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ADB:Franz Egon (Bischof von Straßburg)

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Artikel „Franz Egon (Bischof von Straßburg)“ von Leonhard Ennen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 297–306, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Franz_Egon_(Bischof_von_Stra%C3%9Fburg)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 08:20 Uhr UTC)
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Franz Egon und Wilhelm Egon von Fürstenberg, Bischöfe zu Straßburg, waren Söhne des 1635 verstorbenen baierischen und ligistischen Generalfeldzeugmeisters Egon Landgrafen von Fürstenberg-Heiligenberg. F. wurde am 10. April 1625 und Wilhelm am 2. December 1629 geboren. Beide erhielten schon als Kinder Domherrenstellen in Köln, ersterer in einem Alter von neun und letzterer in einem von sechs Jahren. Mit dem baierischen Prinzen Maximilian Heinrich, dem späteren Kölner Kurfürsten, waren diese jungen Landgrafen schon in frühen Jahren in Freundschaft verbunden. Obwol fünf Jahre jünger als der baierische Prinz wurde doch F. wegen seiner hervorragenden geistigen Fähigkeiten dem jungen Fürsten als Gesellschafter und Schulgenosse beigegeben. Der junge Landgraf schien keine Lust zu haben, in der geistlichen Laufbahn zu bleiben. Er trat in kaiserliche Kriegsdienste, wo er schnell bis zum Gardehauptmann emporstieg. Doch ging er wieder zurück zu seinem Jugendfreunde, als dieser 1650 den Kölner Kurstuhl bestieg. In seiner schwierigen Stellung bedurfte Max Heinrich eines gewandten Führers, und diesen glaubte er an dem scharfsichtigen und geschäftskundigen Fürstenberg gefunden zu haben. Durch Gnadenbezeugungen und Verleihung von kirchlichen Beneficien suchte er dieses aufkeimende staatsmännische Talent bleibend an seinen Hof zu fesseln. Eine weitere Stütze gewann Max Heinrich an Franz Egon’s jüngerem Bruder Wilhelm, der auf Drängen des Kaisers seine Obristenstelle in französischem Kriegsdienste niedergelegt hatte und in der geistlichen Laufbahn Glück und Fortkommen suchte. Auch Mazarin hatte bald die bedeutenden Talente dieses Brüderpaares erkannt, aber auch ihren unbegrenzten Ehrgeiz durchschaut. Er glaubte den Erfolg seiner Pläne auf das Vortheilhafteste gefördert, wenn er diese Brüder durch reiche Geschenke, jährliche Pensionen, einträgliche Beneficien und große Versprechungen an das Interesse Frankreichs knüpfe. Bald nach der Wahl Leopolds gelang es dem Cardinal mit Hülfe der Fürstenberg zwischen den Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln, dem Bischofe von Münster, dem Pfalzgrafen von Neuburg, dem Herzoge zu Bremen und Werden, dem Herzoge von Braunschweig, dem Landgrafen von Hessen und der Krone von Frankreich eine unter dem Namen „rheinischer Bund“ bekannte Allianz zu Stande zu bringen, in welcher Frankreich die Hebel zur Erreichung seines Hauptzieles, die Schwächung der österreichischen Macht, erblicken konnte. Der französische König hatte an dieser Allianz ein Mittel, um Deutschland durch seine eigenen Fürsten zu erniedrigen und zu entkräften, gleichviel ob die Gehülfen katholisch oder protestantisch waren. Die confessionelle Politik, welche so lange Zeit Deutschland mit Blut getränkt, [298] um unter dem Deckmantel der Religion vielleicht die niedrigsten Zwecke zu erreichen, ward zu Grabe getragen; es trat an ihre Stelle die Politik des vollendeten Egoismus. Ludwig XIV. galt bei den verblendeten Fürsten des Rheinbundes als der uneigennützige Beschützer der ständischen Freiheiten gegen die Macht des Kaisers. Den Lohn für solchen Schutz sollte das Reich ihm zahlen: der ganze Länderstrich auf der linken Seite des Rheines schien von Ludwig und seinem Ministerium dafür in Aussicht genommen zu sein. Der pyrenäische Friede, der den Kämpfen zwischen Frankreich und Spanien ein Ende machte, sprach der französischen Monarchie die ganze Grafschaft Artois, Theile von Flandern, Hennegau, Luxemburg und Namur mit voller Landeshoheit zu. Mazarin richtete den Blick des jungen Königs weit über diese Erwerbungen hinaus; namentlich sollten die spanischen Niederlande zunächst als Opfer seiner Ländergier und Eroberungslust fallen. Ludwig übersah keinen Umstand, der ihn zur Erreichung eines der Hauptzwecke seiner gewaltthätigen, gewissenlosen Politik zur Eroberung der Rheingrenze und der spanischen Niederlande hätte sichern können. Alle Mittel und Wege waren ihm recht. Auf den Deputationstagen, in der Reichsversammlung und in den Ministerien that das französische Gold und die Beredsamkeit der gekannten wie unbekannten französischen Agenten die besten Dienste. Im Stillen rüstete Ludwig mit aller Kraft, um zu geeigneter Zeit mit allen Kampfmitteln für seine Plane einzutreten. Es gelang ihm, sich Grundrisse von allen bedeutenden Festungen in den Niederlanden zu verschaffen und an der niederländischen Grenze mehr als 50000 Mann zu sammeln, die jeden Augenblick zum Angriffe bereit standen.

