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ADB:Eickemeyer, Rudolf

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Artikel „Eickemeyer, Rudolf“ von Emanuel Leser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 743–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eickemeyer,_Rudolf&oldid=- (Version vom 16. Dezember 2024, 08:50 Uhr UTC)
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Eickemeyer: Rudolf E., Ingenieur und während der Revolutionskriege einige Jahre Officier in französischen Diensten, war am 11. März 1753 in Mainz geboren, † am 9. Septbr. 1825 zu Gaualgesheim. Von seinem Vater, der aus dem Eichsfeld stammte, in Göttingen Mathematik studirt hatte und dann kurfürstlich mainzischer Ingenieurofficier geworden war, schon frühe in dessen Fachwissenschaft eingeführt, erhielt er bereits 1770 bei der Artillerie ebenfalls die Stelle eines Officiers. Bei der Begründung der Schullehrerakademie für den Kurstaat im J. 1771 wurde ihm der Unterricht in der Mathematik übertragen und unter dem folgenden Kurfürsten die Professur derselben Wissenschaft an der Universität. Ehe er jedoch hier seine Thätigkeit begann, begab er sich Ende Januar 1775 zu seiner weiteren Ausbildung auf Reisen, studirte anderthalb Jahre in Paris und besuchte dann die Niederlande und England, namentlich den Werken der Wasser- und der Kriegsbaukunst seine Aufmerksamkeit widmend. Nach seiner Rückkehr nach Mainz begann er seine Lehrvorträge, war aber außerdem im Militärdienste und in der Civilverwaltung beschäftigt und rückte allmählich bis zum Oberstlieutenant und zum Wasserbaudirector auf. Bereits 1779 war er der oberste Ingenieurofficier und hätte als solcher vor allem für die Unterhaltung der Mainzer Festungsanlagen zu sorgen gehabt, wenn es nicht der ausgesprochene Wille der Regierenden gewesen wäre, jede Aufwendung für [744] diesen Zweck zu vermeiden. Erst nach Ausbruch der französischen Revolution kam etwas mehr Bewegung in das mainzische Militärwesen. 1790 wurde der Feldzug gegen die Lütticher Insurgenten unternommen; auch E. ward zur Armee commandirt, dann aber so wenig in Anspruch genommen, daß er Muße fand, eine Preisfrage der Münchener Akademie auszuarbeiten. Als im Herbst des folgenden Jahres in Frankreich kriegerische Gelüste sich offenbarten, erhielt er zuerst den Auftrag, einen Plan auszuarbeiten, wie die Festung Mainz widerstandsfähig gemacht werden könne. Nach seinem Vorschlag wurden in der That die Thore in den Stand gesetzt, die Festungsgräben zum Theil ausgebessert, Zugänge durch Pallisaden verlegt, in den Außenwerken wenigstens die nothwendigsten Herrichtungen unternommen. Diese Arbeiten währten bis zum Juli 1792, wurden aber, aus welchem Grunde immer, eingestellt, nachdem der Kaiser und der König von Preußen von Mainz aus zum Kriege gegen Frankreich aufgebrochen waren. Doppelt groß war daher die Bestürzung, als am 1. und 2. Octbr. die Nachrichten über die Einnahme von Speyer durch Custine nach Mainz gelangten. Jetzt wurde mit wirklichem Eifer nachzuholen versucht, was man die vorhergehenden zehn Wochen versäumt hatte. E. setzte es gegen die Meinung der Generalität durch, daß vor allem auf die Vertheidigung der Außenwerke gedacht, die Herrichtung derselben fortgesetzt und ihre Ausrüstung mit dem nöthigen Geschütz bewerkstelligt wurde. Als der Feind in der Nacht vom 18. auf den 19. Octbr. in der nächsten Umgebung der Stadt erschien, fand er die wichtigen Punkte wenigstens nicht unbesetzt. Aus eigener Initiative betrachtete E. am folgenden Vormittag vom höchstgelegenen Punkte in Mainz die heranziehenden Franzosen. Was er aus seinen Wahrnehmungen schloß, war nicht allzu besorgnißerregend; es ging dahin, daß der Feind wol einige 20000 Mann stark sein möchte, aber nur Feldartillerie mit sich führe, daher nicht im Stande sei, vorerst eine regelrechte Belagerung zu beginnen. Trotzdem er