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ADB:Daniel, Hermann Adalbert

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Artikel „Daniel, Hermann Adalbert“ von Friedrich August Eckstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 731–734, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Daniel,_Hermann_Adalbert&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 07:46 Uhr UTC)
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Daniel: Hermann Adalbert D., geb. 18. Nov. 1812 in Köthen, † 13. Sept. 1871 in Leipzig, Theolog, Schulmann und Geograph. Sein Vater war Regierungs-Procurator, wurde später als Stadtrichter nach Seehausen in der Altmark versetzt und starb am 3. März 1816; die nachher in Berlin lebende Mutter ist hochbejahrt dem Sohne nur um wenige Jahre im Tode vorangegangen. Seine Schulbildung hat er auf dem Domgymnasium in Halberstadt erhalten; Maaß, Thiersch und Th. Schmid waren die Lehrer, deren er mit besonderer Dankbarkeit gedachte. Nach einer Schulzeit von 81/2 Jahren bezog er die Universität Halle, wo er am 3. Mai 1830 als Student der Theologie und Philosophie inscribirt wurde. Ziemlich mittellos verbrachte er seine akademischen Jahre in rastlosen und sehr umfassenden Studien, so daß er nicht bloß die beiden theologischen Prüfungen (am 28. Juli 1834 machte er das Examen als Predigtamtscandidat) rühmlichst bestand, sondern auch am 14. Mai 1835 die philosophische Doctorwürde und am 24. November desselben Jahres in der Prüfung für das höhere Schulamt das selten ertheilte Zeugniß der unbedingten Facultas docendi erwarb. Um ein Predigtamt sich zu bewerben ist ihm nie in den Sinn gekommen. Der Schule beschloß er sich zu widmen und zwar seiner Schule, der er mit seltener Treue anhing, dem kgl. Pädagogium in den Franckischen Stiftungen in Halle. Michaelis 1834 wurde er ordentlicher Lehrer an demselben, am 1. October 1847 Inspector adiunctus, welches Amt ihm die besondere Leitung des Alumnats jener Schule auferlegte. Am 25. Febr. 1854 erhielt er den Professortitel. Als Ostern 1870 die Anstalt behufs der Vorbereitung ihrer völligen Schließung eine andere Gestalt erhielt, mochte er nicht länger an dieser Stätte seiner segensreichen Wirksamkeit weilen, zumal schwere Körperleiden auch [732] seine Gesundheit sehr erschüttert hatten. Er trat Ostern 1870 in den Ruhestand und wählte Dresden zu seinem Wohnsitze. Die Regierung verlieh ihm den Adler des Hausordens von Hohenzollern. Man dachte wol daran, ihm ein akademisches Lehramt für Geographie zu übertragen, aber das widerstrebte seiner Neigung, das ließen auch seine Kräfte nicht mehr zu. Auf der Rückkehr von einer Erholungsreise aus Westfalen traf ihn in Leipzig ein Schlaganfall; er fand in dem Krankenhause daselbst die beste Pflege und hatte bisweilen noch Hoffnung auf Wiederherstellung. Umsonst, er erlag zuletzt bewußtlos seinen Leiden am 13. September und wurde am 16. September 1871 auf dem Friedhofe bestattet, wo der Unterzeichnete ihm die Grabrede hielt.

D. war zunächst und vor allem Schulmann; die Thätigkeit als Lehrer und Erzieher war dem unverheiratheten Manne die liebste und er pflegte die weiten Räume und Gartenanlagen des „Pädgens“ (Abkürzung für Pädagogium) außer den Ferien selten zu verlassen. Als Lehrer der Geographie und Geschichte war er vortrefflich, das läßt sich schon aus seinen Lehrbüchern ahnen. Der Religionsunterricht, den er auf allen Stufen des Gymnasiums ertheilt hat, lag ihm besonders am Herzen; hier unterstützten ihn seine gründlichen theologischen Kenntnisse, aber recht wirksam und eindringlich wurde dieser Unterricht durch das pectus, die innere Betheiligung seines tiefen Gemüths, und durch die weise Auswahl des Stoffes, die von seiner Begabung in der Didaxis zeugte. Im Deutschen entwickelte er seine Meisterschaft in der Auswahl der Aufgaben zu den freien Aufsätzen, deren Sinnigkeit Vielen ein Muster sein könnte, und in der Correctur derselben durch schlagende Randbemerkungen, die mehr als lange Reden auf den richtigen Weg hinleiteten. Er erklärte gerne deutsche Dramen, die gemeinsam gelesen wurden, und behandelte die Litteraturgeschichte mehr aus dem Gesichtspunkte der allgemeinen Cultur höchst anregend. In der Zucht paarte er Ernst und Milde, liebte den gemüthlichen Verkehr mit seinen „Scholaren“ und genoß das allgemeine Vertrauen und die herzliche Liebe derselben, mit der sie auch seine kleinen Schwächen gerne übersahen. Gern kehrten sie auch nach langer Trennung zu ihm zurück und bewahrten ihm treue Anhänglichkeit. Unter schwierigen Verhältnissen war er lange Jahre der eigentliche Mittelpunkt und die sichere Stütze des Alumnats, dessen Schließung ihn mit dem tiefsten Schmerze erfüllte, war der Mann, an den auch die meist den höheren Ständen angehörenden Eltern der Schüler am liebsten sich wendeten.