Unter denen, welche durch Wort, Schrift und Bestechung für Ludwigs Plane aller Orte wirkten, stehen in erster Reihe die beiden Fürstenberge. Als Lohn für ihre Bemühungen verschmähten sie es nicht, große Geldsummen, hohe Ehrentitel, reiche Beneficien, glänzende Aussichten anzunehmen. Als Abschlagszahlung wurden für F. die Stimmen zum Bischofssitz von Straßburg erkauft und Wilhelm erhielt die reiche Abtei St. Michel. F. befand sich als kurkölnischer Gesandter auf dem Reichstage zu Regensburg: was seine Gewandtheit hier zu Gunsten Frankreichs vermochte, that er, und unablässig berichtete er getreulich über Personen, Zustände, Aussichten, Combinationen nach Paris. Wilhelm spielte den französischen Minister am Niederrhein vorzüglich an den Höfen der Rheinbundfürsten. Allerwärts, wo es galt, eine diplomatische Intrigue zu Gunsten Frankreichs zu spielen oder den sinkenden französischen Einfluß wieder zu heben, war er zu finden: er war bald in Paris, um seine geheimen Instructionen zu holen und nebenbei seine Gelder sicher anzulegen, bald in Mainz, bald in Heidelberg, bald in Münster, bald in Frankfurt, bald in Wien. Je mehr in Deutschland dem französischen Einflusse entgegengearbeitet wurde, und je mehr die antifranzösischen Gesinnungen bei einzelnen der Rheinbundfürsten Eingang erlangten, desto eifriger zeigte sich Wilhelm in der Thätigkeit für das Interesse seines gekrönten Brotherrn. Die niederländische Frage wurde brennend, als König Philipp IV. am 17. September 1665 starb. Die Rechtsfrage über Ludwigs Ansprüche auf diesen Theil der spanischen Monarchie war schon durch die französischen Juristen entschieden. Alle Vorbereitungen, seinen eingebildeten Ansprüchen durch das Schwert Nachdruck zu verschaffen, waren gut getroffen. Ehe er aber losschlug, wollte er vorher auf diplomatischem Wege diejenigen Fürsten, von denen die Niederlande Unterstützung hoffen durften, lahm legen. Wilhelm v. Fürstenberg war für diesen Zweck wiederum allerwärts thätig. Vor Allem suchte er den Kaiser von jedem Gedanken, die Spanier durch Kriegsmacht zu unterstützen, abzubringen. Weiter bereitete Wilhelm neue Bündnisse mit den Rheinbundfürsten vor und übernahm die Bearbeitung dieser Herren. Er kannte [299] die Schwächen der Fürsten, der fürstlichen Räthe und Kassen; ebenso wußte er die Schleichwege anzurathen, auf denen man die deutschen Fürsten mit unentwirrbaren Netzen zu umgarnen vermochte. All’ die vielen Briefe, die er wie sein Bruder nach Paris sandte, zeugen von der Schlauheit, aber auch von dem Eigennutz, womit diese Brüder die Interessen des französischen Königs zu fördern und die Souveräne Deutschlands zu französischen Söldlingen zu machen verstanden. Wilhelm suchte diejenigen Fürsten, deren Länder zwischen Oesterreich und den spanischen Niederlanden gelegen waren, durch Separatverträge zur Verlängerung des bald ablaufenden Rheinbundtractates und zur Abwehr aller kaiserlichen Truppendurchzüge zu bestimmen. Zuerst wurde ein solcher Vertrag mit dem Herzog von Pfalz-Neuburg auf drei Jahre abgeschlossen; dem Herzog wurden hierin reiche Subsidien zugesichert; ein geheimer Artikel aber sagte, daß der Vertrag nur dann Geltung haben solle, wenn Frankreich es erreiche, ähnliche Tractate mit den übrigen Rheinbundfürsten abzuschließen. Diese Klausel ward erfüllt, die von Fürstenberg geführten Unterhandlungen mit Max Heinrich von Köln gediehen zu gewünschtem Ende. Am 22. October 1666 wurde ein Allianzvertrag zwischen Frankreich und Kurköln unterzeichnet, wodurch Max Heinrich sich gegen reiche französische Subsidien zu thätiger Unterstützung der französischen Gewaltplane verpflichtete. Aehnliche Verträge schloß Wilhelm auch mit Mainz und Münster ab. Die Fürstenberge waren es wieder vorzüglich, welche als diplomatische Schildträger Ludwigs allerwärts für die französischen Interessen arbeiteten und namentlich Köln, Münster und Pfalz-Neuburg, durch Sondertractate an das Schlepptau Frankreichs zu fesseln sich bemühten. Wilhelm setzte es beim Kölner Kurfürsten durch, daß dieser am 11. Juni 1671 mit Frankreich einen Neutralitätsvertrag abschloß. Dem Vertrage selbst waren geheime Artikel angefügt, wodurch Max Heinrich dem Könige erlaubte, eine Schiffbrücke über den Rhein zu bauen und Magazine in Lüttich, Bonn, Zons, Rheinberg und Dorsten, oder wo sonst das französische Interesse solches fordere, anzulegen; außerdem versprach er alle Mittel aufzubieten, um den Kaiser oder das