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ADB:Delitsch, Otto

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Artikel „Delitsch, Otto“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 648–651, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Delitsch,_Otto&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 16:12 Uhr UTC)
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Delitsch: Otto D., Geograph, ist am 5. März 1821 zu Bernsdorf unweit Zwickau in Sachsen als Sohn des dortigen evangelischen Pfarrers geboren. Er verlebte seine erste Kindheit an diesem Orte, seine späteren Jugendjahre aber in Neukirchen bei Chemnitz, wohin sein Vater 1826 versetzt worden war. Er wurde mit seinen Geschwistern von einem Hauslehrer unterrichtet und zeigte schon als Knabe große Vorliebe für die Länder- und Völkerkunde. Er las alle ihm erreichbaren geographischen Werke, verfertigte Auszüge aus denselben, zeichnete Karten ab, stellte sich statistische Tabellen zusammen, lernte dieselben auswendig und unternahm in den Ferien Fußwanderungen durch das ganze sächsische Erzgebirge. Auch übte er sich im Ausmessen von Straßen, Gewässern, Wiesen und Feldern und entwarf auf Anregung seines Vaters mit Hülfe eigener Vermessungen eine Menge von Flurkarten seiner Heimathsgegend. [649] Als 1834 ein sächsischer Officier in Neukirchen eintraf, um dort topographische Aufnahmen zu machen und die Meßtischblätter der sächsischen Generalstabskarte zu verbessern, schloß sich D. ihm an, begleitete ihn auf allen seinen Ausflügen und erlernte den Gebrauch der Meßgeräthe und die nöthigsten technischen Handgriffe. 1835 kam er auf das Gymnasium zu Annaberg. Er wendete sich mit Eifer und Erfolg den classischen Studien zu, versäumte aber nie, während der Ferien längere Fußreisen durch Sachsen und Thüringen zu unternehmen, auf die er sich vorher aus allerlei geographischen Werken möglichst gründlich vorbereitete. Nach glücklich bestandener Abgangsprüfung bezog er 1839 die Universität Leipzig, um auf Wunsch seines Vaters Theologie zu studiren. 1842 legte er die theologische Candidatenprüfung ab und nahm eine Hauslehrerstelle zuerst in Kieritzsch bei Borna, dann in Buchholz bei Annaberg, endlich in Wahren bei Leipzig an. In seinen Mußestunden beschäftigte er sich andauernd mit der Geographie, insbesondere mit dem Abzeichnen von Landkarten. Da sich ihm keine Aussichten auf ein Pfarramt eröffneten, nahm er Ostern 1850 eine Stelle an der Realschule in Leipzig, die sich unter der Leitung des Directors Karl Vogel weithin eines guten Rufes erfreute, an und ertheilte den Unterricht in Religion und Realien. Neben seinem Amte beschäftigte er sich eifrig mit Geographie, jedoch auch mit den beschreibenden Naturwissenschaften und mit fremden Sprachen, von denen er schließlich nahezu alle germanischen und romanischen wenigstens einigermaßen beherrschte. Da er ein tüchtiger Zeichner war, entwarf er zunächst für seine eigenen Unterrichtsstunden einen Schulatlas, den er 1855 auf Anregung des Directors Vogel als Elementaratlas der allgemeinen Geographie herausgab. Vogel war schon früher auf den Gedanken gekommen, sogenannte stumme Schulkarten herzustellen, welche keine Namen enthielten und auf Wachstuch gedruckt waren, so daß der Lehrer oder der Schüler auf ihnen allerhand Einträge mit weißer oder farbiger Kreide vornehmen und diese mit einem nassen Schwamme jeder Zeit wieder wegwischen konnte. D. war der geeignete Fachmann zur Ausführung dieser Idee. Er ließ seit 1855 Wandkarten der beiden Hemisphären von Europa und Mitteleuropa aus Wachstuch, sowie Handkarten für Schüler aus Wachspapier herstellen und legte die Vorzüge derselben in einer Abhandlung dar. Sie wurden bald in vielen Schulen eingeführt und sind noch heute hier und da im Gebrauch. In den folgenden Jahren traten seine geographischen Studien hinter den theologischen zurück, so daß er nur 1858 eine Programmabhandlung über die Geschichte der sächsischen Landkarten veröffentlichte. Ein Leipziger Verleger hatte ihn nämlich aufgefordert, ein Bibelwerk mit erläuternden Anmerkungen herauszugeben, das ihm jahrelange Arbeit kostete, ehe es endlich unter dem Titel „Payne’s Illustrirte Prachtbibel“ 1862 erschien. In demselben Jahre veranstaltete er auch eine neue, umgearbeitete Ausgabe von K. Th. Wagner’s Zeittafeln zur Staatengeschichte. Nun konnte er sich wieder ganz der geographischen Thätigkeit widmen. Als Frucht derselben erschien noch im J. 1862 die Abhandlung „Mitteleuropa, orographisch-hypsometrisch und hydrographisch dargestellt“. In den nächsten Jahren beschäftigte ihn die Neubearbeitung einzelner Theile des großen Handbuches der Geographie und Statistik von Stein und Hörschelmann. Noch ehe er jedoch dieses Werk zum Abschluß brachte, entstand in ihm der Wunsch, seine reichen geographischen Kenntnisse