Seine schriftstellerische Thätigkeit hat 1833 mit „Zehn Dichtungen“ begonnen, die er zum Besten einer milden Stiftung in Halle herausgab und damit einer wohlthätigen Frau Lehmann dankte, die sich des armen Studenten freundlichst angenommen hatte. Seinen Ruf als Gelehrter begründete er zunächst durch theologische Arbeiten, die sich über alle Gebiete dieser Wissenschaft erstrecken. Dogmengeschichtlich ist „Tatianus der Apologet“ (1837), die erweiterte Ausführung einer Preisaufgabe, welche 1832 von der theologischen Facultät gekrönt war. Kirchengeschichtlich ist der erste große Aufsatz in den „Theologischen Controversen“ (1843) über die Lehre von der Schrift als Erkenntnißquelle, die er bis zu dem Schlusse des Mittelalters durchgeführt hat, und der Vortrag über den heil. Ansgar als das Ideal eines Glaubensboten (1842), den er dreimal hat drucken lassen. Für die Schule gab er 1840 eine „Erklärung von Luther’s kleinem Katechismus“; für die Lehrer das „Hülfsbuch für den Gottesdienst der Gymnasien“ (1838), zu dem ihn die hallische Praxis der Schulgottesdienste besonders trieb. Wie er selbst bei denselben in eindringlicher Weise zu reden verstanden hat, erkennt man aus den mit H. J. Eckardt 1845 herausgegebenen „Geistlichen Reden in den Sonnabendsandachten des kgl. Pädagogii“. Er war aber auch einer der gelehrtesten Kenner der Hymnologie; die Frucht langjähriger Studien liegt in den [733] fünf Bänden des „Thesaurus hymnologicus“ (1841–1856) vor. Aber auch der reiche Schatz deutscher Kirchenlieder war von ihm durchstudirt und er hat seine schönen Kenntnisse auf diesem Gebiete und seine zarte Schonung für die Ueberlieferung nicht blos in dem für das ganze protestantische Deutschland in Angriff genommenen allgemeinen Gesangbuche, sondern auch speciell im Interesse der Franckischen Stiftungen in der Bearbeitung von Niemeyer’s „Gesangbuch für höhere Schulen“ (1837) und in dem allgemeinen „Schulgesangbuch der Franckeschen Stiftungen“ (1846. 1859) bewährt. Ebendahin gehört der „Hymnologische Blüthenstrauß“ (1840), „Wahrheit und Dichtung von unserem Herrn Jesu Christo“ (1847) und die „Auswahl aus den geistlichen Liedern und Dichtungen des Grafen von Zinzendorf“ (Bielefeld 1851), dem er als einem ehemaligen Schüler seiner Anstalt nähere Theilnahme schenkte. – Nicht minder mühselig war die Zusammenstellung der liturgischen Formen der verschiedenen Kirchen in den vier umfangreichen Bänden des „Codex liturgicus“ (Lips. 1847–1854 bei T. O. Weigel).