Reich von jeder Parteinahme gegen Frankreich abzuhalten. Für solche Zugeständnisse wurden dem Kurfürsten eine monatliche Subsidie von 10000 Thlr. und eine jährliche Gratification von 20000 Thlr. zugesichert. In einem besonderen Vertrage mit den Fürstenbergen versprach Ludwig noch, der Familie Fürstenberg-Heiligenberg die Aemter Dalheim, Falkenburg und Rolduc nebst den dazu gehörigen Dörfern in Besitz zu geben, sobald er solche den Holländern werde abgenommen haben. Der Kölner Neutralitätstraktat war dem Könige Ludwig hinreichende Basis, um schon sofort bedeutende Streitkräfte nach der niederländischen Grenze vorzuschieben, gegen die Stadt Köln, die mit Holland zu halten schien, eine drohende Stellung einzunehmen, sich noch vor der förmlichen Kriegserklärung die vortheilhafteste Stellung zu sichern und die Mittel zur Durchführung seiner Gewaltpläne in Bereitschaft zu setzen. Bei Brandenburg hatte Graf Wilhelm kein Glück; obwol am Hofe des Kurfürsten verschiedene Elemente durch die glatten Worte und klingende Gründe Fürstenberg’s für die französischen Pläne gewonnen waren, so scheiterte doch die gewandte Zunge Fürstenberg’s an dem geraden deutschen Sinne des Brandenburger’s; nachdem er die Pläne Frankreichs durchschaut, entschloß er sich zur Unterstützung der gefährdeten Holländer und ging am 26. April 1672 mit diesem von aller Welt verlassenen Freistaate einen Offensivcontract ein; besser als mit Brandenburg gelangen Fürstenberg’s Unterhandlungen mit dem Bischof von Münster, dem Herzoge von Pfalz-Neuburg, den braunschweigischen Brüdern von Hannover und Osnabrück, dem Kurfürsten von Baiern und dem Erzbischofe von Mainz. All’ diese Fürsten öffneten durch geheime Verträge gegen monatliche Subsidien [300] und andere Vortheile dem französischen Könige ihre Gebiete und stellten ihm all’ ihre Hülfsquellen zur Verfügung. Die Streitigkeiten, welche seit einer Reihe von Jahren zwischen dem Kölner Kurfürsten und der Stadt Köln schwebten, hatten dem französischen Könige willkommene Veranlassung geboten, vor und nach zahlreiche Truppenabtheilungen an den Rhein rücken zu lassen. Die Holländer sahen mit großer Besorgniß, wie immer drohender das Ungewitter gegen den an sie angrenzenden Lüttich-Köln-Hildesheimer Ländergürtel heranzog. Sie bemühten sich in Köln festen Fuß zu fassen und diese Stadt zu einem Bollwerk gegen den französischen Sturm zu machen. Bald aber mußten sie sehen, daß das holländische Regiment, welches sie in Köln einquartiert hatten, auf Betreiben des Grafen Wilhelm genöthigt wurde, französischen Truppen Platz zu machen. Bald zeigte es sich, daß der Kurfürst von Köln sein Gebiet gleichsam zu einer französischen Provinz und zu einem französischen Waffenplatz machen ließ, von dem aus der Krieg gegen Holland mit dem besten Erfolge begonnen werden könnte. In Bonn sah man eine französische Verordnung mit dem französischen Wappen angeschlagen; es schien, „als ob der König Ludwig allda Souverän und Meister wäre“; zwölf Compagnien französischer Cavallerie marschirten in das Erzstift. An der Lippe ließ Max Heinrich zahlreiche Schanzen aufwerfen, und mit französischen Truppen besetzen; er gab zu, daß bei Bonn im Interesse Frankreichs eine fliegende Brücke aufgeschlagen wurde: in Bonn selbst wurde der ganze Garnisondienst französischen Soldaten übergeben. Graf Wilhelm hatte in der Grafschaft Waldeck ein Regiment Infanterie von 1000 Mann und eine Compagnie Cavallerie auf eigene Kosten geworben. Auf Veranlassung desselben Fürstenberg wurden in Kaiserswerth durch den Franzosen Bertholet französische Magazine angelegt. In Dorsten, Kaiserswerth und Neuß übergab Max Heinrich französisch gesinnten Gouverneuren das Commando über die Besatzungsmannschaften. Gegen eine Pfandsumme von 400000 Franken wurde die Stadt Neuß gänzlich in Hand und Willen der Franzosen geliefert. Der definitive Offensivtractat mit Max Heinrich kam am 4. Januar 1672 zu Brühl auf drei Jahre zu Stande; der Bischof von Münster erklärte seinen Beitritt an demselben Tage. Bei dem neuen Aufleben des Muthes im deutschen Reiche gerieth der Kurfürst von Köln in hartes Gedränge; er befand sich nebst Wilhelm von Fürstenberg beim Heere in Holland. Sobald König Ludwig von den Bewegungen der kaiserlichen Truppen unter Montekukuli und der brandenburgischen unter dem Kurfürsten selbst Kunde erhielt, befahl er dem Marquis Türenne, sich mit einem starken Corps über den Rhein zu begeben, um die