Zum Inhalt springen

ADB:Friedemann, Friedrich Traugott

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Friedemann, Friedrich Traugott“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 775–777, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedemann,_Friedrich_Traugott&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:02 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Friedel, Johann
Nächster>>>
Friedhoff, Franz
Band 48 (1904), S. 775–777 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Traugott Friedemann in der Wikipedia
Friedrich Traugott Friedemann in Wikidata
GND-Nummer 116792493
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|775|777|Friedemann, Friedrich Traugott|Paul Zimmermann|ADB:Friedemann, Friedrich Traugott}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116792493}}    

Friedemann: Friedrich Traugott F., Schulmann und Philologe, † 1853, wurde laut Kirchenbuch am 29. (nicht 31.) März 1793 zu Stolpen im Königreich Sachsen als Sohn des Weißbäckers Gottlob Traugott F. geboren; seine Mutter Christiane Dorothea war eine geborene Schroth. Er besuchte die höhere Bürgerschule zu Neustadt-Dresden, die Fürstenschule St. Afra zu Meißen und bezog dann die Universität Wittenberg, wo er Theologie und namentlich bei Chr. A. Lobeck Philologie studirte. Schon 1812 promovirte er zum Dr. phil., 1813 ward er Conrector zu Zwickau. Im J. 1817 ging er in gleicher Stellung an das Gymnasium in Wittenberg über; am 29. Juni desselben Jahres verheirathete er sich mit Caroline Wilhelmine Salzberger, aus Reichenbach im Vogtland gebürtig. 1820 wurde er in Wittenberg [776] Rector. Sein Ruf als Schulmann war bereits so bedeutend, daß er 1823 als Director des Katharineums nach Braunschweig berufen wurde, um hier als Fremder von Rücksichten unbeeinflußt für mancherlei Mißstände thatkräftig Abhilfe zu schaffen. Anfang 1824 trat er sein Amt an; er leitete das Gymnasium in streng humanistischem Sinne; die bis dahin zulässig gewesene Befreiung vom griechischen Unterrichte schaffte er ab; er hielt eine scharfe Disciplin, ertheilte selbst einen gediegenen anregenden Unterricht. Im lateinisch Sprechen förderte er seine Schüler so weit, daß die besten von ihnen demnächst seinem Amtsnachfolger überlegen waren. Als thätiges Mitglied des Ausschusses, der am 16. Januar 1827 „für die Verbesserung der Schulanstalten der Stadt Braunschweig“ eingesetzt wurde, war er von wesentlichem Einflusse auf die Organisation des Gesammtgymnasiums, das nach seinen Ideen aus den beiden bis dahin selbständigen Gymnasien, dem Martineum und dem Katharineum, und einem Realinstitute gebildet wurde und nun in ein Progymnasium, Obergymnasium und Realgymnasium zerfiel. Am 15. Jan. 1828 wurde das Gesammtgymnasium durch eine lateinische Rede Friedemann’s eröffnet, der neben der Vertretung der ganzen Anstalt die besondere Leitung des Obergymnasiums erhielt. Als er dann aber auch das Collegium Carolinum mit dem Gesammtgymnasium in enge Verbindung bringen wollte, fand er für seine Anträge kein geneigtes Gehör. Das verstimmte ihn, und da er zudem zu mehreren einflußreichen Persönlichkeiten der Stadt in ein schlechtes Verhältniß gekommen war, so folgte er noch im Herbste 1828 einem Rufe, als Director des Nassauischen Landesgymnasiums nach Weilburg zu gehen. Obwol die wesentlich von ihm geschaffene Gymnasialreform große Anerkennung gefunden hatte, so machte man doch keinen Versuch, ihn in Braunschweig zu halten. Er erhielt in Weilburg den Dienstcharakter eines Oberschulraths; 1830 wurde er als correspondirendes Mitglied der Landesregierung Referent für das Gelehrtenschulwesen des Landes. Für dieses, wie für seine Anstalt ist seine Thätigkeit von großem nachhaltigen Einflusse gewesen. Er zeigte auch hier eine sehr weit, vielen zu weit gehende Vorliebe für das Studium der classischen Sprachen. Außer in diesen unterrichtete er auch in der Religion. Er war Rationalist und hatte schon 1821 de summa doctrinae christianae et rationis humanae in rebus immutabilibus et necessariis consensione ein Programm geschrieben, auch 1822 eine neue Ausgabe der Reden Melanchthon’s begonnen. Die theologische Facultät zu Leipzig hat 1836 diese Thätigkeit durch die Verleihung der Doctorwürde anerkannt. Dabei sorgte F. an seiner Schule auch für die Nebenfächer, für gute Lehrmittel, insbesondere die Bibliothek; er förderte musikalische Bestrebungen, die Bildung eines Chores und eines Orchesters aus seinen Schülern. Zu diesen gehörte W. H. Riehl, der von der eigenartigen Persönlichkeit Friedemann’s und seiner Schulleitung eine sehr anziehende Schilderung entworfen hat. Danach