durch akademische Vorträge weiteren Kreisen zu vermitteln. Er erwarb deshalb 1865 den philosophischen Doctorgrad und habilitirte sich im Wintersemester des folgenden Jahres als Privatdocent an der Leipziger Universität mit einer Abhandlung über die kartographische Darstellung der Bevölkerungsdichtigkeit von Westdeutschland auf [650] Grund hypsometrischer und geognostischer Verhältnisse, in welcher er versuchte, an einem Theile Deutschlands nachzuweisen, wie die Volksdichte in natürlichem Zusammenhange mit Bodenhöhe, Bodenform und geognostischer Bodenbeschaffenheit steht. Seine Vorlesungen über allgemeine Geographie, Landeskunde von Deutschland und Palästina, Geschichte der neuesten Forschungsreisen, Entdeckungsgeschichte Afrikas und Methodik des geographischen Studiums und Unterrichts litten zwar zeitweise in den Jahren 1871–75 unter dem Wettbewerbe Oscar Peschel’s, fanden jedoch eine fleißige und zahlreiche Zuhörerschaft. 1866 vollendete er die orographischen Abschnitte über Deutschland, Italien und die Schweiz, sowie die Nachträge und Ergänzungen zu Afrika in der 7. Auflage von Stein und Hörschelmann’ Handbuch, sowie eine Neubearbeitung von Stein’s Geographie für Schule und Haus. Im nächsten Jahre schloß er als Ergebniß langjährigen Nachdenkens und vieler praktischer Versuche seine „Beiträge zur Methodik des geographischen Unterrichts, namentlich des Kartenlesens und Kartenzeichnens in den Schulen“ ab. Sein Bestreben, auch in weiteren Kreisen geographische Kenntnisse zu verbreiten, veranlaßte ihn 1869 zur Gründung der Zeitschrift „Aus allen Welttheilen“, deren Redaction er übernahm. Sie erschien zu sehr mäßigem Preise in illustrirten Wochennummern und trat von Anfang an nicht nur in belehrendem, sondern auch in unterhaltendem Gewande auf. Sie enthielt namentlich populär gehaltene Mittheilungen über wichtige Reisen und Entdeckungen, über die Ergebnisse bedeutsamer Forschungen aus dem Gesammtgebiete der Naturwissenschaften, Aufsätze aus dem Bereiche der mathematischen, physischen und historischen Geographie, sowie der Ethnographie und Statistik, jährliche Uebersichten über den Fortschritt des geographischen Wissens, Schilderungen von Ländern im Ganzen und von einzelnen charakteristischen Gebieten im Besonderen und Besprechungen der neu erschienenen Schriften und Karten. – 1870 bearbeitete er, veranlaßt durch die Zeitereignisse, eine große Karte der deutsch-französischen Grenzgebiete. 1871 gründete er eine Geographische Gesellschaft für Studirende, von der unter seiner Leitung Vorträge, Discussionen und praktische Uebungen abgehalten wurden. Um dieselbe Zeit gab er eine geographisch-statistische Beschreibung Westindiens und der Südpolarländer im Anschluß an das mehrerwähnte Handbuch von Stein und Hörschelmann heraus. 1874 erfolgte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor der Geographie. 1875 veröffentlichte er eine Wandkarte von Sachsen, die in vielen Schulen Eingang fand und mehrere Auflagen erlebte. 1878 veranstaltete er eine neue Ausgabe seiner Methodik des geographischen Unterrichts. Doch mußte er in demselben Jahre wegen Ueberhäufung mit Geschäften und zunehmender Krankheit die Redaction seiner Zeitschrift andern Händen übergeben. Die letzten Jahre seines Lebens verwendete er zu einer Neubearbeitung des vielverbreiteten, aber ziemlich veralteten Daniel’schen „Handbuches der Geographie“, das er wieder auf die Höhe der Wissenschaft zu bringen versuchte. 1880 erschien sein letzte Schrift: „Deutschlands Oberflächenform, Versuch einer übersichtlichen Darstellung auf orographischer und geologischer Grundlage“, eine Frucht langjähriger Vorstudien und vieler Reisen. Aber die mühevolle schriftstellerische Arbeit hatte im Verein mit der Lehrthätigkeit an der Schule und Universität seine Kräfte vor der Zeit erschöpft. Am 15. September 1882 erlag er zu Leipzig einem schweren inneren Leiden. Er war von hoher Begabung, unermüdiicher Arbeitskraft, seltenen Kenntnissen, ausgezeichnetem Lehrgeschick und großer Bescheidenheit, jedoch mehr ein Mann des Wissens als der Ideen. Seine Verdienste um die Methodik des geographischen Unterrichts sichern ihm ein dauerndes Andenken. Außer seinen selbständigen Schriften hat er eine [651] überaus große Zahl von kleineren Aufsätzen verfaßt, die er vorwiegend in seiner Zeitschrift „Aus allen Welttheilen“, vereinzelt auch in den Jahresberichten des Leipziger Vereins für Erdkunde, den er 1861 mit begründete und dem er lange Jahre als Schriftführer angehörte, sowie in Petermann’s Mittheilungen veröffentlichte.

O. D., Bildungsgang und Lebensarbeit im Dienste der Geographie (Selbstbiographie): Aus allen Welttheilen 1879, 10, 353, auch in den Mittheilungen d. Vereins f. Erdkunde zu Leipzig 1882/83, S. 1. – Hahn, O. D. und seine Bedeutung für die Erdkunde. Ausland 1882, Nr. 43.