geistlichen Bundesgenossen zu beschützen und die Verbindung der brandenburgischen und kaiserlichen Truppen zu verhindern. Köln hatte als Besetzung ein Regiment kaiserlicher Truppen unter dem Befehl des Marquis Grana. F. veranlaßte den König Ludwig zu der Erklärung, daß Köln nicht eher für neutral angesehen werden könne, als bis Grana mit seinem Regiment die Stadt verlassen habe. Um dieses Verlangen zu begründen, wies man einen aufgefangenen Brief vor, in welchem der Marquis Grana vom Prinzen von Oranien aufgefordert wurde, den Bischof von Straßburg auf die eine oder andere Weise aus dem Wege zu räumen. Das französische Ministerium erklärte, Frankreich könne keinen Gesandten in eine Stadt schicken, wo ein fremder General eine Mörderbande zu seiner Verfügung habe. Der Kaiser sah sich genöthigt, in Grana’s Abberufung zu willigen, und er stellte der Stadt Köln anheim, die Soldaten des genannten Regiments, welche in städtische Dienste treten wollten, in Eid und Pflicht zu nehmen. Etwa hundert Soldaten verließen die Fahne; die übrigen blieben und leisteten dem Magistrat den Eid. Die Congreßverhandlungen begannen nun am 28. Juni im Karmelitenkloster. Die Interessen, welche hier vertreten werden sollten, [301] waren zu zahlreich und gar zu voll von Widersprüchen, und die Ansprüche, um deren Erfüllung man sich hier bemühte, waren zu hochgehend, als daß dieser Congreß nicht als verfrüht angesehen werden mußte. Die Gesandten sahen ein, daß noch Ströme Blutes fließen mußten, ehe die Frage bis zu dem Punkte gediehen war, wo Friedensvermittlungen der Verwirrung ein Ende zu machen vermochten. Darum ließen sie sich auch ihre Aufgabe wenig ernstlich angelegen sein. Sie erhoben gewissenhaft ihre Taggelder, im Uebrigen waren sie mehr bei Gastereien, Trinkgelagen und Jagdpartien zu finden, als im Saale der Karmeliter. Grana ließ es sich gut sein in der Wohnung des Herrn, der ihn aus Köln vertrieben hatte. Aus Fürstenberg’s vortrefflichem Weinkeller bewirthete er die Generale und oberen Officiere der vereinten Armee auf das Freigebigste.

Noch ehe die feindlichen Heermassen bis in die Gegend von Bonn gekommen, hatte Max Heinrich sich zu seiner persönlichen Sicherheit auf neutralen Boden nach Köln begeben. Hier saß er mit seinem treuen Rathgeber Wilhelm von Fürstenberg in der größten Noth in der Pantaleonsabtei. Vor dem entscheidenden Angriff auf Bonn wurde er im Namen Montekukuli’s durch eine ständische Deputation ersucht, die französische Partei zu verlassen, in Bonn und Neuß kaiserliche Besatzungen einzunehmen, die Brüder Fürstenberg aus seinen Diensten zu entfernen und eine neue Huldigung zu leisten. Nach langem Schwanken entschloß er sich auf Grund eines eigenhändigen Briefes des Königs Ludwig, eine ablehnende Antwort zu ertheilen und treu in dem französischen Bündnisse zu verharren. Wilhelm von Fürstenberg war es wieder gewesen, der hier vorzüglich die Hände im Spiel gehabt.

Trotzdem, daß es schien, als ob Ludwig den Kurfürsten seinem traurigen Schicksal überlassen wolle, bemühte sich Graf Wilhelm, alle Versuche der Kaiserlichen, den Max Heinrich der französischen Sache zu entfremden, mit allen Mitteln zu vereiteln. Auf den Rath des Marquis Grana entschloß sich nun das kaiserl. Cabinet, diesen Friedensstörer und Landesverräther seinem verderblichen Wirkungskreise zu entreißen. Es war in Köln gerade Carneval; die Gesandten nahmen freudigen Antheil an den heiteren, harmlosen Vergnügungen; Freunde und Feinde fanden sich bei den Comödien, Bällen, Festen und Gastereien friedlich vereint, da wurden die Diplomaten und die ganze Stadt aus ihrem Taumel durch die Nachricht geweckt, daß Wilhelm von Fürstenberg bei seiner Rückkehr von seiner Base, der „schönen Gräfin“. Maria Katharina Charlotte von der Mark, nach dem Kloster St. Pantaleon von kaiserlichen Soldaten überfallen und als Gefangener nach Bonn gebracht worden sei. Das Aufsehen, welches die an Fürstenberg verübte Gewaltthat beim Kölner Magistrat und den Congreßgesandten verursachte, war ungeheuer. Der Magistrat ließ sofort die Thore schließen, ein genaues Zeugenverhör anstellen und Alle, die beim Ueberfall thätig gewesen, in Verhaft nehmen. Zugleich schickte er eine Deputation nach Bonn an den Marquis Grana, um die sofortige Freilassung des Gefangenen zu verlangen. Grana wies dieses Ansuchen ab und erklärte, er habe nicht anders gehandelt, als wie der kaiserliche Befehl gelautet. Durch die Bedeutung, welche