auch die Uebereinstimmung mit Ablagerungen in außerdeutschen Ländern mit dem Lias, Dopper und Oolith Englands nachwies, war das Fundament gelegt für die später mit so großem Erfolge durchgeführte Gliederung der Schichtgesteine und für die sogenannte vergleichende Geognosie („Ueber den Jura in Deutschland“, Abhandl. der Akad. der Wissensch. in Berlin gelesen 1838). Mit dieser schwierigen Arbeit hatte der alternde Meister noch einmal mächtig in den Entwicklungsgang der neueren Geognosie mit entschieden noch größerem Glück und Erfolg als früher eingegriffen. Mit inniger Befriedigung konnte der so vielseitig thätige Geologe sehen, wie der Samen, den er so reichlich ausgestreut, die reichsten Früchte trug. Aber immer noch war seine Thätigkeit nicht ermattet, noch immer griff er zum Wanderstab, sobald es ihm Jahreszeit und Gesundheit erlaubten, um in den Alpen oder in anderen Theilen Deutschlands, wo immer er darauf hoffen konnte, eine geologische Frage durch directe Beobachtung zu prüfen und zu lösen; meist allein und zu Fuß, ein wandelnder Einsiedler, nahm er solche Untersuchungen vor. Auch versäumte er fast keine der jährlich wiederkehrenden Versammlungen der Naturforscher in Deutschland, in der Schweiz oder in Frankreich, um die alten persönlichen Bekanntschaften stets frisch zu erhalten, neue Anknüpfungspunkte mit dem jüngeren Geschlechte zu gewinnen, das er stets an sich zu fesseln wußte, hier aufmunternd, im Stillen wol auch materielle Unterstützungen zu wissenschaftlichen Reisen gewährend, doch die Vorlauten und Eitelen oft in etwas rauher Art zurechtweisend und demüthigend. B. wurde in diesen Kreisen als Herr und Meister ohne Widerspruch anerkannt und ihm freudigst Huldigungen dargebracht. Auch seine publicistische Thätigkeit setzte B. in späterer Zeit fleißig fort, wie mehrere interessante Abhandlungen bezeugen: „Ueber die Verbreitung der Juraformation auf der Erdoberfläche“ (Monatsschr. der Akad. der Wissensch. in Berlin, 1852), „Ueber die Lagerung der Braunkohle in Europa“ (das. 1851), „Ueber die Vertheilung der Blattnerven“ (das. 1852).

In den letzterwähnten Aufsätzen versuchte der Altmeister die Einheit der Braunkohlenbildung durch ganz Europa gegenüber der großen Zersplitterung, in welche diese Ablagerungen durch die Phytopaläontologen gebracht worden waren, wiederherzustellen und gab darin zugleich eine Studie über die Nervatur der fossilen Blätter behufs ihrer richtigeren Bestimmung. Dies war eine der letzten Arbeiten Buch’s. Denn eine begonnene Untersuchung über Trilobiten war ihm nicht mehr durchzuführen vergönnt. Noch in seinem letzten Lebenssommer 1852 sah man ihn, wiewol sichtlich gebückt, aber noch immer geistesfrisch nacheinander auf den Naturforscher-Versammlungen zu Koblenz, Sitten, Metz und Wiesbaden. Er unternahm sogar noch im Herbste eine Reise nach Lyon, um mit Daubrée das von ihm noch nicht besuchte so interessante Vivarais zu durchwandern. Von hier ging er dann nach Paris, und von da für die Wintermonate wieder nach Berlin zurück. Hier ereilte ihn nach einem Unwohlsein von nur wenigen Tagen der Tod. Trefflicher, als dies v. Dechen gethan, läßt sich über B. nicht urtheilen: „Auf fortgesetzten Reisen während des größten Theiles des Jahres stand B. mit den ausgezeichnetsten Gelehrten in ganz Europa in dem lebendigsten persönlichen Verkehr; er kannte ihre Ansichten, er wußte von ihren Arbeiten; in allen Sammlungen von Edinburgh bis Neapel hatte er [475] Beobachtungen angestellt. Ueberall war er zu Hause, die kleinsten Umstände waren ihm gegenwärtig. Das außergewöhnlichste Gedächtniß unterstützte er noch durch eisernen Fleiß. Sein Tagebuch war eine unversiegbare Quelle von Aufzeichnungen der seltensten Art. So war er überall wo er hinkam, ein wahres