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ADB:Ernesti, Johann Heinrich

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Artikel „Ernesti, Johann Heinrich“ von Friedrich August Eckstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 233–234, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ernesti,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 06:12 Uhr UTC)
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Ernesti: Johann Heinrich E., Schulmann und Philolog, geboren am 12. März 1652 in Königsfeld bei Rochlitz, † in Leipzig am 16. Octbr. 1729. Als Sohn eines Predigers erhielt er den ersten Unterricht von seinem Vater, der 15 Jahre Rector in Rochlitz gewesen war; dann wurde er seinem Vetter Jakob Daniel E., welcher Rector in Altenburg war, übergeben und vollendete dort seine Vorbereitung zur Universität. 1670 ging er nach Leipzig, wo er 1672 Baccalaureus und 1674 Magister wurde. Er begann auch zu lesen, wurde 1680 Professor der philosophischen Facultät, Sonnabends-Prediger an der Nicolaikirche und Conrector an der Thomasschule. Das Predigtamt legte er bereits 1682 nieder. Nach dem Tode von J. Thomas wurde er am 30. Sept. 1684 Rector der Schule; daneben 1691 Professor der Poesie (Antrittsrede am 19. August) und verheirathete sich 1692 mit einer Tochter J. Bened. Carpzov’s. Die Universität lag ihm mehr am Herzen als die Schule; er verwaltete die ihm dort übertragenen Aemter mit großer Treue und Geschick. Seine Vorlesungen bezogen sich zunächst auf die Erklärung der lateinischen Dichter Virgil, Horaz, Ovid und Juvenal; auch neuere, wie die Heroiden von Eob. Hesse wurden herbeigezogen, ja er selbst verfertigte eine „Historia rerum Lipsicarum metrica“ (gedruckt 1712) und erläuterte dieselbe als Muster für das Verständniß moderner Poeten. Außerdem las er über Mythologie und gab in dem ersten Theile derselben contextum et finem fabularum, in dem zweiten eine hauptsächlich auf die Schrift gegründete philosophische Deutung, denn er war überzeugt, daß eine veritas salutaris in den Fabeln der Dichter stecke. Darauf bezog sich die Abhandlung „De latente in fabulis poeticis divina veritate“ (1722). Die Universität nahm auch hauptsächlich seine schriftstellerische Thätigkeit in Anspruch, denn Schulprogramme zu schreiben war damals nicht üblich. Bald sind es die Einladungen zu den Prüfungen der Baccalaureen oder zu Gedächtnißreden oder gelehrte Abhandlungen, die unter seinem Vorsitze vertheidigt wurden. Diese Schriften sind in lateinischer Prosa verfaßt. Aber als Professor der Poesie mußte er bei den verschiedensten Gelegenheiten mit Versen hervortreten, namentlich bei den jährlichen Magisterpromotionen. Schon vor der Erlangung dieser Professur hatte er (1678, 1682, 83, 87) mehrere solcher „Panegyrici“ geschrieben und setzte sie bis zu seinem Tode fort. Da nun in jedem derselben auch die Lebensgeschichte der 30–40 Candidaten versificirt wurde und er doch Abwechselung in die Aufzählung der Geburtsorte, der gehörten Lehrer und der Gönner bringen wollte, so läßt sich denken, zu welchen Spielereien, ja Abgeschmacktheiten er sich hinreißen ließ. Namentlich die Scherze mit den Namen und dem Amte verursachten ernstliche Empfindlichkeiten und, wenn er zur Rede gesetzt wurde, so behauptete er für nichts Rechenschaft geben zu können, was er in furore poetico geschrieben habe. Erst nach seinem Tode ordnete 1730 die Behörde an, daß die Lebensläufe fortan in Prosa einfach abgefaßt werden sollten. Freilich hatte E. auch die Zeugnisse der von der Schule abgehenden Thomaner und die Relegationspatente der Studenten in Verse gebracht, die ihm in allen Formen leicht zuflossen. Was ihm selbst davon werthvoll erschien, hat er als Anhänge seiner besondern Schriften drucken lassen; nur wenige haben geschichtlichen Werth, wie die „Commentatio“ von 1700, in welcher die panegyrici des 17. Jahrhunderts zusammengestellt sind, die „Orationes de professoribus oratoriis“ (1702) und „De prof. ethicis“, desgleichen „De professoribus poeticis“ und „De prof. dialecticis et logicis“ (1702. 