König Ludwig diesem kaiserlichen Gewaltstreich beilegte, erhielt diese Angelegenheit eine welthistorische Wichtigkeit. Um die Person des gefangenen Fürstenberg drehte sich eine Zeit lang das ganze politische Leben, wie eben vorher um das Gebiet der gefährdeten holländischen Republik. Fast kein diplomatisches Schriftstück wurde expedirt, kein Beglaubigungsschreiben ausgefertigt, keine Ständeversammlung eröffnet oder geschlossen, ohne daß des gefangenen Grafen Wilhelm Erwähnung geschehen wäre. Die öffentliche Tages- und Broschürenlitteratur bemächtigte sich dieser Angelegenheit mit einem bis dahin nicht gekannten Eifer. Namentlich ließ König Ludwig es sich angelegen sein, alle Federn in Bewegung zu setzen, um mit allen möglichen [302] Gründen die That des Kaisers zu verdammen und die Verletzung der Gesandtenwürde nach Verdienst zu zeichnen. Noch heftiger würde man den Kaiser angegriffen haben, wenn man Kenntniß davon gehabt hätte, in wie großer Gefahr das Leben des Gefangenen schwebte. Die vier vertrautesten Minister versammelten sich sofort nach Fürstenberg’s Einbringung beim Kaiser, um über das Schicksal des Gefangenen sich zu entscheiden. Die Mehrheit sprach sich dahin aus, daß Fürstenberg innerhalb vier Mauern als Verräther an Kaiser und Reich in aller Stille hingerichtet werden solle. Dieses Urtheil wurde dem päpstlichen Nuntius hinterbracht, und dieser, der von Rom aus den gemessensten Befehl hatte, alles für die Freilassung des Grafen aufzubieten, eilte sofort zum Kaiser und drohte mit dem ganzen Zorn des Papstes, wenn man es wagen wollte, das Urtheil zu vollziehen und Hand anzulegen an einen geistlichen Würdenträger, dessen alleiniger Richter der Papst sei. Diese kühne Sprache rettete dem Gefangenen das Leben: derselbe wurde nur zu engerem Verwahrsam verurtheilt. Seine Aussicht auf baldige Befreiung schwand, als es dem Kaiser gelang, die Verbindung zwischen Frankreich und dem Kölner Kurfürsten zu lösen und am 11. Mai 1674 mit letzterem einen Freundschaftsvertrag abzuschließen. In diesem Vergleich verzichtete Max Heinrich ausdrücklich darauf, daß die Brüder Fürstenberg mit darein eingeschlossen würden. In den Sturz des Grafen Wilhelm war nämlich auch sein Bruder, der Bischof von Straßburg, mit verwickelt worden. Durch den Kaiser war er seines Sitz- und Stimmrechtes auf dem Reichstage, seines Bisthums, der Abtei Stablo, sowie seiner anderen deutschen Besitzungen verlustig erklärt worden; seine Zehnten, Gefälle und Einkünfte waren eingezogen und seine Unterthanen vom Eid der Treue entbunden worden. Max Heinrich gab nun seine Zustimmung, daß Wilhelm in kaiserlichem Verwahrsam blieb und der kaiserliche Spruch gegen F. aufrecht erhalten wurde. Der Bischof von Straßburg, dem der Kölner Magistrat nach Abreise der Gesandten keine Sicherheit mehr für seine Person garantiren zu können erklärte, erhielt vom Kurfürsten den Rath, sich mit den aus dem Kölner Erzbisthum nach Frankreich zurückkehrenden französischen Truppen unter den Schutz des Königs Ludwig nach Paris zu begeben. Hier ließ er sich es von den ihm durch die königliche Gnade geschenkten 12000 Kronen wohl sein. Der Friede, um den man sich vergeblich in Köln bemüht hatte, schien nun endlich auf dem Congreß zu Nymwegen zu Stande kommen zu sollen. Als die Krone England durch die Mißstimmung des Parlaments gegen den König von Frankreich sich zu einer entschiedenen Annäherung an die Niederlande genöthigt sah, und Frankreich eine baldige Kriegserklärung von Seiten Englands befürchten mußte, begann Ludwig die Friedensunterhandlungen mit lebhaftem Ernst zu betreiben. Am 15. April 1676 ließ er die Bedingungen vorlegen, unter denen er den Frieden zu schließen bereit war. Hierunter fand sich als unabweisliche Forderung die Freilassung des Grafen Wilhelm von Fürstenberg, sowie Restitution der ganzen fürstenbergischen Familie in alle ihre Besitzungen und Rechte. F. ließ durch seine Agenten in Nymwegen an die Mitglieder des Congresses das Verlangen stellen, daß sein gefangener Bruder auf freien Fuß und in den Vollgenuß all’ seiner Würden, Pfründe, Stellen, Rechte und Gefälle gesetzt werde und daß er selbst, der Bischof von Straßburg, gleicherweise in seine Besitzungen und Rechte, die er vor dem Kriege besessen, restitutirt werde. Diese Forderungen wurden wirklich bewilligt und als 36. Artikel in den am 5. Februar 1679 zwischen dem Kaiser und dem Könige Ludwig abgeschlossenen Tractat aufgenommen.