imponirte der eifrige, ja leidenschaftliche Schulmann seinen Schülern namentlich durch den Universalismus seiner Bildung; er war bei ihnen trotz seiner gelegentlichen Grobheit recht beliebt. Das war nicht in allen Kreisen, mit denen er in Berührung kam, der Fall. Als er 1831/32 auf dem Landtage, in dem er als Director des Landesgymnasiums einen Sitz hatte, in dem nassauischen Domänenstreite mit der Minderheit auf alle Forderungen der Regierung einging, verdarb er es gründlich mit den Liberalen. Daß er als Fachmann hohes Ansehen genoß, zeigte der Auftrag des Königs von Holland, dem zufolge er im Sommer 1836 den Unterricht im Athenäum zu Luxemburg nach deutschen Grundsätzen umgestaltete. Dennoch hatte er, wie zu einem großen Theile seines Lehrercollegiums, auch zu einflußreichen Mitgliedern der Regierung eine schlechte [777] Stellung. Die Folge war, daß er bald nach dem Tode Herzog Wilhelm’s 1840 als Archivdirector nach Idstein versetzt wurde. Er kam damit in eine Stellung, für die er durch seine Studien und seine bisherige Wirksamkeit in keiner Weise vorbereitet war; aber mit der ihm eigenen Thatkraft warf er sich jetzt auf die Erforschung der Landesgeschichte, auf das Studium der historischen Hilfswissenschaften, insbesondere der Diplomatik. Er besuchte viele deutsche und fremde Archive und fühlte sich auf diesem Gebiete bald so heimisch, daß er es 1846 muthig unternahm, eine „Zeitschrift für die Archive Deutschlands“ ins Leben zu rufen, die er mit Geschick und Erfolg bis zu seinem Tode herausgab. Daß das keine leichte Aufgabe war, zeigte schon der Umstand, daß sich für das Unternehmen nach ihm kein Fortsetzer fand. Die wichtigeren Archivalien des Landes, so 1849 die von Dillenburg, suchte er nach Idstein zusammen zu ziehen und hier eine wissenschaftliche Anstalt zur Eröffnung und Nutzbarmachung der geschichtlichen Quellen in weitestem Umfange zu begründen. Wenn man ihm auch von mancher Seite mehr anregende Ideen als eine mit Ausdauer und Consequenz verbundene ausführende Kraft zuschrieb, so wird er doch von kundiger Feder „als Vater der äußeren Einrichtung des Staatsarchivs zu Idstein“ bezeichnet. Gern hätte F. auch Einfluß auf den Nassauischen Alterthumsverein und dessen Veröffentlichungen gehabt; und im Interesse der Sache wäre das gewiß nur sehr zu wünschen gewesen; er erbot sich 1849 selbst, einen Theil der Arbeiten eines geschäftsführenden Secretärs des Vereins zu übernehmen. Aber der damalige Vereinssekretär, Archivar Habel, der verdienstliche Gründer und vorzüglichste Förderer des Museums der Alterthümer zu Wiesbaden, wachte eifersüchtig darüber, keinem Anderen Mitwirkung bei den Vereinsarbeiten zu gestatten; er suchte in einseitigster Weise die Mittel nur für Ausgrabungen und die Alterthumssammlung zu verwenden, jede Veröffentlichung von Archivalien aber, die F. erstrebte, zu verhindern. Es erhob sich gegen diese Vereinsverwaltung seit 1845, besonders seit 1849 eine lebhafte Opposition, als deren Mittelpunkt F. galt. Es kam zu höchst unerquicklichen Streitigkeiten theils im Verein, theils in der Presse, die den Verein der Auflösung nahe brachten. Sie endeten 1851 damit, daß Habel nicht wieder in den Vorstand gewählt wurde. Kam auch F. nicht in ihn hinein, so war doch jetzt das Feld für seine Bestrebungen frei, und er würde wohl noch viel Verdienstliches für die nassauische Landesgeschichte gewirkt haben, wenn nicht der Tod schon am Morgen des 2. Mai 1853 seiner rastlosen Arbeit ein Ziel gesetzt hätte. Er hinterließ eine Wittwe mit fünf Söhnen und zwei Töchtern. – F. war nicht so sehr eine schöpferische, wie eine sammelnde und aufnehmende Natur. Seinen sehr zahlreichen Schriften, die staunenswerthe Arbeitskraft und großen Fleiß bezeugen, wird mehr praktisch-pädagogischer als wissenschaftlicher Werth zugesprochen. Sie sind verzeichnet in den „Allgem. Umrissen der Verfass. des Gesammtgymnasiums zu Br.“, S. 21; Koldewey, Verzeichniß der Directoren und Lehrer des Gymnasiums Martino-Kathar. zu Br., S. 1; Pökel, Philol. Schriftsteller-Lexikon, S. 84; Annalen d. Vereins f. Nass. Alterthumsk., Bd. 11, S. 288 ff.

Vgl. Conversations-Lexikon der neuesten Zeit u. Litteratur (1833), Bd. II, S. 106 f. – Brockhaus’ Conversations-Lexikon, 9. Aufl., 5. Bd. (1844), S. 594 ff. – K. Schwartz, Beiträge z. Gesch. d. nass. Alterthumsvereins (Nassauer Annalen, Bd. 11, Wiesbaden 1871), S. 285 ff. – Fr. Koldewey, Gesch. des Realgymnasiums zu Br. (1885), S. 11 ff.; Br. Schulordnungen Bd. I, S. CLI ff. – (E. Bernhardt), Zur Geschichte des Gymnasiums zu Weilburg (1890), S. 6 ff. – W. H. Riehl, Kulturgeschichtl. Charakterköpfe (1891), S. 1–56.