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ADB:Frischbier, Hermann

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Artikel „Frischbier, Hermann“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 151–152, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frischbier,_Hermann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:23 Uhr UTC)
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Frischbier: Hermann F., Volkskunde-Forscher, wurde am 10. Januar 1823 zu Königsberg O.-Pr. geboren. Daß er der gediegenste Freund, Kenner und Bearbeiter des ostpreußischen Volksthums werden konnte, dazu wirkten die äußeren Lebensumstände entscheidend mit. Der Vater ein schlichter Maurer, die im Elternhause allein gebrauchte Sprache Plattdeutsch, der Wohnort während der ganzen Jugend und später das Mannesalter hindurch Königsberg: kein Wunder, daß dieser echte Sohn des ostpreußischen Volkes für dessen Art, Sprache, Sitte Herz, Auge und Ohr offen hielt. Allerdings hub er erst in vorgerückten Jahren an, als Sammler und gar schriftstellerisch dies Gebiet zu pflegen. Nachdem er 1842 die Prüfung am Königsberger Lehrerseminar bestanden hatte, fand er Anstellung an den Stadtschulen zu Guttstadt und Heilsberg im Ermlande, bis er am 1. October 1853 in die Geburtsstadt heimkehrte, der er fürder bis zum Tode treu blieb, erst als Lehrer an verschiedenen Anstalten, seit 1872 als Rector der Altstädtischen Töchterschule. Zu Ostern 1889 trat er, mit dem Kronenorden decorirt, mit vollem Gehalt in ehrenvolle Pension und starb am 8. December 1891.

Erst die nach der amtlichen Rückkehr nach Königsberg erfolgende Bekanntschaft Frischbier’s mit dem Tribunalrath Dr. R. Resch und andern lebhaft für heimathliches Volksthum eingenommenen Männern hat in ihm die schlummernde Anlage zu emsigster Theilnahme und reger Arbeit ausgelöst. „Preußische Sprichwörter und volksthümliche Redensarten“ traten als erste seiner Sammelleistungen 1864 hervor, erlitten jedoch nach einigen Wochen polizeiliche Beschlagnahme, und die Staatsanwaltschaft, den Herausgeber, wie er sich selbst entrüstet ausdrückte, als Verbrecher behandelnd, erhob Anklage gegen ihn wegen Erregung öffentlichen Aergernisses durch Verletzung der Schamhaftigkeit. Auf Grund der Gutachten Königsberger Universitätsprofessoren, des Aesthetikers K. Rosenkranz und der Germanisten J. Zacher und O. Schade (die beide gerade damals im Amte getauscht hatten und darum beide herangezogen wurden), sprach das Landgericht F. frei, weil ein rein wissenschaftliches Werk kein öffentliches Aergerniß geben könne. So erschien denn schon Ende 1865 eine 2., vermehrte Auflage in einem anerkannten Verlage (Enslin) zu Berlin, der auch „Preußische Volksreime und Volksspiele“ (1867) übernahm. Darauf ernannte 1868 die Kgl. Deutsche Gesellschaft zu Königsberg F. zum ordentlichen Mitgliede. Die ferneren Ergebnisse seines unermüdlichen Sammelns, Ordnens und Forschens der gemach entschwindenden alten Volksüberlieferungen in Wort und Brauch enthalten: „Hexenspruch und Zauberbann. Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz Preußen“ (1870), „Preußische Sprichwörter. Zweite Sammlung. Mit einem Glossar“ (1876), „Preußische Volkslieder in plattdeutscher Mundart“ (1877), schließlich sein ausgedehntestes und vielleicht bedeutsamstes Werk „Preußisches Wörterbuch“ (1882/83), zwei [152] Bände von 422 bezw. 555 Seiten (wo, wie immer bei F., unter „preußisch“ das Platt der Provinz Ostpreußen zu verstehen ist), daneben die culturgeschichtliche Schrift über „Die Zünfte der Königsberger Junker und Bürger im Kneiphof“ (1880). Weiterhin hat F. aber seine volkskundlichen Funde und Aufzeichnungen in mehreren Zeitschriften niedergelegt, nämlich in: „Altpreußische Monatsschrift“, „Zeitschrift für deutsche Philologie“, „Die deutschen Mundarten“, „Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung“, „Wissenschaftliche Monatsblätter“ und endlich namentlich den beiden specifischen Volkskunde-Zeitschriften „Am Urdsbrunnen“ (hrsg. von H. Carstens) und „Am Urquell“ (hrsg. von Fr. Krauß).