Der Friede von Nymwegen führte die Brüder Fürstenberg wieder in ihre alten Verhältnisse, auf das Feld ihres alten Intriguenspiels zurück. Trotz ernstlicher Abmahnung des Kaisers machte Max Heinrich den Bischof von Straßburg [303] zum unentbehrlichen Factotum der ganzen kölnischen Regierung. Täglich mußten die Chefs der einzelnen Verwaltungszweige bei ihm ihre Verhaltungsbefehle einholen, und die Gouverneure der anderen Provinzen waren angewiesen, ihm ihre Rechenschaft abzulegen und mit ihm über den Stand der Angelegenheiten in ihren Districten sich zu benehmen. Doch blieb er nicht lange in diesem hohen Einfluß. Seinen Gegnern gelang es, seine Gunst beim Kurfürsten zu untergraben und letzteren ihm gänzlich zu entfremden. F., der durch diesen Umschwung in der Gesinnung des Kurfürsten jede Aussicht auf die Kölner Coadjutorie gescheitert sah, hielt es nun für rathsam, sich für alle Fälle eine sichere Zukunft in Frankreich zu sichern. Er bat darum den König Ludwig, ihm eine gute Pfründe auf französischem Boden zu verleihen, „die ihm Anlaß gebe, von Zeit zu Zeit seine Aufwartung am Hofe in Versailles zu machen, und die ihm gute Sicherheit bieten könne, wenn er wiederum genöthigt werden sollte, Deutschland zum zweiten Male zu verlassen“. Erneute Ansprüche auf Ludwigs Dank erwarb er sich durch den Eifer, mit dem er die französischen Gewaltplane gegen Straßburg förderte. Er eilte nach seiner deutschen Stadt Straßburg, um dem französischen Könige, der als Eroberer dort seinen Einzug hielt, jubelnden Herzens und Mundes seines Gehorsams und seiner Unterthänigkeit zu versichern: Nicht lange überlebte er den Verrath, den er an seiner Bischofsstadt begangen. Kaum war er nach Köln zurückgekehrt, als er hier, tief gebeugt durch den Verdruß über die Ungnade des Kurfürsten und über das Mißgeschick, welches ihm das gewohnte Feld rastloser Thätigkeit und die Aussicht auf den Kurstuhl verschlossen hatte, am 1. April 1682 starb. Seine verweslichen Reste wurden im Dom in der Michaeliscapelle beigesetzt. Seit dem J. 1634 war er Mitglied des Domcapitels und seit 1655 Dechant desselben gewesen. Am 6. Januar 1662 hatte er seine erste Messe gefeiert; der Kölner Rath, der bei dem Festmahl durch sechs Mitglieder vertreten war, hatte ihm einen Zulast Wein verehrt. Ein gutes Andenken hat er sich im Dom dadurch gestiftet, daß er die kostbare von Max Heinrich geschenkte Monstranz durch eine reich mit Edelsteinen besetzte Krone, im Werth von 30000 Rthlr. verzieren ließ.

Mehr Glück als sein Bruder F. hatte beim Kurfürsten der Landgraf Wilhelm. Er hatte es verstanden, sich zur Zeit, als der fürstenbergische Stern im Sinken war, zurückzuziehen, um zu gelegener Zeit wieder seine Dienste anzubieten. Diese Zeit kam, und es gelang dem Landgrafen, sowol seinen alten Einfluß beim Kurfürsten wieder zu gewinnen, wie den französischen Interessen am Kölner Hofe von neuem eine feste Stütze zu sichern. König Ludwig dankte ihm dadurch, daß er ihn zum Bischof von Straßburg wählen ließ. Es ist nicht zu verwundern, daß unter dem Druck der despotischen Hand des Königs Ludwig die Wahl des Straßburger Domcapitels am 22. Juni 1682 „durch sönderliche Vorsehung Gottes und Inspiration des heiligen Geistes einhellig auf den Landgrafen Wilhelm fiel“. Vier Jahre später verschaffte König Ludwig diesem treuen Agenten seiner gewaltthätigen Politik auch noch den Cardinalshut. Der Kölner Rath brachte unter dem 20. September 1686 dem neuen Cardinal seine Glückwünsche dar. Graf Wilhelm hatte große Mühe, sich bei dem alters- und charakterschwachen Kurfürsten Max Heinrich, auf den sein Neffe Max Emanuel von Baiern unablässig in antifranzösischem Geiste einzuwirken sich bemühte, dauernd in Gunst zu halten. Je merklicher der baierische Einfluß in Bonn sich hob, desto eifriger ließ sich König Ludwig es sich angelegen sein, die um Köln geschlungenen, in letzter Zeit aber gelockerten Bande wieder fester anzuziehen. Dem Landgrafen Wilhelm gebührt wieder das traurige Verdienst, den alten Fürsten am Rande des Grabes neuerdings zum Verräther an seinem Vaterlande gemacht zu haben. Alle Erfolge, welche in den letzten Jahren die französische [304] Schlauheit im Kampfe gegen die deutsche Sache gewonnen hatte, schienen sehr zweifelhaft, wenn nicht dem jetzt auch geistesschwach gewordenen Kurfürsten ein Coadjutor und Nachfolger bestellt wurde, bei dem die französische Politik auch für die Zukunft auf kräftige