1703); auch in der „Commentatio in res philosophicas seculares“ (1709) und den „Paralipomena“ dazu (1711) ist manches zur Geschichte der Universität nach Art von Anekdoten-Sammlungen zusammengestellt. Die Geschichte der Cantoren der Thomasschule im 17. Jahrhundert hat er nach dem Atticus des Nepos erzählt. In vielen Programmen hat er Vorbereitungen und Beiträge zu dem Buch gegeben, das er [234] schon 1690 ankündigte, aber erst 1699 vollendete: „Compendium hermeneuticae profanae s. de legendis scriptoribus profanis praecepta nonnulla“. Die Regeln sind sehr kurz und spärlich, eher geben die Vorschriften über die praktische Verwerthung der Lectüre bei den schriftlichen Uebungen viel Licht über die damalige Schulpraxis für Briefe, Chrien und Reden, ebenso über die Benutzung der Schriftsteller zur Erwerbung philosophischer und astronomischer Kenntnisse. Damit ist zu verbinden „Cornelius Nepos per epistolas scribens“ (1698), in denen die Zeitgeschichte den Stoff zur imitatio darbietet und ein Anhang besondere Anweisung, „De epistolis biblicis“, gibt; ferner die „Centuria evangeliorum ad usum scholasticum exactorum“ (1687), welche 50 Reden bietet und zwar 25 in ciceronianischer Sprache, 25 variirt besonders zur Befestigung in der Grammatik. Die „Historiae rerum sacrarum et profanarum parallelae“ (3 Progr. 1694–96) stellen die biblischen Geschichten mit Erzählungen des Vellejus zusammen. Als Beispielsammlung für die Hermeneutik dienen auch die „Commentationes novae in Cornelium Nepotem, Justinum, Terentium, Plautum, Curtium et poesim barbaricam“ (1707 und 1738), in denen die Historiker zu Chrien und Reden, die Komiker zu philosophischen Betrachtungen verwerthet sind und eine Anzahl leoninischer Verse in versus latiniores verwandelt werden. Für Schulzwecke war auch die Ausgabe der Pia desideria des Jesuiten Herm. Hugo (1721) berechnet. Von eigentlich gelehrten Arbeiten ist zu erwähnen die „Dissert. acad. de pharisaeismis in libris profanorum scriptorum occurentibus“ (1690), eine Nachweisung pharisäischer Lehren bei römischen Schriftstellern; daß sich dieselben auch bei Hesiod und Theognis finden, konnte er leider nicht aus dem Verkehr mit Juden erklären, sondern mußte zu der Einwirkung des Teufels auf die blinden Heiden seine Zuflucht nehmen. Diese Art der Erklärung der Alten aus der Schrift und umgekehrt hat er weiter behandelt in den Programmen: „De usu profanarum litterarum in interpretandis scripturis sacris“ (1688) und „De usu sacrarum litterarum in interpretandis scriptoribus profanis“ (1689). Zu der Rhetorik gehört „De orationibus in libris N. T. historicis“ (1692); zu der Poetik „Observationes poeticae de genere carminum didactico et versu rhythmico“ (1714), in welchem Buche er mehrere Kirchenlieder ins Lateinische übersetzt. Einige Abhandlungen beziehen sich auf Geschichte („De Regulo“ 1694) und Alterthümer, wie „Misnia Romana“ (1698), in der er Volksgebräuche mit römischen Sitten in Vergleich stellt und „De sportula Romanorum quotidiana“ (1703), oder auf Politik, wie die Zusammenstellung von Grundsätzen aus den Lebensbeschreibungen ausgezeichneter Männer (1688). Mit der Bearbeitung eines Special-Wörterbuches zu Curtius, den er sehr hochstellte, hat er sich bis zu seinem Tode beschäftigt, aber nur die „Usurpata a Curtio in particulis latinitas“ ist 1719 gedruckt. Ebenso hatte er Proben einer „Ὀρνιτογραφία Ovidiana“ 1705 gegeben; das Ganze soll er in der Handschrift hinterlassen haben. In den letzten Jahren nahmen seine Kräfte sehr ab; er beklagt oft die Schwäche des Greises in seinen Gedichten. Am 16. Octbr. 1729 wurde er im Bette vom Schlage getroffen; über sein glänzend zu veranstaltendes Leichenbegängniß hatte er die genauesten Bestimmungen getroffen. Er liegt in der Paulinerkirche begraben. Sein Bildniß ist vor mehreren seiner Schriften.

G. F. Jenichen, Progr. acad. in funere J. H. E., Lipsiae 1729 Fol.