ADB:Elisabeth Eleonore

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Artikel „Elisabeth Eleonore“ von Georg Brückner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 39–40, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Elisabeth_Eleonore&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 05:13 Uhr UTC)
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Elisabeth Eleonore, die Stammmutter des jetzigen Regentenhauses Sachsen-Meiningen, den 30. Septbr. 1658 geboren und den 15. März 1729 gestorben, war die älteste Tochter des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, vermählte sich 1675 mit Herzog Johann Georg von Mecklenburg-Schwerin und darauf, nachdem sie bereits 1676 Wittwe geworden, mit Herzog Bernhard, dem Stifter des Ernestinischen Fürstenhauses Sachsen-Meiningen. Durch diese Vermählung wurde sie Stiefmutter von vier Kindern aus der ersten Ehe ihres Gemahls und selbst Mutter von fünf Kindern, von denen das älteste, die durch Geist und Schönheit berühmte, von den Kronenträgern zur Gattin begehrte Prinzessin Elisabeth Ernestine Antoinette als Aebtissin von Gandersheim, und das jüngste, der vielfach verkannte, charakterfeste Herzog Anton Ulrich, als Träger des noch blühenden Meininger Herrscherhauses starb. Als sie die Gattin des Herzogs Bernhard wurde, stand sie in ihrem 23. Lebensjahre, gebot somit über die volle Frische ihres Lebens und war deshalb für den Herzog und dessen noch junge Kinder erster Ehe eine erheiternde wohlthuende Familienstütze. Dazu kam ihre anziehende Gestalt und ihr freundliches Wesen. Ihrem Gatten stand sie in all dessen Regierungssorgen und Kunstbestrebungen thätig und treu zur Seite, konnte jedoch an seinen soldatischen und alchymistischen Liebhabereien keinen Gefallen finden und hatte zudem bezüglich des Glaubens an Hexen eine freiere Anschauung. Dies störte indessen zu keiner Zeit ihre glückliche Ehe. Erst der 1706 erfolgte Tod ihres Gatten löste das 25 Jahre hindurch bestandene eheliche Verhältniß. Ihr Schmerz war groß und gerecht, umsomehr dies, als der Verstorbene ihren Mangel an Selbstbeherrschung und Klugheit überdeckt hatte. Jetzt wo ihr der umsichtig leitende Gatte fehlte, traten die ererbten Schwächen ihres Wesens wieder zu Tag und erfüllten ihr zweites, 23 Jahre dauerndes Wittwenleben mit tragischen Conflicten und Prüfungen.

Dadurch daß sie mit dem Beginn ihres neuen Wittwenstandes ihre Stütze in ihrem ältesten Stiefsohne, dem Herzog Ernst Ludwig, und in dessen Minister v. Wolzogen suchte, half sie den Grund zu dem traurigen dreißigjährigen, Bruderkrieg des Meininger Fürstenhauses legen. Denn in ihrem Anschlusse an den Hof des Herzogs Ernst Ludwig gab sie nicht allein wesentliche, testamentarisch festgestellte Rechte ihres Sohnes Anton Ulrich Preis, statt als dessen rechte Mutter und Vormünderin dieselben gegen die offenkundigen Bestrebungen Ernst Ludwigs, seine beiden Brüder von der Mitregierung nach und nach ganz auszuschließen, mit Festigkeit zu hüten, sondern sie schwieg auch, als der Hof des Herzogs Ernst Ludwig gegen Herzog Anton Ulrich sowol vor als nach dessen Vermählung mit der bürgerlichen Philippine Cäsar die maßlosesten persönlichen Kränkungen ausübte, ja sie war sogar oft unmuthig über ihren Sohn, daß er den ihm für sein ererbtes Recht aufgezwungenen Kampf entschieden und beharrlich führte. Es konnte natürlich nicht ausbleiben, daß der Bruderkrieg am Fürstenhofe zu Meiningen ihr als einer Mitschuldigen herbe Tage brachte. Dies, sowie ihr öfteres körperliches Leiden bestimmte sie, ihren Lebensabend in stiller Zurückgezogenheit zu verbringen. Dazu kamen noch mehrfache, für sie traurige Ereignisse, namentlich der häufige Confessionswechsel in ihrem fürstlichen Stammhause und der Tod vieler ihr theuern Familienglieder des Meininger und des Braunschweiger Regentenhauses, Ereignisse, die ihr Herz tief erschütterten und ihr die Einsamkeit lieb machten. Es ist daher erklärlich, daß sie ihre Gemüthsstimmung in kirchlichen Dichtungen aussprach, zumal sie hierfür ererbte Anlagen hatte und überdies derartige Poesien damals an vielen deutschen Fürstenhöfen reiche Pflege fanden. Von ihren kirchlich poetischen Schöpfungen gingen mehrere als Kirchenlieder in Gesangbücher über, zunächst aus nah liegenden Gründen in die Gesangbücher des Meininger und des Gothaer Landes und erhielten sich hier das 18. Jahrhundert [40] hindurch, verloren sich aber vor dem Geiste der neueren Zeit, welcher Kirchengesänge aus der Tiefe eines geläuterten Gemüths verlangt. Als solche waren ihre Lieder nicht geboren, weil sie zu keiner Zeit die sittliche Kraft gewonnen hatte, ihr Inneres zum Allgemeinmenschlichen zu erheben und ihren höfischen Haß gegen ihre bürgerliche Schwiegertochter zum Besten ihres Sohnes in Milde umzuwandeln. Und doch, als sie 1729 in dem nach ihr benannten Residenzschlosse Elisabethenburg zu Meiningen das Zeitliche segnete, konnte und mußte sie erkannt haben, daß die Zukunft des Meininger Regentenhauses nicht ihren Günstlingen, sondern ihrem vielgekränkten Sohne, dem Herzog Anton Ulrich, gehörte.