Unterstützung rechnen konnte. Die sicherste Bürgschaft hierfür bot offenbar der Landgraf Wilhelm von Fürstenberg. König Ludwig entschloß sich darum, die vor sieben Jahren im Interesse des verstorbenen F. angeregte Coadjutorintriguen jetzt zu Gunsten des Grafen Wilhelm wieder aufzunehmen. In Köln selbst aber hatte er keineswegs leichtes Spiel. Hier stellten sich dem Landgrafen Wilhelm außer dem Pfalzgrafen Franz Ludwig, ein Neffe des Kurfürsten Max Heinrich, der baierische Prinz Joseph Clemens, als Rivale in den Weg. Fürstenberg gab sich alle Mühe, seinen Herrn gegen die baierische Candidatur einzunehmen. Er wies auf Baierns feindselige Stellung zu Frankreich hin und drohte mit der höchsten Ungnade des Königs Ludwig, wenn Max Heinrich irgendwelche Verbindlichkeit zu Gunsten des Prinzen Joseph Clemens eingehe. Seine Einschüchterungen wirkten bei dem alten ängstlichen Herrn. Dieser ließ dem baierischen Kurfürsten wissen, daß an die Coadjutorwahl seines Bruders gar nicht zu denken sei. Alle Bemühungen, den Kurfürsten von dem Plane, den Cardinal von Fürstenberg zum Coadjutor wählen zu lassen, abzubringen, waren vergeblich; Fürstenberg war und blieb dem Kurfürsten in der Coadjutorfrage die einzige persona grata. Trotzdem daß der Papst in einem officiellen Anschreiben die Kölner Domherren von der Wahl Fürstenberg’s abgemahnt hatte, fielen am Wahltage von den 24 Stimmen 17 auf den Cardinal. Hauptsächlich waren durch französisches Geld diese Stimmen für Fürstenberg gewonnen worden. In der Freude über seinen Sieg schenkte Fürstenberg dem Dome die acht herrlichen, in Paris nach Rubens’schen Zeichnungen verfertigten Gobelinstapeten, welche jetzt bei feierlichen Processionen als Fußteppiche ausgebreitet werden. Gleich am nächsten Tage nach der Wahl hatte Fürstenberg selbst dem Papste das Ergebniß der Abstimmung angezeigt und um die Bestätigung gebeten. Der Papst aber erklärte die Wahl für null und nichtig und versagte die Confirmation. Doch König Ludwig war wenig geneigt, auf den Protest des Kaisers und den Ausspruch des Papstes Gewicht zu legen. Er entschloß sich, dem Reiche einen Fürsten und der Kirche einen Bischof, den beide mit vollem Rechte von der Hand wiesen, nöthigen Falles durch die Gewalt der Waffen aufzudrängen.

Max Heinrich starb am 3. Juni 1688. Das Domcapitel übernahm sofort die Regierung des Kurstaates. Gemäß Capitelsbeschluß trat Fürstenberg an die Spitze der Verwaltung, aber nicht als successionsberechtigter Coadjutor, sondern als Dechant des Domcapitels. Alle Bemühungen des Cardinals, wie der französischen Agenten waren nicht im Stande, das Capitel, sowie den Papst zu bestimmen, die fürstenbergischen Successionsrechte auf Grund der Coadjutorwürde anzuerkennen. Das Capitel setzte einfach den 19. Juli als Termin einer neuen Kurfürstenwahl fest, und der Papst schrieb, „daß unüberwindliche Hindernisse ihm nicht gestatteten, dem Cardinal die Nachfolge zuzuerkennen“. Während man beiderseits auf alle Weise auf die einzelnen Wahlherren einzuwirken sich bemühte, kam der Wahltag heran. Fürstenberg zeigte in allem die festeste Zuversicht. Die Courierpferde standen bereit, mit denen der Ausgang der Wahlhandlung nach Versailles berichtet werden sollte. In stolzem, festem Vertrauen auf den Sieg ihres Gönners lag die Gräfin von der Mark während der ganzen Wahlhandlung dem Capitelhause gegenüber im Fenster und erwartete mit Sehnsucht, bis des Cardinals Triumph publicirt würde. Fürstenberg war bei ihr geblieben, bis Taufkirchen und Kaunitz, wovon ersterer das Eligibilitätsbreve für den baierischen Prinzen vorlegte und der andere erklärte, daß der Kaiser auf eine [305] etwaige Wahl Fürstenberg’s mit Trennung der Kur vom Erzstuhl Köln antworten werde, ihre Vorträge beendigt hatten. Sobald F. eingetreten war, begann die eigentliche Wahlhandlung. Das Ergebniß zeigte, daß bei den meisten Capitularen französisches Geld oder die Furcht vor dem mächtigen Könige mehr vermochte, als das Gefühl der Ehre und die Liebe zu dem deutschen Vaterlande. Von den 24 Stimmen fielen 13 auf Fürstenberg, 9 auf Joseph Clemens von Baiern, 1 auf den Grafen Reckheim und 1 auf den Pfalzgrafen Ludwig Anton. Der postulirte Cardinal Fürstenberg bemächtigte sich gleich nach der Wahl des Capitelssiegels, ordnete seine Proclamirung zum Kurfürsten an, bezog den kurfürstlichen Palast und nahm alle Beamten und Officiere in Eid und Pflicht. Dieses voreilige Vorgehen Fürstenberg’s war