Obwol ihn ein schweres Leiden, das ihn ja auch zum Rücktritte aus dem Lehrdienste zwang, arg störte, hat der rastlose Folklorist bis zuletzt in der „Altpreußischen Monatsschrift“ wie im „Urquell“ die Früchte seines erfolgreichen Suchens und Vergleichens vorgelegt. Wie er im letzteren Journal soeben eine Umfrage „Der Eid im Volksleben“ eröffnet, „Räthsel-Geschichten“ als Sonderrubrik der von ihm gesammelten Räthsel veröffentlicht hatte und seine Artikelserie „Ostpreußischer Alltagglaube und Brauch“ im Gange war, als er starb, andererseits sein kundiger Schüler der Apotheker Joh. Sembrzycki ebenda gerade „Ostpreußische Haus- und Zaubermittel“ und besonders „Ostpreußische Sprichwörter, Volksreime und Provinzialismen“ in directer Ergänzung der dabei eingangs von ihm hochgelobten einschlägigen Bücher Frischbier’s abdrucken ließ, so erschienen 1892 eine zweite Reihe „Preußische Volksreime und Volksspiele“, 1893 „Hundert ostpreußische Volkslieder in hochdeutscher Sprache“, aus Frischbier’s Pult im Druck von Sembrzycki überwacht. Diesen seinen treuen Jünger und Ergänzer hatte der Verblichene auch mit Ausarbeitung des Nachtrags zu seinem großen „Preußischen Wörterbuch“ beauftragt, indem er das schon aufgestapelte Material ihm einhändigte. Fleißig, genau und liebevoll hat F. in allen genannten Publicationen die Hauptmasse der sog. „traditions“ ostpreußischen Volksthums zusammengetragen und so nicht nur der Wissenschaft zugänglich gemacht, sondern auch vor dem Untergange gerettet. „Durch sie ist der Schatz des altpreußischen Volkes an Sprichwörtern, Reimen und Provinzialismen im großen und ganzen erschöpft“ urtheilt Sembrzycki, hinzufügend: „wenn ich trotzdem eine Nachlese halten konnte, … so liegt das daran, daß F., wie es ja nicht anders sein konnte, nicht in allen Gegenden der Provinz helfende Sammler fand, die eine ebensolche Aufmerksamkeit und ein gleiches Verständniß für die Sache besaßen als er selbst“. Gemäß Aussage desselben eingeweihten Gewährsmanns (der allerdings wohl masurischer Abkunft ist) hielt F. auch das polnische Volksthum (S. meint da wohl gutentheils masurisches) „lieb und werth“ und sammelte und veröffentlichte [?] „all’ die Zeiten der grimmigsten Polenfresserei [!] hindurch polnische Volkslieder, Reime, Sprichwörter u. s. w. treulich und unbeirrt, obwol er selber der polnischen Sprache nur wenig kundig war.“ Sobald erst im Verlaufe der neuerlich begonnenen Ausnutzung der bisherigen volkskundlichen Stoffsammlungen auch Frischbier’s Arbeiten verwerthet sein werden, kann deren außerordentliches Verdienst für deutsche Sprach- und Volkskunde sowie im weiteren für indogermanische Völkerpsychologie und Culturgeschichte ins rechte Licht treten.

Hauptquelle: Sembrzycki’s Nekrolog i. „Am Urquell“ III, 79 f. (vgl. desselben Bemerkungen ebd. II, 16 f. und III, 14, sowie in Bd. I–III Frischbier’sche Beiträge); vgl. ferner J. N. Weisfert, Biograph.-lit. Lexikon f. Königsberg u. Ostpreußen S. 67 (u. 215), Kürschners Dtsch. Literaturkldr. (z. B. XII, 235), Jahresberichte d. Königsb. Städt. Töchterschule 1890 u. 1892.