Neben diesen theologischen Arbeiten gingen die geographischen seit dem J. 1845. Er hat nie einen bedeutenden Geographen gehört (Ritter’s Bekanntschaft machte er sehr spät 1856), hat auf seinen regelmäßigen Ferienreisen sich kaum über die deutschen Grenzen hinausgewagt, aber er hatte ältere Geographen und neuere Werke fleißig studirt und besaß einen offenen Blick für Land und Leute. Und so entstand die lebensvolle Darstellung, der überall sein eigener Geist aufgeprägt ist, so die meisterhafte praktische Verwerthung der Ergebnisse moderner Wissenschaft, die seinen Schriften allgemeinen Eingang verschafft hat. Die geschichtliche Entwicklung, die fesselnde Darstellung der Charaktere der Völker und die hübschen Städtebilder, dazu das warme deutsche Vaterlandsgefühl, das von Particularismus fern war, sogar der versöhnende Standpunkt in den kirchlichen Fragen ist seine Eigenthümlichkeit. Er begann mit dem „Lehrbuche der Geographie“ 1845, das jetzt in 39. von A. Kirchhoff besorgter Auflage vorliegt, das in allen deutschen Schulen Eingang gefunden hat und vielfach in fremde Sprachen übersetzt ist. 1850 bearbeitete er zuerst den „Leitfaden“, der in mehr als 90 Auflagen bereits gedruckt ist. Beide Bücher sind für die Verbesserung des geographischen Unterrichts epochemachend gewesen und haben auch ihrem Verfasser in den letzten Jahren durch ihren Ertrag eine angemessene Unterstützung gewährt. Größeres hatte er im Sinne bei dem großen dreibändigen „Handbuche der Geographie“, dessen erste Auflage 1859–62, die zweite in vier Bänden, Leipzig 1866–68, die dritte 1870 u. 1871, die vierte nach seinem Tode 1875 erschienen ist. Auch aus diesem umfassenden Werke gab er ein kleineres Handbuch (1872 und 1874). Am liebsten war ihm „Deutschland nach seinen physikalischen und politischen Verhältnissen geschildert“, 2 Bde. (1863. 1866. 1869 in 3 Bdn. und 1875). Schon 1852 hatte er es in einem kleinen Schriftchen in den bei Brockhaus erschienenen unterhaltenden Belehrungen zur Förderung allgemeiner Bildung behandelt. Des deutschen Reiches Herrlichkeit war sein Ideal, aber das ganze Deutschland sollte es sein, und darum erfüllten ihn die Ereignisse des J. 1866, welche Oesterreich von Deutschland trennten, mit großem Schmerze. Die Siege des deutsch-französischen Krieges und die Wiedergewinnung der alten Reichslande Elsaß und Lothringen versöhnten ihn mit der Neugestaltung des Vaterlandes und er säumte nicht, sofort einen kurzen Nachtrag zu dem vierten Bande des Handbuchs zu liefern. Weniger glücklich ist er bei der Herausgabe der Ritter’schen Collegienhefte gewesen, die von den Erben an G. Reimer verkauft waren. Auf Reimer’s Wunsch gab D. 1862 die „Geschichte der Erdkunde“ und die „Entdeckungen“, nur einen Theil des Hefts, dessen Rest 1862 als „Allgemeine Erdkunde“ erschien, aber leider ohne alle Angabe der betreffenden Litteratur, auf welche Ritter großen Werth legte. 1863 folgte Europa. Dem Verdienste des großen Geographen [734] widmete er einen besonderen Artikel in den Preußischen Jahrbüchern (abgedruckt in den Zerstreuten Bl. S. 163–198).

Was er außerdem hat drucken lassen, war theils durch amtliche Nöthigung, theils durch das Drängen der Herausgeber von Zeitschriften veranlaßt. Zu den ersteren rechne ich seine Programmabhandlungen „Ueber das pädagogische System des Comenius (1889), „Bürger auf der Schule“ (1845), die Festrede zur Feier des 100jährigen Geburtstags Schiller’s und des Todestags des Grafen von Zinzendorf (1860), „Ueber die Kirchweihhymnen“ (1868), „Ueber die Gratulationsschrift zur Feier der 25jährigen Amtsthätigkeit des Dr. Eckstein“ (1856) und die geschichtlichen Nachrichten über das kgl. Pädagogium in der Festschrift: „H. A. Francke’s Stiftungen“ (1863). Von Zeitschriften bedachte er Masius’ „Der Jugend Lust und Lehre“ mit höchst anmuthigen Reisebildern und dem „Charakterbild der Katze“, das „Hallische Wochenblatt“ mit culturgeschichtlichen Darstellungen u. a. Ja einige Zeit hindurch erbot er sich, politischer Redacteur des „Waisenhaus-Couriers“ zu werden, und war bemüht der Concurrenz der gleichbenannten hallischen Zeitung nicht nachzustehen. Viele seiner kleinen Arbeiten hat er selbst in den „Zerstreuten Blättern“ (1866) zusammengestellt.

D. lebte das Stillleben eines Junggesellen in strenger Einhaltung regelmäßiger Ordnung, die sein Gesundheitszustand gebot. Mit den Hühnern suchte er seine Nachtruhe, vor den Hühnern war er munter bei seiner Arbeit. Die Einsamkeit erheiterte er durch seine Lust an der Thierwelt, besonders an Katzen. Auch freute er sich jedes Besuchs, den er auf das angenehmste unterhielt. Freigebig unterstützte er Bittende und Bedürftige; manche kleinere und selbst größere Schrift ist blos zu diesem Zwecke veröffentlicht. Auf seinen Reisen hatte er überall Freunde gefunden, die sich seines Umgangs erfreuten und ihn immer wieder begehrten, besonders auch in den Klöstern und unter den katholischen Gelehrten. Seine Studien hatten ihn zunächst zu diesen geführt. Die Tiefe des religiösen Gemüths hat ihm wiederholt schwere Gewissenskämpfe bereitet und den Gedanken eines Uebertritts zur katholischen Kirche noch in seinen letzten Leidenstagen nahe gelegt. Es ist nicht mehr dazu gekommen. Seiner Anhänglichkeit an die Anstalt, welcher er seine beste Kraft gewidmet hatte, bewährte er noch in den Bestimmungen seines Testaments, in welchem er seine Bücher (er hatte nie mit Vorliebe gesammelt, noch die Bücher sehr geschont) der Bibliothek des Pädagogiums vermacht und eine Summe ausgesetzt hat, um den Betsaal mit einem Kronleuchter zu versehen, sobald die Anstalt einmal wieder hergestellt werden sollte.

In dem „Daheim“ wurde 1872 von einem lieben Schüler ein Lebensbild mit einem Porträt in Holzschnitt gegeben, das dann, Halle 1872, in einem besonderen Abdruck erschienen ist.