wenig geeignet, die demselben feindselige Stimmung des Papstes und der meisten Cardinäle zum Umschlag zu bringen. Am 15. September erklärte die für diese Angelegenheit bestellte Congregation die Postulation Fürstenberg’s für ungültig und die Wahl des Prinzen Joseph Clemens für rechtskräftig. Der Papst bestätigte diesen Beschluß und ließ dem Cardinal Fürstenberg bedeuten, daß ihm bei dauernder Halsstarrigkeit leichtlich der Cardinalshut wieder genommen werden könnte. Das Kurfürstencollegium trug nun auch weiter kein Bedenken, den Joseph Clemens als Kurfürsten anzuerkennen. Die Majorität des Domcapitels beugte sich sofort unter den päpstlichen Spruch, erkannte den Joseph Clemens als den rechtmäßigen Kurfürsten und Erzbischof an und setzte den Termin für die feierliche Besitznahme fest. Fürstenberg wurde in strengen Ausdrücken aufgefordert, in kürzester Frist die Residenz Bonn zu verlassen, wenn er nicht durch die Gewalt der Waffen hierzu gewungen werden wolle. Er aber hatte sich entschlossen, seine Aussichten auf die Behauptung des Erzstiftes an die Erfolge des wieder gegen Deutschland in die Waffen getretenen französischen Königs zu knüpfen, und er ließ sich durch nichts bewegen, seiner usurpirten Stellung zu entsagen. In seiner sicheren Residenz Bonn wollte er abwarten, bis die Intriguen und Drohungen des französischen Bevollmächtigten Heron ihm die Schlüssel zur Metropole Köln zu Füßen gelegt, und sein königlicher Protector die immer zahlreicher sich erhebenden Feinde Frankreichs zu Boden geschmettert, die deutschen Fürsten gedemüthigt und den Spruch Roms zu Schanden gemacht habe. Doch seine Erwartungen und Hoffnungen gingen nicht in Erfüllung. Den energischen Anstrengungen des Kaisers, des Kurfürsten von Brandenburg, des Prinzen von Oranien und anderer Fürsten gelang es, den Stolz Ludwigs zu demüthigen und die französischen Truppen aus fast allen Orten am Rhein zu verjagen. Nur in Bonn wehte noch stolz die französische Fahne. Mit großer Besorgniß sah Fürstenberg die reißenden Fortschritte seiner Feinde und er begann zu fürchten, daß bald die ganze niederrheinische Armee der Alliirten drohend gegen Bonn heranziehen würde. Je näher der Feind heranrückte, desto tiefer sank der Muth und die Hoffnung des sonst so zuversichtlichen Cardinals. Er sah ein, daß er sich der größten persönlichen Gefahr aussetze, wenn er bis zum äußersten in Bonn ausharren werde. Am 12. April 1689 begab er sich in Begleitung des französischen Gesandten Heron über Trier und Metz nach Paris. Bald nach seinem Abzuge rückten die Verbündeten in Bonn ein. Fürstenberg’s bewegliche Habe wurde in Beschlag genommen, nach Holland geschickt und später im Generalstaatenhause öffentlich versteigert.

Durch diesen Sieg der alliirten Waffen war die Frage, ob Joseph Clemens oder Fürstenberg an der Spitze des Erzstiftes stehen solle, zu Gunsten des ersteren entschieden, und derselbe konnte ohne weitere Behinderung die Regierung übernehmen. Fürstenberg blieb geächtet, bis der zu Ryswick zwischen dem Kaiser [306] und König Ludwig vereinbarte Friede ihn wieder in „all’ seine Gerechtsame, Lehen und Allodialgüter, Beneficien, Würden und Prärogativen restituirte“. Nach Deutschland kam er aber nicht wieder; auf die Domdechanei und die Propstei von St. Gereon leistete er Verzicht; er verschwand gänzlich von der großen politischen Schaubühne und zog sich zurück in seine Abtei St. Germain des Pres in Paris. Hier verbrachte er den Rest seiner Tage. Bis zu seinem Tode erfreute er sich des vollen Vertrauens Ludwigs XIV. Ein freundliches königliches Handschreiben vom J. 1702 widerlegt die Sage von der Vernachlässigung, welche er in der letzten Zeit von Seiten des Königs erfahren haben soll. Das abteiliche Archiv, woraus man noch Näheres über seine letzten Lebensjahre schöpfen konnte, ist bei einer großen Feuersbrunst verbrannt. Fürstenberg starb am 10. April 1704 und ward mit allen seinem Range gebührenden Ehren in der Kirche seiner Abtei begraben. Sein Grabmal befindet sich in der Margarethencapelle dieser Kirche, rechts unter dem zweiten Fenster.

Münch, Geschichte des Hauses Fürstenberg. Valkenier, Das verwirrte Europa. Depping, Krieg der Münsterer und Kölner. Ranke, Franz. Geschichte. Ennen, Der spanische Erbfolgekrieg. Ennen, Frankreich und der Niederrhein. Akten du min. des affaires étrang. in Paris. Kölner Rathsprotokolle und anderes handschriftliches Material im Kölner Stadtarchiv.