dem Gouverneur seine Beobachtungen ausführlich mitgetheilt hatte, fand dieser für nöthig, am 20. gleich die erste Aufforderung Custine’s, die Festung zu übergeben, einem Kriegsrath zur Beantwortung vorzulegen. Die zugezogenen Generäle sprachen sich einstimmig für die Uebergabe aus. Nur E., dem die Führung des Protokolls übertragen war, erklärte, als er um seine Meinung gefragt ward, daß der Feind bei dem gehörigen Widerstand durch einen Sturm kaum etwas ausrichten könne, wäre aber erst ein solcher zurückgeschlagen, gänzlich abziehen müsse. Allein der Versammlung schien die Besatzung zu schwach, und sie entschied sich, da auf Verstärkung keine Aussicht sei, nochmals für die Capitulation. E. wurde, als der französischen Sprache am mächtigsten, in das feindliche Hauptquartier geschickt. Er sollte einen verschlossenen Brief des Gouverneurs überbringen, der freien Abzug der Garnison und ungehinderte Auswanderung der Privatpersonen mit ihrer Habe verlangte, jedoch vor der Abgabe desselben versuchen, ob Custine vielleicht die Neutralitätserklärung der Stadt Mainz und des Kurfürstenthums als Grundlage der Verhandlungen annehmen würde. Allein davon wollte der General nichts hören; E. war genöthigt, das mitgebrachte Schreiben zu übergeben, und nahm nach kurzer Zeit die Antwort darauf in die Stadt zurück. Noch in derselben Nacht ging er ein zweites Mal mit einem detaillirten Vertragsentwurf und in Gesellschaft eines Civilbeamten in das französische Lager. In der Frühe des 21. wurde mit Leichtigkeit von den Unterhändlern ein Einverständniß erzielt; denn mehr als Uebergabe der Festung unter freiem Abzug der Garnison, die verpflichtet ward, ein Jahr lang nicht gegen Frankreich zu dienen, konnte der Feind nicht fordern. Andererseits war wol auch E., nachdem der Gouverneur durch jenes erste Schreiben seine Muthlosigkeit so unzweideutig gezeigt hatte, nicht im Stande, günstigere Bedingungen zu erlangen. Zur Ausführung [745] der Capitulationsbestimmungen wurde E. beim Abzug der deutschen Truppen mit einem General und zwei Kriegsräthen in Mainz zurückgelassen. Die ihm aufgetragenen Geschäfte waren kaum erledigt, als er auf Custine’s Anerbieten sich entschloß, mit dem Range eines Obersten in die französische Armee zu treten. Eine Woche etwa nach der Uebergabe der Festung richtete er ein Schreiben an den Kurfürsten, worin er von seinem Schritte Mittheilung machte und in dessen Begleitung er seine mainzischen Officierspatente zurücksendete. Im besten Mannesalter stehend, sah E. im kurfürstlichen Dienste seine Carrière nahezu abgeschlossen, ja jeden Spielraum zu einer bedeutenden Thätigkeit versagt; unter den siegreichen Fahnen Frankreichs dagegen schien eine unbegrenzte Bahn des Ruhmes und des Erfolgs sich zu öffnen. Wir brauchen nicht nach anderen Motiven zu suchen, um den Entschluß des kenntnißreichen Specialisten zu erklären, in dem, wie in so vielen seiner Zeitgenossen und namentlich seiner nächsten Landsleute, das Gefühl für ein Vaterland niemals Leben gewonnen hatte. Er wurde zuerst im Taunus, um mit seinen Ortskenntnissen die Führer zu unterstützen, dann in den Kämpfen an der Nahe verwendet. Nach den Niederlagen, die hier die Franzosen erlitten, folgte er der hinter die Queich sich zurückziehenden Armee. Er wurde an den Oberrhein versetzt, commandirte, zum Brigadegeneral befördert, kurze Zeit auf vormals schweizerischem Gebiet und kam im Herbst 1793 nach Belfort, wo er Verschanzungsarbeiten zu leiten und Truppen auszubilden hatte. Anfangs 1795 wurde er der Belagerungsarmee von Mainz zugetheilt. Hier benutzte er seine freie Zeit zur Abfassung einer „Denkschrift über die Einnahme der Festung Mainz durch die fränkischen Truppen im J. 1792“, die aber erst nach zwei Jahren gedruckt ward. 1796 gehörte er zum Heere Moreau’s, auf dem Rückzuge befehligte er mehrfach bei der Nachhut, die mit den Oesterreichern ernste