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ADB:Faesebeck, Ferdinand

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Artikel „Faesebeck, Ferdinand“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 497–499, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Faesebeck,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 11:10 Uhr UTC)
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Faesebeck: Georg Matthias Ferdinand F., Anatom und Arzt, wurde am 4. März 1809 im Dorf Ober-Sickte bei Braunschweig geboren. Sein Vater Daniel F. übte daselbst als Landchirurg seine Praxis aus. Der junge Ferdinand F. besuchte bis zu seinem neunten Lebensjahre die Schule seines Heimathdorfes, dann bis zu seinem 15. Lebensjahre das Catharineum zu Braunschweig. Zu seinem Vater, der unterdeß nach Veltheim übergesiedelt war, zurückgekehrt, erlernte er hier die Chirurgie zwei Jahre lang praktisch. Er wollte, wie sein Vater, sich der Chirurgie widmen; zu dem Besuch einer Universität fehlten die Mittel, er mußte es versuchen, auf einem andern Wege zum Ziel zu gelangen. Im J. 1827 trat F. in das Collegium anatom. chirurg. zu Braunschweig: es war dies eine sog. Chirurgenschule, die bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts gegründet war, um für das Land Braunschweig Chirurgen auszubilden. Bei diesem Collegium bestand eine sogenannte „Anatomie“, ein Gebäude, in welchem die anatomischen Sammlungen aufbewahrt und in welchem die anatomischen Sectionsübungen abgehalten wurden. Zur Beaufsichtigung der Sammlungen wohnten stets 2-3 der besten Schüler [498] im Gebäude, sie hießen Pensionäre. F. erhielt sehr bald nach seiner Aufnahme in die Schule die Stelle eines dritten Pensionärs und schon 1828 die Erlaubniß, die neueingetretenen Schüler in der Osteologie unterrichten zu dürfen. Dadurch allein hatte F. die Möglichkeit gewonnen, seine Studien fortzusetzen., weil er sich durch den Unterricht die Mittel zum Leben erwarb. Durch seine ausgezeichnete Begabung, seine vortreffliche technische Fertigkeit lenkte er baldigst die Aufmerksamkeit seiner Lehrer auf sich. Nachdem er seine regelmäßigen Studien 1834 abgeschlossen und die vorgeschriebene Prüfung absolvirt hatte, wurde er am 5. October 1836 als Viceprosector der Anatomie mit einem Gehalt von 120 Thalern angestellt. Obgleich F. damals noch keine litterarischen Leistungen aufzuweisen hatte, so mußte er doch durch seine vortrefflichen technischen Leistungen in Anfertigung anatomischer Nervenpräparate bereits den Fachgenossen bekannt geworden sein. Er erhielt im August 1837 einen Ruf als Prosector an die Universität Kasan in Rußland; Es ist mir nicht bekannt geworden, wer die Aufmerksamkeit der Universität Kasan auf F. gerichtet hatte, – trotz vielfachen Zuredens schlug F. den Ruf aus. Ich weiß auch nicht, wodurch F. dazu veranlaßt wurde, in der bescheidenen Stellung eines Viceprosectors zu bleiben. Vielleicht hoffte er an einer deutschen Universität eine Thätigkeit zu finden. In diese Zeit fällt Faesebeck’s litterarische Thätigkeit. Er veröffentlichte 1840 eine Monographie der „Nerven des menschlichen Kopfes. Nach eigenen Untersuchungen geschrieben und durch Abbildungen erläutert“ (Hannover; eine 2. Auflage erschien 1848). Er lieferte in diesem Werk eine ausgezeichnete Beschreibung der Hirnnerven auf Grund eigener kunstgerechter Präparate. Es gelang ihm infolge seiner großen Geschicklichkeit und Sorgfalt, vereint mit technischen Anlagen, bewunderungswürdige Präparate der Nervenverzweigungen darzustellen. Es erregten die Faesebeck’schen Nervenpräparate mit Recht großes Aufsehen, und viele (11) Universitäten waren bemüht, solche Präparate zu erlangen. Joh. Müller-Berlin, Weber-Leipzig, Patruban-Prag, Luschka-Tübingen haben sich alle lobend über Faesebeck’s Präparate geäußert. F. setzte mit Eifer seine neurologischen Studien fort; er ließ eine Reihe kleiner Aufsätze im „Archiv für Anatomie“ drucken (1839, 1840, 1842). Es können dieselben hier nicht aufgezählt werden. Die vortrefflichen Nervenpräparate, die viel Zeit und Mühe kosteten, verschafften dem Viceprosector wol den Ruf eines vollendeten Technikers, aber – keine Einnahme an Geld, keine Verbesserung seiner Stellung. F. hatte sich 1843 verheirathet; um zu leben, mußte er erwerben, und dazu mußte er sich der ärztlichen Thätigkeit hingeben, was er mit großem Eifer, mit voller Liebe und nie ermüdender Pflichttreue that. Aber zu wissenschaftlicher anatomischer Arbeit blieb dann weiter keine Zeit – die Ausübung des Prosectorates und die praktische Medicin sind nicht gut vereinbar! –

Hervorzuheben ist, daß F. 1845 in Braunschweig eine orthopädische Turnanstalt für junge Mädchen gründete und diese Anstalt bis 1853 leitete. Nachdem F. zwanzig Jahre lang die Stelle eines Viceprosectors innegehabt hatte, wurde er endlich 1857 zum Prosector befördert! Seine Hoffnung, an eine Universität zu kommen, hatte sich nicht erfüllt. F. wirkte mit Ausdauer und Fleiß als Lehrer der Anatomie, mit großer Hingebung und Pflichttreue als praktischer Arzt, allein mit der litterarisch-wissenschaftlichen Arbeit als Anatom konnte es nichts mehr werden. Es fehlte an Zeit und an Anregung zu anatomischen Arbeiten. Als nun im J. 1869 die chirurgische Schule geschlossen wurde, war es mit der anatomischen Thätigkeit vollends nichts. F. beschäftigte sich nur noch ausschließlich mit der medicinischen Praxis. Er war [499] eine Zeitlang, bis 1881, Gerichtsarzt, daneben auch Gefängnißarzt. Nachdem er 1879 sein 50jähriges Berufsjubiläum gefeiert hatte, wurde er 1880 zum Hofchirurgus ernannt, womit ein bestimmtes Jahrgehalt verbunden war, das er bis an sein Lebensende behielt. Er feierte 1889 seinen 80jährigen Geburtstag, wurde von der Göttinger medicinischen Facultät in Anerkennung seiner anatomischen Leistungen zum Doctor medicinae honoris causa, und 1894 zum Hofrath ernannt. Er betheiligte sich trotz seines hohen Alters mit auffallender Frische und Rüstigkeit an der Versammlung der Naturforscher und Aerzte in Braunschweig. Seine Privatpraxis übte er bis zum letzten Tage seines Lebens aus – er starb hochbetagt im 91. Lebensjahre, am 8. Januar 1900, tief betrauert von seinen Patienten und Collegen.

F. hat außer den oben bereits genannten vortrefflichen neurologischen Arbeiten, die seinen Ruhm als den eines ausgezeichneten Anatomen begründeten, nur noch eine kleine originelle Abhandlung auf dem Gebiet der praktischen Medicin publicirt, die hier kurz erwähnt werden muß. Er verfaßte eine kleine Schrift: „Die Methode der Bettgymnastik in Verbindung mit Massage“ (Braunschweig 1879, in 2. Auflage 1888), in der er der heute so verbreiteten Methode in lebhafter Weise das Wort redet. Die Vortheile einer kunstgerecht ausgeübten Massage sind heute längst anerkannt. Die Originalität Faesebeck’s beruht aber darauf, daß er eine Selbstmassage verlangt, die alle Morgen im Bett unter der Bettdecke geübt werden soll! –