Orakel für die begierigen Jünger der Wissenschaft, wer ihm nahte, mußte lernen. Ueberall spendete er sein Wissen und verbreitete die Kenntnisse, welche sich auch selbst jetzt noch so oft dem gewöhnlichen Bücherverkehr entziehen. Ueberall, wo er wahre Liebe zur Wissenschaft fand, die sein Heiligthum war, konnte Niemand heiterer, mittheilender, belehrender sein, als er. Sein reicher Geist entwickelte die Ansichten in anziehender, schnellster Folge. Er besaß die feinste, in den höchsten Kreisen des Lebens, in den mannigfachsten Verhältnissen der Reisen erworbene Bildung, wie sie sich in einem so reinen und freien Gemüthe zur schönsten Blüthe menschlichen Adels entwickelt. Sein Geist beherrschte nicht allein die Kenntnisse seines Fachs und der verwandten Naturwissenschaften, die ausgedehnte Kenntniß der lebenden Sprachen vom Süden bis zum Norden Europa’s, die Vertrautheit mit der Geschichte, mit der alten und neuen Litteratur verliehen ihm jene Sicherheit, jenen Ueberblick, der so wohlthuend in allen seinen Gesprächen sich kundgab. Seine Achtung vor der Wahrheit konnte es nicht dulden, wenn er Täuschung irgend einer Art zu erblicken wähnte, darin mochte er aber bisweilen zu weit gehen. Wer die Wissenschaft nur als Mittel zu anderen selbstischen Zwecken nutzen wollte, den schlug er mit harten, selbst verletzenden Worten. Er war empört. Eitelkeit verfolgte er mit Ironie, wenn es sein mußte mit scharfem Spott. Mittelmäßigkeit, welche sich breit machte und den ersten Platz einnehmen wollte, hielt er in Schranken, so war er denn verehrt, geliebt und gefürchtet, je nach der Eigenthümlichkeit derer, welche sich ihm nahten. Er war aber immer einer und derselbe, in Sprache und Schrift, aus einem Gusse durch und durch. Wie milde, wie zart im Wohlthun, wie unerschöpflich in reichen Gaben er sich bewiesen, das werden gewiß Viele mit innigstem Danke bezeugen, die dies erfahren haben. Die Tiefe seines Gemüthes offenbarte er in dem innigen Verhältnisse zu seinen Geschwistern. Die Lebendigkeit seines Gefühles trat gleich mächtig in der Treue und Anhänglichkeit für das erhabene Herrscherhaus, wie in der Liebe und Begeisterung für die Person des königlichen Herrn hervor, der seinen Verdiensten die gerechtesten und ehrenvollsten Auszeichnungen hatte zu Theil werden lassen. Er fühlte tief und warm für alles, was dem edlen Menschen theuer zu sein verdient. Er hat seine Geistesfrische bis zu seinem Ende bewahrt, die aus seinen letzten Arbeiten Jeden anspricht, die immer von neuem Jeden überraschte, der ihn erst in den letzten Jahren seines Lebens kennen lernte.“ Dann: „Ungewöhnliche Gaben des Geistes, einen seltenen Scharfsinn, eine Beobachtungsgabe und Auffassung, wie sie wenigen Sterblichen verliehen ist, hat er durch Ausdauer, durch Selbstverleugnung erhöht, und zum Ruhm seines Vaterlandes für die Fortschritte der Wissenschaften verwendet.“

L. v. Buch’s gesammelte Schriften, herausgegeben von Ewald, Roth und Eck, I. Bd. 1867; II. Bd. 1870. Friedr. Hoffmann, Geschichte der Geognosie 1838, S. 121–156. L. v. Buch, Gedächtnißrede von Carnal 1853 (Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, Bd. V). L. v. Buch, Vortrag von H. v. Dechen, Bonn 1853 (Verhandlungen des naturforschenden Vereins für Rheinland und Westfalen, Bd. X. S. 241–265). B. Cotta, Erinnerungsfeier an L. v. Buch (Illustr. Zeitung 1853). Nöggerath, Mittheilungen über L. v. Buch (Kölnische Ztg. 1853). v. Haidinger, Zur Erinnerung an L. v. Buch (Jahrb. der geologischen Reichsanstalt in Wien, Bd. IV. 1853, S. 207). L. v. Buch, sein Leben und seine wissenschaftliche Bedeutung (Die Fortschritte der Naturwissenschaften in biographischen Bildern IV. Heft, 1857).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Verbinbindung