Zusammenstöße hatte. Was ihn aber im Kriege am vortheilhaftesten auszeichnete und in ihm dem deutschen Namen zur größten Ehre gereichte, waren die Uneigennützigkeit und die Humanität, womit er sich gegen die Bewohner der feindlichen Länder betrug, während so viele französische Officiere nur nach Wohlleben und Bereicherung strebten. Anfangs 1797 bei der Belagerung von Kehl verwundet, commandirte er die nächsten Jahre im inneren Frankreich, zuerst im Juradepartement, wo es galt, drohende royalistische Erhebungen niederzuhalten, dann in den Departements Loire und Puy de Dôme. Hier verdarb er es zuletzt mit den radicalen Volksführern, die beim Ministerium seine Entfernung durchsetzten. Im Spätjahr 1799 war er in Mainz und wurde von seinen Mitbürgern, die seit dem Frieden die Bedrückungen und Ausplünderungen der französischen Beamten schwer empfanden, dazu bestimmt, in ihrem Interesse in Paris Vorstellungen zu machen. Mit seinem Auftrage hatte er kein Glück, aber er selbst fand wieder eine militärische Verwendung. Er sollte eine Legion der Nordfranken, zunächst aus Freiwilligen der deutschen Departements, bilden und das Commando derselben übernehmen. Ohne aber zu Waffenthaten Gelegenheit gefunden zu haben, wurde dieser Verband beim Eintritt des allgemeinen Friedens aufgelöst, und da die Rechnungsablage E. mit den Intendanten, die Unterschleife begangen hatten und jetzt mit seiner Person sich zu decken suchten, in erbitterte Streitigkeiten verwickelte, so wurde 1802 dadurch seine Entlassung aus dem Dienste herbeigeführt. Er zog sich in seine heimathliche Provinz zurück, um ein bescheidenes Anwesen in Gaualgesheim bei Bingen zu bewirthschaften, das er von seinem Vater geerbt hatte. Hier benutzte er die gewonnene Muße zu schriftstellerischen Arbeiten, von denen außer seiner Selbstbiographie die fachwissenschaftlichen Werke „Abhandlungen über Gegenstände der Staats- und Kriegswissenschaften“ (2 Bde. 1817) und ein „Lehrbuch der Kriegsbaukunst“ (1820) zu nennen sind. Im engen Kreis wurde er auch noch zu [746] öffentlicher Wirksamkeit berufen. Er übernahm 1811 das Amt eines Bürgermeisters in seinem Wohnort, legte dasselbe zwar 1813 beim Herannahen der Deutschen freiwillig nieder, wurde aber von der neuen Landesadministration aufgefordert, es weiter zu bekleiden. Für die eifrige und segensreiche Thätigkeit, die er übte, lohnte ihn das Vertrauen seiner Mitbürger. Als diese linksrheinischen Theile des Kurfürstenthums Mainz in das Großherzogthum Hessen aufgenommen worden waren, wurde er zum Mitglied des rheinhessischen Provinzialraths, nach Einführung der Verfassung 1820 in die Ständekammer gewählt. An den Verhandlungen der letzteren Theil zu nehmen, hinderte ihn jedoch seine geschwächte Gesundheit, und er legte sein Mandat bald nieder. Er starb in Gaualgesheim am 9. Sept. 1825.

Seine Selbstbiographie hat 1845 Heinrich König unter dem Titel „Denkwürdigkeiten des Generals E.“ herausgegeben und ihr einige Seiten über die letzten Lebensschicksale des Verfassers beigefügt. Hauptsächlich auf der gleichen Quelle beruhte schon Lehne’s Darstellung im N. Nekr. d. D. 3. Jhg., 910–37 und 5. Jhg. 32–44. Danach wieder Scriba, Hess. Gelehrtenlex. II. S. 199 ff. Daneben ist zu vergleichen: Neueste Staatsanzeigen II. 157–59; Gymnich, Beschreibung der Vestung Mainz und der Umstände, unter welchen sie im Oct. 1792 den Franzosen übergeben ward; Denkschrift über die Einnahme der Festung Mainz durch die fränkischen Truppen im J. 1792, aufgesetzt von Rudolf E., herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von F. C. Laukhard, Hamburg 1798 (auch in den Neuesten Staatsanzeigen Bd. III.); Der Untergang des Kurfürstenthums Mainz, von einem kurmainzischen General, hrsg. v. Neigebauer, Frkft. 1839; Klein, Gesch. von Mainz während der ersten franz. Occupation, 1. Buch (wo es aber an der nöthigen Kritik der Ueberlieferung fehlt).