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ADB:Esse, Karl

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Artikel „Esse, Karl“ von Paul Börner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 379–381, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Esse,_Karl&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 17:28 Uhr UTC)
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Esse: Karl E., Director des Charitékrankenhauses zu Berlin, vortragender Rath in dem preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, geb. als der Sohn eines armen Schlossers in Berlin 1808, † am 8. Dec. 1874. Nach Beendigung seiner Schuljahre trat er in den Militärdienst ein, verließ denselben aber, um in untergeordneten Stellen bei der Regierung zu Stettin und dem königl. Polizeipräsidium von Berlin zu arbeiten, bis er im J. 1832 das Amt eines Rendanten der königl. Charité erhielt. Diesem großen Krankenhause gehörte er bis kurze Zeit vor seinem Tode an und [380] zeichnete sich von vornherein in seiner doch eigentlich nur sehr bescheidenen Stellung so aus, daß der damalige Cultusminister Eichhorn auf die ganz hervorragenden Eigenschaften des neuen Beamten aufmerksam wurde und ihm ausnahmsweise Beförderungen zu Theil werden ließ. Seine Thätigkeit in der Charité ist für die Krankenhaushygiene besonders in Preußen von hoher Bedeutung geworden. Die Verhältnisse dieser umfangreichen Anstalt entsprachen längst nicht mehr den Intentionen ihrer Stifter, noch den wohlberechtigten Ansprüchen, die dasselbe in früheren Zeiten auf Anerkennung machen konnte. Die Vielköpfigkeit der Leitung und die damit zusammenhängende Vernachlässigung der vornehmsten Grundlagen einer verständigen Gesundheitspflege hatten Zustände herbeigeführt, welche der preußischen Regierung als der beaufsichtigenden Behörde nicht zum Ruhme gereichten. Es war das auch im allgemeinen Interesse schon um deswillen zu beklagen, weil die Charité die Kliniken der Berliner Universität zum großen Theil enthält. Die für die jungen Mediciner so nothwendige Einführung in die Praxis der Gesundheitspflege der Krankenhäuser war unter solchen Umständen natürlich unmöglich. Was E. in seiner Stellung nach dieser Richtung hin für die Charité geleistet hat, ist geradezu bewundernswerth, wenn man den Zustand derselben, bevor er sein Amt antrat, mit dem vergleicht, welcher erreicht war, als er die Anstalt seinem Nachfolger übergab. Diese Reform der Charité, welche E. mit den einfachsten Mitteln ins Werk setzte, wie er denn überhaupt vielmehr ein Praktiker des Details als ein theoretischer Systematiker war, haben dann den allerwohlthätigsten Einfluß auf das Krankenhauswesen überhaupt ausgeübt. Seine Stellung selbst wurde von Jahr zu Jahr eine immer selbständigere und damit gleichzeitig freilich auch immer heftiger befeindete und verantwortlichere. Die rasch zufahrende und schneidige Art seiner von hohem Selbstgefühl erfüllten Natur mußte ihm um so mehr Gegner erwecken, als ihm diese nicht immer seinen Ursprung aus subalternen, nicht fachlichen Kreisen verzeihen konnten. In den letzten Jahren seiner Wirksamkeit indessen hörte fast jede Opposition gegen ihn auf. Im J. 1850 zum Verwaltungsdirector der Charité ernannt, hat er dieselbe, wenn ihm auch der Geh. Rath Horn als ärztlicher Leiter zur Seite stand, der Sache nach allein dirigirt, bis er im J. 1873 den, in Folge mannigfacher Differenzen mit dem Nachfolger Eichhorn’s, dem Minister v. Mühler, und dem Kriegsministerium, mehrfach erbetenen Abschied erhielt. Sehr anerkennenswerth ist es, daß E. trotz seinem den praktischen Details zugegewandten und dabei sehr autokratischen Wesen dennoch stets bereit war, mit neuen Erwerbungen auf dem Gebiete des Krankenhauswesens sich zu befreunden. Seiner ganzen Wirksamkeit nach Jahrzehnte hindurch auf große monumentale Krankenhausbauten hingewiesen, war er einer der Ersten in Deutschland, der das entgegengesetzte Princip der kleinen Spitäler acceptirte und die erste Baracke, die auf dem Hofe der Charité erbaute, verdankt man ihm, während gerade viele hervorragende klinische Aerzte sich außerordentlich skeptisch dagegen verhielten. Esse’s Stellung im Ministerium bestand darin, daß er für alle Fragen des Krankenhauswesens zu Begutachtungen aufgefordert wurde, aber auch abgesehen von dieser officiellen Wirksamkeit wurden in dem letzten Jahrzehnt wenig Hospitäler und Kliniken in Preußen mehr gebaut, ohne daß man seinen Rath in Anspruch nahm, der sich auch bei der Reform bestehender Krankenhäuser und der Abschaffung ihrer hygienischen Mißstände häufig bewähren mußte. An der Organisation der freiwilligen Krankenpflege und der damit großentheils zusammenhängenden Neubildung des preußischen Militärsanitätswesens hatte E. einen sehr hervorragenden Antheil und sein praktischer Sinn hat oft genug Ausschreitungen verhindert, mit denen ein wohlwollender Enthusiasmus gerade auf diesem Gebiete nicht zu kargen pflegte. Den Commissionen, die nach den Kriegen [381] 1864, 1866 und 1870/71 alle diese Reformen beriethen, gehörte E. fast durchweg an. Die Errichtung des nach dem Barackensystem ausgeführten Augustahospitales mit seiner musterhaften Ausstattung und Organisation war der Höhepunkt der praktischen Thätigkeit Esse’s und es ist ihm die Genugthuung geworden, für diese Anstalt die allgemeine Anerkennung zu erwerben. Unter den von ihm geleiteten Krankenhausbauten ist außerdem das jüdische Krankenhaus in Berlin hervorzuheben. Esse’s litterarische Thätigkeit steht mit seiner praktischen in genauestem Zusammenhange. Seine Schriften sind wesentlich Rechenschaftsberichte über die Ergebnisse seiner Verwaltung oder über die Erfahrungen, die er bei der Einführung neuer, anderswo noch nicht bewährter Einrichtungen gemacht hat, theoretische Speculationen lagen ihm vollkommen fern. Sein Hauptwerk: „Die Krankenhäuser und ihre Einrichtung und Verwaltung“ (1857) erschien 1868 in neuer erweiterter Auflage. Ihm folgte: „Das neue Krankenhaus der jüdischen Gemeinde in Berlin in seinen Einrichtungen dargestellt“, 1861; „Das Barackenlazareth der königl. Charité zu Berlin in seinen Einrichtungen dargestellt“, 1868; „Das Augustahospital und das mit demselben verbundene Asyl für Krankenpflegerinnen zu Berlin“, Fol., 1873.

Vgl. P. Börner im 7. Bande der Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege.