Zum Inhalt springen

ADB:Finck von Finckenstein, Karl Wilhelm Graf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Finck von Finckenstein, Karl Wilhelm Graf“ von Siegfried Isaacsohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 22–25, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Finck_von_Finckenstein,_Karl_Wilhelm_Graf&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 7 (1878), S. 22–25 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Wilhelm von Finckenstein in der Wikipedia
Karl Wilhelm von Finckenstein in Wikidata
GND-Nummer 118687239
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|7|22|25|Finck von Finckenstein, Karl Wilhelm Graf|Siegfried Isaacsohn|ADB:Finck von Finckenstein, Karl Wilhelm Graf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118687239}}    

Finkenstein: Karl Wilhelm Graf Fink v. F., geb. 11. Februar 1714, † 3. Januar 1800, wurde als Gespiele und Jugendfreund des Kronprinzen Friedrich, dessen Gouverneur Karl Wilhelms Vater, der Feldmarschall Graf F., war, dem Könige Friedrich Wilhelm I. schon frühzeitig und vortheilhaft bekannt. Kaum war er daher nach zu Genf vollendeten Studien von einer Reise durch Frankreich und Holland in die Heimath zurückgekehrt, als der König den Einundzwanzigjährigen, trotz der Einsprache des eigenen Vaters, der ihn für zu jung hielt, zum Legationsrath machte und in außerordentlicher Mission, doch ohne öffentlichen Charakter, 1735 nach Stockholm sandte, wo er nach des Königs Ansicht, ohne etwas zu hazardiren, viel lernen und sich für die Geschäfte vorbereiten konnte. Den König trog seine Ansicht nicht. F. versah die ihm anvertraute Stellung so gut, daß ihn der König, trotz mehrmaliger Absicht, ihn anderweit zu verwenden, doch bis zu seinem Tode (1740) am schwedischen Hofe beließ. Der Regierungsantritt Friedrichs II., der seinem Jugendgefährten bis zum Tode ein unerschütterliches freundschaftliches Wohlwollen bewahrte, änderte seine Stellung. Gleich den meisten andern auswärtigen Vertretern Preußens nach Berlin zurückgerufen, ward er während des nächsten Jahrzehnts zu vier verschiedenen diplomatischen Sendungen von immer steigender Bedeutung verwendet. Im Herbst 1740 wurde er zunächst mit dem Rang eines geheimen Legationsraths als bevollmächtigter Minister an den dänischen Hof gesandt, um die zwischen diesem und Preußen bestehenden guten Beziehungen zu pflegen und zu fördern. In rühmlichster Weise entledigte er sich des Auftrages und verließ, von Friedrich zurückberufen, Copenhagen im Herbst 1742 nach fast zweijährigem Aufenthalt daselbst. Im Sommer des folgenden Jahres (1743) erhielt er den schwierigen Auftrag, die Interessen Preußens bei Georg II. von England, der damals am Rhein mit Oesterreich und Kaiser Karl VII. über ein Verständniß unterhandelte, zu vertreten. Es gelang ihm, der beabsichtigten Ausschließung Preußens von den Verhandlungen geschickt vorzubeugen und noch im Herbst dieses Jahres kehrte er an den Hof zurück. Im folgenden Sommer (1744) geleitete er des Königs Schwester Louise Ulrike nach Stockholm zur Vermählung mit ihrem Verlobten, dem schwedischen Thronfolger und blieb dort bis zum Herbst 1746. Seine Berichte gefielen dem König ebenso gut, wie seine Persönlichkeit dem schwedischen Hof; auch gelang es ihm, die 1747 zu Stande kommende Allianz zwischen Preußen, Schweden und Rußland anzubahnen.

Es galt in jenem Augenblick den Gesandtschaftsposten zu Petersburg, der durch Mardefeld’s Berufung ins Cabinetsministerium an Stelle des eben abgelebten Borcke, erledigt war – den wichtigsten und schwierigsten von allen – neu zu besetzen. Friedrichs Wahl fiel auf F., dessen Creditif vom 25. Februar 1747 gleichzeitig mit seiner Ernennung zum wirklichen geheimen Staatsminister datirt. Die Erhebung des jungen, dreiunddreißigjährigen Diplomaten zum höchsten Beamtenrange war, äußerlich betrachtet, eine Folge des Umstands, daß Graf Keyserlingk, der Vertreter Rußlands in Berlin, eben diesen Rang hatte; doch wünschte ihm Friedrich dadurch gleichzeitig einen Beweis seiner Anerkennung und [23] seines hohen Vertrauens zu geben, wie er denn in dem bezüglichen Handschreiben an Podewils sagt, daß das Verdienst und die frühreifen Talente Finkenstein’s ihn bewögen, demselben einen für sein Alter vorzeitigen Rang zu geben. Sagt ihm, schließt er, daß er Minister sei, da er dessen würdig ist und mir zu dienen fortfahre, wie er es bisher gethan. Ende 1748 aus Rußland zurückberufen, um des eben verblichenen Mardefeld’s Stelle im Cabinet zu übernehmen, wurde F. nach der Rückkehr von einer Urlaubsreise nach Frankreich am 5. Juni 1749 zum Cabinetsminister bestallt, eine Stellung, die er mehr als 50 Jahre ununterbrochen inne hatte. Sein Correspondenz mit dem König trägt gleich der Podewils’, seines Amtsgenossen, neben dem offiziellen, einen privaten Charakter. Es spiegelt sich darin das Verhältniß zweier gleichgestimmter Seelen, die über alle Angelegenheiten des Lebens ihr Herz einander auszuschütten geneigt und gewöhnt sind. In hervorragendem Maß tritt dies zuerst in der Zeit kurz vor Ausbruch des siebenjährigen Krieges, Sommer 1756, hervor, wo der König an der freudig entschlossenen, zustimmenden Haltung seines Ministers einen Halt fand. Die wechselreichen Jahre 1757–60 boten dem Monarchen mehr als einmal Gelegenheit, dem Minister seine Stimmungen und Gefühle ohne Rückhalt zu offenbaren, diesem aber seinem Herrn Beweise seiner unbedingten Ergebenheit und unermüdlichen Thätigkeit zu geben. Nach dem Schlag von Kollin (1757) suchte F. den Bekümmerten durch seine Trost- und Hoffnungsworte aufzurichten; er ist’s, dem der König vor seinem Abgang ins Feld am 10. August 1758 jene berühmte geheime Instruction übergibt, in der er Vorkehrungen traf für den Fall, daß er nicht mehr lebend zurückkehrte; er ist’s, der bei Podewils’ Kränklichkeit in den Jahren 1758–60 den größten Theil der Geschäfte auf seinen Schultern trägt, mit dem Könige in dessen Winterquartieren persönlich zu konferiren, dessen Züge auf dem Felde mit den seinen in der Politik zu secundiren hat. Er ist’s auch, der nach dem Unglückstage von Kunersdorf (12. August 1759) mit derselben unerschütterlichen Geistesruhe wie der König aus dem Schiffbruch zu retten suchte, was zu retten war, und der in den letzten Kriegsjahren, wo er, seit Podewils’ Tod bis zu Hertzberg’s Eintritt (1760–63) allein die Geschäfte des Cabinets versah, in fast ununterbrochener Uebereinstimmung mit dem Könige durch eine kühne und geschickte Politik den Frieden, der durch Friedrichs Siege ermöglicht wurde, sichern half. Als öfteres Zeichen seiner Erkenntlichkeit verlieh ihm der König noch vor dem förmlichen Friedensschluß eine einträgliche Domherrnstelle zu Halberstadt und die höchste Ordensdecoration des Staates, den Orden vom schwarzen Adler (1762).

Wenngleich F. in der zweiten Hälfte von Friedrichs Regierung hinter dem unternehmenderen und vielseitigen Hertzberg, dem Unterhändler zu Hubertusburg, dem Verfasser der Deductionen von Preußens Anrechten auf Polnisch-Preußen, dem eifrigsten Förderer des Fürstenbunds etwas zurücktritt, so blieb ihm doch das Vertrauen des Königs unvermindert. Dies zeigte sich besonders zur Zeit des bairischen Erbfolgekriegs, wo Finkenstein’s Ansichten vom Könige nicht nur vorher verlangt und für richtig befunden wurden, sondern während dessen der König mit ihm auch in ständiger, sei es mündlicher oder schriftlicher Correspondenz verblieb und ihm seine geheimsten Sachen, so die Correspondenz mit Joseph II., mittheilte. Auf Grund der von ihm Nov. 1778 zu Breslau dem Könige eröffneten Ideen kam dann im Mai des folgenden Jahres der Friede von Teschen zu Stande. Auch in der Angelegenheit des Fürstenbunds wirkte F. nach Kräften mit, wie denn die Correspondenz der letzten sechs Jahre von Friedrichs Regierung gutentheils von diesem Gegenstand erfüllt ist. Bis in den Herbst 1779 gehen die ersten Eröffnungen des Königs an F. darüber zurück. Seit dem Herbst 1783 wurde die Correspondenz darüber lebhafter und in dem [24] Jahre vor dem Abschluß, 1784 – Sommer 1785, vergeht fast kein Tag ohne Mittheilungen darüber von der einen oder andern Seite. F. war es beschieden, die Verträge mit Hannover und Sachsen wie mit den kleineren deutschen Fürsten am 23. Juli 1785, den mit Kurmainz am 18. Okt. desselben Jahres zu unterzeichnen.

Auch Fr. Wilhelm II., mit dem F. noch als jener Kronprinz war gelegentlich der Vorbereitungen für den Fürstenbund in ein näheres Verhältniß getreten war, brachte dem Minister aufrichtig freundschaftliche Gesinnungen und volles Vertrauen entgegen. Er bethätigte dies gleich bei dem ersten Zwischenfall in seiner Regierung, seinem Verhalten gegenüber den holländischen Wirren, wo er Hertzbergs Vermittlungsvorschläge F. zur Ansicht unterbreitete, und erst dann sich schlüssig machte. Seit der Zurdispositionsstellung Hertzbergs (1791) und der Reorganisation des Kabinetsministeriums, dem Eintritt Schulenburgs und Alvenslebens nahm die frühere persönliche Correspondenz ab, doch blieb die officielle mit dem Kabinet in alter Weise bestehen. Bis zum Ende dieser Regierung bleibt F. von Einfluß auf die Geschäfte, wenngleich er denselben mit seinen Collegen theilt und das persönliche Band, das den Minister mit dem großen Friedrich verknüpfte, dem hoher Achtung unter seinen Nachfolgern wich.

Faßt man die Periode des vorwaltenden Einflusses von F. mit einem Blick zusammen, so wird man seinen politischen Einfluß nicht hoch genug anschlagen können. Wenngleich sein Gebieter sich seine Aufgabe und den Plan zu ihrer Lösung selbst gezeichnet hatte und nicht gemeint war, darin der Directive Anderer zu folgen, so wußte er den Werth gewissenhafter, ergebener und klar und ruhig denkender Berather nicht nur zu würdigen – sie waren ihm geradezu unentbehrlich, um das Feuer seines Temperamentes zu mildern, ihn in Zeiten des Glücks vor zu großem Wagniß, denen des Mißgeschicks vor der Verzweiflung zu wahren. F. begriff seine Aufgabe als Minister eines solchen Gebieters, den er als Herrscher verehrte und zugleich als Freund liebte, vollkommen. Indem er sich stets als ein eifriger und genauer Ausführer der Befehle des Königs bewies, trug er doch nie, so oft sein Rath vorher in Anspruch genommen wurde, oder die Stimme des Gewissens es ihm sonst zu gebieten schien, einen Augenblick Bedenken, dem Könige mit seiner – oft abweichenden – Meinung entgegenzutreten. Das Verhältniß gegenseitiger Hochachtung und Liebe war der Grund, auf dem sich ihr enges geschäftliches Verhältniß erhob; und gerade des Ministers edlen Freimuth stellte der König als eine seiner vorzüglichsten Eigenschaften hin, an die er öfters zumal in besonders schwierigen Fragen direkt appellirte. Der Umstand, daß F. in den gefährlichsten Zeiten des siebenjährigen Kriegs den König mit Muth und Zuversicht zu erfüllen, die preußische Politik mit untadelhafter Sicherheit und Entschlossenheit zu leiten gewußt, genügt, ihm für immer ein dankbares Andenken als Staatsmann zu bewahren. – Seine persönlichen Eigenschaften scheinen ihm ebenso sehr die Liebe und das Vertrauen der Mitlebenden gewonnen zu haben. Er wird als eine einnehmende Persönlichkeit, von freundlich-mildem Gesichtsausdruck und feinster Sitte geschildert, die jeden, der zu ihr in Beziehungen trat, angenehm berührte und ihre geistige und körperliche Frische – die Folgen einer gesunden Constitution und eines musterhaften Lebens – bis in’s höchste Alter unvermindert bewahrte. So war es ihm, als Einzigem, beschieden, wenige Monate vor seinem Tode, im Juni 1799, sein 50jähriges Jubiläum als Kabinetsminister zu feiern, dem schon zwei Jahre früher das als Staatsminister vorangegangen war. Dieselbe Frische bewog ihn, seinem Amt bis zum letzten Athemzuge vorzustehen. Erst sein am 3. Januar 1800 erfolgender Tod machte hier seinem Wirken ein Ende.

Vgl. Klaproth, Abriß des Lebens von Graf Finkenstein, Manuscript im K. Geh. Staats-Archiv zu Berlin; Cosmar und Klaproth, Gesch. des Kgl. [25] Preuß. Staatsraths 425 ff.; A. Schmidt, Gesch. der preuß.-deutschen Unionsbestrebungen; Droysen, Gesch. der Pr. Politik V, 2; v. Ranke, die deutschen Mächte und der Fürstenbund.